Kirche im Dialog vom Nebeneinander zum Miteinander
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- Charlotte Solberg
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1 Reformierte Kirche/Universität Zürich: Lebenswelten auf Distanz Zürich, 20. November 2015 Kirche im Dialog vom Nebeneinander zum Miteinander Ich bin Referentin der Arbeitsstelle Kirche im Dialog, die im Zuge der Fusion der PEK, der ELKM und der Nordelbischen Kirche zur Nordkirche gegründet wurde, um den Dialog mit den Konfessionslosen zu verbessern. Das ist eine große Herausforderung, nicht zuletzt aufgrund der Heterogenität nicht nur der Konfessionslosen, sondern auch schon dieser neugegründeten Landeskirche. Sie umfasst als erste Landeskirche sowohl west- als auch ostdeutsche Bundesländer, und es gibt große Unterschiede zwischen Stadt und Land. Ich möchte, ehe ich zu den Möglichkeiten komme, zunächst die Ausgangssituation schildern. Daraus wird schon manches deutlich. Ausgangssituation In Mecklenburg und Pommern herrscht die typische ostdeutsche religiöse Indifferenz vor. 17% der Bevölkerung sind evangelisch, eine andere Religionszugehörigkeit hat fast niemand. Die zu DDR- Zeiten forcierte Entkirchlichung und die subtiler, aber nicht weniger massiv betriebene Entreligionisierung wirken immer noch. Die große Mehrzahl der Konfessionslosen ist dies bereits seit Generationen. K.-losigkeit ist der Normalfall; sie ist nicht begründungspflichtig und wird von niemandem hinterfragt. Mit der Kirche hatten die meisten nie Kontakt, von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen. Man nimmt vielleicht mal an einer Kasualie teil, geht zu einem Konzert oder besichtigt eine Kirche. Aber einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt das in der Regel nicht. Man ist aber auch nicht kirchenfeindlich, schließlich hatte man ja kaum Gelegenheit, negative Erfahrungen zu machen. Den meisten ist die Kirche einfach völlig egal. Auf Nachfrage kommen dann auch etliche Vorurteile hoch: altmodisch, nur für sozial Benachteiligte relevant, vereinnahmend. Es gibt, sozusagen als positives Vorurteil, auch eine Art Vertrauensvorschuss, der sich so auswirkt, dass auch K.-lose ihre Kinder sehr gern in konfessionelle Kindergärten schicken und diakonische Einrichtungen, z.b. Pflegeheime, einen guten Ruf haben. Die Diakonie ist denn auch der einzige Punkt, an dem die Kirche von der konfessionslosen Mehrheit wirklich wahrgenommen wird. Anders sieht es mit der Religion aus: Hier sind die Vorbehalte viel stärker. Diese sind von der DDR-Regierung bewusst geschürt worden, um das sozialistische szientistische Weltbild durchzusetzen. Immer wieder wurden die Menschen in dem Sinne indoktriniert, dass, wer immer noch glaube, nur nicht in der Lage sei, zu wissen (zu dumm oder zu verstockt). Religion sei überholt dahinter steht das lineare marxistische Geschichtsbild und oft sogar gefährlich. Die Ablehnung der Religion beschränkt sich nicht auf das Christentum, sondern ist umfassend. Der Erfurter Religionsphilosoph Eberhard Tiefensee hat mal gesagt: Der Ostdeutsche geht auch nicht zum Dalai Lama. Und nicht zu anderen Religionsgemeinschaften, nicht zu spirituellen Angeboten, nicht zur Bachblütentherapie, selbst Dingen wie Yoga steht er skeptisch gegenüber. Alles Humbug, so der gern genutzte Sammelbegriff. Nach der Wende kamen Missionare aller möglichen Religionsgemeinschaften; alle gaben entnervt auf. 1
