Herzlich willkommen! I Netzwerk Integration durch Qualifizierung (IQ)
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- Leander Voss
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1 Herzlich willkommen! Das Netzwerk IQ wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit. 1 1
2 Projekt AQ Ausländerrechtliche Qualifizierung GGUA-Flüchtlingshilfe e.v. Claudius Voigt Südstr Münster
3 Die EU: Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur Bürgerunion? Unionsbürger_innen zwischen Privilegierung und sozialem Ausschluss. 3 3
4 Das Netzwerk IQ. 4
5 Das Netzwerk IQ Das bundesweite Netzwerk Integration durch Qualifizierung (IQ) hat das Ziel, die Arbeitsmarktchancen von erwachsenen Migrantinnen und Migranten in Deutschland zu verbessern. 5 5
6 Handlungsfelder Anerkennung ausl. Bildungsabschlüsse Berufsbezogenes Deutsch Diversity Management Existenzgründung Qualifizierung 6 6
7 Das Netzwerk IQ Niedersachsen IQ Hotline Niedersachsen: Tel: 0541 / iq@bus-gmbh.de 7 7
8 Aufenthaltsrecht und Zugang zu Sozialen Leistungen für Unionsbürger_innen 8
9 Thesen 1. UnionsbürgerInnen sind aufenthaltsrechtlich privilegiert. 2. Sie sind sozial oftmals ausgeschlossen: vom Arbeitsmarkt von existenzsichernden Leistungen. 3. Dieser Ausschluss ist juristisch kaum haltbar. Er steht im Widerspruch zur Verfassung. Er widerspricht globalen sozialen Menschenrechten. Er widerspricht europäischem Recht. 4. Die geltende Rechtslage verhindert Integration und begünstigt soziale Verwerfungen. 5. Offene Fragen 6. Linktipps 9
10 1. Unionsbürger sind aufenthaltsrechtlich privilegiert. 10
11 11
12 Das Recht auf Einreise und Aufenthalt Das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach dem Freizügigkeitsrecht gilt für Staatsangehörige von: Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Irland, Vereinigtes Königreich, Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Österreich, Schweden, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern, Bulgarien, Rumänien, Kroatien. Island, Liechtenstein und Norwegen (EWR) Schweiz (Freizügigkeitsabkommen) Und ihre (drittstaatsangehörigen) Familienangehörigen 12 12
13 Das Recht auf Einreise und Aufenthalt Für UnionsbürgerInnen und ihre Familienangehörigen gilt: Sie dürfen sich in Deutschland aufhalten und sich hier dauerhaft niederlassen, ohne einen Aufenthaltstitel oder ein anderes Papier besitzen zu müssen. Ihr Aufenthalt gilt als rechtmäßig, solange die Ausländerbehörde nicht formal durch Verwaltungsakt festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht (mehr) besteht. Eine Bescheinigung über die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ( Freizügigkeitsbescheinigung ) hatte nur deklaratorischen Charakter und war auch bislang für einen rechtmäßigen Aufenthalt (und damit auch für den Leistungsanspruch) nicht Voraussetzung. Die Freizügigkeitsbescheinigung ist durch Gesetzesänderung vom abgeschafft! In Kraft 13 getreten am
14 Die Unionsbürgerschaft Artikel 20 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Abs. 1: Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht. Abs. 2: ( ) Sie haben unter anderem a) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten; ( ) 14 14
15 Dreimonatiges voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht Personalausweis oder Reisepass Gilt auch für Familienangehörige aus Drittstaaten Leistungsausschluss in den ersten drei Monaten gem. 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II für Ausländer, die noch nicht ArbeitnehmerInnen, Selbstständige sind oder innerhalb dieser Zeit ihren Arbeitsplatz unfreiwillig verloren haben 15
16 Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate Gebunden an bestimmte Aufenthaltszwecke 16
17 Recht auf Aufenthalt Zum Zweck der Arbeitsuche Als Arbeitnehmer oder für betriebliche Ausbildung Als selbstständig Erwerbstätiger Als Nicht-Erwerbstätiger Als Familienangehöriger einer der oben genannten Gruppen 17
