Migration, Flucht, Bildung
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- Elisabeth Ina Küchler
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1 Migration, Flucht, Bildung Stellungnahme im Rahmen der 15. öffentlichen Anhörung der Enquetekommission Kein Kind zurücklassen Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen, , Hessischer Landtag, Wiesbaden Prof. Dr. Birgit Becker Goethe Universität Frankfurt
2 Gliederung Datenlage: Informationen über Geflüchtete Fazit I Migrationsspezifische Bildungsungleichheit Fazit II 1
3 Datenlage: Informationen über Geflüchtete 2
4 Datengrundlage: Registrierte Asylsuchende (EASY) und Asylanträge Registrierte Asylsuchende (Zugänge) und gestellte Asylanträge ab 2014 (absolute Zahlen) Asylsuchende 2015: (korrigierte Zahl vom ) Quelle: bpb 2016, BMI
5 Asylanträge: Anzahl Asylantragszahlen seit 2012 Zeitraum Asylanträge insgesamt davon: Erstanträge davon: Folgeanträge Jan-Okt Quelle: BAMF 2016, S. 4 4
6 Asylanträge nach Bundesländern Asylerstantragszahlen Jan-Okt 2016 nach Bundesländern Quelle: BAMF 2016, S. 7 5
7 Altersstruktur Asylerstantragszahlen Jan-Okt 2016 nach Altersgruppen Altersgruppen Anzahl in Prozent < 4 Jahre ,3 4 bis 5 Jahre ,9 6 bis 10 Jahre ,6 11 bis 15 Jahre ,4 16 bis 17 Jahre ,8 18 bis 24 Jahre ,6 25 bis 29 Jahre ,1 30 Jahre und älter ,4 Insgesamt ,0 Quelle: BAMF 2016, S. 7 6
8 IAB-BAMF-SOEP-Befragung (Brücker et al. 2016) Stichprobe: Geflüchtete, die von nach Deutschland eingereist sind und einen Asylantrag gestellt haben + ihre Haushaltsmitglieder [Ausländerzentralregister- Stichprobe] Bildung der geflohenen Erwachsenen (Romiti et al. 2016, S. 54ff.): Schulbildung: starke Polarisierung ca. ein Drittel mit weiterführendem Schulabschluss, 9% keine Schule besucht, 10% nur Grundschule besucht; viele mit abgebrochener Schulbildung Berufliche Bildung: Ca. 70 % ohne berufliche Ausbildung, ca. 20% mit Universitätsbesuch im Herkunftsland 7
9 Fazit I Aufgrund der Altersstruktur der Geflohenen insb. großer Bedarf: Ausbildungsvorbereitung Nachholen von Bildungsabschlüssen Frühkindliche Bildung Alter (Berufs-)Schulbesuchsrecht Es ist mit einer sehr großen Heterogenität in Bezug auf die bisherige Bildung in den Herkunftsländern zu rechnen 8
10 Migrationsspezifische Bildungsungleichheit 9
11 Migrationsspezifische Bildungsungleichheit Bildungssystem, Schule/Kita, Unterricht, Personal, Schulklasse/Kitagruppe SES der Eltern Bildungsergebnisse Migrationshintergrund v.a. Nachfahren der sog. Gastarbeiter Sprache migr. spez. Faktoren 10
12 Sprache Quelle: Dollmann & Kristen 2010, S
13 Sprache Dt. Sprachkenntnisse fachliche schulische Leistungen (Kempert et al. 2016) Dt. Sprachkenntnisse interethnische Kontakte, Integration in den Arbeitsmarkt (Blossfeld et al. 2016) Implikationen: Das Erlernen der deutschen Sprache ist eine wichtige Bedingung für Bildungserfolg (und wirkt sich auch auf andere Lebensbereiche aus) 12
14 Bleibeperspektive Bleibeabsicht Spracherwerb (Dustmann 1999) Leben in beständiger Unsicherheit aufgrund einem prekärem Aufenthaltsstatus faktische Perspektivlosigkeit (Behrensen & Westphal, S. 47) Implikationen: Investitionen in gesellschaftsspezifische Fähigkeiten (wie Sprache oder spezielle Ausbildung) sind wahrscheinlicher bei vorhandener Bleibeperspektive Leben in Unsicherheit kann negative Folgen für Motivation und Wohlbefinden haben Arbeitgeber investieren weniger wahrscheinlich in die Ausbildung/Qualifizierung von Mitarbeitern bei unsicherer Bleibeperspektive 13
15 Strukturelle Bedingungen im Bildungssystem Separierung in Ausländerklassen (Gomolla & Radtke 2009) nur an best. Schulformen vorhanden verhindert den Zugang zu höheren Schulformen verhindert interethischen Kontakte und Sprachgelegenheiten Schülerkompositionseffekte (Leistungsniveau in der Klasse) Lehrererwartungseffekte Implikationen: Gesonderte Beschulung (paralleles Modell) so kurz wie möglich 14