2 In Schleswig-Holstein wiederum sind 50% der Bevölkerung in der evangelischen Kirche, in manchen Landstrichen finden sich Gemeinden mit einer Mitgliedschaft zwischen 70 und 80%. Kirchenmitgliedschaft ist größtenteils noch normal und wird vielerorts in traditionellen volkskirchlichen Formen gepflegt. Die K.-losen sind größtenteils selbst ausgetreten, hatten also schon mal Berührung zur Kirche. Das bewirkt einerseits eine größere Ablehnung der Institution Kirche, denn wenn man sich bewusst für einen Austritt entscheidet, hat man Gründe dafür, und sei es die Kirchensteuer oder die Ansicht, dass Kirche für einen selbst überflüssig sei, keinerlei Relevanz habe. Dadurch liegt die Kirche aber andererseits nicht so völlig außerhalb jeder Wahrnehmung, wie sie das im Osten oft tut, sondern wenn die Kirche doch mal was tut, was als relevant erachtet wird, ist man auch bereit, hinzugehen. Die Berührungsängste sind nicht so groß wie im Osten. Auch Religion bleibt für viele oft ein Thema; viele sehen sich weiter als Christen und/oder sind offen für Spiritualität. Allerdings lässt sich zeigen, dass diese Form der fluiden Religiosität in der Regel nicht weitergegeben wird. Das heißt, es folgt ein Abbruch der religiösen Sozialisation der Kinder dieser Ausgetretenen, so dass die Gleichgültigkeit gegenüber Kirche und Religion mit einem Generationenwechsel massiv zunehmen wird. Durch die noch relativ hohen Mitgliederzahlen ist diese Gruppe der Ausgetretenen vielfach von Seiten der Kirche (v.a. auf Gemeindeebene) noch kaum im Blick, und wenn doch, dann mit dem Ziel, sie zurückzugewinnen. Vielfach funktioniert das Gemeindeleben aber vordergründig noch; die Angebote werden wahrgenommen und es gibt mehr als einen Konfirmanden. So neigt man denn dazu, diejenigen, die nicht von selbst zur Kirche kommen wollen, in Ruhe zu lassen. Es wird oft betont, dass die meisten Angebote ja offen für alle seien, aber eigens in den Blick genommen wird die Gruppe der K.-losen kaum. In Hamburg nun finden wir sozusagen eine Mischung aus ost- und westdeutschen Verhältnissen. 29% der Bevölkerung sind evangelische Kirchenmitglieder; dazu kommen ca. 10% Katholiken und 7% Muslime. Die Konfessionslosen sind also auch hier in der Mehrheit und Normalität. Auch in Hamburg ist K.-losigkeit oft schon ererbt: Die Stadt hat eine lange, in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts wurzelnde szientistische Tradition, aber auch eine nicht immer völlig religionsferne Freidenker-Tradition so wurden z. B. die ersten von Freidenkerverbänden durchgeführten Passageriten in der Adoleszenz, eine der Quellen der Jugendweihe, durchaus als Konfirmationen bezeichnet und hatten latent oder expressis verbis pantheistische Konnotationen. Dennoch hat sich die Religionsfeindlichkeit dank der fehlenden Forcierung (wie es in der DDR geschah) nicht verfestigt, so dass sich jetzt einerseits das typische, spirituell interessierte, aber kirchenkritische Großstadtpublikum findet, andererseits auch hier viele, die religiös völlig indifferent sind. Kirchliche Angebote sind oft spirituell oder gemeinwesenbezogen. Beides trifft auch durchaus den Nerv vieler Hamburger. Auch hier lautet der Tenor: Wir sind offen für alle, völlig unabhängig von irgendeiner Konfession kann jeder kommen. Wie ist Dialog möglich? Für alle aber gilt: Es wird kaum überlegt, wie man seinerseits auf kirchenferne bzw. konfessionslose Menschen zugehen kann. Grundlegender noch: Auch Ursachenforschung wird kaum betrieben: Warum interessieren die sich weder für die Kirche noch für den christlichen Glauben, wo beides, davon jedenfalls sind die meisten Kirchenmitglieder überzeugt, so viel zu bieten hat? Und wofür interessieren sie sich dann? Was tritt bei diesen Menschen an die Stelle der Religion? Hat man diesen Schritt gemacht unsere Arbeitsstelle hat in dieser Richtung gearbeitet, auch die KMUs des SI der EKD gehören dazu sowie ein aktuelles Projekt des SI in Berlin kann man überlegen, wo sich Anknüpfungspunkte ergeben. Gerade auch im Dialog mit religiös indifferenten Menschen muss immer anlass- und themenbezogen gearbeitet werden; bei anderen (Atheisten, spirituell Interessierte) kann auch Religiöses ein Thema sein. Was suchen die Menschen, brauchen die Menschen, wozu Kirche etwas beitragen kann? Inhaltlich, als Ideengeber und Organisator, indem sie 2