18 Recht auf Aufenthalt 1. Zum Zweck der Arbeitsuche Keine zeitliche Obergrenze Das Recht besteht, solange nachgewiesen werden kann, dass weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit gesucht wird und die Ausländerbehörde keine Verlustfeststellung getroffen hat. 18
19 Recht auf Aufenthalt 1. Zum Zweck der Arbeitsuche Ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz sind keine Voraussetzung. Der Bezug von Sozialhilfeleistungen steht dem Aufenthaltsrecht nicht entgegen. Eine administrative Ausweisung darf auf keinen Fall erfolgen, außer aus Gründen der Öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (Art. 14 UnionsRL) Leistungsanspruch SGB II ist umstritten ( 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) 19
20 Recht auf Aufenthalt 2. Als Arbeitnehmer oder zur (betrieblichen) Berufsausbildung Als Arbeitnehmer ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. 20
21 Recht auf Aufenthalt Als Arbeitnehmer oder zur (betrieblichen) Berufsausbildung Eine Mindesteinkommensgrenze oder Mindeststundenzahl sind nicht vorgesehen. Laut EUGH können 5,5 Wochenstunden bei einem Monatseinkommen von 170 für den Arbeitnehmerstatus ausreichend sein (EUGH- Urteil Genc, C-14/09, BVerwG, , 1 C 10.11). Existenzsicherung und Krankenversicherungsschutz sind keine Voraussetzungen Leistungsanspruch SGB II besteht 21
22 Recht auf Aufenthalt Als Arbeitnehmer oder zur (betrieblichen) Berufsausbildung Arbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien benötigen für die Ausübung einer Beschäftigung noch bis zum eine Arbeitserlaubnis- EU (nachrangiger Arbeitsmarktzugang!) Arbeitnehmer aus Kroatien benötigen für die Ausübung einer Beschäftigung längstens bis zum eine Arbeitserlaubnis-EU (nachrangiger Arbeitsmarktzugang!) 22
23 Recht auf Aufenthalt Als Arbeitnehmer oder zur (betrieblichen) Berufsausbildung Status als Arbeitnehmer bleibt für sechs Monate erhalten bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung Status als Arbeitnehmer bleibt dauerhaft erhalten bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Beschäftigung Unfreiwilligkeit wird durch die Agentur für Arbeit bescheinigt. Bis zur Bescheinigung gilt die Arbeitslosigkeit als unfreiwillig. (Allgem. Verwaltungsvorschrift zum FreizügG). 23
24 Recht auf Aufenthalt 3. Selbstständige Erwerbstätige Eine wirtschaftliche Tätigkeit muss tatsächlich und auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung ausgeübt werden. Der formelle Akt der Registrierung ist nicht ausreichend. (BSG, , B 14 AS 23/10R) Existenzsicherung und Krankenversicherungsschutz sind keine Voraussetzung Leistungsanspruch SGB II besteht 24
25 Recht auf Aufenthalt Selbstständige Erwerbstätige Status als Selbstständiger bleibt für sechs Monate erhalten bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Selbstständigkeit Status als Selbstständiger bleibt dauerhaft erhalten bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Selbstständigkeit 25
26 Recht auf Aufenthalt 4. Nicht-Erwerbstätige In der Praxis nur Rentner, Studenten, dauerhaft erwerbsunfähige Personen (Gruppen, die keine Arbeit suchen bzw. dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen). Nur für diese Gruppe und ihre Familienangehörigen sind ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz erforderlich SGB II / XII-Berechtigung besteht, ihre Inanspruchnahme gefährdet aber unter Umständen das Aufenthaltsrecht! Entscheidung über den Verlust des Aufenthaltsrechts hat die Ausländerbehörde im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu treffen. Das Aufenthaltsrecht erlischt beim Sozialleistungsbezug keinesfalls automatisch (Art. 14 UnionsRL) 26
27 Recht auf Aufenthalt Familienangehörige Kinder und Enkel unter 21 Jahre, Ehegatten und eingetragene Lebenspartner Kinder und Enkel über 20, Eltern und Großeltern, Stiefkinder und Stiefenkel, Schwiegereltern, wenn ihnen (teilweise) Unterhalt geleistet wird Ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz als Voraussetzung nur bei den Familienangehörigen von Nicht- Erwerbstätigen Leistungsanspruch SGB II besteht, außer bei Familienangehörigen von nur Arbeitsuchenden 27
