Personenbetreuung + Verbraucherschutz

Transkript

1 Personenbetreuung + Verbraucherschutz Ulrike Docekal Fachtagung 10 Jahre 24-Stunden-Betreuung in Österreich, St. Pölten

2 Überblick Präsentation Rechtsdurchsetzung Klagearten, Rahmenbedingungen Zahlen Übersicht Rechtsgrundlagen (materiell) 24h-Betreuung im Gewerberecht Einschlägiges Verbraucherrecht: 879 Abs 3 ABGB, 6 KSchG, FAGG u.a. Ausgewählte Beispiele Beanstandete AGB: Konkurrenzklauseln, Leistungsänderungen, Entgelt Fallbeispiel Gewährleistung/Leistungsänderung Fallbeispiel SVA-Beiträge

3 Verein für Konsumenteninformation - VKI Testorganisation & Testmagazin Konsument Beratung & Europäisches Verbraucherzentrum Klagen & Sammelklagen Neutral unabhängig werbefrei.

4 Rechtsdurchsetzung Individuelle, abgetretene Ansprüche. Traditionell niedrige Streitwerte. Man will trotzdem OGH-Judikatur. Daher: 28, 28a,29 KSchG 502 Abs 5 Z 3 ZPO Ein Urteil bindet nur im konkreten Fall. Viele Betroffene? Kollektive Ansprüche. Daher Verbandsklagen.

5 Rechtsdurchsetzung Verbandsklagen Unterlassungsklagen AGB UWG EU-Verbraucherrecht Musterklagen Leistungsklagen Feststellungsklagen "Sammelklagen" (mit Abtretung!)

6 Rechtsdurchsetzung Herausgabeanspruch Verbandsklage Abmahnung Kundenfeindlichste Auslegung

7 Rechtsdurchsetzung telefonische Beratungen persönliche Beratungen 290 Gerichtsverfahren betreut 2,9 Mio Euro durch Beratungen/Interventionen 4,1 Mio Euro Klagen/Abmahnungen 8 Mio Euro durch Sammelvergleich Seit 2001: 100 Abmahnungen/Klagen im Bereich Heime/24h-Betreuung 1000 Klauseln beanstandet

8 Übersicht Rechtsgrundlagen Gewerberecht: Standesregeln für die (Organisation von) Personenbetreuung Zivilrecht - Verbraucherrecht

9 Vermittlungsagentur/OrganisatorIn Organisationsvertrag Vermittlungsvertrag Betreuungsperson Betreuungsvertrag KonsumentIn

10 Übersicht Rechtsgrundlagen Standesregeln und Ausübungsregeln für die (Organisation von) Personenbetreuung

11 Ausübungsregeln Personenbetreuung BGBl. II 278/2007 idf BGBl. II 396/2015 Organisationsvertrag BGBl. II 397/2015

12 Pflichten des Vermittlers 1/4 Allgemeine Pflichten: 3 VO Vorvertragliche Informationspflichten + Werbung Vermittlereigenschaft Preis d Vermittlungstätigkeit Leistungsinhalte und jeweils anfallende Kosten Wenn Preisbeispiele Gesamtkosten Werbung mit Förderung Voraussetzungen dafür anzugeben

13 Pflichten d Vermittlers 2/4 Vorvertragliche Aufklärungspflichten 4, 8 VO Aufklärung über zulässige Tätigkeiten von SPB und deren Pflichten (zb selbständige Abfuhr von Steuern und SVA) und über vom Vermittler angebotenen Leistungen unter Angabe der Kosten. Letzteres auf Verlangen schriftlich. Mindestvertragsinhalte 5 Abs 2, 9 Abs 2 VO

