RADFAHREN IN DER STADT. Ausgewählte Vorträge

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "RADFAHREN IN DER STADT. Ausgewählte Vorträge"

Transkript

1

2 BEITRÄGE ZU EINER ÖKOLOGISCH UND SOZIAL VERTRÄGLICHEN VERKEHRSPLANUNG RINGVORLESUNG SS 2013: RADFAHREN IN DER STADT Ausgewählte Vorträge Herausgeber Heinrich J. Zukal Tadej Brezina Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Technische Universität Wien

3 Herausgeber: Redaktion: Druck: Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Technische Universität Wien, A-1040 Wien Univ. Lektor Heinrich J. Zukal, MAS MSc Grafisches Zentrum HTU GmbH., A-1040 Wien ISBN Gedruckt auf BIOTOP 3 Die in den Arbeiten wiedergegebenen Abbildungen wurden von den Autoren zur Verfügung gestellt. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

4 Seite 1 Inhaltsverzeichnis Radfahren in der Stadt ein Vorwort... 5 (Josef Michael Schopf) 1 Ringvorlesungen am IVV Historisch gesehen eroberte das Fahrrad die Nähe Radfahren als Gebot der Stunde Mehr Radverkehr auch in Wien Eine Ringvorlesung auch für den Radverkehr Radfahren und Recht: Status Quo und Verbesserungsbedarf (Johannes Pepelnik) 1 Geltungsbereich der StVO Fahrradbegriff Erforderliche Ausstattung Mehrspurige Fahrräder Rennfahrräder Begriffsabgrenzung Alkoholgrenze Aktuelle Veränderungen in der StVO Exkurs Shared Space Besonderheiten / Ungleichheiten Nebeneinanderfahren in Verbänden Auswirkungen des Rechtssystems auf Radfahrer-/innen Verwaltungsübertretung / Strafe Schmerzensgeld Beispiele Reformbedarf der StVO Gesund und fit oder verunfallt und verletzt ein Balanceakt mit dem Rad? (Sylvia Titze und Paul Pfaffenbichler) 1 Gesundheitswirksame Aspekte des Radfahrens Kann die Gesundheit beim Radfahren durch die Schadstoffbelastung negativ beeinflusst werden? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit beim Radfahren durch einen Verkehrsunfall verletzt oder getötet zu werden? Wie sieht die Bilanz der gesundheitlich positiven und negativen Effekte aus? Danksagung "Wenn Sie wollen, dass ich Rad fahre, dann müssen Sie..." (Ralf Risser) 1 An wen wendet man sich hier? Die Kunden Die Kunden verstehen Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

5 Seite 2 4 Wo man im System eingreift Marketing Fakten und Gefühle Das Nahverhältnis zu einem Produkt / zu einer Idee Die Brauchbarkeit ist relevant Wer kann sich für das Radfahren einsetzen und wer muss das tun? Einige Ideen für Produkte / zu schaffende Voraussetzungen Kommunikation Anreize Verteilung (Distribution) Man muss seine Kunden kennen! Die Bedeutung eines ganzheitlichen (holistischen) Ansatzes Zum Schluss Urbane Radverkehrsplanung am Praxisbeispiel Esch-sur- Alzette/Luxemburg (Romain Molitor) 1 Die Ausgangslage Die Analyse des Radverkehrs Prinzipielle Herangehensweise Die Planung Die Öffentlichkeitsarbeit Die Umsetzung Wiener Fahrradverkehr und Verkehrspolitik in historischer Sicht (Sandor Bekesi) 1 Periodisierung der städtischen Radverkehrsentwicklung Bestimmungsfaktoren der Verkehrsgenese Bike Sharing Systeme (Hans-Erich Dechant) 1 Geschichte der öffentlichen Fahrradverleihsysteme Die Erfindung des Bike-Sharing Ausbau und Vergrößerung Verdichtung des Stationen-Netzwerkes Verteilung der Räder über die Stadt Garagen und Highways: Ein Best-of Parken und Fahren (Tadej Brezina) 1 Parken Fahren Conclusio Die Vortragenden TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

6 Seite 3 Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

7 Seite 4 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

8 Seite 5 Radfahren in der Stadt ein Vorwort Josef Michael Schopf Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

9 Seite 6 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

10 Seite 7 Radfahren in der Stadt ein Vorwort Im Namen des Forschungsbereiches für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik (IVV) der TU Wien darf ich mich herzlich für Ihr Interesse an der Ringvorlesung Radfahren in der Stadt und am gleichnamigen Band der Institutsreihe bedanken, auch für das IVV besitzt der Radverkehr hohe Priorität. 1 Ringvorlesungen am IVV Der verantwortungsvolle Umgang mit Lebensgrundlagen bildet seit langem die Basis von Lehre und Forschung an unserem Forschungsbereich. Ringvorlesungen bieten die Möglichkeit, in diesem Sinn auf spezielle Themen vertieft einzugehen und haben daher am IVV Tradition. Erst 2012 startete die Ring-VO Barrierefrei im öffentlichen Raum, schon 2008 Ethik und Technik. Radfahren in der Stadt setzte 2013 diese Tradition fort. Wieder sollte es nicht nur um die Technik, sondern um die Beziehung zwischen Verkehr, Mensch und Umwelt gehen. Die Ringvorlesung soll konkret einen Überblick über die vielen Facetten von (sub-)urbanem Radverkehr vermitteln sowie die (historische) Entwicklung und die heutige Bedeutung des städtischen Radverkehrs als Transportmittel für die Freizeit und im sozialen Kontext darstellen. 2 Historisch gesehen eroberte das Fahrrad die Nähe Bis hin zum Zeitalter der Industrialisierung bildete der Mensch als Fußgeher die Basis der Mobilität und bei der Gestaltung seines Bewegungsraumes sowie der Strukturen. Die geringe Geschwindigkeit des Fußgehers sorgte für ein organisches Wachstum der Siedlungen. Im 19. Jahrhundert trat dann mit dem Fahrrad ein neues Verkehrsmittel auf den Plan, wobei um die Wende zum 20. Jahrhundert durch die erschwinglichen Fahrradpreise eine wahre Fahrradbegeisterung ausbrach. Abbildung 1: Auch beim Fahrrad gilt: besitzen ist nicht unbedingt notwendig, auch Bike-sharing ist möglich (Foto: Schopf). Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

11 Seite 8 Im Gegensatz zum Auto öffnete das Fahrrad lediglich den lokalen Raum. Der Radfahrer konnte sich über die Zugänglichkeit der Nähe erfreuen [1] und sich als Herr über die Heimat fühlen. Die damit verbundene kleinteilige Mobilität hat die Fußgeherstrukturen nicht zerstört, jedoch den lokalen Aktionsraum beträchtlich erweitert. Das Fahrrad machte dem Fußgeher sozusagen Beine, ohne dessen ökologische Qualitäten zu schmälern. Radfahren ist damit gesund, umweltfreundlich und optimal für den Innerortsverkehr geeignet. Das Rad spart als einziges Verkehrsmittel Zeit und schädigt nicht die Siedlungsstrukturen. 3 Radfahren als Gebot der Stunde Der Erfolg des Automobils und die damit einhergehende Massenmotorisierung in den vergangenen Jahrzehnten haben im Mobilitätsbereich zu einem tief greifenden Wertewandel bei der Gestaltung der Straßenräume geführt. Allerdings teilen sich speziell in Städten viele Menschen den begrenzten Raum. Diesbezüglich sind die BürgerInnen in den letzten Jahren ihrem Lebensraum gegenüber sensibler geworden und wollen die vielfältigen Umweltbelastungen durch den Verkehr bis hin zu den Treibhausgasen nicht mehr einfach hinnehmen. Zusätzlich bedeutet der motorisierte Straßenverkehr für die Kommunen gewaltige Kosten und massive Probleme. Neben den Kommunen ist auch das bmvit (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) bestrebt, den Anteil des Fuß- und Radverkehrs an der Verkehrsmittelwahl durch Verbesserung der Rahmenverbindungen für diese Verkehrsarten zu erhöhen. [2] Abbildung 2: Das Fahrrad als Gebot der Stunde wirft seine Schatten voraus (Foto: Schopf). Der Personenverkehr in Österreich ist durch kurze Wege gekennzeichnet. Etwa 50% aller Wege sind kürzer als 5 km und damit prädestiniert für den Radverkehr. Aber auch bei der intelligenten Verknüpfung von Verkehrssystemen [3] hat der Radverkehr seine Chancen. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

12 Seite 9 Abbildung 3: Radverkehr intermodal, hier gemeinsam mit dem öffentlichen Verkehr (Foto: Schopf). Dementsprechend bietet die österreichische Verkehrspolitik innovative Lösungen die Fahrradmobilität zu stärken, wie zum Beispiel mit dem Fahrradpaket. So gibt es erstmals in Österreich die Möglichkeit, Fahrradstraßen oder Begegnungszonen zu implementieren. 4 Mehr Radverkehr auch in Wien Die Stadt Wien [4] erwartet durch mehr Radverkehr mehr Lebensqualität in der Stadt. Dementsprechend möchte die Stadt Wien Radfahren noch attraktiver machen und den Radverkehrsanteil am gesamten Verkehrsaufkommen in Wien bis 2015 verdoppeln. Gelingen kann dies, gemessen an ausländischen Beispielen, allerdings nur auf der Basis einer entsprechenden Infrastruktur und nicht auf Sparquerschnitten oder auf Kosten der Fußgeher. Abbildung 4: Eine attraktive Infrastruktur bildet die Basis des Radverkehrs (Foto: Schopf). Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

13 Seite 10 Wenn es um die Planung von Radwegenetzen und insgesamt um die Integration des nicht motorisierten Verkehrs in den öffentlichen Raum geht, sind die österreichischen Gemeinden gefordert. Sie sorgen im Zuge der lokalen Verkehrsplanung dafür, dass es ausreichende Verkehrsflächen für Rad fahrende Personen gibt. Auch örtliche Entwicklungskonzepte müssen die Interessen der Nichtmotorisierten berücksichtigen. Zusätzlich ist bei der Siedlungsplanung einerseits und in der Folge bei der Straßenplanung andererseits schon in der Planungsphase auf die spätere Befahrbarkeit des Erschließungsraumes durch den Radverkehr zu achten. Einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Radverkehrs leisten weiters Radabstellanlagen z.b. an Stationen des ÖV oder in Wohnhausanlagen. Die jeweiligen Bauordnungen der österreichischen Bundesländer können hier einige Bundesländer tun dies bereits Bestimmungen vorsehen, um die Gestaltung dieser Verkehrsflächen auf Privatgrund zu regeln. Damit die Gestaltung der Radinfrastruktur verkehrssicher und technisch auf dem letzten Stand ausgeführt ist, können die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) bei der Projektierung herangezogen werden. Für den Radverkehr ist dies die RVS Radverkehr (Februar 2014). Die RVS ist allerdings nur als Grundlage für eigenständige und mit Sachkenntnis durchgeführte Planungen zu verstehen und anzuwenden, ein weitgreifendes Verständnis für das Thema Radfahren erleichtert die Anwendung jedenfalls. Abbildung 5: Radabstellmöglichkeiten sind ein wesentlicher Teil der Radinfrastruktur [5] (Foto: Schopf). 5 Eine Ringvorlesung auch für den Radverkehr Als das IVV vor 7 Jahren die erste Ringvorlesung plante, wussten wir nicht, mit welcher Nachfrage wir rechnen konnten wie groß sollte z.b. der Hörsaal sein? Auch bei Radfahren in der Stadt standen wir vor diesen Fragen. Immerhin fand 2013 die Velo-City Konferenz in Wien statt und zusätzlich wurde das Jahr 2013 von der Stadt Wien als Radjahr proklamiert. [6] Zumindest bei Insidern sollten diese Umstände eine gute Basis sein und auch für die Stadt Wien Rückenwind bezüglich Werbung für den Radverkehr mit sich bringen. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

14 Seite 11 Alle Ringvorlesungen werden für sämtliche Disziplinen der Technischen Universität Wien und für sonstige InteressentInnen angeboten. Die Nachfrage für Radfahren in der Stadt war in der Folge überwältigend und in dieser Quantität nicht erwartet. Insgesamt haben 2013 etwa 300 TeilnehmerInnen die Lehrveranstaltung abgeschlossen. Jede Woche platzte der Hörsaal aus allen Nähten ein Beweis für die Qualität der Vorträge und das große Interesse der Studentinnen und Studenten. In der Ringvorlesung konnten und können wir das Thema Radverkehr aus vielerlei Blickwinkeln durch führende Fachleute beleuchten und die verschiedensten Aspekte urbanen Radfahrens darstellen. Im Namen des Forschungsbereichs für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik sowie der Organisatoren der Ringvorlesung möchte ich mich auf diesem Weg bei allen Vortragenden für Ihre Mühe und die eindrucksvollen Vorträge herzlich bedanken. In diesen Dank möchte ich ganz besonders Univ.-Ass. DI Tadej Brezina von unserem Institut einschließen, der die Ringvorlesung zum Thema Radfahren ins Leben rief und zusätzlich für die Organisation zuständig war und ist auch für die Werbung. Er war damit sowohl letztes Jahr wie auch heuer äußerst erfolgreich. Weiterer Dank gebührt Dr. Paul Pfaffenbichler, der an der Konzeption und Organisation maßgeblich beteiligt war. Ich denke, dass die BesucherInnen von Radfahren in der Stadt ihr Kommen nicht bereut haben und auch heuer nicht bereuen werden. In diesem Sinn wünsche ich eine ergiebige Ringvorlesung auch für das Sommersemester Wien, im April 2014 J.M. Schopf Quellen [1] Sachs, W. (1984); Die Liebe zum Automobil. Rowohlt Verlag. Reinbeck bei Hamburg. [2] [3] [4] [5] RVS Organisation und Anzahl der Stellplätze für den Individualverkehr (Mai 2008) [6] Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

15 Seite 12 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

16 Seite 13 Radfahren und Recht: Status Quo und Verbesserungsbedarf Johannes Pepelnik Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

17 Seite 14 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

18 Seite 15 Radfahren und Recht: Status Quo und Verbesserungsbedarf 1 Geltungsbereich der StVO Die Straßenverkehrsordnung gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Für Straßen ohne öffentlichen Verkehr gilt dieses Bundesgesetz insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter/-innen nichts anderes bestimmen. Die Befugnisse der Behörden und Organe der Straßenaufsicht erstrecken sich auf diese Straßen nicht. 2 Fahrradbegriff Gem. 2 Abs. 1 Z 22 StVO ist ein Fahrrad a) ein Fahrzeug, das mit einer Vorrichtung zur Übertragung der menschlichen Kraft auf die Antriebsräder ausgestattet ist; b) ein Fahrzeug nach lit. a, das zusätzlich mit einem elektrischen Antrieb gemäß 1 Abs. 2a KFG 1967 ausgestattet ist (Elektrofahrrad); c) ein zweirädriges Fahrzeug, das unmittelbar durch menschliche Kraft angetrieben wird (Roller); oder d) ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug, dessen Antrieb dem eines Elektrofahrrads im Sinne des 1 Abs. 2a KFG 1967 entspricht. 3 Erforderliche Ausstattung (1) mit zwei voneinander unabhängig wirkenden Bremsvorrichtungen, mit denen auf trockener Fahrbahn eine mittlere Bremsverzögerung von 4 m/s 2 bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 20 km/h erreicht wird; (2) mit einer Vorrichtung zur Abgabe von akustischen Warnzeichen; (3) mit einem hellleuchtenden, mit dem Fahrrad fest verbundenen Scheinwerfer, der die Fahrbahn nach vorne mit weißem oder hellgelbem, ruhendem Licht mit einer Lichtstärke von mindestens 100 cd beleuchtet; (4) mit einem roten Rücklicht mit einer Lichtstärke von mindestens 1cd; (5) mit einem weißen, nach vorne wirkenden Rückstrahler mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm 2 ; der Rückstrahler darf mit dem Scheinwerfer verbunden sein; (6) mit einem roten, nach hinten wirkenden Rückstrahler mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm 2 ; der Rückstrahler darf mit dem Rücklicht verbunden sein; (7) mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen; diese können durch gleichwertige Einrichtungen ersetzt werden; (8) mit Reifen, deren Seitenwände ringförmig zusammenhängend weiß oder gelb rückstrahlend sind, oder an jedem Rad mit mindestens zwei nach beiden Seiten wirkenden gelben Rückstrahlern mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm 2 oder mit anderen rückstrahlenden Einrichtungen, die in der Wirkung den zuvor genannten entsprechen; (9) wenn das Fahrrad für den Transport mehrerer Personen bestimmt ist, für jede Person mit einem eigenen Sitz, mit einer eigenen Haltevorrichtung und eigenen Pedalen oder Abstützvorrichtungen. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

19 Seite 16 Bei bestimmungsgemäßer Verwendung von Fahrrädern abseits der Fahrbahn muss die Bremsverzögerung unbeschadet des Abs. 1 Z 1 einen Wert erreichen, der einen sicheren Gebrauch des Fahrrades gewährleistet. Sofern Scheinwerfer oder Rücklicht mit einem Dynamo betrieben werden, gilt Abs. 1 Z 3 und Z 4 mit der Maßgabe, dass die dort genannte Wirkung ab einer Geschwindigkeit von 15 km/h erreicht werden muss. Bei Tageslicht und guter Sicht dürfen Fahrräder ohne die in Abs. 1 Z 3 und 4 genannte Ausrüstung verwendet werden. Bei Tageslicht und guter Sicht ist keine Lichtanlage mehr vorgeschrieben; F-VO 1 Abs. 4. D. h. man braucht weder Scheinwerfer noch Rücklicht, jedoch alle vorgeschriebenen Reflektoren! Der Handel ist jedoch verpflichtet, mit dem Verkauf eines jeden Fahrrades eine Lichtanlage mitzuliefern. 4 Mehrspurige Fahrräder Es müssen jeweils zwei Rücklichter und Rückstrahler in gleicher Höhe so angebracht sein, dass sie die seitliche Begrenzung des Fahrrades erkennen lassen; (1) die Bremsen müssen auf alle Räder und innerhalb einer Achse gleichzeitig und gleichmäßig wirken; (2) wenn das Fahrrad für den Transport mehrerer Personen bestimmt ist, muss abweichend von 1 Abs. 1 Z 9 F-VO für jede beförderte Person lediglich ein eigener Sitz vorhanden sein. 5 Rennfahrräder Als Rennfahrrad gilt ein Fahrrad mit folgenden technischen Merkmalen: (1) Eigengewicht des fahrbereiten Fahrrades höchstens 12 kg; (2) Rennlenker; (3) äußerer Felgendurchmesser mindestens 630 mm und (4) äußere Felgenbreite höchstens 23 mm. Rennfahrräder dürfen ohne die in 1 Abs. 1 Z 2 bis 8 genannte Ausrüstung in Verkehr gebracht werden; bei Tageslicht und guter Sicht dürfen Rennfahrräder ohne diese Ausrüstung verwendet werden. 6 Begriffsabgrenzung 6.1 Überholen Überholen ist das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug. Nicht als Überholen gelten das Vorbeibewegen an einem auf einem Verzögerungs- oder Beschleunigungsstreifen fahrenden Fahrzeug oder an auf Radfahrstreifen fahrenden Radfahrer/-innen. Hierbei handelt es sich vielmehr um Nebeneinanderfahren. Überholen darf man nur links Ausnahme: Schienenfahrzeuge bei ausreichendem Abstand und links eingeordnete Linksabbieger. Beim Überholen muss ein ausreichender Abstand zu dem zu überholenden Fahrzeug eingehalten werden. Wie groß der Seitenabstand zwischen dem Überholenden und dem Überholten sein muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Nach der Judikatur (2 Ob 25/87), ist bei normalen Sicht-, Witterungs-, Straßen-, und Verkehrsverhältnissen beim Überholvorgang ein Seitenabstand von TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

20 Seite 17 einem Meter grundsätzlich ausreichend. Wird jedoch ein einspuriges Fahrzeug überholt, wird mit hoher Geschwindigkeit überholt, oder liegt gar beides vor, dann ist ein größerer Seitenabstand einzuhalten, da das Überholen mit hoher Geschwindigkeit ein größeres Gefahrenpotenzial birgt und einspurige Fahrzeuge eine geringere Spurstabilität haben als mehrspurige Fahrzeuge und jederzeit ein Ausschwenken möglich ist. 6.2 Nebeneinanderfahren Das Nebeneinanderfahren von Fahrzeugreihen, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, auf Fahrbahnen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung und das Nebeneinanderfahren, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, im Sinne des 7 Abs. 3a StVO gelten ebenfalls nicht als Überholen. 6.3 Vorbeifahren Vorbeifahren ist das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindenden, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache. Vorbeifahren ist nur erlaubt, wenn dadurch andere Straßenbenützer/-innen nicht gefährdet oder behindert werden. Vorbeigefahren werden darf sowohl auf der rechten Seite als auch auf der linken Seite. Wie beim Überholen hängt der ausreichende Seitenabstand von den Umständen des Einzelfalles ab. Es kann jedoch beim Vorbeifahren grundsätzlich ein geringerer Seitenabstand, als er beim Überholen angemessen wäre, eingehalten werden. Auch hier ist wiederum beim Vorbeifahren an einspurigen Fahrzeugen und beim Vorbeifahren mit hoher Geschwindigkeit ein größerer Seitenabstand einzuhalten. 6.4 Vorfahren Vorfahren ist eine Sonderform des Vorbeifahrens. Müssen Fahrzeuge vor Kreuzungen, Straßenengen, schienengleichen Eisenbahnübergängen und dergleichen angehalten werden, so dürfen die Lenker/-innen einspuriger, später ankommender Fahrzeuge nur dann neben oder zwischen den bereits angehaltenen Fahrzeugen vorfahren, um sich mit ihren Fahrzeugen weiter vorne aufzustellen, wenn für das Vorfahren ausreichend Platz vorhanden ist und die Lenker/-innen von Fahrzeugen, die ihre Absicht zum Einbiegen angezeigt haben, dadurch beim Einbiegen nicht behindert werden. Als Radfahrer/-innen können Sie, wenn eine Situation vorliegt, die das Vorfahren gestattet (rote Ampel etc.) sowohl links als auch rechts an den Fahrzeugen vorfahren. Auch das Vorschlängeln (abwechselnd links, rechts, vor oder hinter Fahrzeugen vorfahren), dies aber nur mit Schrittgeschwindigkeit, ist erlaubt. Dem Gesetz ist im Unterschied zum Überholen und zum Vorbeifahren keine Verpflichtung zur Einhaltung eines Seitenabstands zu entnehmen. Dass kein Seitenabstand einzuhalten ist wird aber wohl nur beim Vorschlängeln zutreffend sein, beim normalen Vorfahren hat der OGH in einer Entscheidung (2 Ob 262/05a) sehr wohl geprüft, ob das vorfahrende Mofa einen ausreichenden Seitenabstand eingehalten hat und das in diesem Fall (hier wurden 45 cm bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h 25 km/h eingehalten) bejaht. Zu Ihrer eigenen Sicherheit würde ich stets zu einem Sicherheitsabstand anraten. Achtung: Wenn Sie rechts an der Kolonne vorfahren und sich diese wieder in Bewegung setzt, müssen Sie zwar nicht sofort anhalten, jedoch dürfen Sie nicht schneller fahren als die Fahrzeuge der Kolonne, da Sie ansonsten unzulässiger Weise rechts überholen (2 Ob 262/05a) 2:1 Verschulden zugunsten eines hiergegen verstoßenden Mofafahrers, der mit einem plötzlich rechts zufahrenden KFZ zusammenstieß. Wenn Sie also rechts vorfahren, Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

21 Seite 18 achten Sie darauf, dass Sie nicht schneller fahren als die wieder losfahrenden Fahrzeuge links neben Ihnen. Fahren Sie links vor, so müssen Sie dies nicht beachten, da Sie dann ordnungsgemäß links überholen könnten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Sie sich bei fließendem Verkehr so weit rechts wie gefahrlos möglich ist, einzuordnen haben. Fließender Verkehr wird wohl nicht vorliegen wenn sich bei einem Stau die Kolonne nur wenige Meter fortbewegt. Lockert sich die Kolonne und besteht damit die Möglichkeit, dass die Fahrzeuge der Kolonne auf mehr als wenigen Metern schneller fahren als Sie und Sie somit nicht überholen können, so werden Sie sich wieder rechts einordnen müssen. 7 Alkoholgrenze Die Grenze liegt bei 0,8. Wird diese überschritten, erfolgt keine Unterscheidung mehr zwischen Autofahrer/-innen und Radfahrer/-innen. Dies ist verfassungsrechtlich sehr bedenklich! Verwaltungsstrafe; 0,8 1,6 = ,- EUR; über 1,6 und Verweigerung des Alkotests = bis zu 5.900,- EUR; Lenkverbot; Zwangsmaßnahmen; Entzug der Lenkerberechtigung; Sonstige Rechtsverluste. 8 Aktuelle Veränderungen in der StVO 8.1 Radwegbenützungspflicht Abbildung 6, links: 53/27 "Radweg ohne Benützungspflicht", rechts: 53/29 Ende eines Radwegs ohne Benützungspflicht ; Quelle: In Einzelfällen wird die Aufhebung der Radwegbenützungspflicht erlaubt. Es wird nun der Behörde ermöglicht, einzelne Radwege von der Benützungspflicht auszunehmen, wo es die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs erlauben und somit das Fahrbahnverbot für Radfahrer/- innen aufzuheben. Die Radwege und Geh- und Radwege können von den Radfahrer/-innen benützt werden, sie sind jedoch nicht verpflichtet. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

22 Seite Fahrradstraßen Abbildung 7, links: 53/26 "Fahrradstraße", rechts: 53/29 Ende einer Fahrradstraße ; Quelle: Künftig dürfen Straßenerhalter/-innen eigene Fahrradstraßen schaffen. Fahrradstraßen sind Straßen oder Straßenabschnitte, die Fußgänger/-innen und Radfahrer/-innen vorbehalten sind. Autos sind hier nur ausnahmsweise etwa für Zu- und Abfahren erlaubt. Ob und wo solche Fahrradstraßen tatsächlich geschaffen werden, obliegt den Städten und Gemeinden, die die örtlichen Gegebenheiten am besten kennen. 8.3 Telefonieren Am Fahrrad soll ein Handyverbot gelten, telefonieren mit Freisprecheinrichtung bleibt erlaubt. Das Strafausmaß orientiert sich an den Strafen für Telefonieren im Auto ohne Freisprechanlage (50 EUR). 8.4 Begegnungszonen Abbildung 8, links: 53/9e "Begegnungszone", rechts: 53/9f "Ende einer Begegnungszone"; Quelle: Das sind Bereiche, die von Fahrzeugen und Fußgängern gleichberechtigt im Mischverkehr genutzt werden können. Wichtig dabei ist: Vorrang haben grundsätzlich die schwächsten Verkehrsteilnehmer/-innen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt dort 20 km/h, nur im Ausnahmefall und wenn keine Verkehrssicherheitsbedenken dagegen stehen, sind auch 30 km/h erlaubt. Als Begegnungszone wird in dieser Novelle eine für die gemeinsame Nutzung durch Fahrzeuge und Fußgänger bestimmte und als solche gekennzeichnete Fahrbahn bezeichnet, die eine Förderung des Radverkehrs und eine Gleichstellung der verschiedenen Verkehrsteilnehmer/-innen zum Ziel hat. Sowohl der Anfang als auch das Ende einer solchen Begegnungszone wird durch Schilder gekennzeichnet. Fahrzeuge und Fußgänger/-innen dürfen diese Zone benutzen, jedoch müssen sie in erhöhtem Ausmaß Rücksicht aufeinander neh- Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

23 Seite 20 men und jegliche mutwillige Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrseilnehmer/-innen unterlassen. Diesbezüglich werden gegenseitige Gefährdungs- und Behinderungsverbote festgelegt. Dem Konzept liegt die Idee einer Begegnung der Verkehrsteilnehmer/-innen auf einer gleichen, rechtlichen Ebene zugrunde. Somit soll sowohl für Fußgänger/-innen als auch für Radfahrer/-innen ein attraktives Verkehrsumfeld geschaffen werden. Diese Begegnungszone setzt einen außergewöhnlichen Grad der Interaktion und Aufmerksamkeit zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer/-innen voraus und fördert somit die gegenseitige Rücksichtnahme untereinander. In Begegnungszonen haben die Fahrzeuglenker/-innen von ortsgebundenen Gegenständen oder Einrichtungen einen entsprechenden Abstand zu halten und dürfen eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h nicht überschreiten. Ebenso dürfen Radfahrer/-innen von Kraftfahrzeugen nicht gefährdet werden. Aufgrund der Mischverkehrsfläche soll das Halten nur an gekennzeichneten Stellen erlaubt sein. Dies deshalb, weil aufgrund des erlaubten Durchzugsverkehrs und der höheren Geschwindigkeit einer Freihaltung des Sichtraums höhere Bedeutung zukommt. 9 Exkurs Shared Space Das Shared Space Konzept versucht an die Verantwortung der einzelnen Verkehrsteilnehmer/-innen zu appellieren. Der Mangel von einer hohen Zahl an Verkehrszeichen soll die Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer/-innen stärken. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass ein Straßenraum ohne Regeln jedenfalls im Spannungsverhältnis des Legalitätsprinzips und des Bestimmtheitsgebotes steht. Daher wird zumindest der Anfang und das Ende eines solchen Raumes einer Verordnungskundmachung bedürfen, die die Verkehrsteilnehmer/-innen darauf hinweist, dass nunmehr eben ein derartiger Verkehrsbereich beginnt. Da die Straßenverkehrsordnung grundsätzlich auf allen öffentlichen Verkehrsflächen gilt, muss die Regelung innerhalb der Straßenverkehrsordnung angesiedelt sein. Insoweit ist die Diskussion des Shared Space Konzepts im politischen Raum jedenfalls falsch, als es ein Regime ohne Regeln sein soll. Ein derartiges Konzept wäre rechtlich nicht durchsetzbar. Auch die im In- und Ausland tatsächlich umgesetzten Shared Space Konzepte sind nicht solche ohne Regeln. Das Konzept des Shared Space folgt somit im breiteren Rahmen dem bereits früher geforderten Paradigma der Aufhebung der Radwegebenützungspflicht. Die Radwege, die abseits der Straßen und somit visuell nicht sichtbar von Autofahrer/-innen geplant und errichtet worden sind, haben zumindest in den Kreuzungsbereichen das Radfahren nicht sicherer gemacht. Radfahrer/-innen auf dem Radweg wiegen sich in der vermeintlichen Sicherheit, dass sie am autozentristischen Verkehrsgeschehen nicht teilnehmen, während Autofahrer/-innen auf die Straße fokussiert sind und im Wesentlichen andere Verkehrsteilnehmer/-innen wie beispielsweise Radfahrer/-innen ausschließlich als Hindernis wahrnehmen. Diese wechselseitigen Ausblendungen der anderen Verkehrsteilnehmer/-innen führen an Kreuzungsbereichen zu Überraschungen. Wird der Radweg nunmehr auf die Straße verlagert, sehen sich die Verkehrsteilnehmer/-innen, wenn auch nicht immer gerne, nehmen aber hier wechselseitig Rücksicht, da die absichtliche Körperverletzung bei der Verkehrsteilnahme glücklicherweise noch untergeordnet ist. Die sich daraus resultierende Forderung der Aufhebung der Radewegebenützungspflicht wurde in einigen europäischen Ländern bereits umgesetzt und wird nunmehr in Österreich im Rahmen des Unterausschusses Radverkehr diskutiert und führte im Rahmen der letzten StVO-Novelle zumindest zu einer wesentlichen Aufweichung der derzeitigen Benützungspflicht. Wie bereits erwähnt, ermöglicht die mit März 2013 in Kraft tretende StVO- Novelle, dass jede/r Straßenerhalter/-in oder zumindest die Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich entscheiden können, inwieweit sie die Benützungspflicht aufheben wollen oder nicht. Rechtlich zuständig für die Umsetzung eines Shared Space Projektes sind diejenigen Behörden und diejenigen Verordnungsgebietskörperschaften, die ursprünglich die Regeln für die TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

24 Seite 21 jeweiligen Verkehrsflächen aufgestellt haben. Dieselben Gebietskörperschaften könnten ein Shared Space Konzept rechtlich umsetzen. In der Regel wird eine Verordnung samt Kundmachung zur Revision der derzeit geltenden Kundmachungen ausreichen. Insbesondere hingewiesen sei auf die Verpflichtung derartige Verordnungen turnusmäßig sowieso auf ihre Zweckmäßigkeit für die Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs hin zu überprüfen. Das in die Straßenverkehrsordnung neu aufgenommene Rücksichtsnahmegebot könnte eine Leitschnur für die Regeln auf derartigen Shared Space Verkehrsflächen darstellen, allerdings lassen sich auch mit dem bestehenden StVO Instrumentarium Shared Space Projekte umsetzen, ja wäre es sogar die Pflicht der Straßenerhalter/-innen zu prüfen, ob derartige Projekte nicht durch Verkehrsunfallzahlen indiziert wären. Dennoch sollten bei der Umsetzung von Shared Space Projekten einerseits großflächige Parkverbote, andererseits wenige aber deutliche Bodenmarkierungen bzw. bauliche Änderungen die Verkehrsteilnehmer/-innen darauf hinweisen, dass hier erhöhte Vorsicht geboten ist. In diesem Zusammenhang wird auch die Straßenerhaltungsbehörde von allfälligen Anpassungsansprüchen freizustellen sein, wenn die Verkehrsteilnehmer/-innen hier allenfalls Unklarheiten zeigen. Grundsätzlich geht es im Shared Space Modell jedoch darum, dass die öffentlichen Räume sich selbst erklären und durch die Absenz von Regelungen eine höhere Sicherheit geschaffen wird. 10 Besonderheiten / Ungleichheiten Personen die ihr Fahrrad schieben gelten als Fußgänger/-nnen. Differenzierung im Bereich der Alkoholgrenze nur bis 0,8 ; Parken / Halten bedarf einer Restgehsteigbreite von mind. 1,5 m. Halten: 1.) bis 10 Min., dass nicht durch verkehrsübliche Umstände erforderlich wird und 2.) das Halten zum Zweck der Durchführung einer Ladetätigkeit. Parken: wird die 10-minütige Frist überschritten, handelt es sich um Parken. Sowohl das Halten als auch das Parken von Fahrrädern und Fahrradrikschas ist in der Fußgängerzone verboten. Banketthalten: Halte- und Parkverbote gem. 24 StVO können sich ex lege nicht auf Bankette, sondern lediglich auf Fahrbahnen oder zumindest Teile von Fahrbahnen beziehen. 11 Nebeneinanderfahren in Verbänden Rechtslage: 29 Abs. 1 StVO: Geschlossene Züge von Straßenbenützer/-innen, insbesondere Kinderund Schülergruppen in Begleitung einer Aufsichtsperson, geschlossene Verbände des Bundesheeres oder des Sicherheitsdienstes (einschl. der dazugehörigen Fahrzeuge), Prozessionen und Leichenzüge, dürfen nicht von Lenker/-innen von Einsatzfahrzeugen ( 2 Abs. 1 Z 25) und wenn dies aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dringend erforderlich ist und keine andere Maßnahme ausreicht, von Organen der Straßenaufsicht unterbrochen oder in ihrer Fortbewegung behindert werden. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

25 Seite 22 Daraus folgt: Radfahrer/-innen sind Straßenbenützer/-innen, daher darf ein geschlossener Zug nicht unterbrochen werden. Aber: VwGH 91/02/0122 RS: Der 29 Abs. 1 StVO enthält keine Ausnahme von der Bestimmung des 68 Abs. 2 StVO, die das Nebeneinanderfahren von Radfahrer/-innen (ausgenommen auf Radwegen und in Wohnstraßen) verbietet. Geschlossene Züge von Fußgänger/-innen insbesondere geschlossene Verbände des Bundesheeres oder des Sicherheitsdienstes, Prozessionen, Leichenbegängnisse und sonstige Umzüge haben die Fahrbahn zu benützen. Für geschlossene Kinder- und Schüler/ -innengruppen gilt dies jedoch nur dann, wenn Gehsteige, Gehwege, oder Straßenbankette nicht vorhanden sind. Geschlossen Züge von Fußgänger/-innen dürfen über Brücken und Stege nicht im Gleichschritt marschieren. Bei der Benützung der Fahrbahn durch solche Züge gelten die Bestimmungen des II. Abschnittes sowie die Bestimmungen über die Bedeutung der Arm- oder Lichtzeichen sinngemäß. Die Rechtsprechung des VwGH zu den einzelnen Begriffen: Geschlossener Verband, setzt voraus, dass sich die einzelnen Glieder in einem engen Abstand zueinander befinden, wobei der Abstand je nach Fahrgeschwindigkeit und Fahrzeugart verschieden sein kann. Geschlossene Züge von Fußgänger/-innen nur bei Zusammengehörigkeit, nicht bloß bei dichtem Fußgänger/-innenverkehr. Geschlossen Kinder- und Schüler/-innengruppe sind bereits ab 3 Kinder gegeben. Forderungen aus Radverkehrssicht: Verbände-Bestimmung ausdrücklich auf Radfahrer/-innen erweitern! Was ist ein Verband? Anzahl der Radfahrer/-innen festlegen: Vorschlag ab 6 Personen keine Maximalgröße Erkennbarkeit des Verbandes; Was gilt für den Verband? Ausnahme von der Radwegbenützungspflicht; kein Verbot des Nebeneinanderfahrens; darf geschlossen auch z.b. über rote Ampel fahren (hängt von Größe ab); muss den rechten Fahrstreifen verwenden; muss als Verband gekennzeichnet sein. 12 Auswirkungen des Rechtssystems auf Radfahrer-/innen Laut Aristoteles bedarf es der Epikie, also der Billigkeit. Aristoteles untersuchte die Epikie in ihrer Verbindung zum Recht. Das Gesetz kann nicht alle Fälle voraussehen und deshalb kann nicht alles durch das Gesetz erfasst werden. Hier könne das Recht bei mechanischer Anwendung leicht unmenschlich und damit ungerecht werden. Das genaueste Recht könnte leicht das ungerechteste Recht werden. Die Epikie passt das Recht an die Tatsachen an und nicht umgekehrt. Milderungsgründe sind: Unbescholtenheit; ordentlicher Lebenswandel; TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

