Herausforderungen und Möglichkeiten mit psychisch auffälligen Mitarbeitenden. Niklas Baer
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- Vincent Melsbach
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1 Herausforderungen und Möglichkeiten mit psychisch auffälligen Mitarbeitenden Niklas Baer
2 «Hatten Sie jemals eine/n Mitarbeiter/in mit psychischen Auffälligkeiten ungenügenden Leistungen oder problematischem Verhalten Belastungen für Chef, Team, Produktivität?» Nein 9.1% Ja 90.9% Quelle: Baer, Bachmann, Keller (2017)
3 Hauptprobleme aus Sicht der Arbeitgeber Konzentrationsprobleme, fehlende Eigeninitiative, Interesse- und Freudlosigkeit, Niedergeschlagenheit Impulsivität, fehlende Kritikfähigkeit, Launenhaftigkeit, Schwankungen, Entwertungen, Drohungen Ängstlichkeit, Nervosität, soziale Ängste, dauernde Rückversicherung bei Chef und Team, erzählte allen von persönlichen Problemen 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Absenzen, starkes Vermeidungsverhalten, Ängste Perfektionismus, geringes Arbeitstempo, Unflexibilität, Detailversessenheit, fehlende Prioritätensetzung Suchtprobleme, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, Unzuverlässigkeit, Unpünktlichkeit, Absenzen Schmerzen, Klagsamkeit, viele medizinische Abklärungen, Absenzen, körperliches Vermeidungsverhalten Sabotieren von Entscheidungen, Negatisvismus, versteckte Vorwürfe, Dienst nach Vorschrift, fehlende Verantwortungsübernahme Distanzlosigkeiten, Schlaflosigkeit, Angetriebenheit, Manie, emotionale Unerreichbarkeit Verfolgungsideen, Inkohärenz, Denkstörungen, seltsame Handlungen Risikoverhalten, Furchtlosigkeit, Delikte, Reuelosigkeit, geschicktes Leugnen Quelle: Baer, Bachmann, Keller (2017): Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau, Bern (N=320)
4 «Welches Filmgenres passt am besten zur Geschichte?» Melodrama (Melodrama, Romantisches Drama, Dramedy, Roadmovie) Psychodrama Casablanca; Forrest Gump; The English Patient A Beautiful Mind; Vertigo Ehedrama / Familiendrama Zeiten des Aufruhrs Gerechtigkeitsdrama Thriller, Horror (Horrorfilm, Politthriller, Psychothriller, Erotikthriller) Action (Action, Abenteuer, Katastrophenfilm, Kriegsfilm, Western) Krimi (Kriminalfilm, Gangsterfilm, Gerichtsfilm, Kriminalkomödie) Fantasy (Fantasy, Märchen, Science Fiction) Komödie (Gymnasialklamotte, Heimatfilm, Komödie, Liebeskomödie) Gladiator Das Schweigen der Lämmer; Basic Instinct Mission Impossible; Armageddon; High Noon Dirty Harry; Der Pate; Ladykillers Harry Potter; Rapunzel neu verföhnt Die Lümmel von der ersten Bank; Christel von der Post Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
5 Spielfilm oder Serie? Spielfilm 36% 48% Spielfilm mit Sequels (z.b. Rambo I, II, II) Serie 16% Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
6 Belastungen für alle sehr-extrem belastend etwas-mittel belastend Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
7 aber jede dritte Geschichte ist ein «Stummfilm» 7% Stummfilm 27% Stummfilm mit Zwischentiteln 66% Tonfilm Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
8 Wie intervenieren Führungskräfte? Führungskräftebefragung Deutschschweiz, 2015 (N=1 540) 0% 20% 40% 60% 80% 100% Ich war achtsam und habe nicht übereilt reagiert Ich habe MA persönlich unterstützt, viele Gespräche mit ihm/ihr Ich habe MA direkt angesprochen, gesagt, dass das so nicht weiter Ich habe MA geraten, professionelle Hilfe aufzusuchen Ich habe die Arbeitskollegen informiert und/oder unterstützt Ich habe weitere interne oder externe Stellen kontaktiert/einbezogen Ich habe MA an die Pflichten erinnert, Konsequenzen angesprochen Ich habe an die Leistungsmotivation von MA appelliert Ich habe das Gespräch mit dem ganzen Team gesucht Ich habe MA klare Vorgaben gemacht und engmaschig kontrolliert Ich habe die Arbeitsaufgaben oder-zeiten von MA angepasst engen Kontakt mit MA während Krankschreibung Ich habe dem gesamten Team klare Spielregeln vorgegeben Ich habe MA aufgezeigt, dass es helfen kann, sich zusammenzureissen Ich habe das Problem mit MA an Teamsitzungen direkt angesprochen Ich habe MA geraten, eine Auszeit zu nehmen verlangt, dass MA zum Arzt geht, wenn er/sie bei uns weiterarbeiten 19.9 Ich habe arbeitsrechtliche Massnahmen eingeleitet Ich habe das Gespräch mit seinem/ihrem Arzt / Therapeuten gesucht Ich habe MA bei der IV-Stelle gemeldet Hektik Disziplinierung Laissez faire Solidarität Professionelle Hilfe Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
9 Stimmungsverlauf bei Vorgesetzten Baer, Frick, Fasel, Wiedermann (2011). Schwierige Mitarbeiter. Wahrnehmung und Bewältigung psychisch bedingter Problemsituationen durch Vorgesetzte und Personalverantwortliche eine Pilotstudie in Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, BSV, Bern.