14 Pflichten d Vermittlers 3/4 1/2 Mindestvertragsinhalte 5 Abs 2, 9 Abs 2 VO Schriftlichkeitserfordernis Vertrag ist schriftlich auszufolgen WER: den Namen (Firma) und die Anschrift der Vertragspartner, WIE LANGE: Beginn und Dauer des Vertragsverhältnisses, WAS: transparente Darstellung der Leistungsinhalte, inkl. Angaben zu laufenden Leistungen, sofern solche zwischen dem Vermittler und der betreuten Person vereinbart wurden (wie zb regelmäßige Überprüfung, ob sich der Betreuungsbedarf geändert hat u entsprechende Beratung; Konfliktvermittlung, Organisation von Vertretungen), WIEVIEL: Fälligkeit und die Höhe des Preises, aufgegliedert nach den einzelnen Leistungsinhalten, Zahlungsmodalitäten Angabe, ob Vermittler Inkassovollmacht für Personenbetreuer hat

15 Pflichten d Vermittlers 4/4 2/2 Mindestvertragsinhalte 5 Abs 2, 9 Abs 2 VO WAS DANN: Bestimmungen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses, Vorzusehen, dass Vermittlungsvertrag durch den Tod der betreuungsbedürftigen Person endet Vermittler hat ein im Voraus gezahltes Entgelt anteilig zu erstatten hat s Information, dass der Vertrag beiderseits mit 2-wöchiger Kündigungsfrist zum Monatsletzten aufgelöst werden kann, UND: Angabe eines in einem zeitlich angemessenen Ausmaß erreichbaren Ansprechpartners des Vermittlers. Besonderes Transparenzgebot: Die einzelnen Inhalte sind einfach und verständlich, aber doch umfassend und genau zu umschreiben.

16 Übersicht Rechtsgrundlagen Zivilrecht: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Konsumentenschutzgesetz FAGG

17 ABGB Sittenwidrigkeit Konkretisiert durch 6 KSchG 879/3 Für alle Verträge (>Verbraucherverträge)

18 KSchG Gründungsgeschäfte 1

19 KSchG Klauselkatalog Konkretisiert 879/3 ABGB Schriftformgebot (Z 4) Haftungsausschluss (Z 9) Transparenzgebot (Absatz 3)

20 FAGG Fernabsatz und Auswärtsgeschäftegesetz FAGG Auf Vermittlungsagenturen anwendbar!

21 Judikatur zu 24h-Betreuung OGH Ob 234/15b (OLG Graz 4 R 45/15t) LiW rk Verein H: HG Wien , 29 Cg 13/14b OLG Wien 3 R 49/15w OGH Ob 29/16b LG Linz , 1 Cg 1/13g rk, H-N BG Wels 29 C 103/15i Ma (MP Konventionalstrafe) rk LG Wels 6 cg 131/15v Ma Verbandsklage Unterlassungsvergleich BG Urfahr 17 C 273/16p CD Passivprozess gegen Sachwalterin LG Korneuburg 11 Cg 40/15x VKI/CD Verbandsklage Unterlassungsvergleich HG Wien 18 Cg 17/16p VKI/Se (24h Betreuung), Verbandsklage Unterlassungsvergleich

22 Klauselbeispiel 1 Das Entgelt für die Leistungen beträgt monatlich inklusive Umsatzsteuer gesamt Euro 2.330,-. Dieser Kalkulation liegt die Annahme einer monatlichen Förderung von Euro 550,- (Bundessozialamt) zugrunde, sodass die monatliche Gesamtbelastung abzüglich dieser Förderung Euro 1.780,- beträgt.(...) intransparent gem 6 Abs 3 KSchG OGH , 6 Ob 234/15b

23 Klauselbeispiel 2 Der Vertrag kann von beiden Vertragspartnern jederzeit unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten gekündigt werden. Intransparente Kündigungsklausel gem 6 Abs 3 KSchG 6 Ob 234/15b ( 6/3 KSchG) 23

24 Klauselbeispiel 3 Kunden und deren Angehörige haben kein Mitspracherecht über die Bezahlmodalitäten der Agentur an die selbstständige Pflege- und Betreuungskraft. Gröblich benachteiligend 879 Abs 3 ABGB LG Linz Cg 1/13g (rk)

25 Klauselbeispiel 4 Die Vermittlung einer PB erfolgt seitens des Vereins nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Intransparent + Gröblich benachteiligend LG Linz Cg 1/13g (rk)