26 Seite 23 achtenswerte Beweggründe; Schuldeinsicht; Verschuldensausmaß; Rechtsirrtum; Wer sich selbst gestellt hat, obwohl er leicht hätte entfliehen können oder es wahrscheinlich war, dass er unentdeckt bleiben werde. Wer eine Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen. 13 Verwaltungsübertretung / Strafe Verwaltungsübertretung Alkoholgehalt von 0,8 mg/l oder mehr Verweigerung des Tests Verstoß gegen die StVO unter besonders gefährlichen Verhältnissen bzw. bes. Rücksichtslosigkeit geg. andere Straßenbenützer/-innen Gefährdung oder Behinderung von Fußgänger/- innen oder Radfahrer/-innen die Schutzwegen bzw. Radfahrüberfahren benutzen Lenken eines Fahrrades entgegen des Verbots gem. 59 StVO Alle Verstöße gegen die StVO und die Fahrradverordnung, die keiner anderen Strafe unterstehen Unterlassene Hilfeleistung bei einem Verkehrsunfall als Beteiligter Strafe Von 800,- bis 4.400,- EUR Bis zu 5.900,- EUR (bei Uneinbringlichkeit Arrest von 2 6 Wochen) Von 36,- bis 2.180,- EUR (bei Uneinbringlichkeit Arrest von 24 h 6 Wochen) Von 72,- bis 2.180,- EUR (bei Uneinbringlichkeit Arrest von 24 h 6 Wochen) Von 36,- bis 2.180,- EUR (bei Uneinbringlichkeit Arrest von 24 h 6 Wochen) Bis zu 726,- EUR (bei Uneinbringlichkeit Arrest bis 2 Wochen) Von 36,- bis 2.180,- EUR (bei Uneinbringlichkeit Arrest von 24 h 6 Wochen) 14 Schmerzensgeld Beispiele Rissquetschwunde am Kinn, Teilbeschädigungen von 2 Zähnen, Verstauchungen im Bereich des rechten Handgelenks des Armes sowie Hautabschürfungen Schulter ausgekugelt und das rechte Knie geprellt 850,- EUR 945,- EUR 15 Reformbedarf der StVO Vorrangregeln überarbeiten; Radfahrüberfahrt überarbeiten; RVS für verbindlich erklären; Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

27 Seite 24 kombinierte Schutzweg-Radfahrer/-innenüberfahrten einführen; Radfahren gegen Einbahnen untersuchen; Radwegbreite erhöhen: Ampelschaltungsproblem; Verbandbestimmung auf Radfahrer/-innen erweitern. Weiterführende Links StVO Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer= Fahrradverordnung Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer= Argus Versicherungsverband TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

28 Seite 25 Gesund und fit oder verunfallt und verletzt ein Balanceakt mit dem Rad? SylviaTitze und Paul Pfaffenbichler Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

29 Seite 26 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

30 Seite 27 Gesund und fit oder verunfallt und verletzt ein Balanceakt mit dem Rad? Wer dem Radfahren gegenüber positiv eingestellt ist, findet viele gute Gründe, das Fahrrad zu verwenden, um von A nach B zu gelangen: Radfahren ist umweltschonend, weil weder Treibhausgase noch Schadstoffe emittiert werden; es verursacht keinen Lärm; nimmt wenig Raum ein, verursacht keinen Stau; kostet wenig und trägt dazu bei, aktive Bewegung ins Leben zu bringen. Von vielen werden aber auch Argumente, die gegen das Radfahren sprechen, angeführt. Der Körper sei bei einem Unfall ungeschützt und die Verletzungen können daher sehr schwer sein. Häufig wird auch argumentiert, dass die während des Radfahrens eingeatmete schlechte Umgebungsluft gesundheitsschädigend sei. In diesem Beitrag wollen wir aus gesundheitlicher Sicht auf das Für und Wider des Radfahrens eingehen. Im ersten Abschnitt werden die gesundheitswirksamen Aspekte des Radfahrens beschrieben. Es wird dargestellt, welchen Einfluss körperliche Aktivität auf die Gesundheit hat. Daran anschließend wird die Bewegungsdosis des Alltagsradelns quantifiziert. Schließlich werden Studien, in welchen der Zusammenhang zwischen Radfahren und Gesundheit explizit analysiert wurde, ausgewertet und der Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung dargestellt. Im zweiten Abschnitt werden gesundheitliche negative Auswirkungen durch die Schadstoffbelastung beim Radfahren untersucht. Der dritte Abschnitt widmet sich dem Thema des Risikos, beim Radfahren durch einen Verkehrsunfall verletzt oder getötet zu werden. Abschließend werden in Abschnitt 4 die positiven und negativen Auswirkungen verschiedener Szenarien in Form gewonnener oder verlorener Lebenszeit bilanziert. 1 Gesundheitswirksame Aspekte des Radfahrens 1.1 Wie hängen körperliche Aktivität und Gesundheit zusammen? Im Jahr 2008 wurde vom U.S. Department of Health and Human Services ein Bericht über die Gesundheitswirksamkeit von Bewegung und Sport herausgegeben, der von einem Team aus internationalen Forscherinnen und Forschern erstellt wurde [1]. In diesem Bericht wird eindrücklich der positive Zusammenhang zwischen Bewegung und Gesundheit dokumentiert. Um die in Tabelle 1 dargestellten Zusammenhänge zwischen Bewegung und Gesundheit beurteilen zu können, ist es notwendig, Begriffe abzugrenzen. In Österreich werden die Begriffe körperliche Aktivität/Bewegung und Sport häufig synonym verwendet. Wenn jemand z.b. die Empfehlung erhält, er/sie solle mehr Bewegung machen, wird häufig mit dem Wort Bewegung Wettkampfsport oder zumindest leistungsorientierter Sport assoziiert. Umgekehrt ist mit der Aussage, machen Sie mehr Sport nicht unbedingt Wettkampfsport gemeint, sondern mit dieser Empfehlung könnte gemeint sein, Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen. In der englischen Sprache ist körperliche Aktivität (physical activity) ein Sammelbegriff und umfasst jede Form von Bewegung, die durch Kontraktion der Skelettmuskulatur verursacht wird und mit einem erhöhten Energieverbrauch einhergeht [1: S. C-1]. In diesem Beitrag werden die Begriffe Bewegung und körperliche Aktivität synonym und im Sinne der obigen Definition verwendet. Für die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität wird zum einen der Kontext der Bewegung berücksichtigt: Bewegung in der Freizeit, Bewegung, um von A nach B zu gelangen, Bewegung im und ums Haus und Bewegung bei der Arbeit. Zum anderen unter- Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

31 Seite 28 scheidet man in Public Health 1 zwischen Bewegungen mit leichter, mittlerer und höherer Intensität. Mittlere Intensität bedeutet, dass die Atmung etwas beschleunigt ist, während der Bewegung aber noch gesprochen werden kann. Radfahren als Verkehrsmittel wird üblicherweise mit mittlerer Intensität ausgeübt. Höhere Intensität bedeutet, dass man tief(er) atmen muss und nur noch kurze Wortwechsel möglich sind. Skilanglaufen, mit dem Rad bergauf fahren usw. werden häufig mit höherer Intensität durchgeführt. Personen, die sich regelmäßig bewegen und die Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung erfüllen, erhöhen ihre Lebensqualität und reduzieren ihr Risiko, chronisch zu erkranken (Tabelle 1). Lebenserwartung Kardiorespiratorische Fitness Muskuläre Fitness Gesunder BMI Knochengesundheit Schlafqualität Koronare Herzkrankheit Bluthochdruck Herzschlag Diabetes Typ II Dickdarmkrebs Brustkrebs Depression Legende. Verbessert diesen Gesundheitsaspekt, Abnahme des Risikos für diese Krankheit. Tabelle 1: Gesundheitseffekte von Bewegung bei Erwachsenen, in Anlehnung an: [2]. International und national gelten für gesunde Erwachsene (18 64 Jahre) folgende Bewegungsempfehlungen: Erwachsene sollten jede Gelegenheit nützen, körperlich aktiv zu sein. Jede Bewegung ist besser als keine Bewegung, weil der Wechsel vom Zustand körperlich inaktiv zum Zustand etwas körperlich aktiv ein wichtiger erster Schritt ist. Um die Gesundheit zu fördern und aufrecht zu erhalten, sollten Erwachsene mindestens 150 Minuten (2 ½ Stunden) pro Woche Bewegung mit mittlerer Intensität oder 75 Minuten (1 ¼ Stunden) pro Woche Bewegung mit höherer Intensität oder eine entsprechende Kombination aus Bewegung mit mittlerer und höherer Intensität durchführen. Idealerweise sollte die Aktivität auf möglichst viele Tage der Woche verteilt werden. Jede Einheit sollte mindestens 10 Minuten am Stück dauern. sollten Erwachsene für einen zusätzlichen und weiter reichenden gesundheitlichen Nutzen eine Erhöhung des Bewegungsumfanges auf 300 Minuten (5 Stunden) pro Woche Bewegung mit mittlerer Intensität oder 150 Minuten (2 ½ Stunden) pro Woche Bewegung mit höherer Intensität oder eine entsprechende Kombination aus Bewegung mit mittlerer und höherer Intensität anstreben. sollten Erwachsene an zwei oder mehr Tagen der Woche muskelkräftigende Bewegung mit mittlerer oder höherer Intensität durchführen, bei denen alle großen Muskelgruppen beansprucht werden 2 [3: S. 30]. 1 Das Ziel der Public Health Forschung ist, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln und zu implementieren, um Gesundheit in der Bevölkerung zu fördern bzw. zu erhalten und um Erkrankungen vorzubeugen. 2 Als generelle Sicherheitsempfehlung gilt, dass Männer und Frauen ab 35 Jahren sowie Personen mit chronischen Erkrankungen oder Übergewicht, die in der Vergangenheit keine Bewegung mit höherer Intensität durchgeführt haben und nun damit beginnen möchten, vor Trainingsbeginn mit einem Arzt oder TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

32 Seite 29 Wenn Radfahrerinnen und Radfahrer zusammenzählen, wie viele Minuten sie mit dieser Bewegungsform pro Woche verbringen, so werden sie erkennen, dass damit bereits ein guter Teil der Bewegungsempfehlungen erfüllt wird. Wenn jemand beispielsweise fünf Mal in der Woche 10 Minuten zur Schule, Universität, Arbeit oder zu Geschäften fährt und 10 Minuten für den Rückweg benötigt, dann bewegte sie/er sich bereits 100 Minuten mit mittlerer Intensität pro Woche. Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, dass die bewegungsaktive Mobilität eine ausgezeichnete zeitschonende Maßnahme ist, um regelmäßig mit zumindest mittlerer Intensität körperlich aktiv zu sein. 1.2 Dauer und Umfang der körperlichen Aktivität beim Alltagsradfahren Bevor auf jene Studien eingegangen wird, in denen die Wirkung des Radfahrens auf die Gesundheit explizit untersucht wurde, wird kurz das Radfahren selbst thematisiert. In der Stadt Graz wurde im Jahr 2005 eine repräsentative Stichprobe von Bewohnerinnen und Bewohnern im Alter zwischen 15 und 60 Jahren zu ihrem Mobilitätsverhalten interviewt. [4] Bei der Telefonbefragung wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern folgende Frage gestellt: Wenn Sie an die Wege denken, die Sie regelmäßig in der Stadt Graz zurücklegen, welchen Ort haben Sie während der letzten 7 Tage von zu Hause aus am häufigsten aufgesucht? Gemeint sind nur Orte, die zumindest 300 m bzw. 5 Gehminuten von zu Hause entfernt sind. Bei der Beantwortung der Frage: Welches Verkehrsmittel haben Sie hierfür hauptsächlich verwendet nannten rund ein Viertel der Interviewten das Fahrrad. Gesamt (N = 69) Frauen (n = 39) Männer (n = 30) M SD M SD M SD Distanz [km] 3,1 2,4 2,9 2,0 3,4 2,4 Fahrzeit [Min] 10,8 7,2 10,5 6,8 11,1 7,7 Geschwindigkeit [km/h] 17,1 4,0 15,9 3,6 18,6 3,9 Herzfrequenz [Schläge/Minute] Legende: M=Mittelwert, SD=Standardabweichung 3 Tabelle 2: Merkmale der gefahrenen Radstrecken (N = 69), in Anlehnung an [5: S. 83]. Bei einer Substichprobe (N = 69) wurden die Distanz, die Dauer der Fahrt, die Geschwindigkeit und die Herzfrequenz während der Fahrradfahrt gemessen. Von den 69 Personen waren 32 (46 %) Männer und 37 (54 %) Frauen. Das durchschnittliche Alter betrug 39 Jahre (SD = 13 Jahre). Tabelle 2 zeigt die gemessenen Daten. Vergleicht man die vor der Fahrt erfragte Länge der Strecke und die dafür benötigte Zeit, mit der objektiv gemessenen Distanz und Zeit, zeigt sich ein sehr starker Zusammenhang zwieiner Ärztin für Allgemeinmedizin bzw. mit einem Sportmediziner oder einer Sportmedizinerin ein Abklärungsgespräch führen sollten. [3: S. 33] 3 Die Standardabweichung (SD) ist ein Maß der Streuung. Wenn man vom Mittelwert die SD sowohl addiert als auch subtrahiert erhält man einen Bereich um den Mittelwert, in dem sich rund 68% der Fälle befinden. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

33 Seite 30 schen diesen beiden Informationen (r 0,93). Das bedeutet, dass Radfahrerinnen und Radfahrer bei häufig gefahrenen Strecken gut Auskunft über die Distanz und die benötigte Fahrzeit geben können. Für zukünftige Befragungen ist dieses Ergebnis von Bedeutung, weil man davon ausgehen kann, dass die Distanz- und Zeitinformationen über häufig mit dem Rad zurückgelegte Wege von den Radfahrerinnen und Radfahrern korrekt berichtet werden. 1.3 Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Radfahren und Gesundheit In einem systematischen Übersichtsartikel, für den in sieben Literaturdatenbanken bis zum Jahr 2010 nach Artikeln gesucht wurde, fanden Oja et al. [6] 16 Artikel mit Originaldaten über den Zusammenhang zwischen Radfahren und Gesundheit. Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse von Querschnitts- und Längsschnittstudien einen positiven Zusammenhang zwischen Radfahren und der Herzkreislauffitness Jugendlicher. Aus den Ergebnissen der Längsschnittstudien lässt sich ablesen, dass Radfahren das Risiko reduziert, vorzeitig zu sterben, an Krebs zu erkranken oder an Krebs zu sterben. Die Ergebnisse der Interventionsstudien werden detaillierter beschrieben, weil sie auch als Anregung für ähnliche Interventionen genützt werden können. In der Interventionsstudie eine randomisierte kontrollierte Studie von Oja et al. (1991) 4 wurde der Effekt von bewegungsaktiver Mobilität (Zufußgehen und Radfahren) auf die Herzkreislauffitness und auf das Blutfettprofil untersucht. Die Studienteilnehmerinnen und - teilnehmer waren gesunde Frauen (n = 30) und Männer (n = 38), die bisher den Weg zur Arbeit mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegten, die sich in der Freizeit nicht öfter als zweimal pro Woche bewegten und deren Distanz zur Arbeit für das Rad bzw. das Zufußgehen geeignet war. Die Intervention dauerte 10 Wochen, die durchschnittliche Distanz des Hinweges betrug 10 km, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer radelten mit 62 % bis 65 % ihrer maximalen Sauerstoffaufnahme (was bei Personen mit einem mittleren Fitnessniveau Bewegung mit höheren Intensität entspricht) und taten dies an durchschnittlich 3,8 Tagen pro Woche. Mit dieser Intervention konnte die aerobe Leistungsfähigkeit der Radfahrerinnen und Radfahrer um 7 % verbessert und im Vergleich zur Kontrollgruppe das high intensity lipoprotein (HDL) statistisch signifikant erhöht werden 5. Eine ähnliche Interventionsstudie wurde in den Niederlanden von Hendriksen et al. (2000) 6 durchgeführt. An dieser randomisierten Studie nahmen 35 Frauen und 87 Männer teil, die während 6 Monaten gebeten wurden die Strecke zur Arbeit mit dem Rad zurückzulegen. Die durchschnittliche Distanz einer Strecke betrug 8,5 km und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer radelten durchschnittlich dreimal pro Woche mit 60 % ihrer maximalen Sauerstoffaufnahme (was bei Personen mit einem mittleren Fitnessniveau Bewegung mit mittlerer Intensität entspricht). Nach der Intervention war die maximale Sauerstoffaufnahme (ein sehr guter Indikator für die aerobe Fitness) bei den Frauen und Männern um 6 % höher. 4 Zitiert nach [6]. 5 HDL wird eine schützende Funktion gegen Gefäßwandveränderungen wie Verdickung, Verhärtung oder Elastizitätsverlust, was zu einer Verengung des Gefäßquerschnittes (Arteriosklerose) führt, nachgesagt [7]. 6 Zitiert nach [6]. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

34 Seite 31 In Belgien wurde eine ein Jahr dauernde Interventionsstudie mit 65 Erwachsenen mittleren Alters durchgeführt. Die TeilnehmerInnen radelten im Durchschnitt 2,5 Tage pro Woche mit mittlerer Intensität und die durchschnittliche Distanz einer Strecke betrug 7 km. Bei den RadfahrerInnen gab es keine statistisch signifikante Veränderung der maximalen Sauerstoffaufnahme nach einem Jahr. Eine Vermutung ist, dass bei dieser Intervention der Bewegungsumfang für eine Fitnessverbesserung zu gering war. 1.4 Gibt es einen Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung? Für die Propagierung des Radfahrens zur Förderung der Gesundheit kann es hilfreich sein, über die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Radfahren und Gesundheit zu informieren. Hendriksen et al. (1999) 7 konnten mit Hilfe Ihrer Ergebnisse berechnen, wie viel Erwachsene mit einem niedrigen Fitnessniveau radeln müssen, um einen Fitnessgewinn zu erzielen. Als minimale Dosis bei Personen mit einer niedrigen Ausgangsleistung dürfte regelmäßiges Radfahren mit mittlerer Intensität, mit Distanzen von zumindest 6 km pro Tag an zumindest 3 Tagen der Woche zu einer Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit führen. Die Ergebnisse der Shanghai Women s Health Study [8] und eine andere chinesische Studie über das Radfahren und Dickdarmkrebs [9] zeigen, dass das Risiko für die Gesamtsterblichkeit und Krebssterblichkeit mit ansteigender Radfahrdosis kontinuierlich abnimmt. Auch das Risiko an Darmkrebs zu erkranken, sank mit ansteigender Radfahrdosis [10: S. 16]. Was die funktionellen und gesundheitlichen Verbesserungen anbelangt, gibt es in Bezug auf das Geschlecht und Lebensalter keine Unterschiede. 2 Kann die Gesundheit beim Radfahren durch die Schadstoffbelastung negativ beeinflusst werden? Schadstoffe in der Atemluft rufen gesundheitlich negative Auswirkungen hervor. Vor allem die Belastung mit Feinstaub, Stickoxiden und Ozon wird dafür verantwortlich gemacht. Erhöhte Feinstaubkonzentrationen ( Particulate Matter ) erhöhen das Risiko von Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neben der Toxizität der im Feinstaub enthaltenen Partikel hängt das Ausmaß der gesundheitlichen Auswirkungen von der Größe der Partikel ab. Sehr kleine Teilchen gelangen beim Einatmen bis in die Lungenbläschen und können vom Körper von dort nur sehr langsam oder gar nicht mehr entfernt werden. Staub ist ein komplexes und heterogenes Gemisch. Staub setzt sich sowohl aus festen als auch aus flüssigen Teilchen unterschiedlicher Größe und Toxizität zusammen. Die Staubbelastung wird im Allgemeinen nach dem Massenanteil der verschiedenen Größenfraktionen unterteilt. Die als PM10 und PM2,5 bezeichneten Staubfraktionen enthalten 50 % Teilchen mit einem Durchmesser von 10 µm bzw. 2,5 µm und einen jeweils höheren Anteil kleinerer Teilchen und einen kleineren Anteil größerer Teilchen 8. Im deutschen Sprachraum hat es sich eingebürgert, die Fraktionen PM10 und PM2,5 als Feinstaub zu bezeichnen. Im Rahmen des vom Verkehrssicherheitsfonds des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geförderten Projekts BikeRisk - Risiken des Radfahrens im Alltag wurde die PM2,5-Belastung als für das Radfahren repräsentative Schadstoffbelastung untersucht [11]. Als erster Schritt wurde dazu 7 Zitiert nach [6]. 8 Quelle: Zugriff: Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

35 Seite 32 unter der Leitung des österreichischen Umweltbundesamtes eine Literaturstudie zum Thema Schadstoffbelastung im Verkehr durchgeführt [12]. Darauf aufbauend wurden mit einem vom Umweltbundesamt angeschafften mobilen Feinstaubmessgerät die PM2,5-Konzentrationen auf realen Wegen mit den Verkehrsmitteln Fahrrad, öffentlicher Verkehr, Moped und Pkw gemessen. Für innerstädtische Fahrten mit dem Fahrrad wurde dabei eine mittlere PM2,5-Konzentration von 31,3 μg/m³ bei einer in Wien im Jahr 2010 durchschnittlichen Hintergrundbelastung von 22 μg/m³ gemessen. Die in Wien gemessenen Werte liegen innerhalb der in der Literatur gefundenen Bandbreite von Messergebnissen aus anderen Städten von μg/m³ (siehe Abbildung 9). Pkw Fahrrad Gemessene PM2.5-Konzentration aus verschiedenen Studien (µg/m³) London, UK (2001) London, UK (2005) 11 Niederländische Städte (2009) Arnhem, NL (2010) Wien, AT (2011) Abbildung 9: Vergleich von beim Radfahren gemessenen PM2,5-Konzentrationen; Quellen: [11, 13 17]. In der im Projekt BikeRisk durchgeführten Auswertung wurden sowohl Vergleiche zwischen den Verkehrsmitteln als auch zwischen verkehrsberuhigten und stark belasteten Routen durchgeführt. Aufgrund der geringen Zahl der Messungen im öffentlichen Verkehr und in Pkws ist ein direkter Vergleich allerdings nur eingeschränkt aussagekräftig. Die durchgeführten Messungen zeigen aber, dass die PM2,5-Konzentrationen auf verkehrsberuhigten Routen statistisch signifikant niedriger sind als auf stark befahrenen Routen. Die gemessenen Unterschiede in der PM2,5-Konzentration bewegen sich dabei im Bereich von rund -10 % bis zu rund -30 %. Mit Hilfe gemessener Daten über die Herzfrequenz und Daten aus der Literatur wurde auf den Atmungsumfang und die eingeatmete PM2,5-Dosis rückgeschlossen. Die eingeatmete Dosis beim Radfahren beträgt je nach Szenario zwischen 3,2 μg/km und 6,7 μg/km. Bei einer Pkw-Fahrt beträgt die eingeatmete PM2,5-Dosis je nach Szenario zwischen 0,5 μg/km und 0,8 μg/km. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

36 Seite 33 3 Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit beim Radfahren durch einen Verkehrsunfall verletzt oder getötet zu werden? Unter der Leitung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit wurde eine detaillierte Analyse des Unfallgeschehens in Österreich durchgeführt [18]. Neben den Daten über die polizeilich gemeldeten Unfälle mit Personenschaden aus der Verkehrsunfallstatistik wurden auch die Daten aus der Injury Database (IDB Austria) in die Analyse mit einbezogen. Es wurde damit versucht, die Größenordnung der vermuteten hohen Dunkelziffer vor allem bei Fahrradalleinunfällen zu bestimmen. Ein besonderes Augenmerk bei der Analyse galt weiters den Themen Helmtragen und Alkoholunfälle. Mit Hilfe der aus hochgerechneten Daten der Mobilitätsbefragungen ermittelten Fahrleistungen wurde eine Risikoanalyse durchgeführt, d.h. es wurden die Verunglückten- und Getötetenraten bzw. die Verunglückten- und Getötetenzeitraten für verschiedene Verkehrsmittel und Altersgruppen berechnet (siehe Tabelle 3 und Tabelle 4). Alter 6-14 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 65 und älter Gesamt Fußgeher 1,005 4,847 1, ,207 7,260 3,308 Radfahrer 0,782 2,679 1,192 1,450 3,069 8,752 2,848 MIV-Lenker n.a. 2,702 0, ,654 1,503 0,908 MIV-Mitfahrer ,298 1,308 0,456 0,426 0,707 0,681 ÖV-Fahrgast n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. 0,007 Total 0,181 0,842 0,598 0,467 0,524 1,641 0,661 Tabelle 3: Getötetenrate nach Verkehrsbeteiligung und Altersklassen pro 100 Mio. Kilometer Verkehrsaufwand (Durchschnitt ); Quelle: [18]. Alter 6-14 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 65 und älter Gesamt Fußgeher 0,42 2,73 0,59 0,95 0,98 2,86 1,44 Radfahrer 0,81 3,88 1,63 2,03 3,39 8,26 3,38 MIV-Lenker n.a. 11,63 3,22 2,49 2,62 4,45 3,65 MIV-Mitfahrer 0,91 6,24 5,51 2,08 1,79 2,46 2,75 ÖV-Fahrgast n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. 0,02 Total 0,32 2,74 1,92 1,56 1,60 3,09 1,91 Tabelle 4: Getötetenzeitrate nach Verkehrsbeteiligung und Altersklassen pro 10 Mio. Stunden Verkehrsbeteiligungsdauer (Durchschnitt ); Quelle: [18]. Eine Literaturstudie und die Auswertung vorhandener Daten haben weiters gezeigt, dass steigende Radnutzung zu einer Senkung des Unfallrisikos für Radfahrer führt ( Safety by Numbers ). Die Förderung des Radfahrens im Alltag führt also zumindest längerfristig zu einer Reduktion des Unfallrisikos (siehe Abbildung 10). Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

37 Seite 34 Abbildung 10: Safety by numbers Zusammenhang zwischen der Entwicklung der zurückgelegten Fahrradkilometer je Einwohner und Tag und der Verunglücktenrate in Wien ; Quellen: [19], Bevölkerungsstatistik, eigene Darstellung. 4 Wie sieht die Bilanz der gesundheitlich positiven und negativen Effekte aus? Die Arbeiten des Projekts BikeRisk wurden in enger Abstimmung und Kooperation mit dem vom Fonds Gesundes Österreich geförderten Projekt Gesundheitlicher Nutzen des Radfahrens als Transportmittel durchgeführt [11]. Da im Projekt BikeRisk die gesundheitlich positiven Effekte des Radfahrens nicht untersucht wurden, wurde für die abschließende Bilanzierung der gesundheitlich positiven und negativen Effekte des Radfahrens auf die Ergebnisse dieser Studie zurückgegriffen. Die Bilanzierung erfolgte mit Hilfe der Berechnung der gewonnenen bzw. verlorenen Lebenszeit. Zur Berechnung der verlorenen bzw. gewonnenen Lebenszeit (siehe Formel 1) wird eine gekürzte Sterbetafel verwendet. Formel 1: Verlorene bzw. gewonnene Lebenszeit; nach [20]. Legende: ΔL(x)...Gewonnene bzw. verlorene Lebenszeit im Altersintervall x bis x+n (d); q(x)...sterbewahrscheinlichkeit im Altersintervall x bis x+n; RR(x)...Relatives Risiko im Altersintervall x bis x+n; e(x)...fernere Lebenserwartung im Altersintervall x bis x+n. Für eine Änderung des Verkehrsverhaltens der ausgewählten Altersgruppen wurde das relative Risiko durch die aus der Verhaltensänderung resultierenden Veränderung der Schadstoffbelastung, des Unfallrisikos und der körperlichen Fitness berechnet. Die Berechnung des relativen Risikos der Schadstoffbelastung basiert auf der ermittelten bzw. berechneten Tagesdosis der Schadstoffkomponente PM2,5. Die Auswirkungen auf das relative Risiko durch Verkehrsunfälle in den verschiedenen Altersgruppen werden aus den Gesamtmortalitätsraten und den Mortalitätsraten durch Verkehrsunfälle berechnet. Als Basis zur Bestimmung der ge- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

38 Seite 35 sundheitlich positiven Effekte des Radfahrens wurden die sogenannten MET-Stunden gewählt 9. MET-Stunden sind ein Konzept, mit dem der Energieverbrauch durch körperliche Aktivitäten quantifiziert werden kann. Aus der Dosis in Form von MET-Stunden können Hazard Ratios 10 abgeleitet werden, welche als eine Näherung für das relative Risiko verwendet werden können. Insgesamt wurden zehn verschiedene Szenarien eines Umstiegs vom Pkw- Fahren auf Fahrradfahren untersucht. Nr. Entfernung [km/d] Individuell/- Kollektiv a) Schadstoffkonzentration b) Toxizität c) Schadstoffbelastung [Monate] Unfälle [Wochen] Physische Fitness [Monate] 1a 7,5 km/d Individuell hoch 5-fach -3,2-1 12,2 8,7 1b 7,5 km/d Kollektiv hoch 5-fach -3,2-0,7 12,2 8,8 1c 7,5 km/d Individuell niedrig 5-fach -2,5-1 12,2 9,4 1d 7,5 km/d Individuell hoch 1-fach -0,6-1 12,2 11,3 1e 7,5 km/d Kollektiv niedrig 1-fach -0,5-0,7 12,2 11,5 2a 15 km/d Individuell hoch 5-fach -6,6-2,1 12,5 5,3 2b 15 km/d Kollektiv hoch 5-fach -6,6-1,3 12,5 5,5 2c 15 km/d Individuell niedrig 5-fach -5,1-2,1 12,5 6,8 2d 15 km/d Individuell hoch 1-fach -1,2-2,1 12,5 10,7 2e 15 km/d Kollektiv niedrig 1-fach -1-1,3 12,5 11,1 a) Individuell = Änderung des Verhaltens eines einzelnen Verkehrsteilnehmers, Fahrrad-km pro Person und Tag bleiben gleich, kein Safety by Numbers -Effekt, Unfallraten bleiben gleich; Kollektiv = Änderung des Verhaltens des gesamten Kollektivs, Fahrrad-km pro Person und Tag erhöhen sich entsprechend den Annahmen, Safety by Numbers -Effekt reduziert die Unfallraten. b) hoch = die Fahrradfahrer nutzen das allgemeine Straßennetz, das Verhältnis der PM2,5-Konzentration Fahrrad zu Pkw beträgt 0,87; niedrig = die Fahrradfahrer nutzen vorwiegend das verkehrsberuhigte Straßennetz, das Verhältnis der PM2,5-Konzentration Fahrrad zu Pkw beträgt 0,74 (der Effekt von Umwegen ist darin schon berücksichtigt). c) 1-fach = PM2,5 im Verkehrsraum hat gleiche Toxizität wie PM2,5 der Hintergrundbelastung; 5-fach = PM2,5 im Verkehrsraum hat die fünffache Toxizität wie PM2,5 der Hintergrundbelastung. Gesamt [Monate] Tabelle 5: Zusammenfassung der Ergebnisse der Berechnung der gewonnenen und verlorenen Lebenszeit nach Szenario Neben der täglich zurückgelegten Entfernung wurden dabei Annahmen über die Entwicklung der Unfallraten, die gewählten Routen und die Toxizität der Schadstoffbelastung im Verkehrsraum im Vergleich zur Hintergrundbelastung variiert. Tabelle 5 gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Berechnung der gewonnenen und verlorenen Lebenszeit. Je nach Szenario verkürzt die Schadstoffbelastung die Lebenszeit um einen halben Monat bis zu knapp sieben Monaten. Durch Unfälle verkürzt sich die Lebenszeit je nach Szenario um 0,7 bis 2,1 Wochen. 9 Das metabolische Äquivalent (MET) beschreibt den Energieumsatz als ein Vielfaches des Ruheumsatzes (= 1 MET). Für Zufußgehen ins Büro werden durchschnittlich 3,5 METs veranschlagt, für Radfahren ins Büro bereits 6 METs; z. B. ergeben fünfmal pro Woche 30 Minuten Radfahren ins Büro und wieder zurück pro Tag 6 MET-Stunden (6 MET x 1 Stunde) und pro Woche 30 METStunden (6 MET x 1 Stunde x 5) [10: S. 22]. 10 Hazard Ratios sind ein Effektmaß für Überlebensdaten, das die Überlebensraten von zwei Gruppen, (z. B. körperlich aktive versus körperlich inaktive Personen) miteinander vergleicht [10: S. 21]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

39 Seite 36 Dem steht je nach Szenario eine gewonnene Lebenszeit von 12,2 bis 12,5 Monaten gegenüber. Generell können die Ergebnisse wie folgt zusammengefasst werden: Die positiven Effekte der durch das Radfahren verbesserten körperlichen Fitness wiegen für eine durchschnittliche Person unter fast allen denkbaren Umständen die Risiken durch eine erhöhte Schadstoffbelastung und ein erhöhtes Unfallrisiko auf. Die Förderung des Radfahrens im Alltag ist daher nicht nur aus verkehrsplanerischer, sondern auch aus gesundheitspolitischer Sicht zu empfehlen. Nichtsdestotrotz existiert ein signifikantes Potential zur Senkung des bestehenden Risikos des Radfahrens. Wie die durchgeführten Feinstaubmessungen gezeigt haben, liegt die Belastung in verkehrsberuhigten Straßen signifikant unter jener in stark befahrenen Straßen. Umwege können den Effekt der niedrigeren Schadstoffkonzentration durch die längere Exposition aber wieder ausgleichen oder sogar umkehren. Es muss daher die Aufgabe der Verkehrsplanung sein, möglichst viele verkehrsberuhigte, direkte Radverbindungen ohne Zwang zu Umwegen zur Verfügung zu stellen. 5 Danksagung Unser Dank gilt jenen Stellen und Organisationen, welche die diesem Beitrag zugrunde liegenden Projekte ermöglicht haben. Es sind dies der Fonds Gesundes Österreich für das Projekt Das Rad als Transportmittel Gesundheitlicher Nutzen und Einflussfaktoren und der Österreichische Verkehrssicherheitsfonds des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie und das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft für das Projekt BikeRisk - Risiken des Radfahrens im Alltag. Quellen [1] Physical Activity Guidelines Advisory Committee, Physical Activity Guidelines Advisory Committee Report, 2008, Washington, DC: U.S. Department of health and Human Services, 600. ( Zugriff am 26. August 2013). [2] Bundesamt für Sport BASPO, Bundesamt für Gesundheit BAG, Gesundheitsförderung Schweiz, Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz, Gesundheitswirksame Bewegung, 2009, Magglingen: BASPO. [3] Titze, S., Ring-Dimitriou, S., Schober, P.H., Halbwachs, C., Samitz, G., Miko, H.C., Lercher, P., Stein, K.V., Gäbler, C., Bauer, R., Gollner, E., Windhaber, J., Bachl, N., Dorner, T.E. und Arbeitsgruppe Körperliche Aktivität/Bewegung/Sport der Österreichischen Gesellschaft für Public Health (2012). Bundesministerium für Gesundheit, Gesundheit Österreich GmbH, Geschäftsbereich Fonds Gesundes Österreich (Hrsg.). Österreichische Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung. Wien: Eigenverlag Zugriff am [4] Titze, S., Stronegger, W. J., and Oja P.; Rad-freundliche Stadt x 2. Längsschnittstudie in der Stadt Graz, 2010, Graz: Eigenverlag. [5] Muralter, R.; Validitätsstudie zur Erfassung des Radfahrverhaltens der Grazerinnen und Grazer (objektive vs. subjektive Messung), (2007), Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Graz, Graz. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