10 Interventionen nach Führungserfahrung 0% 20% 40% 60% 80% 100% bis 4 Jahre 17.3% 28.8% 26.9% 10.9% 16.0% Aktivismus 5-9 Jahre 24.1% 27.8% 23.1% 11.8% 13.2% Disziplinierung Jahre 24.3% 18.9% 19.9% 18.4% 18.4% Laissez faire Jahre 26.1% 20.0% 14.5% 23.0% 16.4% Solidarität Professionelle Hilfe 20 und mehr Jahre 30.6% 14.8% 16.9% 20.5% 17.2% Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
11 Führungskräfte sind kaum geschult 50 unter 10 Mitarbeitende 10 und mehr Mitarbeitende jemals Schulung erhalten Leitlinie psychisch kranke MA Leitlinie Alkoholabhängige Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
12 (Emotionale) Reaktionen der ArbeitskollegInnen 0% 20% 40% 60% 80% Die KollegInnen hatten widersprüchliche Gefühle, schwankten zwischen Mitleid und Ärger Die KollegInnen waren verunsichert, gestresst und überfordert Die KollegInnen haben sich um MA Sorgen gemacht und Unterstützung angeboten Die KollegInnen hatten wenig Verständnis für MA, waren verärgert und ungeduldig Die KollegInnen haben sehr geholfen und nützliche Lösungsvorschläge eingebracht Die KollegInnen wollten die Probleme eher unter den Teppich kehren Die KollegInnen haben zuerst bei mir als Chef oder beim Betrieb die Schuld gesucht Quelle: Baer, Bachmann, Keller (2017)
13 «Casting» Sie selbst als Führungskraft Teamkollege das Team als Ganzes eigener Vorgesetzter Personalverantwortlicher Partner oder Eltern des Mitarbeiters behandelnder Hausarzt behandelnder Psychiater Berater Sozialdienst/CM Ihres Betriebes Vertrauensarzt/med. Dienst Ihres Betriebes Hauptrolle Nebenrolle Kleinstrolle mit Text Statist externer privater Consultant, Mediator etc. RAV-Berater, Berater Sozialdienst Case Manager KTG/PK Berater IV-Stelle Anwalt des Mitarbeiters Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
14 keine Krankschreibung wiederholte oder lange Krankschreibung(en) keine Krankschreibung wiederholte oder lange Krankschreibung(en) keine Krankschreibung wiederholte oder lange Krankschreibung(en) keine Krankschreibung wiederholte oder lange Krankschreibung(en) keine Krankschreibung wiederholte oder lange Krankschreibung(en) keine Krankschreibung wiederholte oder lange Krankschreibung(en) keine Krankschreibung wiederholte oder lange Krankschreibung(en) Und wenn dann kommen fachliche Hilfen oft zu spät 50% 40% 30% 20% 10% 0% Hausarzt Psychiater Case Manager KTG IV-Stelle Interner Sozialdienst, CM Interner Arzt HR Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
