Das Schiff nimmt Fahrt auf. Ein Besuch im Haus des Rundfunks in Berlin Charlottenburg.

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1 Das Schiff nimmt Fahrt auf Ein Besuch im Haus des Rundfunks in Berlin Charlottenburg. Am 29. März trafen sich 18 Mitglieder der Berliner Sektion des VDT zu einem Besuch im Haus des Rundfunks. Unser Gastgeber Peter Avar, seines Zeichens Produktionsingenieur mit Schwerpunkt Hörspiel und Feature, begrüßte uns im beeindruckenden Lichthof des historischen Gebäudes.(Bild 1) Das Haus wurde als erstes Funkhaus weltweit im Jahre 1931 eröffnet, gebaut nach den Plänen von Professor Hans Poelzig. Es hat eine 156 Meter lange Front, an deren Enden sich je ein gebogener Gebäudeteil anschließt, die sich in der Mitte treffen und so ein stumpfes Dreieck bilden, das dem Bug eines Schiffes ähnelt. (Bild 2) Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges war das Funkhaus in Betrieb. Nach Ende des Krieges wurde das Haus von den Sowjets besetzt und zum sowjetischen Hoheitsgebiet erklärt. Ab Mai 1945 sendete der Berliner Rundfunk aus der Masurenallee, ein Programm, das stark unter dem Einfluss der sowjetischen Besatzer stand verließen der Berliner Rundfunk und die sowjetischen Kontrolloffiziere das Gebäude nach vollständiger Demontage der technischen Einrichtung. Bereits nach dem Krieg gelangte ein Teil des wertvollen Musikarchivs als Kriegsbeute in sowjetische Hände. Nach der Renovierung zog der SFB, Sender Freies Berlin, im Jahr 1957 ein Erste Station unseres Rundganges ist der kleine Sendesaal, eine von den drei Produktionseinheiten, die im Innenhof des Gebäudes erstellt wurden. Schon 1931 war man sich um die Bedeutung des Schallschutzes für Hörfunkproduktionsstudios bewusst. Das Hauptgebäude, das Bug des Schiffes, umschließt somit die drei Produktionsflügel. Der kleine Sendesaal ist seit 1931 nahezu unverändert. Von hier aus wurde in den 30er und 40er Jahren das Programm ausgestrahlt. (Bild 3) So gut wie nichts wurde damals vorproduziert, fast jede Sendung wurde live gesendet. Die Wandverkleidungen des kleinen Sendesaals bestehen aus drehbaren Paneelen, die eine schallharte und eine schallschluckende Oberfläche aufweisen, um so den Raum unterschiedlichen akustischen Forderungen anpassen zu können. Heute wird dieser Saal noch immer zur Aufzeichnung von Kammermusik genutzt und erfreut sich auf Grund seiner Akustik großer Beliebtheit bei den Produktionsingenieuren. Hinter diesem Saal ist ein Studio für Tanzmusik, Jazz- und Popproduktionen angegliedert. Beide Studios sind durch zwei übereinanderliegende Regieräume getrennt. Technisch ausgestattet sind die Regien mit Pro Tools und Pyramix Systemen. Als Konsole dient im Musikstudio ein SSL C200. Unser Rundgang führt uns als nächstes in die Regie des großen Sendesaals. (Bild 4) Diese Regie ist vor 2 Jahren erneuert worden. Aus bautechnischen Gründen kann der Regieraum nicht vergrößert werden. Er ist als analoge, ein SSL Duality Pult ist im Einsatz, Stereoregie konzipiert. Die Regie hat eine neutrale Akustik, sodass sie von den Ingenieuren auch als Referenzabhörraum für unterschiedlichste Produktionen genutzt wird. Der Saal dient heute hauptsächlich als Proberaum für das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und für Orchesteraufnahmen. Live Veranstaltungen finden leider zu wenige statt. In diesem Saal wurde übrigens die erste Stereoaufnahme im Jahr 1943 durchgeführt. Wir betreten nun den Hörspiel- Produktionskomplex. (Bild 5) An dieser Stelle sei Peter Leonhard Braun erwähnt, ein Pionier in der Entwicklung und Produktion des Radiofeatures, eine dokumentarische Sendeform, die durch Verwendung von Stereo-O-Tönen ein besonderes radiophones Erlebnis beschert. Dem damaligen SFB kam so die führende Rolle in der Feature Produktion in der ARD zu. Heute werden hier 15 Hörspiele und Featuresendungen pro Jahr produziert. Im Jahre 2003 wurde diese Produktionsstätte komplett umgebaut und den modernen Produktionsbedingungen angepasst. Herzstück sind zwei Regieräume mit identischer technischer Ausstattung. Produziert wird mit Pro Tools Systemen, übrigens als erste ARD Anstalt, bereits seit

2 1993. Ein 5.1 Abhörsystem ist in beiden Regieräumen installiert. Leider wird die Produktion im 5 Kanal Verfahren weder von der Programmdirektion noch von der Intendanz weiter gefordert noch gefördert. Den Regien sind 4 Aufnahmeräume angegliedert. Ein sehr großer Aufnahmeraum, der auch für kleinere Publikumsveranstaltungen, wie den Prix Europa, genutzt wird. (Bild 6) Überbleibsel des alten Hörspielstudios ist die große Treppe mit verschiedenen Belägen. Es folgen zwei mittlere Aufnahmeräume, von denen einer mit drehbaren Wandelementen verkleidet ist, die eine schallharte und eine schallschluckende Oberfläche haben. (Bild 7) Als letztes betreten wir das reflektionsarme Studio, auch Schalltoter genannt. Es fällt im Gespräch miteinander sofort auf, dass aller Schall absorbiert wird und eine sehr trockene Akustik herrscht. Hier sind in den Studioboden verschiedene Böden eingelassen: Stein, Holz, Kies und Metall um unterschiedliche Gänge simulieren zu können. (Bild 8) Der gesamte Komplex ist großzügig verkabelt. Es gibt ein Bad, eine Küche verschiedene Flure, die alle zur Aufnahme genutzt werden können. Sogar ein kleiner Innenhof ist an die Regieräume angebunden. Der digitale Produktionsablauf hat sich natürlich gegenüber dem ehemals Analogen sehr verändert. (Bild 9) Es gibt zwar in der Aufnahmephase immer noch einen Tontechniker der den Schnitt und die Buchführung, das heißt das Einzeichnen der einzelnen Aufnahmen in das Script vornimmt, die spätere Mischung ist jedoch allein dem Toningenieur und dem Regisseur überlassen. Acht Stunden Bildschirmarbeit bei höchster Konzentration fordern Kraft und Spaß an der Arbeit. Unseren Besuch beendeten wir in geselliger Runde. Der vorangegangene Besuch bot reichlich Gesprächsstoff. Carsten T. Brüse Photos: Georg Fett, Markus Przybilla Bild 1 Eingangsfoyer: Haus des Rundfunks

3 Bild 2 Modell des gesamten Komplexes Bild 3 Kleiner Sendesaal Bild 4 Großer Sendesaal

4 Bild 5 Peter Avar im großen Aufnahmeraum Bild 6 Großer Aufnahmeraum, der auch für kleinere Publikumsveranstaltungen, wie den Prix Europa genutzt wird. Bild 7 Aufnahmeraum mit drehbaren Wandelementen.

5 Bild 8 Reflexionsarmes Studio mit variablem Boden Bild 9 Bandmaschine, auch heute noch im Einsatz