40 Seite 37 [6] Oja, P., Titze, S., Bauman, A., de Geus, B., Krenn, P., Reger-Nash, B., and Kohlberger, T.; Health benefits of cycling; a systematic review. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, (2011), 21: p [7] De Marées, H., Sportphysiologie, 2003, Köln: Sport & Buch Strauss. [8] Matthews, C. E., Jurj, A. L., Shu, X. O., Li, H. L., Yang, G., Li, Q., et al.; Influence of exercise, walking, cycling, and overall nonexercise physical activity on mortality in Chinese women. American Journal of Epidemiology, 2007, 165: p [9] Hou, L., Ji, B-T., Blair, A., Dai, Q., Gao, Y-T., and Chow, W-H., Commuting physical activity and risk of colon cancer in Shanghai, China. American Journal of Epidemiology, 2004,160, [10] Oja, P., Titze, S., Kohlberger, T. and Samitz, G., Das Rad als Transportmittel - gesundheitlicher Nutzen und Einflussfaktoren, 2011, Wien: Geschäftsbereich Fonds gesundes Österreich, 53. ( Zugriff am ) [11] Pfaffenbichler, P., Unterpertinger, F., Lechner, H., Simader, G. and Bannert, M.; Bike- Risk - Risiken des Radfahrens im Alltag, Forschungsarbeiten des Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds, Band 3, Österreichischer Verkehrsicherheitsfonds, (2011), Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Wien. [12] Ibesich, N.; "Projekt Risiken des Radfahrens im Alltag (BikeRisk), Arbeitspaket: Risiken durch Schadstoffe - Endbericht." KfV Sicherheit Service GmbH, Bereich Präventionsberatung, Im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, (2011), Wien. [13] Adams, H. S., Nieuwenhuijsen, M. J., Colvile, R. N., McMullen, M. A. S. and Khandelwal, P.; Fine particle (PM2.5) personal exposure levels in transport microenvironments, 2001, London, UK: Science of the Total Evironment, (279) [14] Boogard, H., Borgman, F., Kamminga, J. and Hoek, G.; Exposure to ultrafine and fine particles and noise during cycling and driving in 11 Dutch cities, Atmospheric Environment, 2009, 43: p [15] Zuurbier, M., Hoek, G., Oldenewening, M., Lenters, V., Meliefste, K., van den Hazel, P. and Brunekreef, B.; Commuters' exposure to particulate matter air pollution is affected by mode of transport, fuel type and route, Environmental Health Perspectives, 2010, (118): p [16] de Hartog, J. J., Boogard, H., Nijland, H. and Hoek, G.; Do the health Benefits of Cycling Outweigh the Risks?, Environmental Health Perspectives, 2010, 118 (8): p [17] Kaur, S., Nieuwenhuijsen, M. J. and Colvile, R. N.; Pedestrian exposure to air pollution along a major road in Central London, UK, Atmospheric Environment, (2005), 39 (38): p [18] Hildebrandt, B., Mayer, E., and Schweninger, M.; "Projekt Risiken des Radfahrens im Alltag (BikeRisk), Arbeitspaket: Risiken durch Verkehrsunfälle - Endbericht." KfV Sicherheit Service GmbH, Bereich Präventionsberatung, Im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, 2011, Wien. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

41 Seite 38 [19] BMVIT; "Radverkehr in Zahlen.", 2010, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Wien; riz.pdf. [20] Hanika, A., und H. Trimmel (2005): Sterbetafel 2002/2002 für Österreich. Statistische Nachrichten, 60(2), S TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

42 Seite 39 "Wenn Sie wollen, dass ich Rad fahre, dann müssen Sie..." Ralf Risser Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

43 Seite 40 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

44 Seite 41 "Wenn Sie wollen, dass ich Rad fahre, dann müssen Sie..." Dieses Papier befasst sich mit den Fragen, welche Zielgruppen im Rahmen einer Förderung des Radfahrens angesprochen werden sollen, von wem und wie. Unterschiedliche Modelle werden besprochen, die darstellen, wie Kommunikation mit den Zielgruppen strukturiert werden soll ("Marketing"), aus welchen Bereichen man sich Argumente holt ("Diamant"), wie man die unterschiedliche Nähe zum Radfahren bzw. den Bewusstseinsstand der Zielgruppen berücksichtigt ("Transtheoretisches Modell") und wie wichtig in der Kommunikation mit Zielgruppen die Beziehungsebene ist (nach Paul Watzlawick). Ein zentrales Anliegen bei allen Bemühungen gegenüber den Zielgruppen ist, diese so gut wie möglich kennen zu lernen, um ihre Bedürfnisse, Wünsche und auch Abneigungen und Barrieren zu erkennen und zu verstehen. Die Erhebung dieser Aspekte hat professionell zu erfolgen und nur auf einer soliden Verstehensbasis wird eine Förderung des Radfahrens, die diesen Namen verdient, möglich sein, 1 An wen wendet man sich hier? "Wenn Sie wollen, dass ich Rad fahre, dann müssen Sie was tun!" Aber was muss jemand, der an der Förderung des Radfahrens interessiert ist, und der/die Möglichkeiten der Einflussnahme hat, tun? Wer hat denn diese Möglichkeiten überhaupt? Und für wen muss was getan werden? Zusammengefasst: wer muss was tun, für wen und was genau? Die Gruppe, die im "für wen" steckt, das sind alle, wir alle, unterteilt in Radler und in "Andere". "Andere" sind jene, die (noch-) nicht Rad fahren. 2 Die Kunden Diese beiden Gruppen sind zunächst die Kunden : Radler sind die Kunden, die man schon hat und (Noch-)Nicht-Radler sind die potentiellen Kunden. Aus der Sicht des Kaufmanns betrachten wir die Radfahrer als die Kunden, die man behalten möchte; und wir verstehen weiters, dass Kaufleute solche Leute, die noch nicht bei ihnen "einkaufen", als Kunden gewinnen möchten. Was haben wir also? Leute die schon radeln, also solche, die schon Kunden sind und Leute, die (noch) nicht radeln, und die wir gerne als Kunden gewinnen möchten, oder genauer: Sie möchte die Gesellschaft als Kunden gewinnen, weil das im Sinne der Nachhaltigkeit gesellschaftlich wünschenswert ist. Bei dieser Betrachtungsweise sind Kunden, die man schon hat zu "pflegen"; man will sie erstens nicht verlieren und man will sie zweitens auch nicht verärgern. Ersteres ist klar, zweiteres ist ebenfalls relevant: Verärgerte Kunden können Schwierigkeiten bereiten. Wenn sie z.b. Kunden bleiben möchten, trotz widriger Umstände, dann werden sie sich beklagen, andere aufstacheln, den Respekt vor dem Anbieter verlieren und wie in unserem Fall bekannt die Regeln des Anbieters missachten. Aber verärgerte Kunden kann man schließlich eben auch verlieren, und wenn sie im Zorn "abspringen", dann kann das dazu führen, dass sie auf Dauer und vehement negative Stimmung machen. Radfahrer als "Kunden" verliert man also, wenn sie über eine gewisse Zeit hinweg mit dem Angebot unzufrieden sind. In Abhängigkeit vom Grad ihrer Unzufriedenheit können sie dazu beitragen, dass man auch noch andere Kunden verliert: Eben wenn jede/r "Abgesprungene" Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

45 Seite 42 übers Radfahren vehement schimpft. Ich meine als Radfahrer, dass es schwer sein wird, mir das Radfahren auszutreiben, aber ich bin vielleicht einer der Verärgerten, die Schwierigkeiten machen. Damit gehöre ich vielleicht zu einer tatsächlich existenten Gruppe, die z.b. die Behörden und deren Regeln nicht respektieren. Neue Kunden dagegen gewinnt man, wenn man versteht, was sie zum Kauf des Produktes in unserem Fall zum Radfahren anregt. Man gewinnt sie nicht, wenn ihnen das Angebot, welches man hat, nicht passt. Aber um herauszufinden, was für den Kunden wünschenswert ist, muss man wieder zwischen Radlern und Noch-Nicht-Radlern differenzieren: Radler beurteilen die Situation auf der Basis praktischer Erfahrungen; diese sind zwar subjektiv, aber sie reflektieren die Wirklichkeit des Radfahrens in der Praxis, u.a. die gefühlsmäßige Wirklichkeit im Zusammenhang mit der Ausübung des Radelns. Wenig- oder Nichtradler haben keine oder wenig praktische Erfahrung und damit besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit eines verzerrten Bildes, oder auch nur eines kleinen Bildausschnittes, was die Gefühle beim Radeln anlangt und von Vorurteilen bzgl. des Funktionierens des Radfahrens in der Praxis (im Alltag). Was gefällt und was attraktiv erscheint, wird sich jedenfalls bei den beiden Gruppen unterscheiden. Bei Radlern spielt die praktische Erfahrung eine Rolle, vor allem das Fühlen. Nichtoder Wenig-Radler werden vom Hörensagen, von Vorstellungen, von Überlegungen berichten; aber eigenes Fühlen, das auf konkreten Erfahrungen basiert, fehlt bzw. ist eingeschränkt auf einige Gefühlsaspekte wie z.b. die Angst. Das ist eine der Schwierigkeiten beim Verkauf des Radfahrens. Vorurteile können dabei beim Umstieg auf das Rad stören. Natürlich gibt es auch positive Vorurteile. Das Problem dabei: wenn man s dann ausprobiert, dann gibt es möglicherweise schwere Enttäuschungen und evtl. "Boomerang-Effekte". 3 Die Kunden verstehen Wie findet man nun, methodisch richtig, heraus was beim Radfahren oder die Vorstellungen vom Radfahren stört? Und wie findet man heraus, was anregt? Dazu muss man zunächst die Literatur studieren, zur Unterstützung der Entwicklung von theoretischen Überlegungen und Hypothesen. Auf so einer guten Basis kann oder soll dann Empirie (Motivforschung) betrieben werden. 4 Wo man im System eingreift Die folgende Abbildung 11 der Diamant stellt deskriptiv dar, in welchen Bereichen des Verkehrssystems, dessen Teil wir als Individuen sind, sowohl unseren Wünschen und Bedürfnissen entgegenkommende als auch diesen widersprechende Elemente und Aspekte zu finden sind bzw. sein können. Was wir wollen und was nicht, was uns stört und was nicht, was wir uns wünschen und was nicht, entscheiden wir zwar als die Individuen, die wir derzeit sind, mit allen Erfahrungen, Überlegungen, Vorurteilen, etc. die derzeit für uns typisch sind. Aber wie wir uns als Individuen entwickelt haben und wie wir so geworden sind, wie wir jetzt sind, hat u.a. damit zu tun, wie uns Umweltfaktoren beeinflusst haben: Die Kommunikation mit anderen Menschen, die Gesellschaft rund um uns herum in all ihren Äußerungsformen, die physische Gestaltung der Umwelt und die Infrastruktur, sowie die Erfahrungen, die wir mit unterschiedlichen Fortbewegungsarten gemacht haben, als Ausübende oder in Interaktion mit anderen Ausübenden. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

46 Seite 43 Individuum mit momentanen Eigenschaften entscheidet aufgrund dieser, wird aber ständig auch von außen beeinflusst Interaktion zwischen Individuen: Erfahrungen von Autofahrern dass sie Radfahrer nicht mögen & daher nicht radeln; Radfahrern kann Interaktion mit Autofahrern sauer aufstoßen Reaktanz Fahrzeug: Auto bietet Schutz & Komfort; Radlern macht das nichts, Nicht-Radler wollen das nicht aufgeben; Rad war aber bei technischer Entwicklung bisher unterprivilegiert (Schlösser, Licht usw) Gesellschaft: Gesetze, Regelungen, Medien, öffentliche Diskussion ergeben zusammen Eindruck, wie Radfahren gesehen wird kann Radler zornig machen und Nicht-Radler abhalten oder Gegenteil? Infrastruktur: Reflektiert sehr schön wie Gesellschaft zum Rad steht Autoorientiertheit, Schlamperei im Finish bei Radfahrinfrastruktur, Lieblosigkeit, Gedankenlosigkeit oder einfach nur kühles Hintanstellen Abbildung 11: Der Diamant; gestaltet nach [1]. 5 Marketing Eine aktive Einflussnahme auf die Menschen, um ihre Verkehrsmittelwahl zu beeinflussen z.b. im Sinne einer Förderung des Radfahrens sollte sinnvoller Weise Verbesserungen in den Bereichen des Diamanten anstreben. Vorstellen kann man sich eine solche versuchte Einflussnahme als einen Marketingprozess (siehe u.a. [2]). Dieser umfasst laut Lehrbuch die folgenden Bereiche von Maßnahmen: Produktgestaltung: geeignete Produkte/Voraussetzungen müssen angeboten bzw. zur Verfügung gestellt werden. Kommunikation in engerem Sinn: Über Produkte/Voraussetzungen ist zu informieren, sie müssen beworben werden. Anreize sollen gegeben werden, dass bestimmte Angebote angenommen werden; wenn Zielpersonen dann Geschmack am Angebot finden, dann wird aus einer von außen kommenden Motivation eine sogenannte intrinsische Motivation, d.h. es entsteht eigenes Interesse an der Nutzung bestimmter Angebote. Distribution: P und K und A sind richtig zu verteilen bzw. zu platzieren, sodass möglichst viele Zielpersonen erreicht werden. Die eben genannten 4 Marketingschritte müssen aber gut vorbereitet werden. Insbesondere müssen sie auf der Information über die Zielgruppe basieren: Wer ist Zielgruppe, wie ist sie segmentiert, was wird von der Zielgruppe bzw. ihren unterschiedlichen Segmenten gewünscht und was nicht? Welche Barrieren für den Zugang zu Produkten/Angeboten gibt es?. Was sind die Gründe für mögliches "Abspringen" von Kunden (warum hören Leute auf, Rad zu fahren), was macht die Attraktivität des Radfahrens aus, was spricht für das Radeln etc. Alle Maßnahmen müssen also auf einer sorgfältigen Erforschung der Wünsche und Vorstellungen der Zielgruppen basieren. Dazu muss man sich selbstverständlich geeigneter Befragungsmethoden bedienen. Aber diese sind nicht Thema dieses Papiers. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

47 Seite 44 6 Fakten und Gefühle Im Zusammenhang mit dem Marketingprozess, der nichts anderes ist als ein mehr oder weniger strukturierter Kommunikationsprozess, ist aber besonders auf einen Aspekt hinzuweisen, auf den Watzlawick et al. [3] aufmerksam gemacht haben: Wenn sachliche Kommunikation die Vermittlung von Wissen, Instruktion, auch Motivation funktionieren soll, dann bedarf es einer soliden emotionalen Basis: In einer guten Beziehung funktioniert die Kommunikation leicht(er). Ist die Beziehung schlecht, fehlt es an Respekt und ähnlichem, dann wird eine Kommunikation, wo einer auf die Ideen des anderen einsteigt, schwierig bis unmöglich. Emotionale/konnotative Dimension Jede Kommunikationsprozess hat eine emotionale und eine rationale (oder faktische) Dimension. Deshalb ist relevant nicht nur was kommuniziert wird, aber auch wie es kommuniziert wird und was der Kommunikationsinhalt auf der konnotativen Ebene = Gefühlsebene bedeutet Rationale oder faktische - Dimension Abbildung 12: Zwei Dimensionen der Kommunikation [3]. 7 Das Nahverhältnis zu einem Produkt / zu einer Idee Ein weiterer psychologischer Aspekt, den man bedenken muss, wenn man jemandem etwas "verkaufen" will, ganz egal, ob es sich um ein physisches Produkt ("kauf ein Fahrrad") oder um eine Idee ("steig um aufs Fahrrad") handelt, ist das Nahverhältnis der Zielperson zu diesem Produkt oder zu dieser Idee: Wie man sich an unterschiedliche Zielgruppen oder deren Segmente wenden muss, hängt davon ab. Die folgende Darstellung (Abbildung 13) enthält unterschiedliche Stufen, auf denen man sich zwischen dem Nicht-einmal-dran-Denken und dem gewohnheitsmäßigen Radfahren befinden kann. Diese Darstellung zeigt das sogenannte Transtheoretisches Modell von Prochaska & DiClemente: Abbildung 13: Stufen der Bereitschaft für den "Kauf" eines Produktes, einer Idee [4]. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

48 Seite 45 Diesem Modell folgend muss man, nach sorgfältiger Segmentierung der Zielgruppen, die Kommunikation mit ihnen an ihren Bewusstseinsstand anpassen. Prochaska und Velica machen einige Vorschläge, wie das zu geschehen hat und es gibt weiterführende Literatur zum Thema in großem Umfang. Wesentlich ist, dass man bei der Zusammenstellung von Maßnahmen vom dort zusammengefassten Wissen Gebrauch macht bzw. dass man die entsprechenden Disziplinen in die Arbeit einbindet. 8 Die Brauchbarkeit ist relevant Das bisher Gesagte kann man so zusammenfassen, dass dabei das Prinzip der Brauchbarkeit ("usability") enthalten ist; das Angebot soll demzufolge effektiv, effizient und befriedigend sein: Leute, die schon jetzt radeln, sollen sich wertgeschätzt und bestätigt fühlen; sie sollen in ihrer Haltung bestärkt werden, Radfahren als brauchbar anzusehen: Radfahren soll als effektiv wahrgenommen werden (man erreicht damit Ziele); Es soll effizient funktionieren, d.h. man soll damit Ziele leicht erreichen, ohne unnötige Mühe und Schwierigkeiten; Es soll zufriedenstellend sein, im Sinne des Wortes Spaß machen. Radler (also die "Kunden, die wir schon haben") sollen das Radfahren in diesem Sinn als brauchbare Fortbewegungsart erleben, potentielle Radfahrer sollen sukzessive davon überzeugt werden, dass Radfahren vermutlich etwas Brauchbares ist: Sie sollen es ausprobieren und zu positiven Schlüssen gelangen. 9 Wer kann sich für das Radfahren einsetzen und wer muss das tun? Andere Verkehrsteilnehmer Personen die sich für Radfahren einsetzen Akteure mit politischen Zielen, Politiker Radler & Nicht- Radler Kommilitonen, Kollegen Öffentlichkeit, Medien (Einstellung gg. Radlern) Planer, Architekten, Gestalter der Infrastruktur Abbildung 14: Wer kann/sollte mit Zielgruppen kommunizieren. Beim bisher aus mehreren Perspektiven angesprochenen Kommunikationsprozess ist die Frage nach dem Kommunikator nicht ganz trivial: Wer ist denn für die Kommunikation mit den Zielgruppen verantwortlich? Wer soll die Initiative ergreifen? Wenn es z.b. heißt "man muss gute Voraussetzungen schaffen", dann erhebt sich die Frage: Wer "muss" das tun? Die Ant- Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

49 Seite 46 wort lautet aus meiner Sicht: Wem das ein Anliegen ist, der/die kann das Thema Radfahren in einem jeweils passenden Rahmen ansprechen. Das gilt für viele unterschiedliche Gruppen, von denen die vorherige Darstellung (Abbildung 14) einige zeigt. Für einige Gruppen in der Darstellung gilt aber: Sie haben hier Pflichten, soll das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft umgesetzt werden: Für Politiker, Verwaltungsbeamte, Planer im öffentlichen Dienst bzw. für alle Personen, die sich in öffentlichen Funktionen mit dem Verkehr befassen, kann man den Einsatz für das Radfahren also als ein Muss ansehen. 10 Einige Ideen für Produkte / zu schaffende Voraussetzungen Ohne weiter auf Methodisches einzugehen folgen nun einige Vorschläge, die in der Literatur häufig als Maßnahmen zur Verbesserung der Voraussetzungen für das Radfahren bzw. zur Attraktivierung des Radfahrens angegeben werden (also "Produkte" im Marketingjargon). Man sorge unter anderem für: Guten Zugang/gute Erreichbarkeit von Zielen; flächendeckende Wegenetze; bewährtes Design der Infrastruktur; einfache/verständliche Wegweisung; freundliches und gut ausgebildetes offizielles Personal (z.b. Polizei); gutes soziales Klima und Sicherheit (z.b. Infrastrukturplanung); Erleichterung des Umganges mit KFZ: Geschwindigkeit, Parken, Abbiegemanöver der Kfz regulieren/kontrollieren; kurze Wege, Netzwerk mit kürzeren Knoten; gutes Serviceniveau (Räumung, Reinigung, Reparatur, etc.); Schulwegepläne fürs Radfahren für Schulkinder; Abstellmöglichkeiten, intelligente Absperrmöglichkeiten. Als "Produkte" im engeren Sinn werden in der Diskussion oft noch Ausrüstungsaspekte angegeben, wie z.b. High technology Produkte (Beleuchtung, Navigationssysteme, Sperrmöglichkeiten, Datenerhebung und Speicherung km, physiologische Daten usw.) sowie sogenannte Assets (Einkauf, Kindertransport, Sattelschutz, Pumpen usw.). 11 Kommunikation Die Möglichkeiten des Einsatzes von Kommunikationsmaßnahmen sind vielfältig und alle dadurch gekennzeichnet, dass man sich mit Worten, Bildern und Symbolen an die unterschiedlichen Zielgruppen wendet. Folgende Aktivitäten können darunter fallen: Information über Angebote im obigen Sinn (Produkte, Netze, Neuerungen etc.); Professionelle Reklame, Entschärfung von mentalen Barrieren fürs Radeln; das Produkt Radfahren" mit positivem Image versehen; Argumente für das Radfahren zusammenstellen und verbreiten, Gegenargumente debattieren im Sinne einer "Inokulation", einer Impfung also; Erklärung und Diskussion der Nachteile, Schwächen und der Dinge, die man nicht ändern kann mit Humor und Vergleiche mit Nachteilen der weniger erwünschten Alternativen; TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

50 Seite 47 Sensibilisierungsmaßnahmen durch Information über Fakten, z.b. über reale Kosten von Autos für den Besitzer, aber auch für die Gesellschaft bzw. für die Steuerzahler; Hervorhebung der Brauchbarkeit des Fahrrades, wobei nicht nur rationale Aspekte sondern auch Spaßaspekte zum Ausdruck kommen sollen (siehe "Brauchbarkeit" weiter oben); Zeigen von Rollen-Modelle; prominente oder einflussreiche Persönlichkeiten (Schauspieler, Radiosprecher, bekannte Politiker) zeigen, sie radeln (ABER: das muss glaubwürdig sein, und kein Wahlkampfgag, denn das wird von der Öffentlichkeit sehr schnell durchschaut); Werbung mit Hinweisen auf die Kombination des Radfahrens mit neuen Trends (Fitness, Urbanität, Entschleunigung, Lebensqualität, Sportlichkeit unterschiedliche Gruppen sprechen hier auf unterschiedliche Attribute an; siehe "Segmentierung" weiter oben). 12 Anreize Der Sinn von Anreizen besteht hauptsächlich darin, Personen, die ein bestimmtes Produkt noch nicht (so gut) kennen, die Möglichkeit zu geben, dieses auszuprobieren. Die Tasse Kaffe, die einem im Supermarkt gratis angeboten wird, ist wohl allen bekannt. Dieses Angebot (Motivation von außen oder extrinsische Motivation) soll dann dazu führen, dass man am angebotenen Kaffee Geschmack findet und ihn dann später aus eigenem Antrieb ( intrinsische Motivation) kauft. Gratis-Leihräder folgen dem gleichen Prinzip. Einige einfache Regeln für Anreize wären also folgende: Man lasse potentielle Nutzer ein Produkt probieren die eben genannten Gratisleihräder wären so ein Anreiz, um das Radfahren auszuprobieren (und hoffentlich auf den Geschmack zu kommen, wenn die Voraussetzungen stimmen, also die weiter oben diskutierten Produkte "brauchbar" sind); Aber man muss auch jetzige Nutzer motivieren, damit sie bei der Stange bleiben. Dafür eignen sich z.b. unterschiedliche Belohnungsformen, wie z.b. die folgenden: o o o Spezialpreise für bestimmte Gruppen (Angestellte in Betrieben, die mit dem Rad zur Arbeit kommen) etwa in Form von Urkunden, Urlaubsreisen, u.ä. Mehr Urlaubstage für Mitarbeiter, die den Arbeitsweg mit dem Rad zurücklegen (in Dänemark in der Praxis umgesetzt); Steuerliche Unterstützung in Form von km-geld wirkt als Anreiz ebenfalls recht gut. 13 Verteilung (Distribution) Die einfachste und recht allgemeine Regel für die Distribution (Verteilung) schließlich lautet: Unterbreite und verbreite deine Angebote, deine Kommunikation, deine Argumente, deine Reklame, deine Motivation etc. in solcher Weise, dass du möglichst viele Kunden und potentielle Kunden erreichst. 14 Man muss seine Kunden kennen! Die geeignete Basis für alle Maßnahmen zur Förderung des Radfahrens erhält man aber nur, wenn man sich über die Kunden und potentiellen Kunden informiert, sie sinnvoll segmentiert, Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

51 Seite 48 unterschiedliche Wünsche, Tendenzen, Abneigungen und Ängste versteht und darauf entsprechend zielgruppenspezifisch reagieren kann. Zu erheben ist also: Wer sind die Zielgruppen? Wie sind diese Zielgruppen ( Kunden ) segmentiert? Bedürfnisse und Widerstände verschiedener Untergruppen (z.b. grob Radler und potentielle Radler); Motive, die sie leiten; Werte, die sie anstreben bzw. verteidigen wie etwa Umweltschutz; Bedingungen der Zusammenarbeit : Man muss verstehen, unter welchen Bedingungen die unterschiedlichen Gruppen bereit sind, auf Angebote und Vorschläge "einzusteigen". 15 Die Bedeutung eines ganzheitlichen (holistischen) Ansatzes Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass bei einer Vorgangsweise, die den Prinzipien des Marketings folgt bzw. wohl generell, wenn man jemanden von etwas überzeugen will ein holistischer Ansatz notwendig ist: Wenn man die Zielgruppen nicht gut kennt bzw. nicht gut erforscht hat, dann besteht das Risiko von Effektivitäts-, Effizienz- und Zufriedenheitsmängeln; die Brauchbarkeit wird dann nicht richtig deutlich. Wenn man gute Produkte zur Verfügung stellt, die aber nicht oder zu wenig bekannt sind, dann werden diese nicht ausreichend verwendet. Ohne gute Kommunikation kommen die besten Produkte dann nur suboptimal zum Einsatz. Fährt man hingegen ein gutes Kommunikationsprogramm und bietet wirkungsvolle Anreize, wobei das Produkt aber nicht die Zustimmung der Kunden findet oder als schlecht angesehen wird, dann besteht das Risiko eines Boomerangs: Man probiert das Radfahren aus, findet es schlecht und kommt zu dem Schluss, dass man das eigentlich nicht mehr machen will und reißt möglicherweise andere, die noch unsicher sind mit seiner Meinung mit. 16 Zum Schluss Der Halbsatz, der den Titel dieses Artikels darstellt, ist folgendermaßen zu vervollständigen: Wenn Sie wollen, dass ich Rad fahre, statt mit dem Auto, und dass ich diese Gewohnheit auch beibehalte, dann stellen Sie Bedingungen zur Verfügung, die mir das Radeln angenehm machen bzw. überzeugen Sie mich, dass sich der Umstieg auf das Radfahren lohnt. Quellen [1] Chaloupka-Risser Ch., Risser R., Zuzan W.-D. 2011, Verkehrspsychologie: Grundlagen und Anwendungen, Wien: Facultas-Verlag [2] Kotler Ph., Armstrong G., Wong V. & Saunders J. 2010, Grundlagen des Marketing, 5. Aufl., Pearson Studium, München 2010 [3] Watzlawick P., Beavin J., Jackson D.D., 2011, Menschliche Kommunikation Formen, Störungen, Paradoxien, 12. unveränderte Auflage, Bern: Huber Verlag [4] Prochaska J. O. & Velicer W. F. 1997, The transtheoretical model of health behavior change. American Journal of Health Promotion, 12, 1997, S TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

52 Seite 49 Urbane Radverkehrsplanung am Praxisbeispiel Esch-sur-Alzette/Luxemburg Romain Molitor Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Vortrag, der im April 2013 im Rahmen der Ringvorlesung Radfahren in der Stadt an der TU Wien gemeinsam mit Lucien Malano, Stadt Esch und Félix Braz, ehemaliger verantwortlicher Stadtrat der Stadt Esch abgehalten wurde. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

53 Seite 50 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

54 Seite 51 Urbane Radverkehrsplanung am Praxisbeispiel Esch-sur-Alzette/Luxemburg 1 Die Ausgangslage Die Stadt Esch-sur-Alzette, zweitgrößte Stadt Luxemburgs, ist durch die Stahlindustrie geprägt; gleich drei Stahlwerke mit Hochöfen in und rund um Esch waren Motor der Entwicklung: Terres Rouges (1872 in Betrieb genommen, 1977 stillgelegt, nach wie vor Industriebrache), Esch-Schifflange (1870 in Betrieb genommen, 2012 temporär stillgelegt) und Esch-Belval (1909 in Betrieb genommen; Hochöfen 1998 stillgelegt und Inbetriebnahme der Elektroöfen, ein Teil des Industrieareals wird in der Folge für die Entwicklung eines neuen Stadtteils freigegeben). Parallel dazu wuchs die Zahl der Einwohner der Stadt (siehe Tabelle 6) und nahm als Folge der Stahlkrise in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder ab. Jahr Einwohner Tabelle 6: Einwohnerentwicklung Esch-sur-Alzette 1851 bis 2013; Quelle: [1]. Den Aufschwung der Schwerindustrie führte zu einem sehr raschen Anwachsen der Stadt Esch bis zu ihrer Ausdehnung innerhalb von nur 50 Jahren. Aufgrund dieser spezifischen Entwicklung ist Esch eine sehr kompakte Stadt mit einer Fläche von nur 14,35 km 2 und einem Durchmesser von nur etwas mehr als 3 km. Folglich ist die Einwohnerdichte mit Einwohner/km 2 relativ hoch [2]. Nach der sukzessiven Stilllegung der drei Hochöfen in Esch-Belval 12 wird rund die Hälfte des Industriegeländes nicht mehr benötigt; Ideen, die nunmehr frei werdenden Flächen einer anderswertigen Nutzung zuzuführen, werden entwickelt. Im Jahr 2000 gründen der Eigentümer des Stahlwerks Arcelor (heute Arcelor-Mittal) und der luxemburgische Staat eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft ( agora s. à r.l. & Cie ), mit dem Ziel, das freiwerdende Gelände des Werks Esch-Belval mitsamt den Reserveflächen für eine urbane Neunutzung vorzubereiten. Damit war die Stadt Esch gefordert: Das zu Rekonversion vorgesehene Gebiet mit rund wurde der letzte der verbleibenden drei Hochöfen; Hochofen B, stillgelegt. Der leistungsfähigste Hochofen C wurde 1995 nach einer Panne stillgelegt, der Hochofen A als stille Reserve wurde bereits 1986 stilgelegt. Zwei Hochöfen, A und B, werden als Denkmal der Nachwelt erhalten. Der Hochofen C wurde nach China verkauft und 1996/1997 abgebaut. Siehe [3: S. 228ff ]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

55 Seite ha, zusätzlich in zwei Gemeinden gelegen (Esch-sur-Alzette und Sanem), sieht im ersten Masterplan eine Entwicklung im Endausbau 2021 von rund Arbeitsplätzen und Einwohnern vor. Laut Masterplan sind auf 70 ha bebaubarer Fläche rund 1,3 Mio m 2 BGF vorgesehen. Der Staat hat insgesamt 27,34 ha Fläche (ca. 40 % der bebaubaren Fläche) für den Bau von Forschungseinrichtungen (Cité des Sciences: Université du Luxembourg, Centre de Recherches Publics, Centre National de la Culture de l Industrie) gekauft [3]. Abbildung 15: Esch-sur-Alzette; Quelle: ACT Administration du Cadastre et de la Topographie, Diese Ausgangslage kompakte Stadt aus der Gründerzeit und vorgesehener neuer Stadtteil ungefähr gleicher Größe mit einem politischen Willen, ca. 1 Mrd. EUR an öffentlichen Geldern zu investieren waren die beiden Eckpfeiler für das neue, auszuarbeitende Verkehrskonzept. Dabei sollten alle relevanten Verkehrsmittel (Fußgänger, Radfahrer, ruhender und fließender Individualverkehr, straßen- und schienengebundener Öffentlicher Nahverkehr etc.) berücksichtigt und parallel in enger Abstimmung mit dem Stadtentwicklungsplan ausgearbeitet werden. Der Bearbeitungszeitraum für die Erstellung des Verkehrskonzeptes wurde mit September 2000 bis Juli 2001 festgelegt. Die Entwicklung der Industriebrache Belval kann als Chance und Bedrohung zugleich angesehen werden. Die Anforderung an das Verkehrskonzept war, die Erschließung beider Stadtteile in der Form zu gewähreisten, dass sich beide Stadtteile gleichermaßen entwickeln können. Eine Anbindung des neuen Stadtteils Belval an die Stadt Esch kann im Umweltverbund nur über den ÖV und das Rad erfolgen; zwischen dem neuen Stadtteil und der alten Stadt befindet sich ein in Betrieb stehendes Stahlwerk mit einer der größten Walzstraßen weltweit. Im ÖV wird der Stadtteil Belval über den Bahnhof Belval-Université von Süden und mit Regional- und Stadtbuslinien von Norden angebunden. Im Radverkehr soll die Anbindung sowohl von Süden als auch von Norden erfolgen. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

56 Auto Umweltverbund Seite 53 Abbildung 16: Belval Ouest 2010, Blickrichtung Osten, im Hintergrund das bestehende Stahl- und Walzwerk Esch-Belval und die Stadt Esch; Quelle: Wikipedia (2013). Eine weitere städtebauliche Forderung war generell die Aufwertung des öffentlichen Raumes, die nur über eine konsequente Mobilitätspolitik möglich ist. Dabei sollte auch geprüft werden, inwiefern Stadtplätze von der ansässigen Bevölkerung wieder stärker als Aufenthalts- und Begegnungsort statt als Parkplatz genutzt werden können. Als weiteres Ziel wurde die Erreichung eines signifikant höheren Anteils des Umweltverbundes formuliert (siehe Abbildung 17). Wohnbevölkerung Esch gesamt (Ziel-Quell- und Binnenverkehr) Ziel Binnenverkehr Ziel-Quell- V e r k e h r 60 % 50 % Ziel 40 % 30 % 20 % 10 % 22% 0,5% 9% 22% 6% 15% 35% 0,8% 4% 35% 9% 9% 17% Ziel 25% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 69% 57% 60% 47% 83% 75% 60 % 70 % 80 % Bestand Bestand Wohnbev. Esch Sonstige (Nicht Escher) Bestand Wohnbev. Esch Sonstige (Nicht Escher) We ge p ro Tag (beide Richtungen) Abbildung 17: Ziele im Modal Split; Quelle: [5]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

57 Seite 54 Ein wichtiger Baustein im Verkehrskonzept war die Entwicklung eines Radwegenetzes, auf das wir uns in der Folge konzentrieren werden. 2 Die Analyse des Radverkehrs Die Ausgangslage im Fahrradverkehr war, dass dieser in Esch nur eine sehr geringe Bedeutung hatte. Zählungen oder Erhebungen betreffend Fahrradverkehr waren nicht vorhanden. In Esch fehlte ebenfalls ein durchgängiges Radroutennetz, weshalb der geringe Fahrradverkehr in Esch vorwiegend im Mischprinzip mit dem Kfz-Verkehr geführt wurde. Obwohl im Rahmen früherer Verkehrskonzepte [6] bereits ein Radverkehrsnetz konzipiert wurde, war kaum eine Infrastruktur für Radfahrer vorhanden. Die bestehende Infrastruktur für Radfahrer umfasste im Jahr 2000 Radwege in folgenden Straßenzügen: Penetrante de Lankelz (v zul = 70 km/h): Radweg (baulich getrennt, ca. 800 m Länge); Boulevard Charles de Gaulle (v zul = 70 km/h): Radweg (baulich getrennt, ca. 800 m Länge) im nordwestlichen Abschnitt in Richtung Raemerich; und bildete damit kein zusammenhängendes Netz. 3 Prinzipielle Herangehensweise Durch die kompakte Siedlungsform sind ideale Voraussetzungen für das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel im Binnenverkehr und als Zubringer zum Öffentlichen Verkehr gegeben. Bei Entfernungen bis etwa 5 km ist das Fahrrad das schnellste Tür-zu-Tür Verkehrsmittel (siehe z.b. [7]). 3.1 Vorgangsweise Die prinzipielle Vorgangsweise sah zuerst eine Potenzialabschätzung vor, in der geklärt werden sollte wieviel Radverkehr zu erwarten ist und wo bzw. auf welchen Routen dieser zu erwarten ist. Die Potenzialabschätzung baut auf den vorher festgelegten Zielsetzungen auf (s. Abbildung 17). Die Bestimmung der frequentiertesten Routen ist wichtig, um einerseits das Netz entsprechend logisch aufbauen zu können, und um andererseits eine Prioritätenreihung der Stadt vorschlagen zu können. Ausgehend von der Potenzialabschätzung werden Wunschlinien (Verkehrsverteilung) bestimmt (siehe Abbildung 19), die dann auf ein Straßennetz umgelegt werden. Die Festlegung der Netzhierarchie (Haupt- und Nebenrouten) baut auf den Ergebnissen der Umlegung der Wunschlinien auf. Nach der Festlegung der Netzhierarchie werden die prinzipiellen Anlagearten (Radwege, Radstreifen, Angebotsstreifen ( voie suggestive ) auf Basis der zu dem Zeitpunkt geltenden Richtlinien festgelegt [8, 9] sowie ein Maßnahmenplan mit einer Zeitachse der Umsetzung der jeweiligen Infrastruktur vorgeschlagen. 3.2 Potenzialabschätzung Die Potenzialabschätzung baut auf Analogieschlüssen aus Städten vergleichbarer Größe und der Ausgangssituation auf. Für die Verkehrserzeugung wurde ein Anteil der Wege mit dem Fahrrad von 6 % an allen Wegen der Einwohner (Binnen-, Ziel- und Quellverkehr) normativ festgelegt. Unter der Annahme, dass die Mobilitätsrate in Esch bei 3,1 Wegen pro Einwohner TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