15 Die Schweiz hat ein enormes Potential Quelle: OECD (2014), Mental Health and Work: Switzerland. OECD Publishing.
16 Arbeitgeber-Erfahrungen mit Psychiatern «Haben Sie jemals die Erfahrung gemacht, dass ein behandelnder Psychiater eines/r Mitarbeitenden Sie als Führungskraft in einer solchen Situation gut unterstützt hat?» Ja 20.3% Nein 79.7% Baer, Frick, Auerbach, Basler, 2017
17 Hatten Psychiater jemals Kontakt mit Befragung Psychiater Schweiz, 2016 (n=417) 100% 80% Ja, aber erst später 60% Ja, schon früh 40% 20% Nein, nie 0% Vorgesetzten von Führungskraft /HR einem Case- Manager (KTG) dem Partner/der Partnerin Führungskraft / HR einem IV- Berater
18 Bilder Ihr Mitarbeiter Claudio hat - nach einer leichten Auffahrkollision mit dem Auto und folgenden Nackenschmerzen - zunehmende Leistungsprobleme. Auch ist er nicht mehr zuverlässig. Seine Schmerzen nehmen zu und strahlen immer mehr in Rücken und Beine. Hinzu kommen private Probleme. Im Team führt sein leidendes und gereiztes Verhalten zu Spannungen. Er fehlt oft wegen medizinischer Untersuchungen und ist trotz fehlender Diagnose zunehmend fixiert auf seine körperlichen Probleme. Schliesslich wird er von einem Oberarzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates für die nächsten 3 Monate krankgeschrieben. Oberarzt für Innere Medizin Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie Oberarzt für Rheumatologie Hausarzt Oberarzt für Physiologische Plasmologie Finden Sie die Krankschreibung des Arztes nachvollziehbar? Finden Sie die Dauer der Krankschreibung nachvollziehbar? Baer, Bachmann, Keller (2017)
19 spielen auch eine Rolle 80% AuF nachvollziehbar Dauer AuF nachvollziehbar 60% 40% 20% 0% Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015
20 «Happy End»? 100% 20.8% 80% 60% 75.9% MA arbeitet noch bei uns (33.2%) 40% 20% 79.2% MA arbeitet nicht mehr bei uns (66.8%) 24.1% 0% Problemgeschichte dauert noch an (22.5%) Problemgeschichte abgeschlossen (77.5%) Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
21 Was Führungskräfte aus solchen Erfahrungen (nicht) lernen 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Probleme früher ansprechen, Vorgaben, Kontrolle rascher betriebsinterne/externe Hilfe beiziehen alles nochmals genau gleich wie damals so jemanden nicht mehr anstellen Arbeit des MA früher, stärker anpassen Team früher, klarer informieren raschere arbeitsrechtliche Massnahmen, dokumentieren Probezeit nutzen, ggf Konsequenzen ziehen MA emotional intensiver betreuen ärztliche Behandlung verlangen Kontakt zum Arzt verlangen MA rascher bei der IV melden Probleme gar nicht benennen Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler (2017)
22 Was hat Chefs am meisten geholfen, den MA zu halten? KMU-Befragung Nordwestschweiz, 2017 «Dass der Wille des Mitarbeiters auch vorhanden ist.» «Die klare Bereitschaft der Mitarbeiterin, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um im Betrieb zu verbleiben.» «Die Offenheit des Mitarbeitenden selber. Er hat von Anfang an offen informiert und forcierte den Austausch zwischen den behandelnden Ärzten und uns als Arbeitgeber..» «Geduld, Geduld und nochmals Geduld» «Ich kann meinem Ehemann schlecht die Kündigung schreiben!» «Alkohol» KMU-Befragung Nordwestschweiz, 2017 (N=469; Baer, Schweighauser, Werner, Frei, Ettlin, folgt 2018)
23 Das «Bemühen» ist wichtig KMU-Befragung Nordwestschweiz, 2017 arbeitet noch im Betrieb, nicht prekär 60% 40% 20% 0% MA war nie krankgeschrieben MA war krankgeschrieben 100% arbeitet noch im Betrieb nicht mehr / prekär im Betrieb 80% 60% 40% 20% 0% KMU-Befragung Nordwestschweiz, 2017 (N=469; Baer, Schweighauser, Werner, Frei, Ettlin, folgt 2018) überhaupt nicht um kurze AuF bemüht kaum bemüht weitgehend bemüht voll und ganz um kurze AuF bemüht
24 «Psychisch krank» Psychisch krank = Jemand hat eine diagnostizierbare psychische Störung Psychisch gesund = Jemand verfügt über Ressourcen wie - Ausgeglichenheit - Belastbarkeit - Offenheit - Selbstreflexion - Anpassungsfähigkeit - Flexibilität - Bewältigungsfähigkeit - Beziehungsfähigkeit - Entwicklungsfähigkeit - Optimismus - etc.