16 Fördermaßnahmen in Unterricht und Schule zum Erwerb der dt. Sprache Unterrichtsmodelle zum Erwerb einer Zweitsprache (Kempert et al. 2016): Kein eindeutiges Befundmuster zur Wirksamkeit einsprachiger vs. zweisprachiger Ansätze bezogen auf das Lernen der Zweitsprache Einsprachige Ansätze: implizite vs. explizite Vermittlungsstrategien; explizite Komponente scheint für den Lernerfolg wichtig zu sein, jedoch keine eindeutige Befundlage; es kommt auch auf das Alter an Implikationen: Spezifische (explizite) Sprachförderung (insb. bei älteren Lernern) empfehlenswert zusätzlich zur allgemeinen Sprachförderung 15
17 Fördermaßnahmen in Unterricht und Schule zum Erwerb der dt. Sprache Förderung im Unterricht durch Gelegenheit zur Kommunikation (Blossfeld et al. 2016, S. 188ff.): Aktivierung: möglichst viele SchülerInnen aktiv am Unterrichtsgespräch beteiligen Kooperative Lernformen: Kommunikationsgelegenheiten in kleineren Gruppen Sprachsensibler Fachunterricht: Anpassung der Fachsprache an die Lernsituationen; Sensibilisierung der Lehrkräfte Implikationen: Fortbildungen der Lehrkräfte in Bezug auf diese Aspekte, videobasierte Reflexion des eigenen Unterrichts 16
18 Umgang mit Heterogenität Strategien zum Umgang mit Heterogenität (Weinert 1997): Ignorieren der Lern- und Leistungsunterschiede (passive Reaktionsform) Anpassung der Schüler an die Anforderungen des Unterrichts (substitutive Reaktionsform) Anpassung des Unterrichts an die lernrelevanten Unterschiede zwischen den Schülern (aktive Reaktionsform) Gezielte Förderung der einzelnen Schüler durch adaptive Gestaltung des Unterrichts (proaktive Reaktionsform) Heterogenität als Normalfall (Einstellung!) (Trautmann & Wischer 2011, S. 109ff.) Adaptiver Unterricht erfordert hohe diagnostische und didaktisch-methodische Kompetenzen der Lehrkräfte (Trautmann & Wischer 2011, S. 114ff.) 17
19 Ergebnisse von Expertenworkshops Expertenworkshops mit Personen aus Aufnahme- und Beratungszentren, Schulämtern und Lehrkräften (Juli 2016) Erfahrungsberichte aus der Praxis: Zufälligkeiten und Pfadabhängigkeiten bei der Zuweisung der Kinder auf konkrete Schulen und Klassen Kapazitäten und Ressourcen Extreme Heterogenität (bei Alphabetisierung: Zeit zu knapp) Umgang mit Konflikten, Traumata Elternarbeit Vernetzung mit Schulsozialarbeit Großes Interesse für und Bedarf an Fortbildungen und Vernetzungen sowie dauerhafte Begleitung (bisher: eher Initiative von Einzelnen) 18
20 Fazit II Sprachförderung: explizite Förderung + implizite Förderung und weitere Kommunikationsgelegenheiten außerhalb des Unterrichts Vermeidung dauerhafter segregativer Strukturen Adäquate Ressourcen und qualifiziertes Personal Elternarbeit Zielkonflikte: intensive spezifische (explizite) Sprachförderung vs. mehr Gelegenheiten für implizite Sprachförderung und soziale Kontakte, Vermeidung von Exklusion Vermeidung von Schulwechseln vs. Wohnortnähe (bei Veränderung des Wohnortes), Schaffung von Pfadabhängigkeiten IGS hier besonders empfehlenswert, aber es müssen z.b. Sprachförderangebote auch an Gymnasien vorhanden sein 19
21 Literatur Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016): Bildung in Deutschland Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung und Migration. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Behrensen, Birgit und Manuela Westphal (2009): Junge Flüchtlinge - ein blinder Fleck in der Migrations- und Bildungsforschung. Bildung junger Flüchtlinge als Randthema in der migrationspolitischen Diskussion. S in: Krappmann, Lothar, Andreas Lob-Hüdepohl, Axel Bohmeyer und Stefan Kurzke-Maasmeier (Hg.), Bildung für junge Flüchtlinge - ein Menschenrecht. Erfahrungen, Grundlagen und Perspektiven. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Blossfeld, Hans-Peter, Wilfried Bos, Hans-Dieter Daniel, Bettina Hannover, Olaf Köller, Dieter Lenzen, Hans- Günther Roßbach, Tina Seidel, Rudolf Tippelt und Ludger Wößmann (2016): Integration durch Bildung. Migranten und Flüchtlinge in Deutschland. Münster: Waxmann. Brücker, Herbert, Nina Rother und Jürgen Schupp (Hg.) (2016): IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: Überblick und erste Ergebnisse. IAB Forschungsbericht 14/2016. Nürnberg: IAB. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016): Aktuelle Zahlen zu Asyl. Ausgabe: Oktober Nürnberg: BAMF. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2015): Aktuelle Zahlen zu Asyl. Ausgabe: Dezember Nürnberg: BAMF. Bundesministerium des Inneren (2016): Asylsuchende im Jahr Pressemitteilung vom Pressemitteilungen/DE/2016/09/asylsuchende-2015.html (zugegriffen: ). Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) (2016): Zahlen zu Asyl in Deutschland. Infografiken nach Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. (zugegriffen: ). Dollmann, Jörg und Cornelia Kristen (2010): Herkunftssprache als Ressource für den Schulerfolg? Das Beispiel türkischer Grundschulkinder. Zeitschrift für Pädagogik. 55. Beiheft: S
22 Literatur Dustmann, Christian (1999): Temporary Migration, Human Capital, and Language Fluency of Migrants. Scandinavian Journal of Economics 101(2): S Gomolla, Mechtild und Frank-Olaf Radtke (2009): Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. 3. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Kempert, Sebastian, Aileen Edele, Dominique Rauch, Katrin M. Wolf, Jennifer Paetsch, Annkathrin Darsow, Jessica Maluch und Petra Stanat (2016): Die Rolle der Sprache für zuwanderungsbezogene Ungleichheiten im Bildungserfolg. S in: Diehl, Claudia, Christian Hunkler und Cornelia Kristen (Hg.), Ethnische Ungleichheiten im Bildungsverlauf: Mechanismen, Befunde, Debatten. Wiesbaden: Springer VS. Klemm, Klaus (2016): Schülerinnen und Schüler aus Flüchtlingsfamilien: Eine Expertise zum Personalbedarf /bb16_expertise_klemm.pdf (zugegriffen: ). Romiti, Agnese, Herbert Brücker, Tanja Fendel, Yuliya Kosyakova, Elisabeth Liebau, Nina Rother, Diana Schacht, Jana A. Scheible und Manuel Siegert (2016): Bildung und Sprache. S in: Brücker, Herbert, Nina Rother und Jürgen Schupp (Hg.), IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: Überblick und erste Ergebnisse. IAB Forschungsbericht 14/2016. Nürnberg: IAB. Schilling, Matthias (2016): Abschätzung des zu erwartenden Platz-, Personal- und Finanzierungsbedarfs in der öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung gemäß 22ff. SGB VIII für Kinder aus schutz- und asylsuchenden Familien, die 2015 nach Deutschland zugewandert sind /bb16_expertise_schilling.pdf (zugegriffen: ). Trautmann, Matthias und Beate Wischer (2011): Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Weinert, Franz E. (1997): Notwendige Methodenvielfalt: Unterschiedliche Lernfähigkeiten erfordern variable Unterrichtsmethoden. Friedrich Jahresheft: Lehrmethoden-Lernmethoden: S
23 ANHANG 22
24 Asylanträge Asylerstantragszahlen 2015 nach Bundesländern Quelle: BAMF 2015, S. 7 23
25 Asylanträge Asylerstantragszahlen 2016 nach Alter und Geschlecht Quelle: BAMF 2016, S. 7 24
26 Schätzung der Anzahl der geflohenen unter 25Jährigen Quelle: Autorengruppe Bildungsbericht 2016, S
27 Schätzung des Personal- und Finanzbedarfs Quelle: Autorengruppe Bildungsbericht 2016, S. 201, basierend auf den Expertisen von Klemm 2016 und Schilling
28 Herkunftsländer Asylerstantragszahlen Jan-Okt 2016 nach Hauptherkunftsländer Quelle: BAMF 2016, S. 8 27
29 IAB-BAMF-SOEP-Befragung (Brücker et al. 2016) Stichprobe: Geflüchtete, die von nach Deutschland eingereist sind und einen Asylantrag gestellt haben + ihre Haushaltsmitglieder [Ausländerzentralregister-Stichprobe] Längsschnitt-Design (jährliche Wiederholungsbefragung) Persönliche Interviews, 7 Sprachversionen Erste Befragung 2016, bisher nur erwachsene Personen ab 18 Jahren befragt Interviews bisher realisiert (auf diesen beruhen die hier berichteten Zahlen) 28
30 IAB-BAMF-SOEP-Befragung (Brücker et al. 2016) Schulabschlüsse der geflohenen Erwachsenen Quelle: Romiti et al. 2016, S
31 IAB-BAMF-SOEP-Befragung (Brücker et al. 2016) Berufliche Ausbildung der geflohenen Erwachsenen Quelle: Romiti et al. 2016, S
32 Lehrkräfte Herausforderung: Gewinnung von qualifiziertem Personal Aktuelle Deckung des Bedarfs (insb. mit DaZ- Zusatzqualifikation) schwierig, für kommende Jahre wird Überangebot an Lehramtsabsolvent/innen prognostiziert Quelle: Klemm 2016, S
33 Schulorganisatorische Modelle zur Sprachförderung Quelle: Blossfeld et al. 2016, S
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