58 Seite 55 über 6 Jahre und Normwerktag liegt eine Mobilitätserhebung lag leider nicht vor und war auch aus Kostengründen im Projekt nicht vorgesehen ergibt dies 0,17 Wege pro Einwohner über 6 Jahre und Tag mit dem Fahrrad oder in Summe Wege, die werktäglich mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Unter der Annahme, dass Wege mit dem Fahrrad im Wesentlichen nur innerhalb der Stadtgrenzen zurückgelegt werden, würde der Anteil der Wege mit Fahrrad im Binnenverkehr von unter 1 % auf ca. 9 % steigen. Im Ziel- und Quellverkehr, also für Wege über die Stadtgrenze hinaus, wurde der Anteil des Radverkehrs signifikant niedriger angesetzt. Die Verteilung der Wege erfolgte mit Hilfe des Gravitationsgesetzes [10], Formel (1). F ij i i ij C ij k Q Z C e (1) Mit F ij Anzahl an Fahrten von Zelle i zu Zelle j; Q i...quellverkehr aus Zelle i; Z j...zielverkehr nach Zelle j; C ij...generalisierte Kosten, im vorliegenden Fall nur Distanz im Radverkehr; α, β...parameter der Widerstandsfunktion, k...konstante. Die erzeugten Wege mit dem Fahrrad wurden auf die einzelnen Zwecke (Arbeit, Ausbildung, Einkauf, Freizeit) aufgeteilt. Je nach Zweck wurden die Attraktoren für die Quelle und das Ziel angepasst, etwa Zahl der Einwohner über 6 Jahre in der Verkehrszelle i und Zahl der Arbeitsplätze in der Zelle j oder Zahl der Einwohner über 6 Jahre in der Verkehrszelle i und Verkaufsfläche in der Zelle j (siehe auch [10]). Die Verkehrsbeziehungsmatrix muss anschließend auf ein Straßen- und Radwegenetz umgelegt werden. Ziel ist es, eine nachvollziehbare Grundlage für die Prioritätenreihung der zu bauenden Radwegeinfrastruktur zu schaffen. Abbildung 18: Verteilung der Radwege Ergebnisse der Modellierung; Quelle: [5]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

59 Seite 56 Der Netzgraph baut auf dem Straßennetz von Esch auf, das digitalisiert wurde. Um die Widerstände im Netz korrekt abzubilden, wurden die Steigungen der Straßenzüge, die Verkehrsbelastungen in Form des DTV bei der Parametrisierung der Streckenwiderstände der einzelnen Streckenabschnitte berücksichtigt. Die Umlegung erfolgte nach dem Best-Weg-Route Verfahren. Das Ergebnis ist in Abbildung 18 visualisiert. Abbildung 19: Umlegung der Radwege auf das Straßennetz Ergebnisse der Modellierung; 4 Die Planung 4.1 Stadtnetz Quelle: [5]. Die Planung des Radwegenetzes folgte ebenso wie für andere Verkehrsmittel einer Hierarchie. Folglich wurde für den Aufbau des Netzes eine zweigeteilte Netzhierarchie entwickelt: Ein Hauptnetz mit dem Titel Stadtnetz und ein Sammel- und Erschließungsnetz mit dem Titel Nachbarschaftsnetz. Das Stadtnetz hat die Funktion, die Hauptverbindung zwischen den Stadtteilen und zu den Zielen gesamtstädtischer Bedeutung, etwa dem Bahnhof, zu garantieren. Auf diesem Netz sollen auch die Ströme gebündelt werden; die Infrastruktur ist entsprechend auszugestalten. Die Funktion dieses Netzes ist Verbinden und Durchleiten. Die Hierarchie bestimmt desweiteren die Maschenweite des Netzes; als Mindestmaß wurden m und als zu erreichende Qualitätsstufe ein Optimalmaß von 500 m normativ festgelegt. Anhand dieser normativen Festlegung ergibt sich eine abgeleitete Netzlänge für das Stadtnetz von 9 km bei km Maschenweite und von 17 km bei 500 km Maschenweite des Stadtnetzes. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

60 Seite 57 Abbildung 20: Vorschlag des Stadtnetzes; Quelle: [5]. Das Stadtnetz wurde auf Basis der Ergebnisse der Verkehrsumlegung entwickelt; dabei wurde das Netz routenorientiert aufgebaut (siehe Abbildung 20). Dieser Ansatz basiert darauf, dass in der Umsetzung immer idealerweise ganze Routen gleichzeitig umgesetzt werden sollen. Das wurde ebenfalls im Maßnahmen- und Zeitplan berücksichtigt. Für jede Route wurde pro Abschnitt der Infrastrukturtyp in der Maßnahmentabelle als Grundlage für die spätere Umsetzung festgelegt (Radwege, Radstreifen oder Angebotsstreifen). Im Endausbau soll das Stadtnetz insgesamt eine Länge von 19,8 km aufweisen. 4.2 Nachbarschaftsnetz Das sogenannte Nachbarschaftsnetz ist in seiner Funktion eine Hierarchiestufe unter dem Stadtnetz und dient der Erschließung der einzelnen Stadtteile. Entsprechend dieser Funktion handelt es sich um Sammelradwege, teilweise auch um Erschließungsradwege in Analogie zur Hierarchie des Straßennetzes einer Stadt (vgl. etwa [11]). Die vorgeschlagenen Maßnahmen im Nachbarschaftsnetz werden kleinteiliger (bis hin zu Anpassungen an Kreuzungen und Einmündungen, Absenken von Bordsteinen o.ä.) und mussten bereits detaillierter für die Maßnahmenliste, die die Grundlage für die Umsetzung ist, ausgearbeitet werden. Im Gegensatz zum Stadtnetz ist das Nachbarschaftsnetz nicht mehr routenorientiert, sondern mehr (Einzel-)maßnahmenorientiert (siehe Abbildung 21). Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

61 Seite 58 Abbildung 21: Vorschlag des Nachbarschaftsnetzes; Quelle: [5]. Im Zuge der Ausarbeitung des Nachbarschaftsnetzes wurden auch Vorschläge für Abstellanlagen für Fahrräder und deren Standorte ausgearbeitet. 5 Die Öffentlichkeitsarbeit Der Radverkehr war, wie in so vielen Städten, nach dem 2. Weltkrieg so weit zurückgegangen, dass er quasi keine Rolle mehr spielte (siehe [12]) und mehr oder weniger aus dem Stadtbild verschwunden war. Die Öffentlichkeitsarbeit musste daher bei Null beginnen und zunächst Bewusstseinsbildung schaffen sowie die Vorzüge des Radfahrens der Bevölkerung kommunizieren (siehe Abbildung 22). TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

62 Seite 59 Abbildung 22: Auszug aus dem Flyer Esch bewegt ; Quelle: [13]. Nach Realisierung der ersten beiden Routen (siehe unten), wurde eine Radkarte für Esch erstellt (Abbildung 23). Abbildung 23: Radkarte Esch; Quelle: [14]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

63 Seite 60 6 Die Umsetzung 6.1 Chronologie Nach Diskussion und Beschlussfassung durch den Gemeinderat ging es an die Umsetzung. Die Chronologie der einzelnen Umsetzungsschritte: : Planung und Bewusstseinsbildung auf politischer und technischer Ebene; Planungsphase; ab 2003: Umsetzung der ersten infrastrukturtechnischen Maßnahmen und konsequente Inbetrachtnahme der Belange des Radverkehrs bei der Erneuerung der Straßen; Nord-Süd-Route als erste Route (R1, R7), Lallange Bahnhof; Eröffnung Sommer 2003; Ost-West-Route als zweite Route (R6, R2), Belval Kreisverkehr rue du Canal rue du Fossé; Eröffnung 2004; Einrichtung eines Leihrad-Systems (2004), 1. Generation mit 2 EUR ( Einkaufswagenprinzip ) als Sozialprojekt mit Langzeitarbeitslosen; ab 2007: Einführung des Verleihsystems vel ok (Referenz: Kopenhagen), 2. Generation mit Registrierung und elektronischer Sicherung, System Deceaux (siehe Citybike Wien); Einführung der Mobilitäts-Karte Esch; 2008: Bypad -Zertifizierung ( der Radverkehrspolitik; 2009: Festschreiben von Stellplatzkennzahlen für Fahrräder in der städtischen Bauverordnung (z.b. 1 Stellplatz pro Bett in Studentenwohnheim); 2013: Ergänzung des Verleihsystems velok durch Elektrofahrräder (Pedelec); Laufend: Erweiterungsmaßnahmen (infrastrukturell, reglementarisch) und Monitoring der umgesetzten Maßnahmen. 6.2 Beispiel Route R6, R2 Die Ost-West-Achse als zweite wichtige Route wurde 2004 im Zuge der Sanierung der in Ost- West-Richtung verlaufenden Hauptstraße rue du Canal umgesetzt. Da der Querschnitt keine eigene Radinfrastruktur erlaubte und die Stellplätze zumindest mittelfristig erhalten werden mussten (kaum eines der historischen Wohnhäuser aus der Gründerzeit hat eine Garage und der Bau der Tiefgarage mit einem Teil als Wohnsammelgarage an der place de la Résistance war erst für nach 2010 vorgesehen), musste auf Radstreifen in den Abschnitten mit ausreichender Breite und einseitigen Angebotsstreifen in den schmäleren Abschnitten ausgewichen werden. In der Gegenrichtung behalf man sich mit Piktogrammen auf der Fahrbahn, um den Radverkehr auch dann sichtbar zu machen, wenn gerade niemand mit dem Fahrrad dort verkehrt (Abbildung 24, Abbildung 25 und Abbildung 26). TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

64 Seite 61 Abbildung 24: Auszug aus dem Plan rue du Canal; Quelle: [15]. Abbildung 25: Realisierter Abschnitt rue du Canal 2004; Foto: Molitor (2004). Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

65 Seite 62 Abbildung 26: Realisierter Abschnitt rue du Canal 2004; Foto: Molitor (2004). 6.3 Beispiel Maßnahmen im Zuge von Straßenerneuerungen Im Zug der erforderlichen Erneuerung des schadhaften Straßenbelags am Boulevard Pierre Dupong, der im Zuge der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entsprechend autogerecht mit überbreiten Querschnitten (ca. 9 m für 2 Richtungsfahrbahnen) ausgebaut worden war, wurde mit einfachen Maßnahmen die Querschnittsbreite reduziert und eine Infrastruktur für den Radverkehr geschaffen (Abbildung 27 und Abbildung 28). Abbildung 27: Boulevard Pierre Dupong Blickrichtung Westen Ausgangsbasis 2001; Quelle: [5]. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

66 Seite 63 Abbildung 28: Boulevard Pierre Dupong 2008; Foto: Malano. 6.4 Bilanz Die Bilanz nach rund 10 Jahren Umsetzung zusammengefasst dargestellt: Insgesamt wurden 12,5 km realisierte Radinfrastruktur (Radwege, Radstreifen) bei einer Gesamtlänge des städtischen Straßennetzes von 80 km geschaffen. Dabei ist zu beachten, dass rund ein Viertel des städtischen Straßennetzes (ca. 20 km) in die Zuständigkeit des Staates ( route nationale, chemin repris ) fällt und eine Abstimmung mit der verantwortlichen Verwaltung (Administration des Ponts et Chaussées) erforderlich ist. Das Investitionsvolumen in die Radinfrastruktur über 10 Jahre (2003 bis 2013) lag bei ca. 1 Mio. EUR; dies entspricht im Mittel einem jährlichen Budget von ca ,- EUR. Die durchschnittlichen spezifischen Kosten der Radinfrastruktur lagen bei 80 EUR/m. Diese niedrigen Kosten waren auch nur durch pragmatische Lösungen z.b. Abmarkieren von Radstreifen bei Erneuerungen möglich. Unter Berücksichtigung des Budgets ist der erzielte Radverkehrsanteil beachtlich. Der Radverkehrsanteil liegt in Esch bei ca. 5 % aller Wege; das Ziel von 6 % aller Wege bzw. 9 % aller Wege im Binnenverkehr aus dem Jahr 2001 wurde noch nicht erreicht. Im Zuge der Umsetzung im Rahmen der Neubaugebiete und -projekte werden konsequent Radabstellanlagen geschaffen. Das seit 2007 in Betrieb befindliche Radverleihsystem velok wies registrierte Benutzer auf, dies entspricht einem Anteil von ca. 8 % der Bevölkerung, von denen Verleihvorgänge registriert wurden. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

67 Seite 64 Abbildung 29: Radverleihssystem velok am Bahnhof; Foto: Molitor Abbildung 30: Radweg entlang des Boulevard Kennedy am neuen Busbahnhof; Foto: Molitor Der Ausblick sieht ein Monitoring der Effekte der umgesetzten Massnahmen; sowie die Inbetrachtnahme der Belange des Radverkehrs bei allen infrastrukturellen Planungen vor. Quellen [1] Statec (2013), Bevölkerungsstatistik Luxemburg (Online Datenbank, Zugriff Dezember 2013) TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

68 Seite 65 [2] Goedert J. (1990), Stadtplanung in Esch-Alzette, forum nr. 121, Juli 1990, S , Luxembourg [3] Masterplan précisé Belval Ouest (2001), Zwischenbericht Projet de PAG, Luxembourg [4] Scuto D., Knebeler C. (201), Belval, Passé, présent et avenir d un site luxembourgeois exceptionnel ( ), Esch [5] Molitor R., Arndt M., Burian E., Groff A., Koch H., Maier B., Perez M., Pfeiler D., Schragl E., Sparmann U., Wagner W., (2001), Verkehrskonzept Esch-sur-Alzette, Wien, Karlsruhe im Auftrag der Administration Communale de la Ville d Esch-sur-Alzette [6] Topp H.H. et al. (1989), Gesamtverkehrskonzept Esch-sur-Alzette, Darmstadt [7] Knoflacher H. (1995), Fußgeher- und Fahrradverkehr, Wien. [8] Ministère des Transports (2001), Avis de la Commission de circulation de l Etat, La circulation cycliste sur la voie publique, Luxembourg [9] FGSV (1995), Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 95), Köln [10] CERTU (2003), Modélisation des déplacements urbains de voyageurs, Guide des pratques, Lyon [11] FGSV (2010), Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen (RAST 2010), Köln, [12] Molitor R. (2010), Das Fahrrad als Verkehrsmittel?, in LVI (Hrsg., 2010), Mam Velo do!, Eine Radtour durch die Luxemburger Zeigeschichte, S , Luxembourg [13] Administration Communale de la Ville d Esch-sur-Alzette (2003), Flyer Esch bewegt [14] Administration Communale de la Ville d Esch-sur-Alzette (2006), Mam Velo an Esch, Radkarte Esch [15] Molitor R., Clees L., Wagner W., Pfeiler D. (2003), Detailplanungen Radrouten im Auftrag der Administration Communale de la Ville d Esch-sur-Alzette. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

69 Seite 66 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

70 Seite 67 Wiener Fahrradverkehr und Verkehrspolitik in historischer Sicht Sandor Bekesi Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

71 Seite 68 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

72 Seite 69 Wiener Fahrradverkehr und Verkehrspolitik in historischer Sicht Die Geschichte der Verwendung des Fahrrades als Alltagsfahrzeug in der Stadt und seine Behandlung in Politik und Planung ist für Wien immer noch relativ wenig erforscht.[1] Im folgenden Beitrag sollen zu diesem Thema einige historische Eckdaten, eine Periodisierung und erste Erklärungsversuche zur Verkehrsgenese geboten werden. Dabei werde ich zunächst die Entwicklung des Fahrrads als innerstädtisches Verkehrsmittel in Wien seit Ende des 19. Jahrhunderts zwischen Nutzung, Planung und Politik beschreiben, um darauf folgend die möglichen Ursachen für diese Entwicklung aufzulisten und zu gewichten. Ansatzweise soll dabei auch die Frage erörtert werden, ob und inwieweit wir es hier mit einem Wiener Sonderweg zu tun haben. 1 Periodisierung der städtischen Radverkehrsentwicklung 1.1. Der erste Boom Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts weltweit ein Fahrrad-Boom einsetzte, sagte man diesem Verkehrsmittel auch in den Großstädten eine große Zukunft voraus. The effect (of bicycles) upon the development of cities will be nothing short of revolutionary. Der leise Drahtesel würde, so hieß es, neben dem Dreck all den Lärm und jene Nervosität, die dem Stadtleben eigen ist, beseitigen [2]. Hierzulande meinte Theodor Herzl 1896 in einem Feuilleton der Neuen Freien Presse [3]: Schon ist klar, wie das Fahrrad gewaltig auf die Zustände der Menschen einwirken, wie es das Aussehen der Städte und viele Bedingungen unseres Lebens verändern muss. (...) Wenn wir das Zweirad so betrachten, dämmert in uns die Ahnung auf, dass es das Heilmittel sei gegen die gefährliche Hypertrophie der großen Städte. Auch der österreichische Ethnologe und Kulturwissenschaftler Michael Haberlandt beschwor damals die Potentiale des neuen alltagstauglichen Verkehrsmittels [4]: "Die Bewegung, welche das Zweirad in die civilisierte Menschheit gebracht hat, ist heute schon ungeheuer und wird immer unübersehbarer. Sie ist, obwohl in ganz anderem Sinne, nur mit der riesenhaften Verkehrsentfesslung (sic) zu vergleichen, welche das Eisenbahnwesen gebracht hat." Die Utopie einer Fahrradstadt um 1900 hat der Architekt und Designer Josef Urban in seinem Entwurf einer Rad-Stadt-Hoch-Bahn grafisch und kreativ umgesetzt [5]. Dabei zeichnete er ein verschlungenes Radwegenetz auf Stelzen und mit repräsentativ gestalteten Stationsgebäuden, welches die Stadt als prägende Raumstruktur überziehen sollte (siehe Abbildung 31). Das Aufkommen des alltagstauglichen Niederrades (auch Sicherheitsrad genannt) ab ca löste in bürgerlichen Kreisen eine regelrechte Euphorie aus. Diese Begeisterung und die große mediale Aufmerksamkeit werden verständlich, wenn man bedenkt, dass das Fahrrad zu diesem Zeitpunkt das billigste Individualverkehrsmittel und vorübergehend gar das schnellste Verkehrsmittel in der Stadt war. Zur Erinnerung: Die erste elektrische Straßenbahn fuhr in Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

73 Seite 70 Wien erst ab 1897, die dampfbetriebene Stadtbahn ab 1898, das heißt, bis dahin herrschte in Wien der animalische Betrieb in Form von Pferde-Omnibussen, Pferdetramway, Fiaker und Einspänner vor. In diesem Umfeld bot das Fahrrad nun neue und ungeahnte Möglichkeiten der räumlichen Mobilität nicht zuletzt für Frauen. Abbildung 31: Utopie einer Rad-Stadt-Hoch-Bahn von Josef Urban, 1898, aus: Wiener Radfahr- Club Künstlerhaus (Hg.); Radlerei! (Ausschnitt, Wien Museum). TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

74 Seite 71 Die juristischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen fürs Stadtradeln sahen jedoch anfangs weniger günstig aus. Die Behörden reagierten auf das neue Fahrzeug im Straßenverkehr zunächst mit zahlreichen Fahrverboten und Reglementierungen, die sukzessive erst bis zur Jahrhundertwende aufgehoben wurden. Ab Mitte der 1880er Jahre hatte man einzelne Straßen zum Radfahren freigegeben, allerdings mit verpflichtendem Lichtbildausweis, Nummerntafel und Fahrprüfung. Man musste sich als Radfahrer/-in mit zum Teil recht komplizierten Regeln herumschlagen: So waren enge und/oder verkehrsreiche Straßen wie z.b. die Wiedner Hauptstraße bis zur Schleifmühlgasse oder die Alser Straße bis zum Gürtel von 7 bis 19 Uhr nicht befahrbar, am Ring durfte man beispielsweise nur in gewissen Abschnitten oder in den Seitenfahrbahnen fahren [6]. Nichtsdestotrotz waren in Wien 1896 bereits rund Erlaubnisscheine für Radfahrer/-innen ausgestellt. Die eigentliche Wende kam dann ein Jahr später, als praktisch alle Straßen in Wien fürs Radeln freigegeben und die Erfassung der Radbesitzer/-innen aufgegeben wurden [7]. Mit dieser Liberalisierung war nun das Fahrrad formalrechtlich als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt. Doch der Alltag im damals noch vergleichsweise wenig regulierten, aber stark zunehmenden Straßenverkehr dürfte für die ersten Stadtradler/-innen nicht ganz einfach gewesen sein. Eine Illustrierte etwa übertitelte ihren praxisnahen Bericht über das Radfahrerleben in Wien mit der Bezeichnung Eingezwickt [8]. Insofern überrascht es nicht, wenn die Radfahrervereine damals schon "Fahrrad-Trottoire" oder "Fahrradbanketts", wie Radfahrwege damals hießen, forderten [9], wenn auch ihre Motive sich von den heutigen unterschieden: Der war der Sicherheitsaspekt weniger bedeutsam, in erster Linie ging es um die Bequemlichkeit der Radfahrer/-innen (feingeschotterte Begleitwege an Stelle von Kopfsteinpflaster) und das ungestörte Vorankommen inmitten von meist langsameren Verkehrsmitteln. In der Tat entstanden zwischen 1898 und 1913 in Wien innerhalb der heutigen Stadtgrenzen rund 40 km Radwege [10]. Ein Infrastrukturumfang, der sowohl im damaligen internationalen Vergleich wie auch in der lokalen Langzeitperspektive bemerkenswert ist [11]. Denn bis um 1980(!) hat sich an dieser Länge von Radverkehrsanlagen hierzulande kaum etwas geändert, zeitweise verfügte Wien sogar über weniger Radwege. Die ersten Wiener Radverkehrsanlagen entstanden entlang der neu ausgestalteten Gürtelstraße (siehe Abbildung 32) oder begleitend zu den Ausfallstraßen wie der Simmeringer Hauptstraße oder Triester Straße bzw. im Prater. Die dicht besiedelte Stadt und den Alltagsverkehr hatte man damit also weniger angepeilt, vielmehr den Freizeitverkehr. Errichtet wurden die Radwege hauptsächlich durch die Gemeinde und teilweise sogar in Zusammenarbeit mit den Radfahrervereinen und vermutlich auch unter Beteiligung der NÖ-Statthalterei. Das neue Verkehrsmittel Fahrrad sorgte in der Stadt aber auch für Konflikte und war nicht selten in Unfälle verwickelt. Dabei erwiesen sich Radfahrer/-innen sowohl als Opfer wie auch als Täter. Vor allem der spezifische Charakter des Velocipes als ein relativ geräuschloses Verkehrsmittel war für andere Verkehrsteilnehmer vor allem für Fußgänger/-innen gewöhnungsbedürftig und in manchen Situationen eine neue Gefahrenquelle [12]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

75 Seite 72 Abbildung 32: Querprofil der Gürtelstraße mit einem der ersten Wiener Radwege, 1905, aus: Goldemund, H., Straßenwesen, S Als Interessensvertretung der Radfahrer/-innen fungierten von Anbeginn an vor allem Vereine verschiedenster Art. Allein in Wien gab es um die Jahrhundertwende mehrere Hundert Radfahrervereinigungen. Neben bürgerlich-aristokratischen Klubs, die teilweise schon länger bestanden, formierten sich ab 1893 auch die Arbeiterradfahrer und gründeten 1899 den landesweiten Verband der Radfahrvereine Österreichs (später ARBÖ), die bald wichtigste Interessensvertretung der Radfahrenden.[13] Einen wichtigen Unterstützer fand die neue Mobilitätsbewegung in der Spitzenpolitik und in der Person des niederösterreichischen Statthalters Erich Kielmansegg, der selbst ein leidenschaftlicher Radfahrer (gleichzeitig aber auch Automobilist) war. Etwa vergleichbar mit einem heutigen Landeshauptmann war er auch für Wien, das damals noch Teil Niederösterreichs war, zuständig. Die Aufhebung des Nummernzwanges und die Abschaffung der einst unerlässlichen Prüfung für Radfahrer/-innen wurden auf seine Initiative zurückgeführt [14]. Eine Maßnahme, die aber wohlgemerkt zur gleichen Zeit auch in zahlreichen anderen Städten durchgeführt wurde. Diese Aufbruchsstimmung und der Boom um 1900 ums Fahrrad ist, wie schon angedeutet, nicht nur von Mobilitäts- und Nützlichkeitsaspekten her zu betrachten, sondern auch als eine Modeerscheinung und ein Teil von Lifestyle. Bis zum Ersten Weltkrieg verlor das Fahrrad allerdings seine Exklusivität und seine ausschließliche Bedeutung als Sport- oder Vergnügnungsvehikel. Die mediale Aufmerksamkeit ging daraufhin bald zurück und wendete sich dem aufkommenden Automobil zu. In einem repräsentativen technischen Führer für Wien stellte man 1905 lapidar fest [15]: Das Reitpferd und das Fahrrad kommen in Wien als Verkehrsmittel wenig in Betracht. Doch die Zahl der Radfahrer/-innen in Wien nahm stetig zu. Dies wird nicht zuletzt durch die steigende Zahl von Radunfällen ersichtlich [16]. In Wirklichkeit nutzten mehr und mehr Botendienste, Ärzte oder die Post das neue Fahrzeug für ihre beruflichen und geschäftlichen Zwecke Zwischenkriegszeit: Ignoranz und Restriktionen Nach dem Ersten Weltkrieg bot sich in Wien grundsätzlich eine günstige Ausgangssituation für die Verbreitung des Stadtradelns. Die Stadt war ab 1921 ein eigenes Bundesland geworden und genoss dadurch mehr Gestaltungsmöglichkeiten auch in der Siedlungs- und Ver- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

76 Seite 73 kehrspolitik. Zudem machte die fortschreitende Verbilligung der Preise das Fahrrad für weitere Kreise der Arbeiterschaft und für kleine Angestellte erschwinglich. Nicht zuletzt übernahm die Sozialdemokratie im Zeitraum 1918 bis 1934 die politische Macht im Rathaus. Wer jedoch aufgrund der mittlerweile errungenen praktischen und symbolischen Bedeutung dieses Verkehrsmittels für die Arbeiterbewegung vielleicht erwartet hatte, dass Wien nun bald zur Radfahrerstadt werde, wurde enttäuscht. Denn im sogenannten Roten Wien unterblieb der weitere Ausbau der Radinfrastruktur, und überdies ließ man jede Art der Fahrradförderung im Alltag vermissen. Das Fahrrad spielte lediglich für propagandistische, demonstrative Zwecke eine Rolle, so im Sport oder bei organisierten, feierlichen Aufmärschen der Arbeiterschaft [17]. Den Schwerpunkt kommunaler Zuwendungen bildeten damals bekanntermaßen Wohnbau und soziale Wohlfahrt. Im Verkehrswesen setzte man vor allem auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Verbilligung der Fahrpreise. Auf diese Weise wurde Wien bis Ende der 1920er-Jahre quasi zu einer Straßenbahnstadt. Die Grundsatzdebatte Superblock versus Gartenstadt- Siedlung wurde spätestens Mitte der 1920er-Jahre zugunsten der großen kommunalen Wohnhöfe entschieden. Im Gegensatz hätten weitläufige Siedlungen am Stadtrand die Mobilität mittels Fahrrad begünstigt, während Großwohnanlagen in relativ zentralen Lagen leichter mit der Straßenbahn zu erschließen waren [18]. Wie wenig Bedeutung dem Fahrrad in der damaligen kommunalen Planung zukam, zeigt auch die Tatsache, dass die berühmten Gemeindebauten des Roten Wien in vorbildlicher Weise zwar Gemeinschaftseinrichtungen wie Zentralwaschanlagen, Kindergärten, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen enthielten, aber über keine Radabstellräume verfügten. Und dennoch empfiehl der Arbeiter Radfahrer-Bund das Fahrrad ( Das Stiefkind der Behörden ) als Zubringer zu den Straßenbahnen und forderte entsprechende Infrastrukturmaßnahmen, konnte sich jedoch innerhalb der Partei offenbar nicht durchsetzen [19]. Die Forderung nach dem Bau getrennter Radwege wurde allgemein lauter. Die Motivation hierfür war jedoch bereits anders gelagert: Der sprunghaft angestiegene Lkw-Verkehr wurde in der Zwischenzeit zu einer massiven Gefährdung für Radfahrer/-innen, Autofahrer wiederum empfanden die Radfahrenden mehr und mehr als Hindernis. Das Sicherheitsbedürfnis machte die Entmischung der unterschiedlichen Kategorien von Straßenbenützern offenbar zu einer infrastrukturellen Voraussetzung fürs Radfahren. Radwegebau war (und ist) freilich nicht die einzige oder immer die beste Möglichkeit, den Fahrradverkehr zu fördern [20]. Hierzulande kann er jedoch aus Gründen einer traditionell eher normativ und territorial ausgeprägten Verkehrsmentalität als zentraler Indikator für den kollektiven Umgang mit diesem Verkehrsmittel angesehen werden. Die damalige Situation in Wien bilanzierten die Arbeiter-Radfahrer ernüchtert [21]: Es gibt ja auch kaum eine Großstadt, die so wenig den Bedürfnissen der Radfahrerschaft entgegenkommen würde, wie dies in Wien der Fall ist. Wiederholt verwies man auf Berlin, wo der Ausbau der Radwege trotz Wirtschaftskrise weiterging [22]. Die Bestimmungen der neuen Straßenverkehrsordnung von 1930, welche unter anderem die Benützungspflicht für Radwege (wieder) einführte, soll in Wiener Radfahrerkreisen angesichts weitgehend fehlender Radwege eher nur für höhnische Kommentare gesorgt haben [23]. Diesen Tatsachen zum Trotz lebt im kollektiven Gedächtnis nicht zuletzt durch die ersten einschlägigen historischen Abhandlungen genährt das Bild einer Radfahrerstadt im Wien der Zwischenkriegszeit bis heute weiter. Demnach hätten damals die "Räder die Straßen dominiert" [24]. Dies mag in einigen anderen mittel-, west- oder nordeuropäischen Städten tat- Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

77 Seite 74 sächlich der Fall gewesen sein. Doch auf einen hohen Verkehrsanteil von Radfahrer/-innen in Wien lässt sich aus den vorhandenen Quellen kaum schließen [25]. Verkehrszählungen im heutigen Sinne gibt es erst ab Und lediglich um die Mitte der 1930er-Jahre zeigt sich ein deutlicher Anstieg des Fahrradverkehrs in Wien [26]. Damals entstand jedoch kein medialer Hype um dieses Phänomen, da der Anstieg dieser Mobilitätsform diesmal eher aus der Wirtschaftskrise und einem verschlechterten Angebot der Straßenbahnen resultierte und daher höchstens im negativen Sinn ein Ausdruck von Lifestyle war. Im Vergleich zu manchen deutschen Großstädten wie Berlin oder Hamburg (von Kopenhagen und Amsterdam ganz zu schweigen) erzielte Wien immer noch geringe Radverkehrsdichten. Der Radverkehrsanteil dürfte sich selbst am Höhepunkt der Entwicklung im Jahr 1937 erst im mittleren einstelligen Prozentbereich ähnlich wie heute bewegt haben [27]. Abbildung 33: Ausweiskarte für Radfahrer/-innen mit Erläuterungen über die Fahrradabgabe, 1937 (Wien Museum). Dieser kurze Boom des Stadtradelns um 1935 wurde jedoch ähnlich anderen Städten in Österreich [28] von einer neuen Form von Reglementierung begleitet. Die mittlerweile austrofaschistisch regierte Stadtverwaltung führte ab Juni 1937 erneut eine verpflichtende Ausweiskarte und Fahrradkennzeichen ein. Hinzu kam eine Fahrradabgabe von 6 Schilling pro Jahr. (siehe Abbildung 33) Das entsprach an sich nur einem Zehntel vom Wochenlohn eines ungelernten Industriearbeiters, was aber unter den damaligen wirtschaftlichen Verhältnissen und Haushaltsbudgets mehr bedeutete als heute. Als Begründung für diese Maßnahmen hatte man allgemeine fiskalische Argumente, die notwendige Identifizierung von Radfahrern bei Unfällen und auch die Zweckbindung der Abgabe für Radfahrwege angeführt. Möglicherweise war ihre Einführung aber auch parteipolitisch motiviert, da vor allem die Anhängerschaft der Sozialdemokratie davon betroffen war. Arbeitslose erhielten keine Ermäßi- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

78 Seite 75 gung, und im ersten Entwurf sollten sogar Lasträder und damit Gewerbetreibende von der Steuer ausgenommen werden [29]. Die sogenannte Fahrradsteuer war jedoch nur von kurzer Dauer, bald nach dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland wurde sie abgeschafft.[30] Dank der neuerlichen behördlichen Erfassung von Fahrrädern in Wien wissen wir, dass in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre rund Radfahrer auch oder vor allem in der Stadt unterwegs waren. Im ständestaatlichen Wien entstanden auch die einzigen wenigen Radwegebauten der Zwischenkriegszeit: entlang der Lasallestraße, der Triester Straße und der Wientalstraße (letztere schon vor der Fahrradabgabe). Bezeichnenderweise führt das Statistische Jahrbuch der Stadt Wien aber erst ab 1939, also vermutlich nach reichsdeutschen Vorgaben, Radwegelängen an. Und diese betrugen damals lediglich 32 Kilometer und damit obwohl aufgrund der Bauweise vermutlich nur bedingt vergleichbar keineswegs mehr als noch zu Zeiten der Monarchie [31]. Trotz einer insgesamt restriktiven Radverkehrspolitik während der Zwischenkriegszeit nahm also die Zahl der Radfahrer/-innen zu, das Fahrrad blieb bis in die Nachkriegszeit das wichtigste Individualverkehrsmittel auch in Wien. Noch im Jahr 1947 waren fast Fahrräder registriert [32] bis 1975: Niedergang Mitte der Fünfzigerjahre schätzte der ARBÖ den Anteil des Radverkehrs in Wien nur noch auf ein Prozent. Damals begann der Motorisierungsgrad durch zunehmenden Automobil- und Motorradbesitz rapide anzusteigen. Die Situation auf den Straßen spitzte sich zu, man sprach vom Schlachtfeld Straße [33]. Die Stadt wies österreichweit den größten Anteil der Radfahrerunfälle auf, was großteils auf die Zunahme der Kollisionen mit Personenkraftwagen zurückging (siehe Abbildung 34). Die Österreichische Gesellschaft für Straßenwesen sprach sogar von einer "Verschärfung der allgemeinen Verkehrslage in Wien" und plädierte für Verkehrsentmischung sowie erhöhte Sicherheit durch den Bau von Radverkehrsanlagen [34]. Selbst im Rahmen der international besetzten 1. Wiener Straßenverkehrsenquete ging man davon aus, dass das Fahrrad auch künftig ein wichtiges Straßenverkehrsmittel bleiben werde, und empfahl die Errichtung von Radfahrwegen. Dadurch sollten Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrsablaufes im Interesse aller Verkehrsteilnehmer erhöht werden [35]. Doch diese Vorschläge wurden in Wien in keiner Weise befolgt. Im Gegenteil: Sogar die wenigen bestehenden Radwege (rund 50 km) mussten der Verbreiterung der Fahrbahn und damit dem motorisierten Verkehr weichen. So entstand in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre auf dem Westgürtel die erste moderne Betonstraße Wiens [36], indem man die Fahrbahnen erneuerte bzw. verbreiterte und aus diesem Grund den noch aus der Monarchie stammenden Zweirichtungsradweg entfernte. Das heißt, dass man zeitgleich mit einer rapide zunehmenden Motorisierung und ungeachtet der hohen Unfallzahlen in Wien das Radwegenetz bzw. seinen Ausbau zur Gänze aufgab und dadurch dem städtischen Radverkehr praktisch die Grundlage entzog. Selbst wer nicht auf Auto oder Moped umsteigen konnte oder wollte, wurde somit vom Radfahren in der Stadt abgehalten. Das Fahrrad wurde somit nicht nur durch die Konkurrenz des motorisierten Verkehrs aus dem Straßenbild verdrängt, sondern auch infolge struktureller Gewalt. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