28 Aufenthaltskarte Für Familienangehörige aus Drittstaaten 28
29 Daueraufenthaltsrecht 29
30 Daueraufenthaltsrecht Deklaratorisch, wird auf Antrag bescheinigt Unabhängig vom ursprünglichen Aufenthaltsgrund Voraussetzung: fünf Jahre rechtmäßiger Aufenthalt nach Unionsrecht Nach fünf Jahren: Keine Einschränkungen bei Anspruch auf Sozialleistungen und Arbeitsmarktzugang In bestimmten Fällen bereits vor Ablauf von fünf Jahren. 30
31 Daueraufenthaltskarte für Familienangehörige aus Drittstaaten 31
32 Arbeitsmarktzugang von UnionsbürgerInnen aus Bulgarien, Rumänien und Kroatien 32 32
33 Arbeitserlaubnis 284 SGB III Arbeitnehmer aus Bulgarien, Rumänien und Kroatien benötigen für die Aufnahme einer Beschäftigung grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis-EU, die nach Vorrangprüfung sowie Prüfung der Beschäftigungsbedingungen erteilt wird. Bulgarien und Rumänien bis Kroatien bis längstens
34 Zustimmung zur Beschäftigung? Zustimmung zur Beschäftigung! 14 Tage ( 36 BeschV) 34
35 Arbeitsmarktprüfung 36 Abs. 1 BeschV Die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung gilt als erteilt, wenn die Bundesagentur für Arbeit nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Übermittlung der Zustimmungsanfrage der zuständigen Stelle mitteilt, dass die übermittelten Informationen für die Entscheidung über die Zustimmung nicht ausreichen oder der Arbeitgeber die erforderlichen Auskünfte nicht oder nicht rechtzeitig erteilt hat
36 Ausnahmen von der Arbeitsmarktprüfung für Bulgaren, Rumänen und Kroaten 36 36
37 Arbeitserlaubnis Bereits ein Jahr ununterbrochen zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen? 12a ArGV Arbeitsberechtigung-EU für jede Tätigkeit Gilt auch für Familienangehörige 37 37
38 Arbeitserlaubnis Hochschulabschluss oder vergleichbare Qualifikation? 12 b Abs. 1 ArGV Keine Arbeitserlaubnis erforderlich für eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung Gilt auch für Familienangehörige (für jede Tätigkeit) 38 38
39 Arbeitserlaubnis Arbeitsplatz, der eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt? 12 b Abs. 2 ArGV Arbeitserlaubnis wird ohne Vorrangprüfung erteilt Gilt auch für Familienangehörige (für jede Tätigkeit) 39 39
40 Arbeitserlaubnis Beschäftigung im Rahmen einer qualifizierten betrieblichen Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf? 12 c ArGV Keine Arbeitserlaubnis erforderlich 40 40
41 Arbeitserlaubnis Tätigkeit als Saisonarbeitnehmer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Obstund Gemüseverarbeitung sowie in Sägewerken (mind. sechs Stunden täglich, für maximal sechs Monate) 12 e ArGV Keine Arbeitserlaubnis erforderlich 41 41
42 Arbeitserlaubnis Bereits drei Jahre Aufenthalt in Deutschland? 9 BeschV Keine Arbeitserlaubnis erforderlich 42 42
43 Übernahme der Dolmetscherund Übersetzungskosten 43 43
44 HEGA 05/ Inanspruchnahme von Dolmetscher- und Übersetzungsdiensten Bei Erstkontakten (schriftlich und mündlich) sind notwendige Übersetzungen bzw. Dolmetscherdienste in jedem Fall von der BA bzw. dem jeweiligen Jobcenter zu veranlassen und zu erstatten. Die Kosten für Übersetzungen von Schriftstücken sowie die Kosten für entsprechende Dolmetscherdienste werden in allen Fällen (also auch bei weiteren Kontakten) von Amts wegen übernommen. Dies gilt u.a. für Staatsangehörigen aus Staaten der EU ( ) 44
45 Zugang zum SGB II für Ausländer ( 7 SGB II) 45 45
46 Hürden 1. Ausländerrechtliche Erwerbsfähigkeit 2. Gewöhnlicher Aufenthalt 3. Ausschluss innerhalb der ersten drei Monate 4. Ausschluss bei einem Aufenthalt nur zur Arbeitssuche 5. Ausschluss für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG 46
47 Voraussetzung 1: Erwerbsfähigkeit 47 47
48 Erwerbsfähigkeit 8 Abs. 2 SGB II: Im Sinne von Absatz 1 können Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend
49 Aus den Fachlichen Hinweisen der BA zu 8 Abs. 2 SGB II: "Erlaubt werden könnte" die Aufnahme einer Beschäftigung, wenn eine Zulassung zum Arbeitsmarkt zwar noch nicht erfolgt ist, aber die rechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich eröffnet sind. Durch die Einführung des 8 Abs. 2 S. 2 wurde gesetzlich klargestellt, dass bereits ein sog. nachrangiger Zugangs (unter dem Vorbehalt einer Arbeitsmarktprüfung) ausreicht. Die Vorschrift betrifft Drittstaatsangehörige und Unionsbürger aus Bulgarien und Rumänien. Es kommt somit darauf an, dass zumindest rechtlich-theoretisch eine Zustimmung zur Aufnahme einer Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit erteilt werden könnte, auch wenn im Bezug auf den angestrebten Arbeitsplatz ggf. eine Vorrangprüfung dies verhindert oder den bisherigen Zugang verhindert hat. 49
50 Erwerbsfähigkeit Die ausländerrechtliche Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB II ist für alle Unionsbürger (auch Bulgaren und Rumänen)gegeben Die ausländerrechtliche Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB II ist für (fast) alle Drittstaatsangehörigen gegeben. Ausnahmen: Touristen (Schengen-Visum) Duldung (bei Vorliegen eines Arbeitsverbots) Aufenthaltsgestattung (bei Vorliegen eines Arbeitsverbots) 50 50
51 Voraussetzung 2: gewöhnlicher Aufenthalt 51 51
52 Aus den Fachlichen Hinweisen zu 7 SGB II (RN 7.2) In erster Linie ist für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes der Wille des Hilfeempfängers maßgebend, einen bestimmten Ort zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen. Nach der Rechtsprechung ist dabei nicht der rechtliche Wille, sondern der tatsächlich zum Ausdruck kommende Wille entscheidend. 52
53 Aus den Fachlichen Hinweisen zu 7 SGB II (RN 7.2) Bezüglich der Umstände, die ein nicht nur vorübergehendes Verweilen erkennen lassen, ist kein dauerhafter oder längerer Aufenthalt erforderlich wobei ein bisheriger längerer Aufenthalt ein Indiz für einen gewöhnlichen Aufenthalt ist sondern es genügt, dass der Betreffende sich an einem Ort oder Gebiet bis auf weiteres im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. 53
54 Aus den Fachlichen Hinweisen zu 7 SGB II (RN 7.2) Bis zum Einzug der Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und 8 Abs. 2 weiterhin erfüllt sind. Vorbehaltlich anderer feststehender Erkenntnisse ist der EU-Bürger bis zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt und es besteht ein uneingeschränkter Arbeitsmarktzugang. 54
55 Frage Herr D. ist Holländer, hat sich in Deutschland angemeldet und wohnt nahe der niederländischen Grenze in einer Wohnung. Er arbeitet als Grenzgänger in den Niederlanden und fragt, ob er aufstockende Leistungen nach dem SGB II beziehen kann
56 Antwort Aus den Fachlichen Hinweisen zu 7 SGB II, R. Nr. 7.7a Von einem Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche ist auch auszugehen, wenn sich EU-Bürger im deutschen Grenzbereich niederlassen und weiterhin ihrer Erwerbstätigkeit oder Ausbildung im Ausland nachgehen. Diese Personen haben in Deutschland keinen Arbeitnehmerstatus. Mangels eines Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland liegt kein Aufenthalt als Arbeitnehmer gem. 2 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. FreizügG/EU vor. Kommt auch ein weiterer Aufenthaltsgrund nach 2 FreizügG/EU (z. B. als Familienangehöriger) nicht in Betracht, ist die Arbeitssuche alleiniger Aufenthaltszweck. Die Personen sind dann vom Leistungsausschluss nach 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 erfasst
57 Frage Herr B. ist rumänischer Staatsbürger und arbeitet mit einer Arbeitserlaubnis-EU in der Schlachtindustrie als entsandter Arbeitnehmer eines rumänischen Werkvertragsunternehmens. Er fragt, ob er einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II hat
58 Frage Frau F. ist bulgarische Staatsbürgerin, lebt seit einem Jahr in Deutschland und ist gegenwärtig zustimmungsfrei im Rahmen einer Saisonarbeit in der Landwirtschaft tätig. Sie fragt, ob sie einen Anspruch auf aufstockende Leistungen hat
59 Ausschluss vom SGB II innerhalb der ersten drei Monate 59 59