3 Raum zur Verfügung stellt usw. Allgemeine Vorschläge, ein Best-Practice-Katalog sozusagen, helfen hier nicht wirklich weiter, da die Voraussetzungen in Ost und West, Stadt und Land sowie milieubedingt zu verschieden sind. Hier hilft wirklich nur, an seinem Ort zu schauen, was dort jeweils dran ist. Man muss sich bewusst machen: Die Menschen kommen nicht von allein, auch nicht auf Einladung. Es muss immer ein ganz deutliches Eigeninteresse ein ganz wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang an einer Veranstaltung/einem Projekt bestehen. Eigeninteresse kann verschiedener Natur sein: praktisch begründet (z.b. Anerkennung als Weiterbildung) oder inhaltlich. Dann ist es auch schon fast egal, was die ein Projekt initiierende Kirchengemeinde letztendlich bezweckt gemeint ist der hinter dem projektinhärenten Ziel liegende Antrieb, die Kirchenfernen und Konfessionslosen mit in den Blick zu nehmen: Die Motivation kann sein, dass man als Kirche auch für die einzelnen Menschen wieder relevanter werden will die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Kirche bestreiten die meisten gar nicht, nur wofür sie persönlich Kirche brauchen sollten, wissen viele nicht. Es kann sein, dass man die im Osten teilweise massiven Berührungsängste abbauen will, um dem theologisch begründeten gesellschaftlichen Auftrag der Kirche überhaupt gerecht werden zu können. Man kann wollen, dass diejenigen, die kaum wissen, dass es die Kirche gibt, sie erst einmal kennen lernen was auch immer sich daraus ergeben mag. Man kann die Konfessionslosen brauchen bestimmte Kompetenzen (je nach Projekt), deren andere Perspektive auf manche Dinge. Es ist natürlich auch völlig legitim, darauf zu hoffen, dass sie zur Kirche und/oder zum Glauben finden aber auch dann ist der Weg zunächst derselbe: Er führt über den Dialog. Dialog ist ein großes Wort und hier sehr umfassend zu verstehen. Gemeint ist natürlich auch der nonverbale Dialog. Grundsätzlich lässt sich vieles von den Akteuren des bereits etablierten und vielerorts sehr gut funktionierenden interreligiösen und interkulturellen Dialogs lernen: Man redet auf der Basis der Überzeugung miteinander, dass man bei aller Verschiedenheit auch viele Gemeinsamkeiten hat und dass ein Austausch für beide Seiten bereichernd sein könnte. Es geht um gegenseitige Wertschätzung, keinesfalls aber darum, den Dialogpartner auf die eigene Seite zu ziehen. Wenn die Kirche akzeptiert, dass Konfessionslosigkeit eine gewählte und zu respektierende Weltsicht ist, muss der Dialog mit Konfessionslosen genauso in Akzeptanz dieser Weltsicht und auf Augenhöhe geschehen wie mit anderen Konfessionen und Religionen. Warum Dialog? Warum sollte man diesen Dialog wollen? Neulich bei einer anderen Tagung sagte jemand: Wer will, dass die Kirche bleibt, wie sie ist, will eigentlich nicht, dass sie bleibt. Die Bereitschaft, sich auf diesen Dialog einzulassen, ist eine der notwendigen Veränderungen. Die Kirche wird durch den Dialog in die Lage versetzt, die Außenperspektive auf sich selbst wahrzunehmen. Unabhängig davon, dass sie nicht zwanghaft versuchen sollte, den Erwartungen ihr Fernstehender zu entsprechen, kann man doch einiges aus dieser Wahrnehmung lernen und sich so durch den Dialog auch selbst verändern. Im Hinblick auf die Verortung der Kirche in einer säkularen Gesellschaft ist zudem das nach außen vermittelte Image zu bedenken: Gesellschaftlich akzeptiert und damit überlebensfähig werden auf Dauer nur die Organisationen etc., die in der Lage sind, die Notwendigkeit ihrer Existenz auch Nichtmitgliedern zu vermitteln. Dies gilt zumal dann, wenn diese Organisationen, wie es etwa bei den Kirchen der Fall ist, staatlich auf vielfache Weise unterstützt und gefördert werden. Diese Unterstützung scheint momentan immer mehr Menschen nicht mehr gerechtfertigt. Nicht zuletzt aus theologischen Gründen ist ein solcher Dialog wünschenswert: Wenn die Kirche den aus einem biblischen Auftrag abgeleiteten Anspruch hat, sich an alle zu wenden, muss sie genau 3