79 Seite 76 Abbildung 34: Diagramm über Radweglängen, Unfälle mit Beteiligung von Radfahrer/-innen und MIV-Quotient in Wien (erstellt von Békési, S.; Quelle: Statistische Jahrbücher der Stadt Wien). In den Zukunftsentwürfen und Technikvisionen der Wiener Nachkriegszeit hatte das muskelgetriebene Zweirad offensichtlich keinen Platz. Dem Fahrrad haftete bereits der Makel der körperlichen Anstrengung und das Image des Arme-Leute -Vehikels an. In den programmatischen Schriften zu Stadtplanung und Verkehrspolitik scheint dieses Verkehrsmittel nur am Rande und mitunter als bloßes Verkehrshindernis auf [37]. Das Leitbild war vielmehr die neue autogerechte Stadt amerikanischer Prägung. In dieser hatten sich Fußgänger wie öffentlicher Verkehr den Bedürfnissen des steigenden Autoverkehrs anzupassen. Das Fahrrad mutierte für Jahrzehnte zum ausschließlichen Kinderspielzeug und Sportgerät. Die Diskriminierung und der niedrige Stellenwert dieses Verkehrsmittels lassen sich auch an manchen Alltagspraktiken ablesen: So waren Autoparkplätze im Wiener Stadionbad damals gratis, während Kinder für ihre Fahrräder Abstellgebühr bezahlen mussten [38]. Können wir für die sozialistische Kommunalpolitik Wiens in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen noch mit Einschränkungen geltend machen, dass sie sich einseitig auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs konzentrierte und aus diesem Grund den Radverkehr vernachlässigte, so lässt sich für die fünfziger und sechziger Jahre nicht einmal dies behaupten. Denn gleichzeitig mit der Fahrradinfrastruktur wurde auch das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel zurückgeschraubt. Bis 1970 reduzierten die Wiener Verkehrsbetriebe ihre Fahrleistung pro Stadtbewohner/-in auf den Stand der frühen zwanziger Jahre [39]. Der Weg war nun für das Automobil frei. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

80 Seite bis 2010: Renaissance und verhaltene Förderung Die realen Auswirkungen dieses Verdrängungsprozesses einer muskelgetriebenen Verkehrstechnologie lassen sich sehen: Das Fahrrad verschwand praktisch aus dem Straßenbild. Die Radwegelängen schrumpften bis Mitte der siebziger Jahre auf den historischen Tiefstand von 11 Kilometern [40]. Ende der 1970er Jahre entfielen in Wien 0,4 Prozent Radwege auf das Straßennetz. Im Vergleich betrug dieser Anteil in München, Frankfurt oder Hamburg zu dieser Zeit rund 20 %. Der starke Rückgang im Radverkehr zwischen 1950 und 1970 ist an sich nicht Wien spezifisch, vielmehr die extrem niedrige Talsohle, die damals erreicht wurde [41]. Doch durch die Sensibilisierung der Gesellschaft für Ökologie- und Umweltfragen trat allmählich auch in Wien ein Image-Wandel des Fahrrades ein. Die Wende kam ab Mitte der 1970er- Jahre sozusagen von unten mit den ersten Radfahrer/-innen-Demonstrationen (siehe Abbildung 35). Die 1979 gegründete Arbeitsgemeinschaft umweltfreundlicher Stadtverkehr (AR- GUS) stellte nach langer Zeit wieder die erste konsequente Interessensvertretung für Radfahrer/-innen in Wien dar [42]. Als Reaktion darauf setzte auch bei den Stadtverantwortlichen bald ein Umdenken ein. Im Wiener Verkehrskonzept von 1980 wurde die Förderung des Radverkehrs auf der Planungsebene erstmals normativ festgelegt. Ein Ausbau der Radinfrastruktur mit über 800 Kilometer Radverkehrsanlagen bis zur Jahrtausendwende sowie Hunderten von Abstellanlagen in der ganzen Stadt folgten. Weitere wichtige Stationen dieses erneuten Aufschwungs waren die Einbindung von ARGUS in die Planungen und die Einrichtung eines Radwegkoordinators beim Magistrat oder nicht zuletzt die StVO-Novelle 1988 (Radfahren gegen die Einbahn wurde möglich vorher schon in Graz eingeführt oder die Bestimmung, wonach ein geschobenes Fahrrad als Fahrzeug galt, abgeschafft). Ab 2002 wurden sukzessive städtische Leihfahrräder installiert, ab 2006 begann die Initiative Critical Mass, mit regelmäßigen, demonstrativen Radler-Rundfahrten den Straßenraum auch symbolisch zurückzuerobern [43]. Doch von einem Durchbruch in der Radverkehrspolitik und in der Fahrradnutzung können wir in Wien in diesem Zeitraum nicht sprechen. Denn erst nach 1990 erreichte das Wiener Radwegenetz (bestehend aus Radwegen, Radfahrstreifen und Radrouten) jenen Stand, den deutsche Großstädte im Durchschnitt bereits in den siebziger Jahren aufwiesen [44]. Beim Radverkehrsaufkommen bildete Wien im Vergleich mit anderen Landeshauptstädten oder strukturell vergleichbaren Großstädten im Ausland vor kurzem noch das Schlusslicht. Während in Graz, Innsbruck oder Salzburg durchschnittlich jeder siebente bis sechste Weg mit dem Rad zurückgelegt wird ähnlich in München, Berlin oder Hamburg verwendet man in Wien lediglich fast nur für jeden 20. Weg das Fahrrad [45]. Dieser Befund überrascht aber nicht, wenn wir uns die Ausgaben der Stadt Wien im Zusammenhang mit Fahrradverkehr vor Augen führen. Diese bewegten sich nämlich im deutschsprachigen Vergleich eindeutig im unteren Bereich und betrugen in der Zeit durchschnittlich 1,5 Millionen EUR im Jahr, das heißt, weniger als einen(!) EUR pro Kopf [46]. Während der Anteil des Radverkehrs in der Stadt nach rund 30 Jahren Förderung um lediglich fünf % herum stagnierte, war die einschlägige Öffentlichkeitsarbeit der Stadt gleichzeitig von einer kaschierenden Erfolgsrhetorik und bloßer Ankündigungspolitik geprägt. Das Ausbleiben der anvisierten Zuwächse blieb meist ohne Folgen, mutige Maßnahmen mit Signalwirkung wurden nicht unternommen. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

81 Seite 78 Abbildung 35: Radfahrer/-innen-Demonstration Praterstraße/Ringstraße/Rathausplatz mit der Forderung nach Radwegen in Wien, 9. Juni 1979 (Foto: P. u. W. Hirsch, Wien Museum). Als besonders problematisch gilt in Wien nicht nur die geringe Quantität, sondern auch die fragwürdige Qualität des Radwegebaues. Bis heute gibt es in Wien kein flächendeckendes Radwegenetz: wichtige Radialrouten und Hochleistungskorridore fehlen, zudem weist das Netz teilweise große Lücken auf. So ist etwa in Wien-Brigittenau zwischen Augarten Brigittenauer Lände Leipzigerstraße und Nordwestbahnstraße oder in Wien-Favoriten zwischen Triesterstraße Raxstraße Landgutgasse und Ettenreichgasse (in einem Gebiet von der Größe der Bezirke 7. und 8. zusammen) noch immer keine wie auch immer geartete Radverkehrsanlage vorhanden [47]. Zudem gingen neuere Konzepte der Fahrradförderung bereits um 1990 von der strikten Trennung der verschiedenen Verkehrsarten wieder ab und verfolgten eine Vermischung mit dem Kfz-Verkehr bei gleichzeitiger Verkehrsberuhigung [48]. Davon war aber in Wien nicht viel zu sehen. Hierzulande baute man weiterhin bevorzugt gemeinsame Geh- und Radwege, deren Anlage häufig lediglich darin bestand, bestehende Gehsteige bloß durch Markierungen zweizuteilen. Auf diese Weise ging die Errichtung von Radverkehrsinfrastruktur vielfach auf Kosten der schwächsten Verkehrsteilnehmer, nämlich der Fußgänger/-innen.[49] Das folgende Zitat aus der Steiermark aus dem Jahr 1996, teils Tatsachenfeststellung, teils Programmatik, lässt sich ohne weiteres auf die Wiener Radverkehrspolitik der letzten Jahrzehnte übertragen [50]: Bisher haben wir Glück gehabt. Wir haben Radrouten dort angelegt, wo es wirklich relativ einfach war, weil wir dort niemanden verdrängen mussten. Und wenn jemand verdrängt wurde, war es der Fußgänger. Aber jetzt geht es ans Eingemachte. Jetzt geht es an die Reviere der Autofahrer. Eine wenig bekannte und in manchen statistischen Darstellungen ausgeblendete Tatsache ist, dass der ohnehin verhaltene Radverkehrsanteil in Wien seit ca keineswegs kontinuierlich gewachsen war. Während dieser in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre vier Prozent be- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

82 Seite 79 trug, halbierte er sich bis 2002, um bis heute wieder auf 5-6 Prozent anzuwachsen [51]. Das bedeutet, dass wir es hier mit einem nur wenig gefestigten Verkehrsverhalten und mit einer durchaus sensiblen Entwicklung zu tun haben, die bei nicht entsprechenden Maßnahmen leicht Rückschläge erleiden kann. Insgesamt zeigt sich also in einer Langzeitbetrachtung, dass hierzulande die Potentiale des Fahrrades als innerstädtisches Verkehrsmittel bislang nur wenig genutzt wurden. Wien wurde nie zu einer Radfahrerstadt. Wenn, dann höchstens um 1900 fiel die Stadt mit einem für damalige Verhältnisse intensiven Radwegebau auf. Die eingangs zitierten Prophezeiungen und großen Erwartungen von damals haben sich kaum bewahrheitet. Das Fahrrad hat die Stadt zumindest in Wien nicht verändert (höchstens durch die Präsenz mancher Radwege und Abstellanlagen), das Leben in der Stadt ist dadurch nur wenig geprägt. Viel versprechende Ansätze wie die autofreie Siedlung in Wien-Floridsdorf blieben punktuelle Pionierprojekte ohne Breitenwirkung [52]. Dies liegt jedoch nur zum Teil an der Konkurrenz durch das Automobil. Eine offensive Radverkehrsförderung und entsprechende Verkehrspolitik ist in Wien im Laufe der letzten rund hundert Jahre praktisch zu keinem Zeitpunkt festzustellen. Die Vernachlässigung des Fahrrades als innerstädtisches Alltagsfahrzeug hat somit in der Donau- Metropole eine lange Tradition. 2 Bestimmungsfaktoren der Verkehrsgenese Wie läßt sich nun der traditionelle Wiener Weg einer schwachen Förderung beziehungsweise Nutzung des Fahrrades im innerstädtischen Verkehr erklären? Die möglichen Gründe, warum sich ein bestimmtes Verkehrsmittel in einer Stadt mehr oder minder durchsetzt, sind komplex. Verkehrsgenese und Verkehrsverhalten werden noch immer als nicht zur Gänze erklärbar erachtet [53]. Akteure und Akteurinnen im Verkehrsgeschehen sind in ein vielfältiges und spezifisches Geflecht von physischen, sozioökonomischen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen eingebettet. Im Folgenden sollen einige dieser primären oder sekundären Bestimmungsfaktoren kurz erläutert und es soll versucht werden, ihre mögliche Relevanz für unsere Fragestellung auszuloten Physische Gegebenheiten Die relativ schwache historische Präsenz dieses Verkehrsmittels in Wien wird gern mit der Ungunst des Terrains begründet, die vom einstigen, berüchtigten Kopfsteinpflaster bis zum hügeligen Relief und der ungünstigen Witterung reicht. In der Tat zeigt der Radverkehr in Wien eine starke Abhängigkeit von den Wetterverhältnissen, vor allem bei anhaltendem Regen oder winterlichen Verhältnissen. Ein möglicher Grund dafür wird in den relativ großen Weglängen gesehen. Denn im Unterschied zu klassischen Radfahrerstädten mit ca. drei Kilometern beträgt die durchschnittliche Distanz, die in Wien mit dem Fahrrad zurückgelegt wird, um die vier Kilometer [54]. Doch ein solcher kausaler Zusammenhang sollte nicht überschätzt werden und könnte außerdem erst einigermaßen plausibel behauptet werden, wenn der Fahrradverkehr trotz intensiver Fördermaßnahmen (etwa in Form von günstigen Mitnahmemöglichkeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln, geräumten Radwegen bei Schneelage usw.) nicht in Gang kommen sollte. Aber im Gegenteil: Man nutzte solche Argumente vermutlich in legitimatorischer Absicht häufig eher dazu, den Fahrradverkehr nicht zu fördern. In Wirklichkeit ist der physische beziehungsweise natürliche Standortnachteil Wiens hinsichtlich Klima und Morphologie auf verkehrsplanerischer Ebene längst kein relevantes Thema mehr [55]. Auch in internationalen Vergleichsstudien vermögen solche, letztlich geodeterministischen Ansätze nur eingeschränkt die Unterschiede in der Fahrradnutzung zu erklären [56]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

83 Seite 80 Relevanter scheint das Argument mit anderen raumstrukturellen Faktoren wie etwa Siedlungsdichte und Siedlungsstruktur zu sein. Wien ist (immer noch) eine relativ kompakte, nicht zu große Stadt mit einer hohen Nutzungsmischung. All das kommt einer Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel oder durch das Fahrrad entgegen aber auch dem Zufußgehen. In der Tat wurden in Wien bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts, als für viele das Geld für den Fahrschein oder gar für ein eigenes Fahrrad noch häufig fehlte, auf dem Weg in die Arbeit oder zu Freizeitdestinationen selbst lange Wegstrecken zu Fuß zurückgelegt. Sogenannte gewachsene Stadtstrukturen mit verhältnismäßig engen Straßenbreiten können andererseits für den Ausbau von Radverkehrsanlagen hinderlich sein, respektive man ist mehr dazu angehalten, Prioritäten zwischen motorisiertem Individualverkehr und dem Radverkehr zu treffen. So gesehen erscheinen diese raumstrukturellen Faktoren insgesamt ebenfalls nur bedingt geeignet, die Besonderheiten der Wiener Radverkehrsentwicklung zu erklären. Gleichzeitig sind sie bereits vielfach mit sozio-ökonomischen Faktoren verwoben Sozio-ökonomische Rahmenbedingungen Die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln hängt wesentlich von ihrer Leistbarkeit ab. Vor allem im Wien der Zwischenkriegszeit dürfte die besonders schlechte ökonomische Lage und die geringe Kaufkraft der Bevölkerung den Erwerb eines Fahrrades in Wien zumal für die Arbeiterschaft als potentiellen Hauptnutzer erschwert haben, und die relativ geringe Radfahrerdichte schon im damaligen Vergleich etwa mit Deutschland, Dänemark oder Holland mit erklären. Zudem war Wien von ihrer Bevölkerungsgröße her seit den 1920er Jahren für lange Zeit eine schrumpfende oder stagnierende Stadt. Und eine hohe Altersstruktur ist für die Verbreitung einer muskelgetriebenen Fortbewegungsart bekanntermaßen nicht gerade förderlich. Was dieses Argument wiederum abschwächt: Dieses demographische Merkmal teilt Wien mit anderen österreichischen Landeshauptstädten, die gleichzeitig ein deutlich höheres Radverkehrsaufkommen verzeichnen [57] Technologie und Konkurrenz von Verkehrsmitteln Das Fahrrad war als Niederrad mit Luftbereifung bereits in den 1890er-Jahren als Verkehrsmittel technisch im Wesentlichen ausgereift. Seit dem sind seine verkehrstechnischen Potentiale weiter ausgebaut und verbessert worden. So können etwa Steigungen mit moderneren Fahrrädern wesentlich leichter bewältigt werden. Das Fahrrad eignet sich vor allem für die schnelle Überwindung kurzer Distanzen (bis 5 km), die gerade in einer Großstadt zwei Drittel aller Wege ausmachen. All das würde also eine stärkere Nutzung dieses Verkehrsmittels in einer relativ kompakten Stadt wie Wien nahe legen. Dass dies nur sehr eingeschränkt zutrifft, muss also andere als technologische Gründe haben. Jedes Verkehrsmittel steht mit anderen auch in einem Konkurrenzverhältnis. Dieser Wettbewerb ist vielfach durch das jeweilige Mobilitätsangebot, den Preis, die Verfügbarkeit, aber auch durch nicht-materielle Aspekte wie Symbolkraft oder Prestige eines Fahrzeugs bedingt. Dabei lässt sich zwischen direkter und indirekter Konkurrenz unterscheiden, die wiederum jeweils hinsichtlich Nutzergruppen, Raumanspruch oder Fördervolumen betrachtet werden kann. Eine unmittelbare Konkurrenz zwischen verschiedenen Fortbewegungsarten ist etwa gegeben, wenn man dabei direkt das Verkehrsmittel wechselt und in der täglichen Praxis zum Beispiel vom öffentlichen Verkehr auf das Fahrrad umsteigt oder umgekehrt. Ein solches Verhältnis ist zwischen Fahrrad- und Pkw-Nutzung seltener gegeben. Diese konkurrieren miteinander vielmehr einerseits direkt um ihren Platz im Straßenraum und andererseits indirekt um ihren Stellenwert in der Verkehrspolitik. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

84 Seite 81 Eine direkte Konkurrenz zwischen Automobil und Fahrrad im Straßenraum taucht relativ spät auf. Um 1900 nahm die Zahl der Radfahrenden trotz der beginnenden Verbreitung des Automobils weiter zu, lediglich die Elite stieg (in einer anderen Form direkter Konkurrenz) nach und nach auf das nunmehr prestigeträchtigere Automobil um. Zu einem wichtigen Konkurrenten für das Fahrrad im motorisierten Individualverkehr wurde ab der Zwischenkriegszeit das Motorrad und erst nach 1945 das Automobil auf eine Weise, wie wir sie heute kennen. Konkurrenz bekam das Fahrrad aber zuweilen auch durch Bim und Bus. Mobilitätszuwächse im Wien der Zwischenkriegszeit, die aus der zunehmenden Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort resultierten, absorbierte zunächst vielfach der öffentliche Verkehr. Verschiedene Verkehrsmittel und Fortbewegungsarten können aber miteinander nicht nur konkurrieren, sondern sich auch ergänzen oder gar in einem kooperativen Verhältnis zueinander stehen. Letzteres wird etwa im sogenannten Umweltverbund, einem jüngeren Begriff aus der Verkehrsplanung, angestrebt. Die meisten Wege in der Stadt setzen sich ohnehin aus einer Kombination diverser Mobilitätsformen zusammen. Doch die Möglichkeiten eines kombinierten Verkehrs zwischen dem nicht-motorisierten Individualverkehr (vor allem Fahrrad) und dem öffentlichen Verkehr wurden in Wien bislang kaum genutzt bzw. gefördert. Wie schon erwähnt, schlug der ARBÖ bereits um 1930 das Fahrrad als Zubringer zu den Straßenbahnen vor. Eine Mitnahme von Fahrrädern in der Straßenbahn oder in Autobussen ist im Unterschied zu manchen anderen Städten bis heute nicht erlaubt und in der zweiten Garniturengeneration der U-Bahn noch weniger(!) als vorher möglich. Seitens der Verkehrsbetriebe sieht man in Radfahrer/-innen traditionell meist einen Störfaktor und keinen potentiellen Partner. Man verweist immer wieder gern auf den relativ hohen Anteil des öffentlichen Verkehrs (ÖV) in Wien, wenn es darum geht, warum die Stadt nicht mehr Mittel für die Förderung des Fahrradverkehrs aufwendet. Gleichsam nach der Logik: Wir haben einen hohen ÖV-Anteil, deswegen fahren in Wien nur wenige mit dem Fahrrad, aber wir brauchen ohnehin nicht mehr Radverkehr, weil wir eine gute Versorgung mit U-Bahn und Straßenbahn haben. Dabei könnten wir uns fragen, inwieweit die starke Benützung des öffentlichen Verkehrs in Wien praktisch erzwungen ist, weil die Rahmenbedingungen für das Radfahren unattraktiv sind. Zudem stellt sich die Kosten- und Kapazitätsfrage. Denn jeder per Fahrrad zurückgelegte Kilometer käme der Kommune billiger als ein Straßenbahn- oder gar U-Bahnkilometer. Und nicht zuletzt könnte der Fahrradverkehr in den nächsten Jahren dazu beitragen, den ÖV in Wien zu entlasten, der angesichts des anhaltenden Bevölkerungswachstums und des Wandels des Modal Splits zugunsten dieser Mobilitätsform voraussichtlich bald an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen wird Politik und Planung Kommen wir nun zu möglichen politischen Faktoren in der Verkehrsgenese. Eine Besonderheit bildet ja hierzulande die langjährige stadtpolitische Hegemonie einer einzigen Partei. Eine Tatsache, die an sich schon Paradigmenwechsel und Experimente vermutlich nicht gerade fördere. Ohne eine enge Korrespondenz zwischen einer bestimmten politischen Richtung und der jeweiligen Radverkehrspolitik voraussetzen zu können [58], stellt sich angesichts der einstigen hohen symbolischen Bedeutung des Velocipeds für die Arbeiterkultur allerdings die Frage, wie sich dies in der tatsächlichen Radverkehrspolitik sozialdemokratischer Stadtregierungen in Wien niederschlug. Noch bis in die Fünfzigerjahre bildeten etwa Arbeiter-Radfahrer/ -innen einen unerlässlichen Teil der feierlichen Aufmärsche vor dem Rathaus. Indes wurde der proletarische Drahtesel, abgesehen vom Fahrradsport, bereits vom Roten Wien während der Ersten Republik als Verkehrsmittel praktisch ignoriert. Die Stadt setzte ähnlich wie in der Siedlung- und Wohnbaupolitik offenbar auch hier eher auf zentralistische Lösungen [59]. Und diesen stand das tendenziell individualistische und anarchische Verkehrsmittel Fahrrad Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

85 Seite 82 wohl entgegen. Dass auch nach 1945 auf der Angebotsseite zu wenig für den Fahrradverkehr geschah, dürfte neben dem planerischen und verkehrspolitischen Paradigma einer autogerechten Stadt ebenso mit dem Nachlassen seiner Interessensvertretung zu tun haben. Die bis dahin wichtigste Radfahrerorganisation ARBÖ entwickelte sich im Laufe der 1950er-Jahre endgültig zum Lobbyisten des motorisierten Verkehrs. Zwar wurde wiederholt auch vom ARBÖ der Bau von Radwegen gefordert. Dabei ging es jedoch bald weniger um den Schutz von Radfahrenden, sondern immer mehr um die Interessen des Gesamtsystems Verkehr [60]. Und in diesem diente die Entflechtung des Verkehrs im Endeffekt eher den Autofahrern, indem sie die Fahrbahn von langsameren Verkehrsteilnehmern frei machte [61]. Doch die Entwicklung zur praktisch fahrradfreien Stadt war nicht alternativlos. Denn etwa in West-Deutschland, wo sich die Stadt- und Verkehrsplanung in der Hauptsache ebenfalls dem Automobilismus verschrieb, schloss der Straßenbau die Anlage von begleitenden Radwegen nicht aus.[62] In Wien übernahm man allerdings den deutschen Radwegebau trotz Empfehlung in- und ausländischer Experten wie wir gesehen haben nicht [63]. Verkehrsentwicklung lässt sich daher nicht nur mit stummen Sachzwängen und unbeeinflussbaren technisch-ökonomischen Faktoren erklären. Eine häufige Form von Determinismus ist der mehr oder weniger explizite Hinweis auf die (scheinbar) unbeeinflussbare Eigendynamik der Motorisierung. Doch das Verschwinden des Fahrrades aus dem Stadtverkehr ab den Fünfzigerjahren lässt sich nicht linear aus der Motorisierungswelle und aus der Ideologie der "autogerechten Stadt erklären. Trotz übergreifender Trends gab es auch damals Handlungsoptionen für lokale Politik und Verwaltung: so etwa bei den Mitteln für Straßenbau, bei der Parkraumbewirtschaftung usw. So gesehen war das Verdrängen des Fahrrades aus dem Straßenverkehr auch eine Folge von Planungsstrategien sowie direkt oder indirekt von Verkehrspolitik: z.b. durch das Herunterfahren des öffentlichen Verkehrs, durch eine Siedlungspolitik, welche die Entmischung und Entdichtung der Stadt vorantrieb usw. Ebenso war das Fachwissen um die Vorteile des öffentlichen Verkehrs vorhanden, gleichzeitig gab es auch schon öffentliche Kritik und Widerspruch gegen die sog. Zwangsmobilität und die hohen Kosten der Automotorisierung. Im Sinne einer kontrafaktischen Geschichte [64] können wir also fragen, welche Weichenstellungen auf welcher Wissensbasis und zu wessen Interessen vorgenommen worden waren, und ob es nicht auch andere plausible Möglichkeiten gab. Konkret gefragt: Hätte man bei entsprechenden Maßnahmen die Praxis des städtischen Radfahrens nicht in die Zeit nach der Energiekrise 1973 zumindest für bestimmte Benutzergruppen hinüberretten können? Hätte dadurch die Fahrradrenaissance und Förderung um 1980 nicht auf einem anderen Niveau einsetzen können? Hätten wir heute dadurch nicht möglicherweise eine positivere Einstellung anderer Verkehrsteilnehmer/-innen gegenüber Radfahrenden? So ist aber davon auszugehen, dass die komplette Verdrängung des Fahrrades aus dem Straßenverkehr im Unterschied etwa zu Deutschland zur Festigung und Verstärkung von "fahrradfeindlichen" Attitüden bei Verkehrsplanern wie bei Verkehrsteilnehmer/-innen beitrug, dessen Folgen die Stadt heute noch trägt. Es gab in Wien im Laufe der letzten hundert Jahre keinen einflussreichen Planer oder Architekten, der sich für diese Fortbewegungsart besonders eingesetzt hätte. Somit fehlt hier abgesehen vom ersten Boom um 1900 der wichtige Faktor Vorbildwirkung. Für die kulturelle oder politische Elite in Wien war und ist das Fahrrad kaum ein Thema. Von den Spitzenpolitikern waren es bis jetzt nur wenige gewesen, die sich öffentlich fürs Radfahren in der Stadt engagierten oder gar selbst in die Pedale traten: So der bereits erwähnte niederösterreichi- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

86 Seite 83 sche Statthalter Hermann Kielmansegg, Vizebürgermeister Erhard Busek oder Bürgermeister Helmut Zilk. Positive Wechselwirkungen zwischen Verkehrsangebot und -nachfrage sind vielfach belegt. So konnten auch in Städten wie Paris oder Barcelona, die lange Zeit nicht gerade als Hochburgen des Stadtradelns galten, in jüngster Zeit bemerkenswerte Radverkehrszuwächse erzielt werden. Trends wie einer sich selbst verstärkenden Negativspirale oder negativen Rückkopplungen kann eine entsprechende (Verkehrs)Politik also durchaus gegensteuern. Die möglichen Maßnahmen sind freilich auch von den jeweiligen, mehr oder minder günstigen Rahmenbedingungen abhängig [65]. Aber es kann, wie wir gesehen haben, sogar Phasen in der Geschichte geben, in denen die Fahrradnutzung trotz politischer Restriktionen und Diskriminierung wächst Kulturelle Faktoren: Image, Werthaltung, Tradition Für die relativ schwache historische Präsenz des Fahrrades in Wien scheinen vordergründig und unmittelbar die Konkurrenz mit dem öffentlichen Verkehr, mancher sozio-ökonomischer Faktor und nicht zuletzt die Vernachlässigung seitens der Planung und der (Verkehrs)Politik ausschlaggebend zu sein. Vor allem letztere könnte aber auch mit einer tiefer liegenden Ursache, nämlich mit dem Image des Fahrrades in der Gesellschaft zu tun haben. Und dieses scheint speziell in Wien nur wenig positiv ausgeprägt zu sein. Einen möglichen Ansatz für die Entstehung und Wirkungsweise solcher kollektiven Denkmuster bietet das Konzept von der Eigenlogik oder vom Habitus der Städte. Demnach verdichten sich lokalspezifische Besonderheiten, die sich aus der Geschichte herleiten, zu einem Wahrnehmungs- und Handlungsschema und damit zu einem organisierenden Prinzip, das nicht zuletzt in Geschmackspräferenzen und sozialen Konventionen wirksam wird. Derart bildet sich eine spezifische Eigenlogik als dominantes Muster politischen Handelns in Institutionen und Akteursnetzwerken heraus, das so auch das Handeln von Individuen und weiteren Gruppen beeinflusst [66]. So mag auch die traditionelle Distanz der Wiener Sozialdemokratie zum Fahrrad in der Stadt zunächst mit ideologischen Ursachen zu tun haben. Um die Jahrhundertwende von 1900 gab es zwar noch führende Sozialdemokraten, die im Alltag Rad fuhren, so Victor Adler, Engelbert Pernerstorfer oder Friedrich Austerlitz. In dieser Zeit verwendete auch Franz Schuhmeier, einer der ersten sozialdemokratischen Gemeinderäte Wiens, das Fahrrad, um aufs Land zu fahren und für die Sozialdemokratie und die sozialistische Idee zu werben [67]. Die meisten dieser Persönlichkeiten waren allerdings um 1920, als die Zeit für das Rote Wien anbrach, bereits tot. Zudem hatte die Sozialdemokratie bereits früh begonnen, sich kulturell an bürgerlichen Normen zu orientieren. Zwischen sozialistischer Führung und Basis entstand eine deutliche Distanz, eine austromarxistische Gegenkultur scheiterte [68]. Und diese ideologisch bedingte Distanz zum muskelgetriebenen Zweirad verdichtete sich in der Folge zu einer wirkmächtigen Tradition. So können wir im Hinblick aufs Radfahren in der Stadt und im Kontext vergleichbarer deutscher, niederländischer oder dänischer Städte insgesamt von einem Wiener Sonderweg und von der Tradition einer nur wenig fahrradaffinen kollektiven Eigenlogik sprechen. Doch damit sollen gegebene Verhältnisse nicht essentialistisch festgeschrieben werden. Ein ortsspezifischer Habitus mag zwar über eine bemerkenswerte Persistenz verfügen, ist aber als ein Produkt von Geschichte grundsätzlich veränderbar [69]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

87 Seite 84 In diesen Komplex gehören aber auch die Faktoren Lifestyle und Mode, welche die Verbreitung und Akzeptanz eines Verkehrsmittels nicht unwesentlich beeinflussen können. Ohne sie, das heißt, den symbolischen Mehrwert eines Fahrzeugs über den praktischen Verkehrsnutzen hinaus, wäre der erste Wiener Fahrradboom um 1900 ebenso wenig zu verstehen wie der gegenwärtige. Derzeit ist ja zu beobachten wie ein schickes Fahrradfachgeschäft nach dem anderen aufmacht, und das nicht nur in den günstigeren Vorstadtbezirken, sondern selbst in den besten Lagen der Innenstadt. Doch solche Modewellen können recht kurzlebig sein. So ist zu befürchten, dass auch in Wien, sollten infrastrukturelle und andere Maßnahmen nicht eine entsprechende Basis fürs Alltagsradeln schaffen, der durch Lifestyle-Faktoren mit ausgelöste, relative Fahrradboom bald wieder verschwinden wird. Quellen [1] Vgl. Hachleitner, B. et al. (Hg.); Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien, Wien 2013; Zappe M. et al.; Wiener Mechanikerräder. Eine Rundfahrt durch mehr als 100 Wiener Fahrradmarken (Österreichische Technikgeschichte; 2) Purkersdorf 2013; Békési, S.; Fahr-Rad in Wien? Zum historischen Verhältnis von Stadt und muskelgetriebenem Zweirad, in; Dérive. Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 13, 2003, S [2] Baxter, S.; Economic and social influences of the bicycle, in: Arena v. 6 (October 1892) p , zit. n. Herlihy, D.V.; Bicycle. The History, New Haven and London, 2004, p [3] Herzl, Th.; Radfahren, in: Neue Freie Presse, 1. Nov. 1896, S. 1-4, hier S. 3. [4] Haberlandt, M.; Das Fahrrad, in: Ders., Cultur im Alltag. Gesammelte Aufsätze, Wien 1900, S , hier 127. [5] Wiener Radfahr-Club "Künstlerhaus" (Hg.); Radlerei! 40 Kunsttafeln, Wien 1897, S. 8. Siehe auch Kristan, M.; Joseph Urban. Die Wiener Jahre des Jugendstilarchitekten und Illustrators (Veröffentlichungen der Albertina, 43), Wien u.a. 2000, S [6] Fahrordnung für Radfahrer im Wiener Polizei-Rayon, 1895, S. 14. [7] Hochmuth, A.; Kommt Zeit, kommt Rad. Eine Kulturgeschichte des Radfahrens, Wien 1991, S. 43; Sandgruber, R.; Cyclisation und Zivilisation, Fahrradkultur um 1900, in: Glücklich ist, wer vergißt...? Das andere Wien um 1900, hg. Hubert Ch. Ehalt Gernot Heiß Hannes Stekl (= Kulturstudien, 6), Wien-Köln-Graz 1986, S , hier 295 und Hachleitner, B.; Radfahren als Konfliktfeld, in: ders. (Hg.); Motor bin ich selbst, S [8] Wiener Bilder, 1897, Nr. 43, S [9] Illustrierte Allgemeine Radfahrer-Zeitung, 11 (1895) Nr.10, S. 1. [10] Eigene Berechnungen nach Belánez, F.G. v. (Hg.); Wiener Organisation und Instruktion für die Wiener k.k. Sicherheitswache, 3. Bd.; Verkehrs- und Straßenpolizei, dritte erneuerte und verm. Aufl., Wien 1913, S. 125f. [11] Horn, B.; Geschichte der städtischen Radverkehrsplanung, in: Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung, Nr , 8/2002, S TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

88 Seite 85 [12] Hachleitner; Radfahren als Konfliktherd, in: ders. et al.; Motor bin ich selbst, S Strubreiter, M.; Regeln und Vorschriften, ebd., S und Hachleitner, B.; Die Frage der Radfahrwege wird brennender. Ein neues, altes Konzept, in: ebd. S [13] Norden, G.; Wiener Radfahrvereine um Ihre strukturelle Vielfalt und ihre Aktivitäten, in: Hachleitner et al, Motor bin ich selbst, S und Ulreich, W.; Adel am Radel, in: ders.; Fahrrad = Weg/Zeit. Anmerkungen zur österreichischen Fahrradgeschichte (Katalog zur Sonderausstellung des Technischen Museums Wien), Wien 1990, S. 60. [14] Siehe Kraus, K., in: Die Fackel, 4 (1902) H. 113, S. 1. [15] Österreichischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hg.); Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung (red. v. Paul Kortz, Bd. 1), Wien 1905, S. 83. [16] Hachleitner, B., Motor bin ich selbst, S [17] Dennoch widmete selbst der führende Sozialdemokrat Julius Deutsch, ab 1926 Vorsitzender des Arbeiterbundes für Sport und Körperkultur Österreich (ASKÖ), in seinen Lebenserinnerungen dem Fahrrad weder als Sport- noch als Freizeitgerät nennenswerter weise Platz. Hierbei dürfte es freilich auch eine Rolle gespielt haben, daß seine Memoiren um 1960 erschienen waren, also zu einem Zeitpunkt als das Fahrrad symbolisch wie alltagspraktisch bereits auf dem Rückzug war. Siehe Deutsch, J.; Ein weiter Weg. Lebenserinnerung, Zürich ; Wien [u.a.] [18] Schacht, R.; Bedeutung und Zukunft des Radfahrverkehrs, in: Verkehrstechnik, H. 19, , S (hier 523). Siehe dazu auch Herzl; Radfahren, S. 2f. [19] Arbeiter Rad- u. Kraftfahrer, 22 (1931) H. 12, S. 2 und ebd H 12, S. 1. [20] Siehe dazu Ebert, A.-K.; Verkehrspolitik im Vergleich. Radfahrwege in Deutschland und in den Niederlanden , in: Blätter für Technikgeschichte 71 (2009), S [21] Radfahrwege eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Ein Antrag des Arbeiter- Radfahrerbundes im Sportbeirat der Gemeinde Wien, in: Der Arbeiter-Radfahrer, Nov. 1929, S. 1. [22] Radfahrwege in Berlin, in: Verkehrstechnik, H. 19, , S [23] Hachleitner, B.; Gegen den Wind der Politik. Radfahren im Roten Wien und im Austrofaschismus, in: ders.; Motor bin ich selbst, S (hier 86); Siehe auch Bundespolizeidirektion Wien; Fahrordnung für Radfahrer in Wort und Bild (hg. v. Das Kleine Blatt), Wien 1936, S. 3. [24] Sandgruber, R.; Das Fahrrad, in: Beiträge zur Historischen Sozialkunde 2/87, S (hier 62). Siehe auch Hochmuth; Kommt Zeit, kommt Rad, S. 96. [25] Widespread Use of Bicycles in Europe, in: Transit Journal, March 1935, p. 81; Békési, S., Fahr-Rad in Wien?, S. 24; Kreuzer, B.; 1 Fahrrad = 0,25 PKW-Einheiten: Das Fahrrad im Stadtverkehr zwischen verpaßten Chancen und gewollter Marginalisierung, Pfadabhängigkeiten und Gestaltungsspielräumen, in: Pammer M. / Neiß, H. / John, M. (Hg.), Erfahrung der Moderne, Stuttgart 2007, S (hier 471). [26] Rund die Hälfte der im Zeitraum überlieferten Fahrradmarken in Wien entstand während der 1930er Jahre, und die meisten davon erst ab Eigene Berechnungen nach Zappe, U. et al.; Mechanikerräder. [27] Vgl. Békési, S.; Fahr-Rad in Wien?, S. 24 und Kreuzer; Fahrrad im Stadtverkehr, S Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