60 Ausschluss in den ersten drei Monaten 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II Ausgenommen sind 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten
61 Frage Herr L. ist Deutscher und hat eine slowenische Staatsangehörige geheiratet. Sie ist vor einigen Tagen nach Deutschland gezogen und hat Leistungen nach dem SGB II beantragt. Hat sie bereits innerhalb der ersten drei Monate einen Anspruch? 61 61
62 Antwort BSG, B 4 AS 37/12 R, Der Kläger war insbesondere nicht nach 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Ausschlussgrund greift nicht in einer Fallkonstellation wie der hier vorliegenden, in der ein nicht erwerbstätiger Ausländer (zwecks Familienzusammenführung) zu seinem deutschen Ehepartner zieht
63 Ausschluss in den ersten drei Monaten Der Ausschluss in den ersten drei Monaten gilt nicht für: Arbeitnehmer (Definition siehe oben) Selbstständige (Definition siehe oben) Arbeitnehmer und Selbstständige, die ihre Erwerbstätigkeit unfreiwillig verloren haben (Definition siehe oben) Und ihre Familienangehörigen Personen mit humanitärem Aufenthalt (Aufenthaltstitel gem. 22 bis 26 AufenthG Kapitel 2 Abschnitt 5) Und ihre Familienangehörigen (vgl. FH zu 7 SGB II) Familienangehörige von Deutschen (BSG, B 4 AS 37/12 R, ) 63
64 Ausschluss vom SGB II bei einem Aufenthalt nur zum Zweck der Arbeitsuche 64 64
65 Ausschluss beim Zweck der Arbeitsuche 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II Ausgenommen sind 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, 65 65
66 Fall Frau K. ist rumänische Staatsbürgerin und lebt seit einigen Monaten in Deutschland. Sie ist im vierten Monat schwanger von Herrn J., einem griechischen Staatsbürger, der seit zehn Jahren in Deutschland gemeldet ist. Das Jobcenter schreibt, sie habe keinen Anspruch auf Leistungen, da sie sich nur zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalte
67 Fall BSG, B 4 AS 54/12 R, Der Leistungsausschluss nach 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, wonach unter Umständen auch Unionsbürger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, greift nicht ein. Unabhängig von der Frage, ob der gesetzlich festgeschriebene unbegrenzte Ausschluss von Unionsbürgern gegen EU-Recht - insbesondere die VO (EG) Nr 883/ verstößt und diese VO hier überhaupt Anwendung finden kann, fehlt es schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm. Es kann nicht positiv festgestellt werden, dass sich die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum allein zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Aufgrund der Vorwirkungen der Geburt ihres Kindes bestand bereits vor dem hier streitigen Zeitraum ein anderer Aufenthaltszweck als der vom LSG ausschließlich für möglich gehaltene Aufenthaltszweck der Arbeitsuche
68 Eine 24jährige Frau aus Bulgarien, ist zu ihrer Mutter in Deutschland nachgezogen, um hier Arbeit zu suchen. Die Mutter, die bereits seit sieben Jahren in Deutschland lebt, ist ebenfalls bulgarische Staatsangehörige. Die Tochter wohnt bei ihr und erhält von ihr auch einen Teil des Lebensunterhalts, allerdings reicht dieser nicht zur vollständigen Bestreitung des Lebensunterhalts. Hat die Tochter Anspruch auf Leistungen? 68 68
69 Fall Was wäre, wenn die Mutter mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hätte? 69 69
70 Fall Was wäre, wenn die Tochter nicht mehr bei der Mutter wohnt, sondern in einer eigenen Wohnung? 70 70
71 Fall B 14 AS 138/11 R, : Dieses vom Zweck der Arbeitsuche unabhängige Aufenthaltsrecht hat die Klägerin zu 1 nicht wieder verloren. Aus den Worten "begleiten" bzw "nachziehen" in 3 Abs 1 bzw 4 FreizügG/EU kann nicht der Schluss gezogen werden, dass - wie das SG meint - das Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger nur besteht, wenn der freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, hier die Eltern bzw der Vater, und der begleitende Familienangehörige auf Dauer in einer gemeinsamen Wohnung wohnen 71 71
72 Fall Eine österreichische Staatsbürgerin lebt seit drei Jahren in Deutschland. Sie ist nur arbeitsuchend. Aus diesem Grund lehnt das Jobcenter einen Antrag auf SGB-II-Leistungen ab. Zurecht? 72 72