25 Psychisch gesund und psychisch krank Psychisch gesund Psychisch nicht krank Gratulation! Psychisch krank Machen das Beste aus ihrer Situation Psychisch nicht gesund Unreife Person z.b. Persönlichkeitsstörung Keyes, C. L. M. (2002). The mental health continuum: From languishing to flourishing in life. Journal of Health and Social Behavior, 43,
26 Nach 3 Monaten wird die Rückkehr schwierig A. Return to work after sickness, Belgium 2010 B. Return to work after sickness, Sweden, spells started in 2006 (mental ill-health vs. other health conditions) 100 Percentage of people remaining on sickness/disability benefits 100 Mental ill-health Other health conditions Durchschnittliche Krankschreibungsdauer psychiatrischer Patienten (CH) (Baer et al., 2017 in Erarbeitung) Time since onset of sickness absence (months) Time since onset of sickness absence (months) Source: OECD (2015), Fit Mind, Fit Job.
27 Therapeutische Probleme im Umgang mit Arztzeugnissen Befragung Psychiater Schweiz, wenn Patienten Wiedereinstieg laufend hinauszögern Wunsch nach med. ungerechtfertigter AuF Patienten ein AuF-Zeugnis zu verweigern wenn arbeitsunfähige Patienten arbeiten wollen AuF-Wunsch nach Kündigung/Zurechtweisung wenn Patienten immer wieder AuF-Zeugnis wollen Unsicherheit, ob AuF die Kündigung begünstigt Risiko wenn ich Patienten 'gesundschreibe' krankschreiben, wenn die Arbeit krank machtt rückwirkender AuF-Wunsch Entscheiden, ob wirklich AuF vorliegt die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorauszusagen den Grad der Arbeitsunfähigkeit zu bestimmen etc. wenn Patienten AuF nur vom Hausarzt wollen mit dem CM Procedere abzustimmen dem CM die AuF erklären CM / Arbeitgeber über Anpassungen informieren Funktionsdefizite benennen
28 Die Rolle der Betriebskultur sicher/eher nein sicher/eher ja 0% 20% 40% 60% 80% 100% Würde es Ihnen helfen, wenn MA ihr Problem Ihnen gegenüber offenlegen? Würde es den Teamkollegen helfen, wenn MA ihr Problem offenlegen? Würden Sie MA behalten wollen, die ihre psychischen Probleme erst nach der Anstellung offenlegen? Würden Sie MA anstellen, die beim Bewerbungsgespräch erwähnen, dass sie psychische Probleme haben? Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler, 2017)
29 Hatten Befragte selbst schon einmal relevante Gesundheitsprobleme? Nein, noch nie Ja, körperliche Probleme Ja, psychische Probleme Ja, körperliche und psychische Probleme KMU-Befragung Nordwestschweiz, 2017 (N=469; Baer, Schweighauser, Werner, Frei, Ettlin, folgt 2018)
30 Wahrnehmung von MA-Problemen und eigene Erfahrungen 35% MA mit körperlichen Problemen (% an allen MA) MA mit psychischen Problemen (% an allen MA) 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% selbst noch nie Gesundheitsprobleme gehabt selbst körperliche Probleme gehabt selbst psychische Probleme gehabt selbst körperliche und psychische Probleme gehabt KMU-Befragung Nordwestschweiz, 2017 (N=469; Baer, Schweighauser, Werner, Frei, Ettlin, folgt 2018)
31 Pilotprojekt Arbeitgeber-Beratung Montag - Freitag; 8-17 Uhr Kostenlose Beratung von Führungskräften und HR Deutsch und Englisch Telefon an: oder an: arbeitgeberberatung@pbl.ch
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