26 Klauselbeispiel 5 Haftung: Der Verein übernimmt keinerlei Haftungen für das Verhalten (zb Pflegefehler, Sachschäden..) der Betreuungskraft. Der AG nimmt ausdrücklich zur Kenntnis, dass die PB die Leistungen als selbständige U erbringt (..). Unzulässiger Haftungsausschluss 6 Abs 1 Z 9 KSchG, 879 Abs 3 ABGB LG Linz Cg 1/13g (rk); OLG Wien 3 R 49/15w;

27 Klauselbeispiel 6 Vertragsparteien sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen im Zusammenhang mit diesem Vertrag bekannt gewordenen Angelegenheiten verpflichtet. Gröblich benachteiligend 879 Abs 3 ABGB LG Linz Cg 1/13g (rk)

28 Klauselbeispiel 6a Verbot für Betreuungskraft, KundInnen Details der Bezahlung oder sonstige finanzielle Auskünfte zu geben. 879 Abs 1 ABGB - Gesetzwidrigkeit LG Linz Cg 1/13g (rk)

29 Klauselbeispiel 7 Der Verein behält sich vor, bei ungebührlichem Verhalten des Antragstellers in der Folge Klient bezeichnet (oder seiner Angehörigen) gegenüber dem Betreuungspersonal (unberechtigtes Beschimpfen oder Belästigungen) das Personal ohne Ersatz abzuziehen und den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu beenden.. Nicht gröblich benachteiligend 879 Abs 3 ABGB OGH Ob 29/16b

30 Klauselbeispiel 8 Die Vereinsgebühren sind zu bezahlen solange und wann auch immer die vom Verein vermittelte Betreuungskraft beschäftigt wird, unabhängig davon, ob der Vertrag mit dem Verein gekündigt oder aufgelöst wird. Gröblich benachteiligend 879 Abs 3 ABGB OGH Ob 29/16b

31 Klauselbeispiel 9 Ungeachtet der Bestimmung des Punktes 5.d.) sind im Falle der privaten Weiterbeschäftigung einer vom Verein vermittelten Betreuungskraft durch den Klienten (oder seine Angehörigen) über die Mitgliedschaft hinaus pro angefangenen Monat ein Betrag von 500,00 an den Verein zu bezahlen. Gröblich benachteiligend 879 Abs 3 ABGB+intransparent OLG Wien R 49/15w (rk)

32 Klauselbeispiel 9a Vertragsstrafe für Betreuungsperson bei Zuwiderhandeln gg Konkurrenzverbot 100 Euro/Tag Verdienst Betreuerin 55 Euro/Tag Jahresgebühr Agentur 700 Euro/Jahr Gröblich benachteiligend isd Abs 3 ABGB Höhe der Strafe! Urteil OLG Wien 3 R 49/15w (rk)

33 Klauselbeispiel 10 Verbot für KundInnen, die vermittelten Betreuungskräfte nach Beendigung des Vermittlungsvertrags direkt im Anschluss 6 Monate zu beschäftigen. Gröblich benachteiligend 879 Abs 3 ABGB LG Linz Cg 1/13g (rk)

34 Klauselbeispiel 10a Weiters verpflichte ich mich, keine Dienstleistungen außerhalb des Vertrages zu leisten. Gröblich benachteiligend und sittenwidrig LG Linz Cg 1/13g (rk)

35 Fallbeispiel Gewährleistung/Leistungsänderung Qualitätssicherung in 6-Wochen-Intervall ist zugesagt. Wird tatsächlich nicht eingehalten. Einseitige Änderung seitens des Vermittlers auf 8-Wochen-Intervall. Rechtskräftiger Zahlungstitel.

36 Fallbeispiel SVA-Beiträge Ca 50 Betroffene Betreuungspersonen Vermittler behält SVA-Betrag, führt Beiträge aber nicht ab. 02/2014 Strafanzeige Ermittlungen StA Ried 09/2015: Einstellung nach 190 Z 2 StPO: StA hat Ermittlungsverfahren einzustellen wenn kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht.

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