4 das auch tun unabhängig von einer Mitgliedschaft. Zudem wird Konfessionslosen die lebensweltliche Relevanz christlicher Antworten auf existentielle Fragen wie auch die Annäherung an christliche Lebens- und Glaubensentwürfe i. d. R. nicht durch punktuelle oder intellektuelle Erörterung plausibel werden. Hierzu bedarf es eines dialogischen Beziehungsgeschehens, bei dem sich in alltäglichen Begegnungen und im Teilen gemeinsamer Lebensthemen ein Mehrwert der kirchlichen bzw. christlichen Antworten auch für Konfessionslose eröffnet. Umgekehrt ist dieser Dialog aus christlicher Perspektive auch deshalb ein Gewinn, weil Glaube dadurch lebendig bleibt, dass er sich im Dialog mit Zweifeln und anderen Weltsichten selbst hinterfragt und dadurch vertiefen kann. Das eigene Weltbild erhält Gelegenheit, sich zu weiten; und gerade im Gespräch mit Nichtoder Andersgläubigen kann man durch deren andere Perspektive vieles über den eigenen Glauben dazulernen. Langfristig betrachtet, können sich auf diese Weise normale Begegnungen in gegenseitig befruchtende Beziehungen verwandeln. Diese sollen zwar nicht intentional zu Konversionen führen, schließen dies aber auch nicht aus. Zumindest aber kann sich eine Aufgeschlossenheit für Kirche und Glaubensthemen einstellen. Ich fasse noch einmal zusammen: Aufmerksamkeit für Menschen jenseits der Kerngemeinde: Was heißt das? Das heißt zunächst, das überhaupt zu wollen, denn es bedeutet, dass diese Menschen gezielt in den Blick genommen werden müssen. Im Laufe unserer Arbeit hat sich gezeigt, dass dies tatsächlich der schwierigste Punkt ist. Dies betrifft weniger übergemeindliche Stellen diese befinden sich oft an Schnittstellen von Kirche und Konfessionslosigkeit und führen diesen Dialog vielfach schon sondern meist die Arbeit in den Gemeinden. Auf den hier notwendigen Bewusstseinswandel hinzuwirken, kristallisierte sich dann auch als eine der Hauptaufgaben unserer Arbeitsstelle heraus. Aufmerksamkeit für Menschen jenseits der Kerngemeinde kann eben auch bedeuten, dass aufgrund knapper Ressourcen (finanzieller, zeitlicher, personeller) auf etwas anderes, von dem die Kerngemeinde stärker profitiert hat, verzichtet werden muss. Hier ist es wichtig, genau abzuwägen. Ich halte diese Öffnung wie gesagt für notwendig, aber solche Punkte müssen bedacht werden, will man ihnen angemessen begegnen. Am besten ist es, so zu planen, dass sowohl Engverbundene als auch Kirchenferne integriert werden können. Dann gilt es, hinzuschauen und hinzuhören, um welche Menschen es sich handelt und welche Themen für diese obenauf liegen. Das kann mit sozialwissenschaftlichen Methoden geschehen, aber auch durch Mit-Leben oder durch Gespräche mit möglichst vielen verschiedenen Menschen Das ist eine Geschmacks- und teilweise auch eine Kostenfrage. In Berlin wurde etwa eine Studie beim SI in Auftrag gegeben, das kostet dann natürlich. Dafür hat man dann auch belastbare Daten. Dann sollte man sich außerkirchliche Kooperationspartner suchen. Das verteilt die Arbeit auf mehrere Schultern und erzeugt Aufmerksamkeit: Menschen, die zwar nicht die Kirche kennen oder keinen Bezug zu ihr haben, kennen vielleicht den oder die Kooperationspartner. Außerdem, und das ist nicht der unwichtigste Punkt, mindert es Berührungsängste, die auf Vereinnahmungsängsten und Vorurteilen beruhen. Bei der Öffentlichkeitsarbeit ist zu bedenken, dass kirchliche Websites, Gemeindebriefe, Kirchenzeitungen, Schaukästen etc. wenn überhaupt, dann meist nur binnenkirchlich wahrgenommen werden. Die Hinweise auf kirchliche Angebote bzw. kooperative Angebote unter Beteiligung der Kirche müssen dorthin, wo auch die anderen sind, je nachdem, was vor Ort üblich ist (Szenemagazine, Postkartenverteiler etc. in Städten, Aushänge im Supermarkt, Flyer beim Bäcker etc. auf dem Land). 4