89 Seite 86 [28] Wehap, W.; Frisch, radln, steirisch: eine Zeitreise durch die regionale Kulturgeschichte des Radfahrens, Graz 2005, S. 135ff. [29] Seliger, M.; Scheinparlamentarismus im Führerstaat: "Gemeindevertretung" im Austrofaschismus und Nationalsozialismus. Funktionen und politische Profile Wiener Räte und Ratsherren im Vergleich, Wien [u.a.] 2010, S und Sandgruber, R.; Geld und Geldwert, in: Schusser, A. / Aichelburg, W. (Hg.); Vom Pfennig zum Euro: Geld aus Wien (Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien; 281), Wien 2002, S. 62ff. [30] Siehe mehr dazu bei Müllner, R.; Mobilitätsversprechen und Verkehrsgemeinschaft. Alltagsradeln im Nationalsozialismus, in: Hachleitner, B. et al. (Hg.); Motor bin ich selbst, S [31] Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien für , Wien [32] Hachleitner, B.; Das Verschwinden des Fahrrads. Die bürokratische Gesellschaft des gelenkten Konsums setzt aufs Auto, in: ders. et al.; Motor bin ich selbst, S (hier 132). [33] Jonas, F.; Schlachtfeld Straße, in: ders.: Wiener Probleme. Eine Sammlung der Radioreden des Bürgermeisters der Stadt Wien 1954/1955, Wien 1955, S [34] Vgl. Österreichische Gesellschaft für Straßenwesen: Radwegebau im Fremdenverkehrsland Österreich (unter Mitwirkung v. Josef Daum), Wien 1958, S. 18. [35] Vgl. Ergebnisse der 1. Wiener Straßenverkehrsenquete, Empfehlung Nr. 37, Kommission II, in: Der Aufbau 11(1956), H. 2, S. 63. [36] Rathauskorrespondenz Wien, [37] Siehe Musil, F.: Bedeutung und Wandel des Grosstadtverkehrs, in: Der Aufbau 6/1950, S ; Brunner, Stadtplanung für Wien, S. 28, 140 u. 142; Rainer, R.: Automobilverkehr und städtebauliche Gestaltung, in: Der Aufbau 9/1952, S ; Musil, F.: Zu den Wiener Verkehrsproblemen, in: Stadtbauamt der Stadt Wien (Hg.): Wiener Strassenverkehrsprobleme. Unterlagen zur 1. Wiener Strassenverkehrsenquete (= Der Aufbau, Monographie 6), Wien 1955, S. 159; Rainer, R.: Planungskonzept Wien 1962, S. 90. Im Zeitraum 1950 bis 1960 erschien in der Zeitschrift Der Aufbau, dem führenden Organ der Wiener Stadtplanung, kein eigener Beitrag zum Thema Fahrradverkehr. Das einzige Verkehrsmittel, das solcherart explizit bedacht wurde, war das Automobil. [38] Portenschlag, R.: Konzept für den öffentlichen Verkehr in Wien, in: City-in: Öffentlicher Verkehr in Wien, Wien 1975, S [39] Siehe mehr dazu bei Békési, S.; Die befahrbare Stadt. Über Mobilität, Verkehr und Stadtentwicklung in Wien , in: Pro Civitate Austriae. Informationen zur Stadtgeschichtsforschung in Österreich, N.F. Heft 9, 2004, S (hier 23) [40] Fellner et al.: Radwegegrundnetz für Wien (Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadtgestaltung; 11), Wien 1983, S. 2. [41] Vgl. Knoflacher, H. / Kloss H.P.: Verkehrskonzeption für Wien, Teil C, Konsulentengutachten (MA 18, Geschäftsgruppe Stadtplanung), Wien 1980, S. 15f u. Diagr. 5 sowie S Siehe zur Entwicklung der Radverkehrsanteile in ausgewählten europäischen Städten in Oldenziel, R. and de la Bruhèze, A. A.; Contested Spaces. Bicycle Lanes in Urban Europe, , in: Transfers 1(2), Summer 2011, (hier 33). TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

90 Seite 87 [42] Vgl. Wien den Radlern! (v. Anton Bina), Kurier, ; Radfahrer sind immer noch Stiefkinder (v. Gerhard Krause), Kurier, Juni 1979; Hawlik, Johannes: Bürger, die der Lethargie den Kampf angesagt haben. Von Radfahrern, Aktionen für Spielplätze und gegen Autostraßen, in: Unterberger, Andreas (Hg.): A... wie alternativ. Alternative Lebensformen in Österreich, Wien-München 1981, S. 73f. [43] Siehe Radwegegrundnetz für Wien (Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadtgestaltung, MA 18, Bd. 11), Wien Hager, A. / Pepelnik, J.; Radfahren in Wien. Fahrradgeschäfte (...), Rechtsratgeber, Verkehrspolitik, Wien 2009, S. 213, und Mauch, U. / Lang, M. / Wurnig, Chr.; Ausgenommen Radfahrer. Auf zwei Rädern durch den Wiener Großstadtdschungel, Wien [44] Vgl. Stat. Jahrbuch d. Stadt Wien f. 1992, S. 297; FahrRad in Wien. Mobilität für alle. Überblick über die aktuelle Situation des Radverkehrs (Magistratsabteilung 18, Werkstattberichte 45), Wien 2002, S. 12; Knoflacher / Kloss, S. 15. [45] Radverkehrserhebung Wien. Entwicklungen, Merkmale und Potenziale (Magistratsabteilung 18, Werkstattberichte 114), Wien 2010, S. 72 und VCÖ-Untersuchung: Österreichs Radfahrhauptstadt vom ( ). [46] Vgl. FahrRad in Wien, S. 15. [47] Vgl. Radkarte Wien 2013 (hg. v. Mobilitätsagentur Wien), Verlag Schubert & Franzke. [48] Bauer, H. et al.; Stadtverkehr. Aktuelle Fragen, erreichte Lösungen, offene Probleme (Kommunalwissenschaftliches Dokumentationszentrum), Wien 1990, S. 32. [49] Siehe dazu auch Risser, R. et al.; Konflikte. Fußgänger Radfahrer am Beispiel Wien (MA 18, Werkstattberichte, 1) Wien [50] Alois Schützenhöfer, Leiter des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in der Steiermark, zit. n. Wehap, W.; Regionale Kulturgeschichte des Radfahrens, S [51] Radverkehrserhebung Wien. Entwicklungen, Merkmale und Potenziale (Magistratsabteilung 18, Werkstattberichte 114), Wien 2010, S. 13 und Rathauskorrespondenz vom [52] Vgl. Chorherr, Chr.; Verändert! Über die Lust, Welt zu gestalten, Wien 2011, S [53] Lanzendorf, M. / Scheiner, J.; Verkehrsgenese als Herausforderung für Transdisziplinarität Stand und Perspektiven der Forschung. In: Dalkmann, H. / Lanzendorf, M. / Scheiner, J.; Verkehrsgenese Entstehung von Verkehr sowie Potenziale und Grenzen der Gestaltung einer nachhaltigen Mobilität (Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, 5), Mannheim 2004, S , hier 32. [54] Vgl. Radverkehrserhebung Wien, S. 27, 48 und 53. [55] Vgl. Blaha, F.; Radfahren in Wien gestern, heute, in: Perspektiven 1995, H. 8-9, S. 78 und FahrRad in Wien, S [56] Haefeli, U.; Verkehrspolitik und urbane Mobilität. Deutsche und Schweizer Städte im Vergleich (Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung, 8), Stuttgart: Steiner, 2008, S [57] Meschik, M.; 'Cycling in Vienna - Where are the cyclists?, in: Proceedings, Velo-City 2003 Conference, Paris, September Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

91 Seite 88 [58] Siehe zum Verhältnis verschiedener politischer Parteien zum Fahrrad in der Gegenwart bei Hager, A./ Pepelnik, J.; Radfahren in Wien, S [59] Vgl. dazu Békési, S.; Shrinking City? Stadtbilder und Stadtentwicklung im Wien der Zwischenkriegszeit, in: Wolfgang Kos (Hg.): Kampf um die Stadt. Politik, Kunst und Alltag um 1930, Wien 2010, S (hier 101f). [60] Siehe u.a. Die Entflechtung des Verkehrs, in: ARBÖ. Rad- und Kraftfahrer-Zeitung (1955) 9; Dringendstes Wiener Erfordernis: ein Radwegnetz, in: ebd. (1955) 12, S. 1-2; Radwege im Interesse aller, in: ebd. (1956) 6; Wien braucht Schnellverkehrsstraßen, in: ebd. (1956) 3, S [61] Siehe mehr dazu in Békési, S.; Stürmisch und unaufhaltsam? Motorisierung und Politik im Wien der 50er Jahre, in: Rapp, Chr. (Hg.): Spurwechsel. Wien lernt Auto fahren (Buch zur gleichnamigen Sonderausstellung im Technischen Museum Wien), Wien 2006, S [62] Vgl. Mehr Rad- und Mopedwege mehr Sicherheit, in: ARBÖ. Rad- und Kraftfahrer- Zeitung, 1958, Nr.1, S. 4. [63] Vgl. Mehr Rad- und Mopedwege mehr Sicherheit, in: ARBÖ. Rad- und Kraftfahrer- Zeitung, 1958, Nr.1, S. 4. Horn; Geschichte der städtischen Radverkehrsplanung, S. 10. Bardua, S.; Straßenverkehr: Verkehrsteilnehmer im Dauerkonflikt, in: Bardua, S. / Kähler, G.; Die Stadt und das Auto. Wie der Verkehr Hamburg veränderte (hg. v. der Hamburgischen Architektenkammer und dem Museum für Arbeit), München-Hamburg 2012, S (hier 109). [64] Siehe Békési, S.; Die subversive Kraft des Kontrafaktischen. Zur politischen Geschichte des Stadtverkehrs, in: dérive. Zeitschrift für Stadtforschung, Okt.-Dez. 2006, H. 25, S [65] Siehe zur Vielfalt der möglichen Maßnahmen bei Meschik, M.; Planungshandbuch Radverkehr, Wien New York [66] Siehe Musner, L.; Der Geschmack von Wien. Kultur und Habitus einer Stadt (Interdisziplinäre Stadtforschung, 3), Frankfurt / New York 2009, S. 8, 24f, 31 u. 47; Löw, M.; Soziologie der Städte, Frankfurt am Main: 2010, S. 65f und 76. [67] Vgl. Strubreiter M.; Von Bienen und Tourenfahrern. Die Anfänge von ARBÖ und ÖAMTC, in: Hachleitner, B. et al. (Hg.); Motor bin ich selbst, S (hier 93) und Gröller, H.D.; Im Spannungsfeld von Klio und Kalliope: Der "Schuhmeier"-Roman von Robert Ascher, Frankfurt/M. 2010, S [68] Vgl. Frei, A. G.; Rotes Wien. Austromarxismus und Arbeiterkultur. Sozialdemokratische Wohnungs- und Kommunalpolitik , Berlin (West) 1984, S. 63f und Gruber, H.; Red Vienna. Experiment in Working-Class Culture , New-York/Oxford 1991, S. 112f. [69] Vgl. Musner, L., Geschmack von Wien, S. 47; Kemper, J. / Vogelpohl, A. (Hg.); Lokalistische Stadtforschung, kulturalisierte Städte. Zur Kritik einer "Eigenlogik der Städte". Münster: 2011, S. 8f. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

92 Seite 89 Bike Sharing Systeme Hans-Erich Dechant Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

93 Seite 90 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

94 Seite 91 Bike Sharing Systeme In den letzten Jahren haben immer mehr Städte öffentliche Fahrradverleih-Systeme als Möglichkeit zur Förderung des Radverkehrs erkannt. 1 Geschichte der öffentlichen Fahrradverleihsysteme In diesem Kapitel soll kurz auf die wesentlichen Ereignisse unter besonderer Berücksichtigung der Ereignisse in Wien eingegangen werden, um das Verständnis der Entwicklung der heutigen Bike Sharing Systeme zu wecken. Die Geschichte der Fahrradverleihsysteme international und in Wien wurde von Schneeweiß im Detail zusammengefasst. [1] 1.1 Amsterdam 1965 erste Generation Die Idee des Bike Sharing lässt sich auf ein Projekt in Amsterdam 1965 zurückführen. Damals hat eine Studentengruppe mit dem bezeichnenden Namen Provo Räder weiß angemalt und proklamiert, dass diese von nun an für jedermann zur freien Verwendung in den Straßen zur Verfügung stehen sollten. Ziele des unter dem Titel White Bikes bekannt gewordenen Projektes waren nur in zweiter Linie verkehrspolitische, vor allem wollte man die Bedeutung des privaten Besitzes in Frage stellen. Das Projekt war von zeitlich sehr begrenzter Ausdehnung, schon nach 2 Tagen waren alle Räder von der Polizei sichergestellt worden. Argumentation war dabei, dass es in Amsterdam nicht gestattet ist, Räder nicht abgesperrt im öffentlichen Raum abzustellen. Das wäre Beihilfe zum Diebstahl. So kurz der Erfolg in Amsterdam auch war, die Idee des Bike Sharing war geboren und sollte sich über Jahrzehnte halten. 1.2 Anfänge in Wien: Public Velo 1991 Es sollte einige Zeit dauern bis die Idee auch Wien erreichte schließlich ließ der Fahrradbotendienst Veloce mit einem Projekt aufhorchen. Dieses wurde im Bicycle Research Report No.27 der European Cyclist Federation 1992 veröffentlicht [2]. Bemerkenswert daran vor allem, dass bereits damals von einem öffentlichen Individualverkehrsmittel gesprochen wurde. Ein Begriff, der sich erst viel später als eine der zentralen Eigenschaften für öffentliche Radverleihsysteme durchsetzen sollte. Außer dem zukunftsweisenden Konzept konnten allerdings keine Erfolge erzielt werden. Für eine Umsetzung fehlte es sowohl an der Finanzierung als auch an der nötigen Unterstützung durch die Politik. 1.3 Das Gratis Stadt-Radl 1997 Einige Jahre später wurde ein neuer Anlauf unternommen. Akteur war diesmal die bis heute in Wien ansässige Firma Siems & Klein KG, spezialisiert auf Automatisierungssysteme und Werkstatteinrichtung. Hier gingen die Planungen bereits mehr ins Detail, es gab eine Karte mit den geplanten Stationen und auch die Politik begann sich für die Idee zu erwärmen. Dennoch wurde das Projekt mangels Finanzierung nie umgesetzt. 1.4 Viennabike schließlich wurde mit Viennabike das erste Wiener Fahrradverleihsystem auf die Straße gestellt. Bei diesem Projekt wurden Räder an 237 Stationen bereitgestellt. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

95 Seite 92 Es handelte sich dabei um ein System der 2. Generation wie es beispielsweise in Kopenhagen jahrelang verfügbar war. Bei Systemen dieser Generation geht man davon ab, die Räder unabgesperrt im öffentlichen Raum stehen zu lassen, sondern stellt die Räder an speziellen Verleihstationen zur Verfügung. An diesen Stationen sind die Räder mit einfachen Schlössern wie etwa jenen an Einkaufswagen in Supermärkten abgesperrt. Durch Einwurf eines Pfandes von 2,- EUR kann jede/-r ein Rad entlehnen und an jeder anderen Station im Stadtgebiet wieder zurückgeben, wobei das Pfand zurückerstattet wird. Die korrekte Nutzung der Räder wurde in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgehalten, die an jedem Rad nachzulesen waren. Das Projekt erhielt sehr große öffentliche Aufmerksamkeit und wurde über den ganzen Sommer 2002 intensiv von den Medien beobachtet und dokumentiert. Schnell nahmen dabei negative Kritikpunkte die Überhand: Zumeist waren an den Stationen keine Räder verfügbar, oft waren die Räder in bedauernswertem Zustand. Während die Medien dafür Diebstahl, die schlechte Gesinnung oder mangelnde Intelligenz der Wiener sowie die Nähe Wiens zu den ehemaligen Ostblockländern verantwortlich machten, sind objektiv betrachtet Mängel im Konzept als Ursache für die Probleme auszumachen Problem Viennabike: überlange Entlehndauern Unbestritten war es eine Seltenheit, an einem Viennabike-Ständer ein Viennabike anzutreffen. Als Ursache dafür wurde in der öffentlichen Meinung schnell Diebstahl angesehen. Betrachtet man allerdings die individuellen Räder, die täglich von den ServicetechnikerInnen an den Stationen gefunden wurden (und deren Radnummern immer notiert wurden), so zeigt sich, dass zwar täglich nur wenige Räder gefunden wurden, aber zum Großteil andere Radnummern als an den Tagen zuvor. Abbildung 36: Verlauf der Sichtungen von individuellen Viennabikes über Wochen. Werden die Räder, die so über die Zeit gesichtet wurden, aufsummiert, so ergibt sich, dass die Anzahl der gefundenen Räder pro Zeiteinheit über den Sommer 2002 relativ konstant war. In Abbildung 36 sind die gefundenen Räder für die letzten 8 Wochen vor dem 15. September 2002 dargestellt. Ähnliche Kurven ergaben sich für die anderen Tage, die Anzahl der Viennabikes auf den Straßen Wiens war also relativ konstant, Diebstahl nicht das eigentliche Prob- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

96 Seite 93 lem. Errechnet man aus diesen Sichtungen der Räder eine durchschnittliche Entlehndauer, so ergibt sich, dass ein Viennabike durchschnittlich etwa 3 Wochen für das Serviceteam nicht auffindbar war. Derart lange Entlehndauern waren zwar nach den AGB s nicht zulässig (die Räder durften nur von Station zu Station verwendet werden, Entfernung aus dem öffentlichen Raum war nicht zulässig, Absperren der Räder außerhalb der Stationen war nicht zulässig), allerdings gab es zur Durchsetzung dieser Regeln keinerlei Sanktionsmöglichkeiten Ende nach einer Saison Aufgrund der Probleme mit der Verfügbarkeit der Räder sowie dem schlechten Zustand der Räder musste das Projekt Viennabike nach nur einer Saison aufgegeben werden. Allerdings hatte das Viennabike-Jahr gezeigt, dass ein großes Interesse an einem Gratis-Stadtrad Projekt vorhanden war und die öffentliche Aufmerksamkeit durchaus ein Kapital war, das genutzt werden konnte. 1.5 Citybike Wien Als Außenwerbefirma interessierte sich aufgrund der großen öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit bald die Gewista für das Konzept des Gratis-Stadtradsystems. Mit den Erfahrungen von Viennabike und einem bei der Konzernmutter JCDecaux existierenden Grundkonzept wurde 2003 das Citybike Wien entwickelt. Die wesentlichen, aus den Erfahrungen mit Viennabike resultierenden, Neuerungen waren: Identifikation der Benutzer progressives Tarifsystem Identifikation der Benutzer Um den Benutzern der Räder die Verantwortung für das von ihnen entlehnte Rad übertragen zu können, musste die Anonymität fallen. Gleichzeitig musste aber verhindert werden, dass ein komplizierter und langwieriger Anmeldevorgang der Nutzung im Wege steht und potentielle Citybiker abschreckt. Um diese beiden Kriterien bestmöglich zu vereinen, wurde nach einem Identifikationsmerkmal gesucht, dass möglichst viele Wiener und Wienerinnen bereits bei sich tragen und das automatisiert genutzt werden kann. Hier wurden die neuen Betreiber zunächst in der Bankomatkarte fündig. Diese Karte ist in Österreich sehr weit verbreitet und kann mit speziellen Kartenlesern ausgelesen und zur Identifikation verwendet werden. Um sicherzustellen, dass der rechtmäßige Besitzer der Karte vor dem Terminal steht, ist bei der Erstanmeldung die Bezahlung einer Anmeldegebühr erforderlich. Im Zuge der Bezahlung dieser Anmeldegebühr muss der korrekte PIN-Code der Karte eingegeben werden, womit sichergestellt ist, dass keine unberechtigte Person die Karte nutzt. Bei späteren Entlehnungen wird die Identifikation durch ein bei der Erstanmeldung gewähltes und der Karte zugeordnetes Passwort sichergestellt, wodurch keine weiteren PIN-Eingaben (und Zahlungen) erforderlich sind. In der Folge wurde noch die Citybike Wien Card eingeführt, um Menschen ohne Bankomatkarte das Entlehnen von Citybikes zu ermöglichen. Dabei handelt es sich um eine eigene Magnetstreifenkarte, die Fahrten werden mittels Bankeinzug abgerechnet. Zuletzt wurde noch für Touristen der Zugriff mit internationalen Kreditkarten ermöglicht. Die 2004 eingeführte Entlehnung mit Handy wurde nach wenigen Jahren wegen der sehr geringen Nutzung (etwa 1,3 % der Entlehnungen) und der hohen Erhaltungskosten für den Zugriff wieder eingestellt. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

97 Seite Progressives Tarifsystem Da sich die Einschränkung der Art der Nutzung des Viennabikes (von Station zu Station fahren, nicht absperren) als nicht exekutierbar erwiesen hat, wurde bei Citybike Wien der Weg über die Einschränkung der Entlehndauer gewählt. Um in Wien mit dem Rad von einem Ort zu jedem beliebigen anderen Ort zu fahren, ist eine Stunde in aller Regel ausreichend. Daher wurde die Gratis-Nutzung auf eine Stunde eingeschränkt. Danach sollten zunächst moderate Gebühren anfallen, um die Nutzer zu motivieren, das Rad bald zurückzugeben. Diese Gebühren sollten dann jedoch zunehmend ansteigen, um zum einen die Motivation zur Rückgabe zu erhöhen. Zum anderen sollten die Gebühren aber auch derart ansteigen, dass für Fahrten ab etwa 6 Stunden der klassische, touristische Radverleih günstiger und somit attraktiver sein sollte. 2 Die Erfindung des Bike-Sharing Abbildung 37 zeigt die Häufigkeit der Fahrten über die Entlehndauer bei Citybike Wien. Ganz anders als bei Viennabike (durchschnittlich 3 Wochen Entlehnzeit ) konnten mit den oben genannten Maßnahmen die Entlehnzeiten auf durchschnittlich 22,5 Minuten reduziert werden. Mehr noch, die häufigste Entlehndauer betrug jetzt sogar nur noch 10 Minuten. Die Räder wurden nun also offensichtlich tatsächlich hauptsächlich dazu verwendet, um mit dem Citybike möglichst direkt von einer Station zu einer anderen zu fahren. Somit standen die Räder schnell wieder für andere Benutzer zur Verfügung. Leere Stationen an jeder Ecke gehörten nun der Vergangenheit an. Abbildung 37: Häufigkeit der Fahrten über die Entlehndauer bei Citybike Wien. Somit konnte die Anzahl der täglichen Nutzungen pro Rad erheblich gesteigert werden. Nutzungszahlen größer als 10 Entlehnungen pro Rad und Tag sind in Systemen, die nach diesem Vorbild betrieben werden, heute keine Seltenheit mehr. Dies war die Geburtsstunde des Bike Sharing im eigentlichen Sinn des Wortes! Mehr noch lässt sich aus der Grafik herauslesen: Obwohl 1 Stunde Gratis-Nutzung zur Verfügung steht, fällt die Häufigkeit der Nutzung bereits bei 20 Minuten stark ab und ist bei Entlehndauern von 30 Minuten bereits der Großteil der Fahrten abgeschlossen. Hier haben die Benutzer den Betreibern gezeigt, wie Bike- Sharing wirklich funktioniert: Auf kurzen Distanzen von 2 bis 3 Kilometern wird das Citybike TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

98 Seite 95 am besten eingesetzt, für längere Distanzen wird es meist mit dem übergeordneten Öffentlichen Verkehr (U-Bahn, Schnellbahn) kombiniert. Das bestätigen auch Umfragen durch den Betreiber von Citybike Wien. Diese Lektion haben die Betreiber neuerer Bike-Sharing Systeme bereits gelernt, heute wird die Gratis-Nutzung in der Regel auf eine halbe Stunde eingeschränkt. 3 Ausbau und Vergrößerung Das Stationen-Netz von Citybike Wien wurde in drei Phasen ausgebaut. Diese sind in Abbildung 38 dargestellt. Zuerst wurde ein Grundsystem mit 50 Stationen von der Gewista finanziert und umgesetzt (Abbildung 38 a)). Diese Phase wurde 2007 abgeschlossen. Danach wurden mit Unterstützung der Stadt Wien weitere 12 Stationen errichtet, mit dem Ziel touristische Ziele anzubinden. Angeschlossen wurden das Prater-Stadion anlässlich der Fußball-EM, Schönbrunn und der Bahnhof Meidling sowie die Millenium City (Donauinsel). Dieser Ausbau war im Wesentlichen 2008 abgeschlossen (Abbildung 38 b)). Schließlich wurde ein Vertrag mit der Stadt Wien über den weiteren Ausbau von Citybike Wien auf insgesamt 120 Stationen abgeschlossen. Mit diesem Ausbau wurde 2010 begonnen (Abbildung 38 c): 2012, Abbildung 38 d): Juni 2013). Abbildung 38: Ausbau von Citybike Wien: a) 2007: 50 Stationen; b) 2008: 62 Stationen; c) 2012: 100 Stationen; d) Juni 2013: 109 Stationen. 4 Verdichtung des Stationen-Netzwerkes Im Zuge des Ausbaus des Citybike Wien-Netzes konnte die Beobachtung gemacht werden, Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

99 Seite 96 dass Stationen, in deren Umfeld neue Citybike-Standorte errichtet wurden, von diesen neuen Standorten profitierten und die Nutzung der bereits bestehenden Stationen zusätzlich erhöht wurde. Der Umkreis, in dem eine neue Station diesen positiven Einfluss auf andere Standorte ausübt, entspricht jener Distanz, die mit den Citybikes hauptsächlich zurückgelegt wird und beträgt etwa 2 bis 3 Kilometer. In Abbildung 39 ist dieser Zusammenhang anhand von Echtdaten aus dem Jahr 2008 dargestellt. Abbildung 39: Auswirkung der Anzahl an Zielstationen im Einflussbereich einer Citybike Station: a) Stationen im Einflussbereich einer Citybike Station (hier: Umkreis von 3,5 km); b) die Nutzungsfrequenz einer Citybike Station steigt mit der Anzahl der Zielstationen. In Abbildung 39 a) ist der Einflussbereich einer Citybike Station und die Stationen in diesem Bereich dargestellt. In diesem Beispiel wurde 3,5 Kilometer als Einflussbereich gewählt, was in etwa dem maximalen Einflussbereich entspricht. Bei größeren Distanzen bricht die Nutzungshäufigkeit rapide ab. In späteren Jahren und im internationalen Vergleich hat sich herausgestellt, dass es sinnvoller ist, den durchschnittlichen Einflussbereich einer Citybike Station mit etwa 2 Kilometer Radius als Vergleichsbasis heranzuziehen zum einen, weil in diesem Distanzbereich die Nutzungsfrequenz erheblich höher ist, zum anderen, weil Randeffekte (Randstationen haben in einer Richtung überhaupt keine Nachbarstationen) dadurch kleiner gehalten werden. Im Besonderen gibt es kleine Systeme, in denen es bei Verwendung von 3,5 Kilometern als Radius für den Einflussbereich nur noch Randstationen gäbe. Abbildung 39 b) zeigt die Anzahl der Entlehnungen pro Citybike Wien Station für alle Wiener Stationen, aufgetragen über der Anzahl der jeweiligen Zielstationen im Einflussbereich. Es zeigt sich klar, dass Stationen mit einer höheren Anzahl an Zielstationen in der Umgebung (= höheren Stationendichte im Umkreis) erheblich höhere Nutzungsfrequenzen aufweisen. Dieser Zusammenhang steigt stärker als linear an, vermutlich quadratisch. 4.1 Vergleich mit Internationalen Systemen Die obigen Erkenntnisse über den Einfluss der Dichte eines Netzwerkes an Citybike Stationen wurden in den meisten der seit 2005 umgesetzten Systemen berücksichtigt. Abbildung 40 a) zeigt als Beispiel das System von Wien und jenes von Paris (Abbildung 40 c), Systemstart 2007) im selben Maßstab dargestellt. Es ist offensichtlich, dass in Paris wesentlich mehr Stationen pro Flächeneinheit errichtet wurden. Dasselbe Bild zeigt sich in Abbildung 40 b) für das erst 2013 umgesetzte System Citibike in New York. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

100 Seite 97 Abbildung 40: Vergleich der Stationendichte in Wien mit jener in anderen Metropolen: a) Wien, umgesetzt ab 2003, 102 Stationen (Stand Ende 2012); b) New York, umgesetzt 2013, 420 Stationen; c) Paris, umgesetzt 2007, Stationen. Dieser Eindruck kann durch den Vergleich der durchschnittlichen Anzahl von Stationen im Einflussbereich über alle Citybike Stationen eines Systems noch erhärtet werden. Tabelle 7 zeigt die durchschnittliche Anzahl der Entleih-Stationen in einem Einflussbereich von 2 Kilometern für einige der erfolgreichsten Bike Sharing Systeme. Es zeigt sich, dass der Großteil der erfolgreichen Systeme etwa 60 bis 90 Stationen im Umkreis von 2 Kilometern um eine Station haben. Paris ist nicht nur bei der Anzahl der Stationen, sondern auch bei der Dichte der Stationen ein herausragendes Beispiel. Erwähnt muss werden, dass Dublin mit 33,9 Stationen zwar eher am Ende der Liste zu finden ist, da in dieser Stadt allerdings insgesamt nur 46 Stationen errichtet wurden, ist dieser Wert durch die oben beschriebenen Randeffekte erheblich herabgesetzt. Wien ist mit durchschnittlich 21,87 Stationen im Einflussbereich einer Citybike Station am Ende der Liste zu finden. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

101 Seite 98 Stadt Ø Anzahl Stationen im Einflussbereich von 2,0 km Paris 122,91 London 86,31 Toulouse 83,15 Lyon 79,02 Nantes 71,70 Valencia 69,50 Seville 67,02 Marseille 54,87 Brüssel 46,92 Dublin 33,90 Wien 21,87 Tabelle 7: Durchschnittliche Anzahl Stationen im Einflussbereich von 2 Kilometern für einige der erfolgreichsten Citybike Systeme. Die Sortierung erfolgt absteigend nach der Anzahl der Stationen. Eigene Berechnungen Ende Verteilung der Räder über die Stadt Für das Funktionieren eines Bike Sharing Systems ist es außerdem wichtig, dass es an jeder Station zuverlässig sowohl verfügbare Räder, als auch leere Rückgabeboxen gibt. Würden beispielsweise in Wien die Citybikes gleichmäßig über alle Stationen verteilt und dann sich selbst überlassen werden, so würden sich an manchen Stationen Räder sammeln und an anderen Stationen würde es zu einem Mangel an Rädern kommen. Diese Ungleichverteilung von Rädern verringert das Funktionieren des Systems, da an leeren Stationen keine Räder entlehnt und an vollen Stationen keine Räder zurückgegeben werden können. Diese Ungleichverteilung folgt daraus, dass viele Nutzer das Citybike für Einwegfahrten verwenden. Diese Einwegfahrten verteilen sich nicht ideal stochastisch über das System, sondern es gibt gewisse Tendenzen, die tages- und tageszeitabhängig sein können. Grundsätzlich können dabei zwei Hauptbewegungen ausgemacht werden, denen die Verteilung der Räder im System unterliegt: (1) Es gibt eine täglich, vor allem werktags, pulsierende Bewegung am Morgen von den außenliegenden Wohnbezirken in das Stadtzentrum, sowie abends und in der Nacht zurück vom Stadtzentrum in die Wohnbezirke. Dabei zeigt sich, dass die Bewegung in der Nacht zurück in die Wohnbezirke im allgemeinen stärker ausfällt als jene morgens ins Stadtzentrum; TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

102 Seite 99 (2) Es gibt grundsätzlich eine etwas größere Bereitschaft mit dem Rad von einer höhergelegenen Station bergab zu einer tiefer gelegenen Station zu fahren als umgekehrt. Auch wenn der Anteil der Bergab-Fahrten nur geringfügig höher ist als jener der Bergauf- Fahrten, so sammeln sich dadurch die Räder des Systems doch an tiefer gelegenen Stationen an. Um dieser Ungleichverteilung der Räder entgegenzuwirken, werden in Wien zwei grundsätzliche Strategien verfolgt: Information der Benutzer; Umverteilung der Räder durch Service-Personal. 5.1 Information der Benutzer Durch die Information der Benutzer über den aktuellen Befüllungsstand der Stationen kann zum einen die Verteilung der Räder über das System verbessert werden, da Benutzer, die ein Rad entlehnen möchten, schlecht besetzte Standorte eher meiden werden und stattdessen Stationen aufsuchen, an denen sie verlässlich ein Rad vorfinden. Zum anderen lindert die Information die Unannehmlichkeiten für die Benutzer, da sie sich rechtzeitig auf die Situation einstellen können. Selbe Überlegungen gelten selbstverständlich auch für volle Stationen und die Rückgabe der Räder. Um die Benutzer über die aktuellen Füllstände der Stationen zu informieren, stehen folgende Kommunikations-Kanäle zur Verfügung: Stationenplan auf der Citybike Wien Internetseite; Open-Data Schnittstelle, um anderen Plänen und Angeboten die Anzeige der aktuellen Füllgrade der Stationen zu ermöglichen; eine Auswahl an Smartphone-Applications für alle gängigen Plattformen; interaktiver Stationenplan an allen Citybike Wien Terminals; automatische Anzeige eines Umgebungs-Planes auf der Startseite des Terminals, wenn die Station voll oder leer ist. 5.2 Umverteilung der Räder durch Service-Personal Um die Umverteilung der Räder durch das Servicepersonal optimal zu planen, müssen die Stationen kategorisiert und ihnen Grenzwerte zugeordnet werden, ab welchen Füllständen der Eingriff durch die Servicetechniker erfolgen soll. Füllstandschwankungen können im Wesentlichen vier verschiedenen Mustern folgen: Tagesschwankungen, ausgeglichen; Tagesschwankungen, überlastet; Tagesschwankungen, absteigend; Tagesschwankungen, ansteigend. In Abbildung 41 sind die vier unterschiedlichen Typen dargestellt. Abbildung 41 a) zeigt den Idealzustand: es gibt Schwankungen aufgrund der täglichen Entlehnungen und Rückgaben von Rädern, doch es sind jederzeit genügend Räder und freie Bikeboxen an der Station vorhanden. Abbildung 41 b) zeigt den Zeitverlauf einer zu klein dimensionierten Station. Hier kann durch Umverteilen der Räder durch das Servicepersonal kaum Verbesserung erzielt werden: Während zu einem Zeitpunkt mehr Räder benötigt werden, sind wenige Stunden spä- Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

103 Seite 100 ter bereits zu viele Räder an der Station. Die Servicefahrzeuge würden immer zu spät kommen, die Station müsste mehrmals täglich angefahren werden. Eine Verbesserung der Situation ist vor allem durch Kapazitätserhöhung zu erzielen Vergrößerung der Station oder Eröffnen einer weiteren Station in der Nähe zur Entlastung. Abbildung 41: Füllstandschwankungen im Zeitverlauf; a) der Idealzustand: Tagesschwankungen, ausgeglichen; b) zu klein dimensioniert: Tagesschwankungen, überlastet; c) Befüllen notwendig: Tagesschwankungen, absteigend; d) Entleeren notwendig: Tagesschwankungen, ansteigend. Abbildung 41 c) zeigt die Füllgradschwankungen einer Station, bei der die Tagesschwankungen überlagert sind von einem Überhang an Entlehnungen gegenüber den Rückgaben. Dies würde dem typischen Bild einer höhergelegenen Station etwa im 15. oder 16. Bezirk entsprechen. An einer solchen Station kann oder soll das Serviceteam durch Befüllen mit Rädern das Ungleichgewicht ausgleichen. Der Grenzwert ab dem befüllt werden soll, ist aufgrund der zu erwarteten Höhe der Tagesschwankungen zu wählen. Die Abbildung 41 d) hingegen zeigt den Füllgrad einer Station bei der die Anzahl der Räder über die Tage ansteigt. Das würde dem typischen Bild einer tiefergelegenen Station etwa im 2. oder 3. Bezirk entsprechen. Diese Station muss durch das Serviceteam entleert werden. Quellen [1] Schneeweiß, H.; Das Fahrradverleihsystem Citybike Wien; Diplomarbeit BOKU Wien; 2012 [2] Brandstätter, P.; Veloce Fahrradbotendienst: Public Velo; Bicycle Research Report No. 27, 1992 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