5 Die kirchliche Sprache ist zu bedenken: Was versteht jemand, der mit der Kirche völlig unvertraut ist? Nichts darf vorausgesetzt werden. Sollten irgendwie formalisierte Abläufe vorkommen (Liturgie), ist alles zu erklären. (Bsp. Schulanfangsgottesdienst) Vereinnahmende Sprache sollte vermieden werden ( Wir wollen ). Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Kirchen bei alldem ein klares eigenes Profil zeigen müssen. Sind sie austauschbar, weil sie das gleiche leisten wie andere Anbieter, sind sie letztlich überflüssig. Ebenso erschließt sich potentiellen Kooperationspartnern der Sinn einer Vernetzung bzw. Zusammenarbeit nur dann, wenn die Kirche ihren Mehrwert deutlich machen kann. Auch in Bezug auf die kirchliche Sprache bedeutet das also, dass man als Kirche verstehbar werden, aber erkennbar bleiben muss. Vielleicht ist hier auch kein kompletter Sprachwandel, sondern eine Zwei- oder sogar Noch-Mehr-Sprachigkeit die Lösung, wie sie Hans-Martin Barth kürzlich gefordert hat. Deutlich machen möchte ich dies am Beispiel eines Schulanfangsgottesdienstes in Mecklenburg auf dem Land: Zunächst wurde vieles richtig gemacht: Die Kooperation mit der staatlichen Grundschule, über die die Einladungen verteilt wurden. Die Einladungen selbst, die liebevoll gestaltet waren und deutlich alle und keine exklusive Kerngemeinde ansprachen. Bis dahin war dieser Gottesdienst durchaus ein Erfolg, denn die Kirche war brechend voll, unter anderem mit vielen, die sonst höchstens Weihnachten hingehen, wenn überhaupt. Dann aber: Die verteilten Liedzettel geben anfangs die Schlagworte Vorspiel/Wechselgesang/Begrüßung. So hat man es erfolgreich geschafft, gleich eingangs viele zu verunsichern, die, als die Kerngemeinde in besagten Wechselgesang einstimmte, hektisch blätterten, wo das denn stünde. Das folgende Danke-Lied war abgedruckt, das war auch gut gewählt das kennen in der Tat viele, und es ist eingängig und leicht mitzusingen. Dann folgte eine Psalmlesung durch die Gemeinde, männliche und weibliche Wesen (wie gesagt, es waren viele Kinder da) im Wechsel. Diese schon für viele Kirchenmitglieder befremdliche Praxis bewirkte bei denen, die die dann übliche leiernde Vortragsweise, die jeden noch so schönen Text zerstört, nicht gewohnt sind, die endgültige innere Emigration im Rahmen dieses Gottesdienstes. Auch die Kinder hatten endgültig beschlossen, diese Veranstaltung sei öde, und taten dies lautstark kund. Nach einem weiteren nicht näher spezifizierten Wechselgesang und Gebet folgte dann, um die Sache rund zu machen, noch eine Bibellesung, ein viertelstündiges (!) Anspiel, das sich gegen den Lärm nicht mehr durchsetzen konnte, und zum Schluss, direkt vorm Fürbittengebet, die Begrüßung der Schulanfänger, die sich bis dato gewundert hatten, was sie hier überhaupt sollen. Ich versichere Ihnen, wer an diesem Tag das erste Mal in einem Gottesdienst war und das waren einige wird nie wieder kommen. In diesem Bereich können Fortbildungen helfen, sprachliche Fallen zu erkennen und dann hoffentlich zu vermeiden. Wir haben einmal ein Fortbildungsformat ausprobiert, bei dem Pastorinnen und Pastoren Sequenzen aus Kasualgottesdiensten, in diesem Fall Bestattung, möglichst authentisch (inklusive Sarg) vor einem kirchenfernen Publikum zeigen. Diese spiegeln dann zurück, was sie verstanden haben, was nicht, wie was ankam, was irritierte usw. Dieses Format überzeugte, im Februar wird es eine weitere Veranstaltung geben, diesmal mit Taufe. Hier liegt noch viel Arbeit vor uns, aber das wichtigste, ich sagte es bereits, ist, dass diese Herausforderung erkannt und angenommen wird. Nicht zuletzt Tagungen wie diese zeigen, dass dies zunehmend geschieht. 5
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