104 Seite 101 Garagen und Highways: Ein Best-of Parken und Fahren Tadej Brezina Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

105 Seite 102 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

106 Seite 103 Garagen und Highways: Ein Best-of Parken und Fahren Radverkehrsinfrastrukturen (RVI) sind in den letzten zwei Jahrzehnten laufend errichtet worden dem Boom folgend, den Radverkehr (RV) fördern zu wollen. An vielen Orten geschah dies jedoch mit zu starken Konzessionen an den motorisierten Individualverkehr oder in Unkenntnis kritischer Designparameter, sodass Erfolge und Benutzbarkeit vielerorts oft gering blieben oder gar ausblieben. Anhand dieser exemplarischen Zusammenschau soll die Messlatte für kompromissloses RVI-Design ausgelotet werden. Für das Parken werden Anforderungen, Designelemente und spezielle Features von Fahrradstationen beleuchtet. Beim Fahren werden Grundbedürfnisse wesensgerechter RVI-Planung beschrieben und vier Beispiele exemplarisch vorgestellt. 1 Parken Why should anyone steal a watch when he could steal a bicycle? Dieses Zitat von Flann O'Brien 13 umreißt elegant die Vorzüge des Fahrrades (FR) und die Verlockung, die das Radfahren auf den Menschen ausübt. Warum eine Straftat begehen, um möglicherweise über die vergängliche Zeit präzise Bescheid zu wissen, wenn man sich mit dem Rad aus der Energieersparnis gegenüber dem Zu-Fuß-Gehen mit Sicherheit neue Freiheiten ergaunern kann? Eine Vorrichtung, die so große Verlockungen ausstrahlt, gehört auch gut gesichert abgestellt, damit auch die rechtmäßigen Benützer deren Vorzüge genießen können zumindest vorübergehend. Dafür bedarf es dem Zweck und der Dauer angepasste Abstellmöglichkeiten. 1.1 Anforderungen Die Parkdauer und der Zweck des Weges bestimmen die Anforderungen an Fahrradabstellanlagen. Die Anwendungsfälle decken dabei ein breites Spektrum ab, vom (nachrüstbaren) Einzelstellplatz über (nachrüstbare) Anlagen für Mehrfamilienhäuser bis zu Großanlagen an ÖV-Knoten mit Zusatzfunktionen. Das zu erfüllende Minimum der Anforderungen ist dabei [1-3]: Ausreichende Anzahl und Qualität ist vorhanden; die Beherbergung von allen Rädern (groß & klein, teuer und billig) ist möglich; Diebstahl- und Vandalismusschutz ist gegeben; Witterungsschutz ist vorhanden; einfache Bedienung ist möglich; Außenanlagen sind fahrend erreichbar; Zugangsbreiten und Manövrierplatz sind ausreichend dimensioniert (siehe Abbildung 42). Die Abbildung 43 zeigt das zunehmende Sicherheitsbedürfnis mit zunehmender Abstelldauer und die dazu passenden technischen Einrichtungen, um diesem nachkommen zu können. 13 eigentlich Brian O'Nolan, Irischer Schriftsteller. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

107 Seite 104 Abbildung 42, links: Der Platzbedarf für das Abstellen und Manövrieren von Fahrrädern; rechts: Abschätzungshilfe des benötigten Platzbedarfs als Funktion der Anzahl der Fahrräder sowie der Anordnungsart [4]. Abbildung 43: Zusammenhang von Abstelldauer und Entfernung vom Zielort sowie mögliche/notwendige Sicherungsmaßnamen [4]. Benutzerfreundliche Abstellanlagen weisen die notwendigen Designelemente in zweckdienlicher Anordnung und Anlageverhältnissen auf. Im Optimalfall sind Abstellanlagen samt ihrer Zugangswege bidirektional befahrbar. Das Abstellen von Fahrrädern hat bereits in vielen Normungen technischen und rechtlichen Einzug gehalten. Tabelle 8 zeigt anhand dreier exemplarischer Nutzungen die Tiefe und Vielfalt der Regelungen in Europa. Hier ist auch die Oberösterreichische Bautechnikordnung von 1994 idgf. angeführt. Sie stellt neben den Bundesländern Steiermark und Vorarlberg eine Ausnahme der sonst bei Fahrradabstellplätzen sehr tristen österreichischen Gesetzeslage dar (siehe Tabelle 9). Bei der Bereitstellung von Abstellplätzen ist eine Aufteilung dieser zwischen der Lage im Gebäude und außerhalb des Gebäudes als Funktion der Gebäudenutzung zu beachten. Es ergibt sich auch ein unterschiedlicher Bedarf an Kurzfrist- und Langfristabstellplätzen. Damit geht auch das Bedürfnis einher, über das Wegsperren statt des Absperrens allein, den Diebstahlschutz zu erhöhen (siehetabelle 10). TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

108 Seite 105 Normen, Richt- und Leitlinien Nutzung SN (Stufe B, 8 15; Schweiz) Hinweise zum Fahrradparken (FGSV, BRD) Oberösterr. BauTV 1994 Fahrradparken in Berlin Bicycle parking manual (Dänemark) 1. Wohnen 0,5 0,6 Abstellfelder/ZI 1 Stk./30m² GesamtWFL 1 Stk./50m² WohnNFL 2 Stk./Whg. 2 2,5 Stk./100m² WohnFL 2. Arbeiten 1 Stk./12,5AP 1 Stk./3,3 AP 20 AP 1 Stk./100m² Brutto-BüroFL 1 Stk./2,5 arb. Pers. 3. Geschäfte (sonstige) 1 Stk./25 50m² VFL 1 Stk./25 40m² VFL 1 Stk./50 Kunden 1 Stk./100m² BGF 1 2 Stk./100m² VFL Tabelle 8: Der Fahrradabstellbedarf in unterschiedlichen (internationalen) Normen an drei exemplarischen Nutzungen dargestellt. WFL Wohnfläche, ZI Zimmer, AP Arbeitsplatz, NFL Nutzfläche, VFL Verkaufsfläche, BGF Brutto-Geschoßfläche [3, 5]. Bundesland Fahrrad in der BauO? Anzahl? Burgenland Nein - Kärnten Nein - Niederösterreich Oberösterreich Ja (BautechnikVO 112(1)) Ja (BauTechG 44, Bau- TechVO, 16) Gebäude mit > 4 Wohnungen müssen einen Kinderwagen und Fahrradabstellraum haben. Detailliert nach Nutzungen Salzburg Ja (BautechnikG 25(1)) 2 pro Wohnung bei mehr als 5 Wohnungen pro Gebäude. Steiermark Ja (BauG 92) Detailliert nach Nutzungen Tirol Ja (BauO 10) Durch GEM-VO festlegbar Vorarlberg Ja (BauG 13a) Detailliert nach Nutzungen (StellplatzVO 3) Wien Ja, GaragenG 50(10), BauO 119(5), 120(1) Ab 2 Wohnungen ein der Wohnungsanzahl entsprechend großer Fahrradabstellraum; entsprechendes Ausmaß für Wohn-, Büro- und Geschäftsgebäude Tabelle 9: Fahrradabstellen in den Ö Bauordnungen; ( Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

109 Seite 106 Anteil Abstellplätze [%] Nutzung im Gebäude außerhalb des Gebäudes Wohnen Arbeiten Kunden Soziale Infrastruktur Sport, Freizeit Tabelle 10: Aufteilungsschlüssel von Abstellplätzen nach Art der Nutzung [6]. 1.2 Designelemente Absperrschlaufen und -bügel stellen die einfachsten, aber wirkungsvollsten Absperranlagen für den (halb)öffentlichen Raum dar ob fix eingeplant oder zur effektiven Nachrüstung von Bestandsplanungen (siehe Abbildung 44). Bei Abstellanlagen mit einer größeren Anzahl an Stellplätzen sind der ausreichende Platzbedarf seitlich und genügend Manövrierfläche in den Zugangsgängen zu beachten. Begegnungsbreiten müssen ausreichend groß für eine gleichzeitige Befahrbarkeit in beiden Richtungen ausgelegt werden. Wichtig ist die funktionelle und leicht zugängliche Anordnung der Designelemente und notwendigen Funktionen. Abbildung 45 zeigt ein Beispiel eines Funktionsdiagramms für einen Abstellraum im Inneren eines Wohnhauses samt der Verknüpfung zu den zusätzlich angebotenen Funktionen. Abbildung 44: Bestehende Elemente des öffentlichen Raumes können mit innovativen Methoden schnell zu sicheren Radabstellplätzen umfunktioniert werden; Fotos: TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

110 Seite 107 Abbildung 45: Ein beispielhaftes Funktionsdiagramm eines optimalen Fahrradabstellraumes in Wohngebäuden. Mindestanforderung an die Reparaturstation sind Werkzeugkasten und Pumpe [7]. 1.3 Großanlagen und Fahrradstationen Großanlagen sind am besten an Orten mit großem Zielverkehr einsetzbar. Häufig sind dies mittlere bis große ÖV-Knotenpunkte, die auch einen starken lokalen bis regionalen Fahrradeinzug haben. Gibt es zum reinen Abstellen noch andere Servicefunktionen, so spricht man von Fahrradstationen, in der Schweiz auch von Velostationen. Der State-of-the-Art für große Abstellanlagen, insbesondere für den Anwendungsfall Fahrradstation, beinhaltet folgende Qualitätsmerkmale [1-3]: Auch Innenanlagen sind fahrend erreichbar; die Organisationsform sieht eine gute Mischung aus Stellplätzen im Gemeinschaftsraum und Individualabteilen vor; Direktfahrt zu und aus Innenräumen, am besten in der Hauptrelation, ist möglich; Reparaturbasis ist mit Personal besetzt oder wird in Selbstbedienungsform angeboten (Vandalismusschutz!); Ablagen und Schließfächer für Utensilien sind vorhanden, z.b. für Ersatzgewand; Umkleide- und Duschmöglichkeit ist gegeben; die Zufahrt beinhaltet einen Vorraum als Schmutz- und Feuchtigkeitsfang; Stellplätze für Sonderfahrzeuge sind vorhanden, das sind Lastenfahrräder, Tandems aber auch normale Räder mit einem Lasten- oder Kinderanhänger. Eine mögliche Anordnung von funktionellen Bereichen von Fahrradstationen zeigt Abbildung 46. Das ist bei Fahrradstationen von besonderer Wichtigkeit, da im Vergleich zu reinen Abstellanlagen auch zusätzliche Funktionen und eine große Nutzerzahl (oft stark ausgeprägte Spitzenbelastungen) in Einklang gebracht werden müssen. In Tabelle 11 sind Anlageparameter von Designelementen für die maximal fahrradfreundliche Gestaltung angeführt, deren Einhaltung zwar notwendig, aber nicht automatisch hinreichend ist. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

111 Seite 108 Abbildung 46: Raumprogramm für Fahrradstationen; ( Bereich Funktionen, zu beachten Fläche [m²] Vorzone Ein-/ Ausgang Verteilzone Korridor Loge Rampe/ Treppe Abstellanlagen Dienstleistungen Zu-/Abfahrt, Absteigen; Wartefläche für 5 Fahrräder; Ebenheit und gute Beleuchtung b MIN =2,50m (2 Fahrräder); h MIN =2,20m; Anmeldeterminal; Ebenheit u gute Beleuchtung Bewegungsraum für 5 Fahrräder; helle und klar orientierende Gestaltung b MIN =2,20m; h MIN =2,30m; Übersichtlichkeit; Winkel- und Eckenfreiheit Bewachung und Kontrolle; Arbeitsplatz für Auskünfte, Administration und Überwachung; Personalraum b MIN =2,50m; s MAX =15%; s TREPPE,MAX =30%; Gerade bzw. Wendelung; Länge Zwischenpodeste; Schieberillen b GANG,MIN =2,20m für Manövrierraum; h MIN =2,80m für doppellagige Aufbewahrung; Einfache Zufahrt; Beleuchtung und Witterungsbedeckung; Schutz gegen Kippen, Rollen, Fallen Toiletten Schließfächer / FR 5 9 / Stk. 2 pro Stk. Serviceräume (Reparatur, Reinigung, Vermietung) Tabelle 11: Ausrüstung und Anlageparameter von Fahrradstationen [8]. TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

112 Seite Fahren Nothing beats the simple joy of a bicycle ride. Dieser Ausspruch von John F. Kennedy zeigt deutlich, dass Fahrräder nicht nur vor den besitzansprüchlichen Begehrlichkeiten anderer geschützt werden sollten, sondern dass auch die Entfaltbarkeit des Fahrvergnügens eine wesentliche Komponente erfolgreicher Radverkehrspolitik ist. Die oftmalig stiefmütterliche und nicht wesensgerechte Ausgestaltung von RVI steht jedoch vielerorts dem simple joy im Weg und macht Radfahren dort zu einer barrierebehafteten, demotivierenden Angelegenheit. Grundlage von erfolgreicher Radverkehrspolitik ist das Vorsehen von RVI ob getrennt oder inkludiert, die den Grundansprüchen der wesensgerechten Fortbewegung mit dem Fahrzeug Fahrrad entspricht. Wesensgerecht ist die Fortbewegung als Fahrzeug und nicht als imaginierter Fußgänger mit Rädern, die vielerorts als vermeintliche Designgrundlage anzutreffen ist (siehe Abbildung 47). Die Ansprüche bezüglich Geschwindigkeit, Bevorrangung und Geradlinigkeit der Linienführung variieren jedoch stark nach dem Wegezweck. Die Ausgestaltung für Transitwünsche sollte möglichst wenig dem Bedarf nach kleinräumiger Anbindung widersprechen. Abbildung 47: Rechtwinkeliges Gehsteig-Radweg-Design in Valencia, Spanien; Foto: T. Brezina. 2.1 Ansprüche Das Wesen des Radverkehrs erhebt Ansprüche, deren Einhaltung eine notwendige, aber nicht zwingendermaßen hinreichende Bedingung für attraktiven und umfangreichem Radverkehr ist. Der Genuss und die Vorzüge des Radverkehrs können sich nur dann entfalten, wenn möglichst viele der folgenden Ansprüche erfüllt sind: Netzwerk mit geringen Umwegen ist gegeben, das ist vor allem im urbanen Alltagsverkehr wichtig; Nähe dieses Netzwerks zu besonders radaffinen Quellen und Zielen; Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

113 Seite 110 Kontinuität der Befahrbarkeit ist gegeben (Belag, Anlageform und Organisation); verlorene Höhen sind minimiert; aufenthaltsminimierende Organisationsformen, z.b. Grüne Wellen oder Bike Boxes, sind vorhanden; safe & secure die Anlagen und Organisationsformen liefern den Benutzern objektiv und subjektiv Sicherheit nicht nur den subjektiven Eindruck davon; die Straßenräume sind (MI)V-beruhigt, aber für Radfahrer zügig befahrbar; ein möglichst bedarfsgerechtes Maß von direkte Anbindung einerseits und flüssiger Befahrbarkeit ist gegeben Erschließung vs. Transit. 2.2 Parameter Der Energieverbrauch beim Radfahren und die notwendige Leistung des Fahrers (P R ) sind neben anderen Einflussgrößen abhängig vom zu überwindenden Höhenunterschied h und der Steigung s. Für möglichst attraktive Radverkehrsverbindungen ist daher eine Minimierung von verlorenen Höhenunterschieden h in Formel (1) wichtig. Formel (1) berechnet die Veränderung der potentiellen Energie des Gespannes Fahrrad und Radfahrer zusätzlich noch in Abhängigkeit seiner totalen Masse und der Erdbeschleunigung. Die Leistung des Radfahrers Formel (2) ist abhängig von der Geschwindigkeit v, ihrer Veränderung, der Steigung s, der gesamten Masse m TOT sowie der effektiven Masse m EFF, die auch die Rotation der Räder mitberücksichtigt. Zudem spielen noch der mechanische Wirkungsgrad η MECH, c R, die Windgeschwindigkeit v W und k A in die Leistung hinein. Da der Energieverbrauch auch linear von der zurückgelegten Entfernung abhängt, leitet sich daraus auch zwangsweise eine Vermeidung von Umwegen ab. Darüber, welcher Umweg von Radfahrern noch akzeptiert wird, ist in der Literatur aber eine große Streubreite zwischen 8 und 67 Prozent zu finden. Diese Werte hängen von der Fragestellung der sie ergebenden Untersuchung ab siehe Tabelle 12. Umwegfaktor Quelle 1,08 d [9] a...gegenüber parallelen Hauptverkehrsstraßen b...gegenüber der kürzestmöglichen Verbindung c...durchschnitt für Fußgänger d...zufahrt zu Fahrradkorridor 1,10 a [10] 1,20 b [10] 1,25 [11] 1,30 Alrutz in [3] 1,42 c [12] 1,67 d [9] Tabelle 12: Literaturwerte für akzeptable Umwegfaktoren. E POT m g h (1) TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

114 Seite 111 P R v MECH k A 2 v v m g s c W TOT R m EFF v (2) Eine praktische Umsetzung nicht sachkundig gestalteter Fahrradinfrastruktur zeigt die Abbildung 48. Hier wurde auf einem Teilstück der Dammgasse in Baden, das eine Brücke über den Fluss Schwechat beinhaltet, ein baulich getrennter, kombinierter Geh- und Radweg gebaut. Dessen Brücke hat jedoch im Vergleich zur Straßenbrücke eine deutliche zusätzliche Fahrbahnhöhe, da eine Konstruktion mit Tragwerk unter der Fahrbahn, statt daneben, gewählt wurde. So wird den Radfahrern dauerhaft die Barriere eines höheren Energieverbrauchs entgegengestellt. Abbildung 48: Unsachgemäße Infrastrukturplanung kann zusätzliche verlorene Höhenunterschiede produzieren. Hier eine Radweg-Brücke (linker Bildrand) deren Tragwerk sich unter der Fahrbahn befindet. Im Gegensatz zur Fahrbahn ist ein deutlicher, zusätzlicher Höhenunterschied gut erkennbar; Foto: T. Brezina. Aus den Grenzwerten der Literatur ergibt sich der Zusammenhang von Fahrgeschwindigkeit und Kurvenradius und somit übertragbarer Seitenreibung zwischen Reifen und Oberflächenbelag (siehe Abbildung 49). Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

115 Seite 112 Abbildung 49: Zusammenhang von Radius und fahrbarer Geschwindigkeit in der Literatur für asphaltierte und wassergebundene Oberflächen [13]. Abbildung 50: Leistungsfähigkeit von Radverkehrsanlagen [13]. Geschotterte Oberflächen, die oft in ökologisch sensiblen Abschnitten bevorzugt werden, bedürfen bei gleicher Fahrgeschwindigkeit größere Radien als Bitumenoberflächen. Will man höhere Fahrgeschwindigkeiten ermöglichen, so sind entsprechende Radien vorzusehen, z.b. v = 30 km/h r ASPHALT > 20 m. Die Leistungsfähigkeit von RVI ist in der westlichen Literatur bis zu einer maximalen Breite von 3 m angegeben. Will man jedoch für Radhighways (b 4,0 m) Richtwerte ermitteln, so kann man sich des Tricks bedienen und tatsächliche Messungen von asiatischen Straßen heranziehen. Dazu sind Straßen am besten geeignet, bei denen Autos einen ganz geringen Teil ausmachen und der überwiegende Teil des Verkehrs sich aus harmonisch fließendem Rad- und Mopedverkehr zusammensetzt. Abbil- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

116 Seite 113 dung 50 zeigt zwei Interpolationskurven (strichlierte Linie: linear; ausgezogene Linie: Potenzfunktion) zwischen Asiatischen und Europäischen Leistungsfähigkeitswerten als Funktion der Breite. 2.3 Fahrradstraßen Fahrradstraßen haben mit April 2013 auch in die Österreichische Straßenverkehrsordnung Einzug gefunden. In weitaus fahrradaffineren Ländern (DE, DK, NL siehe Abbildung 51) sind sie jedoch schon lange ein bewährtes verkehrspolitisches Instrumentarium, das in engem Zusammenhang mit baulichen und organisatorischen Komponenten steht. Kerneigenschaften von Fahrradstraßen sind aus verkehrsplanerischer Sicht: Vorrang für den RV das KFZ ist nur zu Gast; restriktiver Zugang für KFZ; geringe KFZ-Anzahl; geringe (KFZ-)Geschwindigkeiten; Bevorrangung in legistischer und/oder baulicher Form; Sonderrechte für RV gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern sind möglich; rechtliche und/oder bauliche Entität; wesentlicher Netzbestandteil; Wiedererkennungswert durch Corporate Identity. Abbildung 51: Fahrradstraße in Nijmegen, NL. 30 km/h Beschränkung. Schilder, die auf den Gaststatus des Automobils hinweisen und auch eine radfahrfreundliche Gestaltung sind wesentliche Merkmale [14]. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

117 Seite 114 Die Österreichische StVO legt im 67 die Eigenschaften für Fahrradstraßen, wie folgt, fest: Zur Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Fahrradverkehrs oder zur Entflechtung des Verkehrs verordenbar; aufgrund von Lage, Widmung oder Beschaffenheit von Gebäuden und Gebieten; hat dauerhafte oder zeitweilige Gültigkeit; Kraftfahrzeugverkehr prinzipiell verboten, Ausnahme: Zu- und Abfahrt und Fahrzeuge, die auch Fußgängerzonen befahren dürfen (StVO 76a Ab. 1). Eine Querung ist erlaubt; Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h; Radfahrer dürfen von KFZ weder gefährdet noch behindert werden. Elemente, wie man Fahrradstraßen physisch über das rechtliche Instrument hinaus noch attraktiver gestalten kann, sind: Rückbau, Einengungen an Einmündungen; bauliche Durchfahrtssperren für PKW, aber durchlässig für Fahrräder; lückenlose Wegweisung; gehäufte Bodenmarkierungen; Bike Boxes bei VLSA; Kontaktschleifen im Boden für VLSA-Anmeldung; Wartezeitindikator für RV an VLSA. Lichtzeichen als Indikatoren für eine Grüne Welle. 2.4 Radhighways Radhighways sind auch unter dem Namen Radschnellwege (BRD), Cycling super highways (UK), fietssnellwegen (NL) oder cykelsuperstier (DK) bekannt. Man versteht darunter möglichst kreuzungsfrei und besonders auf die Bedürfnisse des flotten Vorankommens ausgelegte Radfahranlagen. Diese laufen meistens baulich von Straßen abgesetzt und sollen in der Regel eine attraktive Verbindung zwischen Orten oder aus Umlandgemeinden in größere Städte ermöglichen. Neben der Kreuzungsfreiheit ist auch die große Breite, die ein Nebeneinanderfahren pro Fahrtrichtung ermöglichen soll, ein markantes Gestaltungselement. Der erste Radhighway wurde 1900 in Kalifornien als gebührenpflichtiger und aufgeständerter Weg errichtet und sollte dem damaligen Radfahrboom gerecht werden 14. Er kam jedoch zu spät, das Automobil begann im Großraum Los Angeles gerade das Zepter an sich zu reißen. Heute erleben Radhighways einen zweiten Boom. Nach niederländischem Vorbild, dort sind Radhighways mittlerweile ein erprobtes Infrastrukturangebot, findet die Radhighway-Idee nun vermehrt Anwendung, z.b. im Vorarlberger Rheintal, in London, Kopenhagen, dem Ruhrgebiet, der Metropolregion Hannover oder dem Korridor Frankfurt/M. Darmstadt [15-18]. London und Kopenhagen haben sich ambitionierte Pläne gesetzt, eine große Anzahl 12 respektive 28 (siehe Abbildung 52) an radialen und tangentialen Radhighways zu errichten, wobei schon erste Erfolge verzeichnet werden konnten. Der Praxistest für London hat jedoch gezeigt, dass, neben einem mustergültigen Marketing, in Teilbereichen die Ausführung den 14 TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

118 Seite 115 geschürten Erwartungen hinsichtlich Linienführung, Priorisierung, Geradlinigkeit und Erkennbarkeit noch nicht gerecht werden konnte 15. Ähnlich wie Fahrradstraßen weisen Radhighways in der Anwendung eine gemeinsame Bildsprache in Bodenmarkierung und Wegweisung auf, die die Wiedererkennbarkeit ermöglichen und die Priorisierung, wenn baulich und organisatorisch ausgeführt, unterstützen soll. Abbildung 52: Geplantes Netz an Radschnellwegen in Kopenhagen Cykel superstier; 2.5 Grüne Welle ( Grüne Wellen haben sich zur Priorisierung von RVIs mit viel Radverkehr als ganz besonders gut geeignet erwiesen. Empirische Messungen der Geschwindigkeit von Radfahrern in europäischen Städten haben gezeigt, dass der Großteil der Durchschnittsgeschwindigkeiten bei geringem Wind und weniger als 1 % Gefälle zwischen 18 und 22 km/h liegt [19]. Dies legt für die Grüne Welle eine Progressionsgeschwindigkeit von 20 km/h nahe, die auf langsamere Fahrer stimulierend wirkt und für Fahrer mit höherer Wunschgeschwindigkeit nicht zu langsam ist [20]. Grüne Wellen für den Radverkehr sind städtisch gut anwendbar, da die Durchschnittsgeschwindigkeit des Busverkehrs aber auch des MIV ähnlich groß ist wie eine für den Radverkehr zumutbare Progressionsgeschwindigkeit. Grüne Wellen wurden bereits in einigen Städten an ausgewählten Straßenabschnitten umgesetzt. In Kopenhagen z.b. auf der Straße 15 Persönliche Auskunft Beatrice Stude. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

119 Seite 116 Norrebrogade wurde über 2,2 km Länge und 12 signalisierte Kreuzungen eine Grüne Welle für 20 km/h installiert. Die Abbildung 53 zeigt die Wirkung der Grünen Welle auf die Radfahrergeschwindigkeit. Da kein Abbremsen vor Ampeln und das nachfolgende Beschleunigen mehr notwendig sind (oberes Diagramm), harmonisiert sich die Geschwindigkeit bei knapp über 20 km/h (unteres Diagramm). Das Radfahren wird in Summe ergonomischer. In Odense (DK) wurde für die Grüne Welle eine wegseitige Signalisierung in Form von 45 Pfosten mit Lichtern umgesetzt. Die Grüne Welle bewegt sich in Form eines grünen Lichts auf diesen Pfosten und zeigt so dem Radfahrer, ob er sich innerhalb befindet, oder nicht. Andere Installationen in Odense zeigen den Radfahrern ihre aktuelle Geschwindigkeit an, damit diese ihr Verhalten an die Grüne Welle anpassen können. In der Amsterdamer Raadhuisstraat wurde eine Geschwindigkeit von 18 km/h der Grünen Welle zugrunde gelegt. Hier wird den Radfahrern keinerlei Information zur Lage der Grünen Welle oder der aktuellen Geschwindigkeit gegeben, die Radfahrer müssen dies selbst herausfinden. Abbildung 53: Auswirkung der Grünen Welle auf das Geschwindigkeitsniveau; oberes 2.6 Radfahrstreifen Soest Diagramm: davor, unteres Diagramm: danach [21]. Eine kreative Anwendung von klassischen Radinfrastrukturelementen findet gar nicht so selten statt. Im Regelfall jedoch ist kreativ unter Anführungszeichen zu lesen, denn die Planung findet dominierend unter den Prämissen des Automobilverkehrs statt, dem Radver- TU Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik

120 Seite 117 kehr bleiben viel zu oft kreative lies wenig alltagstaugliche Insel- oder Randlösungen übrig. Anders ist das Beispiel von Soest, einer mitteldeutschen Kleinstadt (ca Einwohner) mit mittelalterlich verwinkeltem Stadtkern. In der Jakobistraße wurde auf einem 450 m langen Abschnitt der Radfahrstreifen nicht an den Fahrbahnrand der einspurigen Straße gezwängt, sondern in deren Mitte platziert (siehe Abbildung 54). Dies holt nicht nur den Radverkehr vom Fahrbahnrand in die Mitte der Aufmerksamkeit zurück, sondern erhöht dadurch auch die Sicherheit. Motorisierte Fahrzeuge können sich auf beengten Kernfahrbahnen nicht mehr an Radfahrern zu knapp vorbeizwängen. Und dies kann auch nicht mehr mit zu hohen Geschwindigkeiten passieren, womit das Geschwindigkeitsprofil der gesamten Straße ein ausgewogeneres ist. Die deutsche Straßenverkehrsordnung verbietet so eine Markierung nicht ausdrücklich. Die Rückmeldungen sind nach Aussage des städtischen Fahrradbeauftragten ausgesprochen positiv, was für die Verträglichkeit dieser Lösung bei den verkehrlichen Rahmenbedingungen (Buslinie im 30 Minuten-Takt und DTV: PKW, 200 LKW/Bus und 900 RF) spricht 16. Dieses einzige bisher bekannte Beispiel in Deutschland gewann im Frühjahr 2013 auch den deutschen Fahrradpreis in der Kategorie Alltagsmobilität. Abbildung 54: Mittig abmarkierter Fahrradstreifen in der Jakobistraße in Soest (DE); 3 Conclusio Foto: T. Brezina. Optimale Infrastruktur ist eine Funktion des Zwecks, den sie erfüllen soll. Jedoch sollte immer mit bedacht werden, dass der Radverkehr im Regelfall ein Nahdistanz-Verkehrsmittel ist und der Erfolg in Siedlungsgebieten von einer dichten Erschließung abhängt. Isolierte Langdistanzverbindungen sind eher bei regionalen und peri-urbanen Verbindungen zu bevorzugen. 16 Mailauskunft Manfred Scholz, Fahrradbeauftragter Stadt Soest. Beiträge zu einer ökologisch und sozial verträglichen Verkehrsplanung 1/2014

Vorwort 5 Begriffsbestimmungen 6 Radfahranlage 6. Fahrordnung auf Radfahranlagen 7 Vorrang 7 Verhaltensregeln für Radfahrer 7

Vorwort 5 Begriffsbestimmungen 6 Radfahranlage 6. Fahrordnung auf Radfahranlagen 7 Vorrang 7 Verhaltensregeln für Radfahrer 7 Impressum Herausgeber: Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung 18B Öffentlicher Verkehr und Verkehrsplanung Stempfergasse 7, 8010 Graz Inhaltliche Bearbeitung: Dr. FRIESSNEGG, Ing. FEIGG,

Mehr

Allgemeines. (4) Bei Tageslicht und guter Sicht dürfen Fahrräder ohne die in Abs. 1 Z 3 und 4 genannte Ausrüstung verwendet werden.

Allgemeines. (4) Bei Tageslicht und guter Sicht dürfen Fahrräder ohne die in Abs. 1 Z 3 und 4 genannte Ausrüstung verwendet werden. 1 Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über Fahrräder, Fahrradanhänger und zugehörige Ausrüstungsgegenstände (Fahrradverordnung) Auf Grund des 66 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung

Mehr

Radfahren und Recht: Status Quo und Verbesserungsbedarf

Radfahren und Recht: Status Quo und Verbesserungsbedarf Radfahren und Recht: Status Quo und Verbesserungsbedarf 11. März 2013 Dr. Johannes Pepelnik Email: jp@pkr.at Mobile: +43 676 30 39 608 Direct: +43 1 216 87 99-11 Vienna Hamburg Bucharest Dr. Johannes Pepelnik

Mehr

Ein Quiz für Einsteiger ADFC Gießen

Ein Quiz für Einsteiger ADFC Gießen Richtig im Radverkehr? Ein Quiz für Einsteiger 2011 ADFC Gießen 1) Wie schnell dürfen Autos und Fahrräder hier maximal fahren? A) Wenn nichts anderes ausgeschildert ist, 30 km/h. ) g, B) An den Fußverkehr

Mehr

Benützung von Trendsportgeräten durch Kinder und Jugendliche im Straßenverkehr

Benützung von Trendsportgeräten durch Kinder und Jugendliche im Straßenverkehr Benützung von Trendsportgeräten durch Kinder und Jugendliche im Straßenverkehr (Stand November 2016) 1. Fahrzeugähnliche Kinderspielzeuge bzw. vorwiegend außerhalb der Fahrbahn verwendete Kleinfahrzeuge:

Mehr

StVO-Ratgeber. Regeln fürs Radeln RADLOBBY ÖSTERREICH

StVO-Ratgeber. Regeln fürs Radeln RADLOBBY ÖSTERREICH StVO-Ratgeber Die!Straßenverkehrsordnung!(StVO)! ist!das!zentrale!gesetz,!das! Verhaltensregeln!für!die!Teilnahme!im! Straßenverkehr!vorgibt.!Um!sich! korrekt!und!sicher!im!verkehr!zu! bewegen,!sollte!man!diese!regeln!

Mehr

1 FV Allgemeines. Gesetzestext (Berücksichtigter Stand der Gesetzgebung: 1. Februar 2012)

1 FV Allgemeines. Gesetzestext (Berücksichtigter Stand der Gesetzgebung: 1. Februar 2012) 1 FV Allgemeines (1) Jedes Fahrrad, das in Verkehr gebracht wird, muss - sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt - ausgerüstet sein: mit zwei voneinander unabhängig wirkenden Bremsvorrichtungen,

Mehr

Reißverschluss verfahren

Reißverschluss verfahren Reißverschluss verfahren StVO Inhaltsverzeichnis 7 Benutzung von Fahrstreifen durch Kraftfahrzeuge Zeichen und Verkehrseinrichtungen Anlage 3 zu 42 Abs. 2 Abschnitt 12 Sonstige Verkehrsführung Für wen

Mehr

Ü b e r h o l e n. 5 StVO. Selber Straßenteil. Verkehrsteilnehmer. warten. Überholen ist der

Ü b e r h o l e n. 5 StVO. Selber Straßenteil. Verkehrsteilnehmer. warten. Überholen ist der Ü b e r h o l e n 5 Überholen ist der - tatsächliche (auch absichtslose) Vorgang des Vorbeifahrens - auf dem selben Straßenteil - an einem anderen Verkehrsteilnehmer, - der sich in der selben Richtung

Mehr

Radwegebenutzungspflicht

Radwegebenutzungspflicht Radwegebenutzungspflicht Rechtsgrundlagen Straßenverkehrsordnung mit der Fahrradnovelle aus 1997 sowie der Neufassung 2009 mit dem Ziel der Reduzierung der benutzungspflichtigen Radwege Verwaltungsvorschriften

Mehr

Sonnenfelsplatz Graz - Begegnungszone oder doch Shared Space?

Sonnenfelsplatz Graz - Begegnungszone oder doch Shared Space? Sonnenfelsplatz Graz - Begegnungszone oder doch Shared Space? Aktive Mobilität Ringvorlesung TU Wien 3.3.2016 DI Thomas Fischer, DI Heike Falk Stadt Graz, Stadtbaudirektion Stadt Graz Graz-Rathaus 8010

Mehr

Frage 1: Ein Radweg ist durch nachstehendes Schild gekennzeichnet. Muss ich ihn zwingend benutzen?

Frage 1: Ein Radweg ist durch nachstehendes Schild gekennzeichnet. Muss ich ihn zwingend benutzen? Quiz Rund ums Radeln Kleine Zeichenkunde Frage 1: Ein Radweg ist durch nachstehendes Schild gekennzeichnet. Muss ich ihn zwingend benutzen? Ja, es gibt keine Ausnahme. Ja, aber geschlossene Verbände, die

Mehr

Gesetzliche Regelungen für das Fahrradfahren in Österreich

Gesetzliche Regelungen für das Fahrradfahren in Österreich Bräuhausgasse 7-9 1050 Wien T 01-893 26 97 E vcoe@vcoe.at www.vcoe.at Gesetzliche Regelungen für das Fahrradfahren in Österreich Stand April 2015 Alle Regelungen für das Fahrrad gelten auch für Elektrofahrräder.

Mehr

B E S C H L U S S. s t a t t g e g e b e n,

B E S C H L U S S. s t a t t g e g e b e n, Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter HR Mag. G. Maier über die Beschwerde des Herrn F Fr, geb. am, U, G, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 13.10.2014,

Mehr

Neue Regeln der Straßenverkehrs-Ordnung ab 1. April 2013

Neue Regeln der Straßenverkehrs-Ordnung ab 1. April 2013 Eine Neufassung der Straßenverkehrsordnung (StVO) bringt zum 1. April 2013 Verbesserungen für Radfahrer. Schon im September 2009 sollte die StVO fahrradfreundlicher werden, doch bald darauf erklärte Bundesverkehrsminister

Mehr

Bußgelder in Deutschland

Bußgelder in Deutschland Bußgelder in Deutschland Verstöße gegen die deutschen Straßenverkehrsvorschriften werden mit Bußgeldern und Strafen geahndet. Die wichtigsten Regelungen haben wir Ihnen im den zusammengestellt. Geschwindigkeitsüberschreitungen

Mehr

Sprache: Deutsch / Sprache: Deutsch

Sprache: Deutsch / Sprache: Deutsch Die wichtigsten Verkehrsregeln für Fahrrad-Fahrer in Deutschland - Es handelt sich hier um keine abschließende Aufzählung der notwendigen Verkehrsregeln. - Die Erklärungen sind bewusst sprachlich einfach

Mehr

Radfahren aus rechtlicher Sicht Ein Auszug der wichtigsten Bestimmungen

Radfahren aus rechtlicher Sicht Ein Auszug der wichtigsten Bestimmungen Radfahren aus rechtlicher Sicht Ein Auszug der wichtigsten Bestimmungen 2 Liebe St.Pöltnerin, Lieber St.Pöltner, die Stadt St.Pölten errichtet seit vielen Jahren Radwege, Radrouten und hat vor kurzer Zeit

Mehr

SICHER ANS ZIEL UNTERWEGS AUF RADWEGEN

SICHER ANS ZIEL UNTERWEGS AUF RADWEGEN SICHER ANS ZIEL UNTERWEGS AUF RADWEGEN Wir bringen Bayern aufs Rad Kann ich, soll ich, muss ich? Zeichen 237 Radweg (Benutzungspflicht) Ein Radweg darf ausschließlich von Radfahrenden befahren werden und

Mehr

BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH P. b. b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wien BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH 1033 Jahrgang 1989 Ausgegeben am 10. Feber 1989 34. Stück 86. Bundesgesetz: Änderung der Straßenverkehrsordnung

Mehr

Antrag auf Verordnung einer Vorrangregelung

Antrag auf Verordnung einer Vorrangregelung - 1 - An die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Verkehrsreferat Gilmstraße 2 6020 Innsbruck E-Mail: bh.innsbruck@tirol.gv.at (Eingangsvermerk) Antrag auf Verordnung einer Vorrangregelung I. Angaben zum/zur

Mehr

Auf Rollen unterwegs. Fahrzeugähnliche Geräte. bfu Beratungsstelle für Unfallverhütung

Auf Rollen unterwegs. Fahrzeugähnliche Geräte. bfu Beratungsstelle für Unfallverhütung Auf Rollen unterwegs Fahrzeugähnliche Geräte bfu Beratungsstelle für Unfallverhütung Was sind fahrzeugähnliche Geräte? Als fahrzeugähnliche Geräte (fäg) werden alle mit Rädern oder Rollen ausgestatteten

Mehr

Begegnungszone Kreuzung. Ein Blick durch die Fahrradbrille

Begegnungszone Kreuzung. Ein Blick durch die Fahrradbrille Begegnungszone Kreuzung Ein Blick durch die Fahrradbrille Kreuzung? Q: Duden, 2016 2 Kreuzung! 3 Südtiroler Platz, Wien Südtiroler Platz, Wien, 2015. Q: Stadtplan Wien, 2015, eigene Bearbeitung 4 Kreuzung

Mehr

LAG RV 2. Arbeitstreffen StVO in der Radverkehrsförderung weiche Maßnahmen

LAG RV 2. Arbeitstreffen StVO in der Radverkehrsförderung weiche Maßnahmen LAG RV 2. Arbeitstreffen StVO in der Radverkehrsförderung weiche Maßnahmen Notwendigkeit sogenannter weicher Maßnahmen Kennzeichnung der unterschiedlichen Verkehrsanlagen Verstetigung des Verkehrsflusses

Mehr

Radwege, rechtlich - über die Benutzungspflicht von Sonderwegen für Radfahrer in Österreich und Deutschland

Radwege, rechtlich - über die Benutzungspflicht von Sonderwegen für Radfahrer in Österreich und Deutschland Radwege, rechtlich - über die Benutzungspflicht von Sonderwegen für Radfahrer in Österreich und Deutschland In Österreich ist nach 68 StVO auf Straßen mit einer Radfahranlage diese mit einspurigen Fahrrädern

Mehr

Vorrang auf Radrouten aus rechtlicher Sicht!

Vorrang auf Radrouten aus rechtlicher Sicht! Vorrang auf Radrouten aus rechtlicher Sicht Präsentation 21. Mai 2012 Dr. Johannes Pepelnik Email: jp@pkr.at Mobile: +43 676 30 39 608 Direct: +43 1 216 87 99-11 Vienna Hamburg Bucharest Vorrangregeln

Mehr

Stadt. Wels. Radfahren in Wels. Ein Überblick

Stadt. Wels. Radfahren in Wels. Ein Überblick Stadt Wels Radfahren in Wels Ein Überblick 1. Frühjahrscheck beim Fahrrad Genügend Luft im Reifen? Prüfen Sie den Luftdruck! Funktionieren beide Bremsen einwandfrei? Sind die Rückstrahler an den Pedalen

Mehr

Verträglichkeit im. Fuß- und (E-) Radverkehr. Forschungsforum Mobilität für Alle 2014 E-Mobilität & aktive Mobilität 3.12.

Verträglichkeit im. Fuß- und (E-) Radverkehr. Forschungsforum Mobilität für Alle 2014 E-Mobilität & aktive Mobilität 3.12. Verträglichkeit im Universität für Bodenkultur Wien Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur Fuß- und (E-) Radverkehr Forschungsforum Mobilität für Alle 2014 E-Mobilität & aktive Mobilität 3.12.2014,

Mehr

Verkehrsclub Deutschland e.v. VCD. Neue Wege zur Fahrradstadt Freising

Verkehrsclub Deutschland e.v. VCD. Neue Wege zur Fahrradstadt Freising Verkehrsclub Deutschland e.v. VCD Neue Wege zur Fahrradstadt Freising Wer ist der VCD? Verkehrsclub für alle Alternative Interessenvertretung Mobilitätsberatung Verbraucherschutz Schutzbriefe und mehr

Mehr

VCD Verkehrsclub Deutschland Ortsgruppe Fellbach. Sicherheit im Radverkehr Was können wir dafür tun?

VCD Verkehrsclub Deutschland Ortsgruppe Fellbach. Sicherheit im Radverkehr Was können wir dafür tun? VCD Verkehrsclub Deutschland Ortsgruppe Fellbach Sicherheit im Radverkehr Was können wir dafür tun? Überblick Unterarten der Gattung Radler Allgemeine Fahrtipps Unfall-Ursachen und was wir tun können Verkehrsinfrastruktur

Mehr

Blaulicht und Folgetonhorn. Was ist erlaubt, was verboten

Blaulicht und Folgetonhorn. Was ist erlaubt, was verboten Blaulicht und Folgetonhorn Was ist erlaubt, was verboten III.Abschnitt Bevorzugte Straßenbenützer III.Abschnitt Bevorzugte Straßenbenützer 26 Einsatzfahrzeuge. (1) Die Lenker von Fahrzeugen, die nach den

Mehr

Radfahren in Österreich

Radfahren in Österreich Klaus Robatsch 1. Allgemeines Radfahren ist in Österreich eine variantenreiche Art alternativer Mobilität. Von den Citybikes in den großen Städten wie Wien oder Salzburg bis hin zum Mountainbiken auf einem

Mehr

Fachvereinigung Omnibus und Touristik. Haltestellen

Fachvereinigung Omnibus und Touristik. Haltestellen Haltestellen Der Sicherung der Haltestellen kommt eine bedeutende Aufgabe zu, denn das Ein- und Aussteigen, das Warten an den Haltestellen und das Überqueren der Fahrbahn auf dem Weg zur Haltestelle stellen

Mehr

Rechtsvorbeifahren und Rechtsüberholen

Rechtsvorbeifahren und Rechtsüberholen Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK Rechtsvorbeifahren und Rechtsüberholen Verbot: Grundsatz und Ausnahmen VSR-Instruktorenweiterbildung vom 30.10.2014 Stefan

Mehr

Fahrradfahrer in Deutschland

Fahrradfahrer in Deutschland Die wichtigsten Verkehrsregeln für willkommens-netz.de Flüchtlingshilfe Fahrrad-Fahrer im Bistum in Deutschland Trier s handelt sich hier um keine abschließende Aufzählung der notwendigen rkehrsregeln.

Mehr

Kommentartext Verkehrszeichen

Kommentartext Verkehrszeichen Kommentartext Verkehrszeichen 1. Kapitel: Achtung Gefahr! Das ist ein Verkehrsschild. Weißt du, was es bedeutet? Ja, du musst anhalten. Andere haben Vorfahrt und du musst dich gut umschauen, bevor du fahren

Mehr

Nr 4031 Version Prüfungsfragen gültig ab 1.1.2012. ZusatzNr 4032 ThemaNr 16. Anmerkungen

Nr 4031 Version Prüfungsfragen gültig ab 1.1.2012. ZusatzNr 4032 ThemaNr 16. Anmerkungen Nr 4031 Bewertung (Punkte) 3 ZusatzNr 4032 ThemaNr 16 nummer 11110 HF Die vor Ihnen fahrenden Fahrzeuge werden langsamer. Wie verhalten Sie sich? Allgemeine n bei : A und B und Kombinationen mit diesen

Mehr

Musikkapellen im Straßenverkehr

Musikkapellen im Straßenverkehr Musikkapellen im Straßenverkehr Geschlossene Züge von Straßenbenützern ( = Musikkapellen) auf öffentlichen Verkehrsflächen! Oskar Bernhart Gesetzliche Bestimmungen Die Straßenverkehrsordnung (STVO 1960)

Mehr

Fragen und Antworten für das Geländespiel. Fragen

Fragen und Antworten für das Geländespiel. Fragen Fragen und Antworten für das Geländespiel Fragen 1) Was ist Mobilität? 2) Welches Fortbewegungsmittel ist am sichersten? 3) Gibt es mehr Kinder oder mehr Autos in München? 4) Welches öffentliche Verkehrsmittel

Mehr

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. SICHER UNTERWEGS MIT DEM FAHRRAD. Regeln * Rechte * Rücksichtnahme

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. SICHER UNTERWEGS MIT DEM FAHRRAD. Regeln * Rechte * Rücksichtnahme Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. SICHER UNTERWEGS MIT DEM FAHRRAD Regeln * Rechte * Rücksichtnahme Immer mehr Menschen fahren in Deutschland mit dem Fahrrad. Mehr Radverkehr bedeutet

Mehr

Sicher Rad fahren Regeln und Tipps

Sicher Rad fahren Regeln und Tipps Sicher Rad fahren Regeln und Tipps Bochum, September 2010 Klaus Kuliga ADFC Bochum Ideale Verhältnisse... 2 ... und tägliche Realität 3 Sicher Rad fahren Warum? Radfahrer können durch ihr Verhalten zur

Mehr

Es kann ein Fahrzeug entgegenkommen, das Ihren Fahrstreifen mitbenutzt. Auf Ihrem Fahrstreifen kann sich ein langsam fahrendes Fahrzeug befinden

Es kann ein Fahrzeug entgegenkommen, das Ihren Fahrstreifen mitbenutzt. Auf Ihrem Fahrstreifen kann sich ein langsam fahrendes Fahrzeug befinden Welches Verhalten ist richtig? Ich darf durchfahren Ich muss den gelben Pkw durchfahren lassen Welches Verhalten ist richtig? Ich muss den Radfahrer abbiegen lassen Ich muss den blauen Pkw durchfahren

Mehr

Fahrradsicherheit für Geflüchtete und Zugewanderte. Arbeitsblätter Deutsch

Fahrradsicherheit für Geflüchtete und Zugewanderte. Arbeitsblätter Deutsch Fahrradsicherheit für Geflüchtete und Zugewanderte Arbeitsblätter Deutsch ARBEITSBLATT Deutsch Information Verkehrsregeln allgemein Es gilt Rechtsverkehr. Mit dem Fahrrad ist am rechten Fahrbahnrand zu

Mehr

Verkehrs-und Gestaltungskonzept für die Wolfurter Straßen

Verkehrs-und Gestaltungskonzept für die Wolfurter Straßen Verkehrs-und Gestaltungskonzept für die Wolfurter Straßen Gemeindevertretungssitzung Wolfurt, 04. Dezember 2013 1 Ausgangslage Marktgemeinde Wolfurt verfügt über ein Netz von 118 öffentlichen Straßen und

Mehr

Mit blauer Schrift habe ich meine Anmerkungen zur geplanten Novelle der STVO markiert: Rücksichtnahmegebot und Vertrauensgrundsatz.

Mit blauer Schrift habe ich meine Anmerkungen zur geplanten Novelle der STVO markiert: Rücksichtnahmegebot und Vertrauensgrundsatz. 39/SN-261/ME XXIV. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt 1 von 7 Mit blauer Schrift habe ich meine Anmerkungen zur geplanten Novelle der STVO markiert: Rücksichtnahmegebot und Vertrauensgrundsatz.

Mehr

Warum fahren ältere RadfahrerInnen weniger Rad oder hören damit auf? Carmen Hagemeister & Susanne Koch

Warum fahren ältere RadfahrerInnen weniger Rad oder hören damit auf? Carmen Hagemeister & Susanne Koch Warum fahren ältere RadfahrerInnen weniger Rad oder hören damit auf? Carmen Hagemeister & Susanne Koch TU Dresden Diagnostik und Intervention 1 Hintergrund demographischer Wandel: mehr ältere Menschen

Mehr

Inkrafttreten: 01. April 2013

Inkrafttreten: 01. April 2013 StVO - Neufassung Inkrafttreten: 01. April 2013 Auszug: Verkehrs-Verlag Remagen LVW / TÜV Thüringen 1 Neue Umschreibungen wer mit dem Rad fährt, (bisher- Radfahrer) wer zu Fuß geht, (bisher- Fußgänger)

Mehr

ICH. und die Anderen

ICH. und die Anderen ICH und die Anderen ICH und die Anderen Wenn es zwischen Auto und Rad auf Baden-Württembergs Straßen kracht, sind hierfür in 63 Prozent der Fälle die Autofahrer verantwortlich. Das sind die häufigsten

Mehr

Bußgeld- und Punktekatalog

Bußgeld- und Punktekatalog Bußgeld- und katalog Bußgeld- und katalog Falschparken Parken an Engstellen mit Behinderung von Rettungsfahrzeugen 40 1 - in Feuerwehrzufahrt mit Behinderung von Rettungsfahrzeugen 50 1 - Fahren unter

Mehr

Übereinkommen vom 8. November 1968 über Strassenverkehrszeichen

Übereinkommen vom 8. November 1968 über Strassenverkehrszeichen Übereinkommen vom 8. November 1968 über Strassenverkehrszeichen SR 0.741.20; AS 1993 498 Änderungen des Übereinkommens In Kraft getreten am 28. März 2006 Übersetzung 1 A. Änderungen des Haupttextes des

Mehr

1. Mein Fahrrad ist o. k.

1. Mein Fahrrad ist o. k. 1. Mein Fahrrad ist o. k. Das ist mein Fahrrad: Hier klebe ich ein Foto von meinem Fahrrad ein.... zu klein? Markenname: Farbe: Reifengröße: Rahmennummer: Jedes Rad hat eine Rahmennummer. Wenn mein Rad

Mehr

Wege für Radfahrer im Stadtteil (1/7)

Wege für Radfahrer im Stadtteil (1/7) Folien zur Broschüre Mein Fahrrad-Tagebuch Stand 2/09 Seite 1 Wege für Radfahrer im Stadtteil (1/7) Sachinformationen für Lehrerinnen und Lehrer Übersicht: Wege für das Rad Radfahrer finden im Gegensatz

Mehr

Schriftliche Kleine Anfrage

Schriftliche Kleine Anfrage 10. Mai 2016 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Bill (GRÜNE) vom 03.05.2016 und Antwort des Senats - Drucksache 21/4315 - Betr.: Unfallstatistik Radverkehr Mit der Drs. 21/721 wurde die

Mehr

Schriftliche Kleine Anfrage

Schriftliche Kleine Anfrage BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4315 21. Wahlperiode 10.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Bill (GRÜNE) vom 03.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Unfallstatistik

Mehr

Radfahren und Gesundheit. Internationale Empfehlungen zur bewegungsorientierten Gesundheitsförderung. Dr. Günther Reichle

Radfahren und Gesundheit. Internationale Empfehlungen zur bewegungsorientierten Gesundheitsförderung. Dr. Günther Reichle Radfahren und Gesundheit Internationale Empfehlungen zur bewegungsorientierten Gesundheitsförderung Dr. Günther Reichle Was ist eine Gesundheitswirksame Bewegung? Die am weitesten bekannte Empfehlung stammt

Mehr

Warum gibt es so viel Verkehr?

Warum gibt es so viel Verkehr? J. Michael SCHOPF Warum gibt es so viel Verkehr? Über die Tätigkeit T von VerkehrsplanerInnen 1 Warum entsteht Verkehr? Menschen sind unterwegs man sagt auch, sie sind mobil weil sie etwas erledigen wollen.

Mehr

Queren der Fahrbahn durch Fußgänger

Queren der Fahrbahn durch Fußgänger Schutzweg 9 Abs. 2 StVO Verhalten bei der Annäherung an einen Schutzweg Fußgänger ist das ungehinderteund ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen, wenn er sich auf Schutzweg befindet oder diesen

Mehr

Shared Space aus der Sicht eines Verkehrspsychologen

Shared Space aus der Sicht eines Verkehrspsychologen Shared Space aus der Sicht eines Verkehrspsychologen Prof. Dr. Bernhard Schlag TU Dresden Frankfurt/M. 1.3.2011 1 Shared Space ist keine neue Verkehrssicherheitsidee aus dieser Richtung kommen eher die

Mehr

Empfehlung zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung in der Schule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom i. d. F. vom

Empfehlung zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung in der Schule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom i. d. F. vom Empfehlung zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung in der Schule Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 i. d. F. vom 10.05.2012 Vorbemerkung Mobilitäts- und Verkehrserziehung ist eine übergreifende

Mehr

Schriftliche Kleine Anfrage

Schriftliche Kleine Anfrage BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/721 21. Wahlperiode 16.06.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Bill (GRÜNE) vom 09.06.15 und Antwort des Senats Betr.: Unfallstatistik

Mehr

Fahrrad fahren in Deutschland

Fahrrad fahren in Deutschland Fahrrad fahren in Deutschland Idee: Julia Heyer Ausführung: Julia Heyer Friederike Niebuhr Jan Adolph Vorlage: Unfallforschung der Versicherer Deutsche Verkehrswacht Deutscher Verkehrssicherheitsrat Die

Mehr

1. Mein Fahrrad ist o.k.

1. Mein Fahrrad ist o.k. 1. Mein Fahrrad ist o.k. Das ist mein Fahrrad. Hier klebe ich ein Foto von meinem Fahrrad ein.... zu klein? Markenname: Farbe: Reifengröße: Rahmennummer: Jedes Rad hat eine Rahmennummer. Wenn mein Rad

Mehr

Sicher Rad fahren Regeln und Tipps

Sicher Rad fahren Regeln und Tipps Sicher Rad fahren Regeln und Tipps Bernd Zanke Mitglied des Vorstandes ADFC Berlin e.v. pööös Ideale Verhältnisse... pööös 2 ... und tägliche Realität pööös 3 Sicher Rad fahren Warum? Radfahrer können

Mehr

Z V R 2/2002 ISSN ZEITSCHRIFT FÜR VERKEHRSRECHT. Beiträge. ZVR-Spruchbeilage Nr (Auszug) Kuratorium für Verkehrssicherheit INHALT

Z V R 2/2002 ISSN ZEITSCHRIFT FÜR VERKEHRSRECHT. Beiträge. ZVR-Spruchbeilage Nr (Auszug) Kuratorium für Verkehrssicherheit INHALT ZEITSCHRIFT FÜR VERKEHRSRECHT Z V R Vereinigt mit dem Kraftfahr-Jurist REDAKTION: Hon.-Prof. DDr. Robert Dittrich HRdOGH Dr. Karl-Heinz Danzl Dr. Georg Kathrein GA Dr. Wilfried Seidl INHALT Beiträge Christian

Mehr

Auffahren auf Autobahnen/Autostraßen

Auffahren auf Autobahnen/Autostraßen Auffahren auf Autobahnen/Autostraßen FP-Jourfix 12.01.2016 Lehrplan B 5.1 Fahren auf Autobahnen/Autostraßen: Ziel Richtiges Verhalten beim Befahren des Beschleunigungsstreifen, auf der Autobahn/Autostraße

Mehr

Verkehrserziehung. 1. Kapitel: Mein Schulweg

Verkehrserziehung. 1. Kapitel: Mein Schulweg Verkehrserziehung 1. Kapitel: Mein Schulweg Das ist Lisa. Sie hat Heute zur zweiten Stunde Unterricht. Lisa ist auf ihrem Schulweg. Schulwege können sehr unterschiedlich sein. In ländlichen Regionen solltest

Mehr

miteinander im verkehr Rücksicht kommt an!

miteinander im verkehr Rücksicht kommt an! miteinander im verkehr Rücksicht kommt an! Rücksicht macht das Miteinander im Verkehr entspannter und sicherer. Oft hat man im Verkehr aber nur das eigene Fortkommen im Auge. Mit diesem Flyer will die

Mehr

lyondellbasell.com Sicherheit bei Schulbeginn

lyondellbasell.com Sicherheit bei Schulbeginn Sicherheit bei Schulbeginn Sicherheit bei Schulbeginn Wenn der Sommer zu Ende geht, beginnt die Schule wieder. Wie Kinder sicher zur Schule kommen Auf Sicherheit im Straßenverkehr achten Einen sicheren

Mehr

Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines s wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr ( BKatV) Vom 13. November 2001 (BGBl. I S. 3033) Zuletzt

Mehr

Änderungen Grundwissen+B (Nr. 420) Änderungen Grundwissen+B (Nr. 650) Änderungen Grundwissen+B (Nr. 892) Änderungen Grundwissen+B (Nr.

Änderungen Grundwissen+B (Nr. 420) Änderungen Grundwissen+B (Nr. 650) Änderungen Grundwissen+B (Nr. 892) Änderungen Grundwissen+B (Nr. Änderungen Grundwissen+B (Nr. 650) Änderungen Grundwissen+B (Nr. 420) Welches Verbot gilt ab dem Verkehrszeichen? (3 Punkte) (Nr. 650) F Einfahrtverbot für mehr als 2 m lange Fahrzeuge R Fahrverbot für

Mehr

Kernfahrbahn. Vorher-Nachher-Untersuchung an der Bischofszellerstrasse in Gossau. Kurzfassung

Kernfahrbahn. Vorher-Nachher-Untersuchung an der Bischofszellerstrasse in Gossau. Kurzfassung Kurzfassung Seite 1. Ausgangslage 2 2. Versuchsbetrieb 3 3. Untersuchungsanlage 4 4. Zusammenfassung der Erkenntnisse 7 Planungsbüro Jean-Louis Frossard Dipl. Ing. ETH/SIA/SVI Limmatquai 116 8001 Zürich

Mehr

Fall 15. 1. Handlungskomplex: Die Alkoholfahrt des Al. Strafbarkeit des Al wegen fährlässiger Tötung gem. 222 StGB durch Erfassen des Mopeds

Fall 15. 1. Handlungskomplex: Die Alkoholfahrt des Al. Strafbarkeit des Al wegen fährlässiger Tötung gem. 222 StGB durch Erfassen des Mopeds Lösungshinweise 1. Handlungskomplex: Die Alkoholfahrt des Al Strafbarkeit des Al wegen fährlässiger Tötung gem. 222 StGB durch Erfassen des Mopeds 1. Erfolg (+), der Mopedfahrer ist tot. 2. Handlung (+),

Mehr

VERHALTEN AM FUSSGÄNGERSTREIFEN

VERHALTEN AM FUSSGÄNGERSTREIFEN VERHALTEN AM FUSSGÄNGERSTREIFEN EMPFEHLUNGEN FÜR FUSSGÄNGERINNEN UND FUSSGÄNGER FÜR LENKERINNEN UND LENKER IN ZUSAMMENARBEIT MIT Schweizer Projekt zum Weltgesundheitstag der World Health Organisation (WHO)

Mehr

Radverkehrsaufkommen/ Radverkehrsinfrastruktur und zukünftiges Unfallgeschehen

Radverkehrsaufkommen/ Radverkehrsinfrastruktur und zukünftiges Unfallgeschehen Radverkehrsaufkommen/ Radverkehrsinfrastruktur und zukünftiges Unfallgeschehen Marcel Schreiber Referent Infrastruktur Symposium Mehr Radverkehr aber sicher! Berlin, 21. September 2016 2 Unfallgeschehen

Mehr

Regelsatz in Punkte Fahrverbot in Monaten. innerorts ausserorts innerorts ausserorts innerorts ausserorts. Bis

Regelsatz in Punkte Fahrverbot in Monaten. innerorts ausserorts innerorts ausserorts innerorts ausserorts. Bis Tempolimit überschritten Überschreitung des Limits in km/h Regelsatz in Punkte Fahrverbot in Monaten innerorts ausserorts innerorts ausserorts innerorts ausserorts Bis 10 15 10 - - - - 11-15 25 20 - -

Mehr

Car Interaction Safety-Workshop. Status Quo: Rechtliche Rahmenbedingungen StVO, KFG. Dr. Wilhelm Kast. bmvit, Abt. IV/ST1

Car Interaction Safety-Workshop. Status Quo: Rechtliche Rahmenbedingungen StVO, KFG. Dr. Wilhelm Kast. bmvit, Abt. IV/ST1 1 Car Interaction Safety-Workshop bmvit, Abt. IV/ST1 2 - erforderliche Aufmerksamkeit - Ablenkung - Ablenkungsmöglichkeiten vielfältig von außen; Umgebung: zb Natur, Landschaft, Werbung, von innen -- ablenkende

Mehr

Auszug Bußgeld-Katalog

Auszug Bußgeld-Katalog Auszug Bußgeld-Katalog Straßenverkehr (Stand Januar 2010) Zu schnell gefahren? Seite: 2 + 3 Sicherheitsabstand Seite: 4 eingehalten? Autobahn und Schnellstraßen Falsch verhalten? Seite: 5 Vorfahrt missachtet?

Mehr

Radwegeanlagen Beschilderung und Markierung. Richtlinie. Aktualisiert: Mai 2013

Radwegeanlagen Beschilderung und Markierung. Richtlinie. Aktualisiert: Mai 2013 Radwegeanlagen Beschilderung und Markierung Richtlinie Aktualisiert: Mai 2013 1 Bearbeitung: Kühn Radwege- Beschilderung und Markierung Erläuterungen Allgemeines Die vorliegende Richtlinie des Landes Salzburg

Mehr

Volle Konzentration beim Vortritt gefragt

Volle Konzentration beim Vortritt gefragt Medienmitteilung Kampagne «Vorsicht beim Vortritt» misst Stimmung bei Velo- und Autofahrern Volle Konzentration beim Vortritt gefragt Bern, 12. April 2016 Ein Plakat in warnendem Rot zeigt eine Strassenkreuzung

Mehr

Tipps und Infos rund ums Blinken

Tipps und Infos rund ums Blinken Verkehrsexperten informieren Impressum Herausgeber: Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.v. (ADAC) Ressort Verkehr, Am Westpark 8, 81373 München www.adac.de/verkehrs-experten Tipps und Infos rund ums

Mehr

Begriffsbestimmung: Sonderrechte befreien von der Einhaltung der Vorschriften der Straßenverkehrs- Ordnung ( StVO ).

Begriffsbestimmung: Sonderrechte befreien von der Einhaltung der Vorschriften der Straßenverkehrs- Ordnung ( StVO ). Die erfolgreiche Tätigkeit der Feuerwehr hängt neben anderen Umständen, entscheidend von der Zeit ab. Um Zeit zu gewinnen, muß sichergestellt sein, dass sie die Einsatzstelle ohne verkehrsbedingte Verzögerungen

Mehr

Geteilter Verkehrsraum

Geteilter Verkehrsraum Bergmannstraße Geteilter Verkehrsraum Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Richter Diskussionsveranstaltung: Begegnungszone Bergmannstraße 27. November 2014 Nahmobilität - Attraktivitätsmerkmale Großzügige Bemessung

Mehr

Vom Rücksichtnahmegebot zur Begegnungszone

Vom Rücksichtnahmegebot zur Begegnungszone Vom Rücksichtnahmegebot zur Begegnungszone Verkehrsberuhigung seit der 23. StVO Novelle Mag. Martin Hoffer, ÖAMTC-Rechtsdienste ZVÖ-Fachtagung, 13. November 2014 Grundlagen, Vorgeschichte Vorwort: Schilderwald

Mehr

Verkehrssicherheitsarbeit. Herzlich Willkommen zur Veranstaltung. Huppertz. Radwegbenutzungspflicht. Bernd Huppertz 1

Verkehrssicherheitsarbeit. Herzlich Willkommen zur Veranstaltung. Huppertz. Radwegbenutzungspflicht. Bernd Huppertz 1 Herzlich Willkommen zur Veranstaltung benutzungspflicht 1 Benutzungspflicht Eine Pflicht, e in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch VZ 237, 240 oder 241 angeordnet ist.

Mehr

Änderungen StVO und VwV-StVO. seit 1. September 2009

Änderungen StVO und VwV-StVO. seit 1. September 2009 Änderungen StVO und VwV-StVO seit 1. September 2009 StVO-Novelle: Warum? Abbau des Schilderwaldes : Verkehrszeichen nur dort, wo aufgrund besonderer Umstände zwingend erforderlich; mehr Eigenverantwortung

Mehr

Das Fahrlicht (Abblendlicht) sollte eher zu früh als zu spät eingeschaltet werden, damit man besser gesehen wird.

Das Fahrlicht (Abblendlicht) sollte eher zu früh als zu spät eingeschaltet werden, damit man besser gesehen wird. Testbogen Arbeitssicherheit www.textil-bg.de www.bgfe.de Nr. 12: Sicherheit im Straßenverkehr Vorbemerkungen: Das Sachgebiet Sicherheit im Straßenverkehr umfasst einen Testbogen. Ein kleiner Hinweis: Es

Mehr

Herzlich willkommen. Robert Jetter

Herzlich willkommen. Robert Jetter Handout Überholen 4 Herzlich willkommen Robert Jetter Fahrlehrerberufsschule Zürich 2007 Bitte schalten Sie Ihr Handy aus. Vielen Dank. Seite 3 Unser heutiges Thema: Überholen GRUNDSATZ IM ZWEIFEL NIE!

Mehr

Notwendige Informationen zum Aufenthalt in Japan

Notwendige Informationen zum Aufenthalt in Japan (kôtsû) 4 Straßenverkehrsordnung (kôtsû kisoku) 4-1 Die japanische Straßenverkehrsordnung In Japan gibt es gesonderte Verkehrsregeln für Fußgänger, Kraftfahrzeuge (Autos und Motorräder) und Fahrräder.

Mehr

Aktion Kindersicherer Straßenverkehr Tempo 30 vor Schulen

Aktion Kindersicherer Straßenverkehr Tempo 30 vor Schulen Aktion Kindersicherer Straßenverkehr Tempo 30 vor Schulen Kuratorium für Verkehrssicherheit Projektleitung Angelika Ledineg KURATORIUM FÜR VERKEHRSSICHERHEIT 1 Inhalt 1 Ausgangslage... 3 2 Umsetzung des

Mehr

S a t z u n g. 1 Regelung des ruhenden Verkehrs; erforderliche Garagen und Stellplätze

S a t z u n g. 1 Regelung des ruhenden Verkehrs; erforderliche Garagen und Stellplätze Stadt Oberlungwitz Landkreis Chemnitzer Land AZ: 630.552 S a t z u n g über die Ablösung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen und Garagen durch Zahlung eines Geldbetrages an die Stadt Oberlungwitz

Mehr

INFO NÖ BTVO A Wien, Engelsberggasse 4 / 4. OG Tel.: +43 (0) BÜRO DR.

INFO NÖ BTVO A Wien, Engelsberggasse 4 / 4. OG Tel.: +43 (0) BÜRO DR. INFO NÖ BTVO 2014 A - 1030 Wien, Engelsberggasse 4 / 4. OG Tel.: +43 (0)1 718 48 68 dr.paula@gpl.at www.paula.at BÜRO DR. PAULA ZT-GMBH BÜRO DR PAULA ZT-GMBH INFO BTVO 2014 2 Februar 2015 INFO BTVO 2014

Mehr

Landesbauordnungen im Überblick

Landesbauordnungen im Überblick Landesbauordnungen im Überblick AOR Dipl.-Ing. Manfred Wacker Universität Stuttgart Institut für Straßen-und Verkehrswesen Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik Seidenstraße 36 70174 Stuttgart

Mehr

Multimodal & intermodal

Multimodal & intermodal Ziele der Unterrichtseinheit Die Schüler / innen setzen sich mit Multimodalität und Intermodalität im eigenen Leben und in Österreich auseinander. Fächer und Altersstufe Geografie, Physik, ev. Mathematik

Mehr

Ziehen von Anhängern mit PKW technische und rechtliche Bestimmungen Stand: Jänner 2005

Ziehen von Anhängern mit PKW technische und rechtliche Bestimmungen Stand: Jänner 2005 LANDESPOLIZEIKOMMANDO NIEDERÖSTERREICH L a n d e s v e r k e h r s a b t e i l u n g Neue Herrengasse 15, 3100 St. Pölten Tel.: +43-59133 30-4444, Fax: +43-59133 30-4009 Lpk-n-lva@polizei.gv.at, www.polizei.at/noe

Mehr

Personenbeförderung in Taxis und Mietwagen-Pkws FACHGRUPPE FÜR DIE BEFÖRDERUNGSGEWERBE MIT PKW Klagenfurt, Europaplatz 1

Personenbeförderung in Taxis und Mietwagen-Pkws FACHGRUPPE FÜR DIE BEFÖRDERUNGSGEWERBE MIT PKW Klagenfurt, Europaplatz 1 INFOBLATT Personenbeförderung in Taxis und Mietwagen-Pkws Stand: April 2016 FACHGRUPPE FÜR DIE BEFÖRDERUNGSGEWERBE MIT PKW 9021 Klagenfurt, Europaplatz 1 e-mail: verkehr@wkk.or.at Internet: http://wko.at/ktn/taxi

Mehr

Auto Ecole Zenner Fragenblatt "Die Bodenhaftung von " Regenreifen " garantiert mir eine einwandfreie Straßenlage."

Auto Ecole Zenner Fragenblatt Die Bodenhaftung von  Regenreifen  garantiert mir eine einwandfreie Straßenlage. Fragenblatt 1-59 Frage Nummer 1 Welches Risiko besteht bei Regen? Der Bremsweg kann länger werden. "Die Bodenhaftung von " Regenreifen " garantiert mir eine einwandfreie Straßenlage." Die Scheibenwischer

Mehr

Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren

Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren Fahrprüfer - Jourfix am 27.9.2016 Die Größe des Sicherheitsabstandes hängt ab von: der Fahrgeschwindigkeit der Fahrbahnbeschaffenheit: trocken, nass, Schnee,

Mehr

1) Bis zu welcher zul. Gesamtmasse dürfen Fahrzeuge mit dem Führerschein der Kl. B gefahren werden? - bis 3,5 t

1) Bis zu welcher zul. Gesamtmasse dürfen Fahrzeuge mit dem Führerschein der Kl. B gefahren werden? - bis 3,5 t kai.orlob@mainzer-fahrschule.de 06131/6933980 Zahlentest für die Führerscheinklasse B (Pkw) 1) Bis zu welcher zul. Gesamtmasse dürfen Fahrzeuge mit dem Führerschein der Kl. B gefahren werden? - bis 3,5

Mehr

Was für gleichwertige Alternativen gibt es zum Shared Space?

Was für gleichwertige Alternativen gibt es zum Shared Space? Was für gleichwertige Alternativen gibt es zum Shared Space? Unserer Ansicht nach kämen folgende gleichwertige Alternativen zu Shared Space in Frage: 1. Verkehrsberuhigte Zone 2. Begegnungszone 3. Tempo

Mehr

Datum Klasse Uhrzeit Thema Kurzbeschreibung

Datum Klasse Uhrzeit Thema Kurzbeschreibung Datum Klasse Uhrzeit Thema Kurzbeschreibung Montag 19.12.2016 Zusatz 18.30-20,00 14 Technik 2 B Fahren von Solokraftfahrzeugen / Personen und Güterbeförderung / Zusammenstellen von Zügen / Verbinden und

Mehr