73 Fall Deutsch-österreichisches Fürsorgeabkommen vom , Art. 2 Abs. 1: Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, wird Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt. desnormen&gesetzesnummer=
74 Fall Die österreichische Staatsbürgerin erhält nun Leistungen nach dem SGB II. Die Ausländerbehörde stellt daraufhin den Verlust des Freizügigkeitsrechts fest, da sie nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge und droht ihr die Abschiebung nach Österreich an. Zurecht? 74 74
75 Fall Deutsch-österreichisches Fürsorgeabkommen vom , Art. 8 Abs. 1: Der Aufenthaltsstaat darf einem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei nicht allein aus dem Grunde der Hilfsbedürftigkeit den weiteren Aufenthalt versagen oder ihn rückschaffen, es sei denn, daß er sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in seinem Hoheitsgebiet aufhält. Sprechen Gründe der Menschlichkeit gegen eine solche Maßnahme, so hat sie ohne Rücksicht auf die Dauer der Anwesenheit im Aufenthaltsstaat zu unterbleiben
76 Fall Eine polnische Staatsangehörige hat sieben Monate eine Beschäftigung ausgeübt. Sie hat diesen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren. Sie erhielt vom Jobcenter für sechs Monate Leistungen. Danach hat das Jobcenter die Leistungen eingestellt, da sie nunmehr wieder nur zur Arbeitsuche ein Aufenthaltsrecht habe. Zurecht? 76 76
77 Fall LSG Hamburg, Beschluss vom L 4 AS 266/12 B ER Leitsatz: Allein zum Zweck der Arbeitssuche besteht das Aufenthaltsrecht bei Bürgern der Europäischen Union, die sich in Deutschland aufhalten, um einen Arbeitsplatz zu suchen oder eine selbständige Erwerbstätigkeit einschließlich der Erbringung von Dienstleistungen aufzunehmen. Daran fehlt es bei Unionsbürgern schon dann, wenn sie in Deutschland bereits erwerbstätig waren und ihre Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit verloren haben. 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst nur Personen, die sich erstmals zur Arbeitssuche nach Deutschland begeben
78 Fall Herr H. ist niederländischer Staatsbürger. Er hat seit sechs Jahren in Deutschland auf der Straße gelebt und vom Pfandflaschensammeln und Betteln seinen Lebensunterhalt bestritten. Er war durchgehend in der Wohnung eines Freundes angemeldet. Nun fragt er ob er Leistungen vom Jobcenter erhalten kann und ob die Ausländerbehörde dann seinen Aufenthalt beenden kann
79 Fall Ein togolesischer Staatsbürger hat viele Jahre in Italien gelebt. Er kommt nach Deutschland und in seinem Pass steht: soggiornante di lungo periodo CE Wie lange darf er sich damit in Deutschland aufhalten? Darf er arbeiten? Kann er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten? Welche? Hat er einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II? 79 79
80 Fall Ein Deutscher Staatsbürger hat seit fünf Jahren bei seiner britischen Ehefrau in London gelebt. Jetzt ziehen beide gemeinsam nach Deutschland. Sie ist als Unionsbürgerin freizügigkeitsberechtigt, daher erhält sie von der Ausländerbehörde keine Aufenthaltserlaubnis. Sie möchte studieren, das BAföG-Amt sagt ihr allerdings, sie erhalte keine Förderung
81 Fall Ein Deutscher Staatsbürger hat seit fünf Jahren bei seiner britischen Ehefrau in London gelebt. Jetzt ziehen beide gemeinsam nach Deutschland. Sie möchte studieren, das BAföG-Amt sagt ihr allerdings, sie erhalte keine Förderung
82 Ausschluss beim Zweck der Arbeitsuche Der Ausschluss gilt nicht für: Arbeitnehmer Selbstständige Arbeitnehmer und Selbstständige, die ihre Erwerbstätigkeit unfreiwillig verloren haben Unionsbürger, die ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige besitzen (vgl. BSG, B 14 AS 138/11 ) Unionsbürger und ihre Familienangehörigen spätestens nach einem fünfjährigen Aufenthalt Familienangehörige von Deutschen Schwangere, deren Kind bei Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft haben wird (BSG, B 4 AS 54/12 R) Personen mit einem Aufenthaltstitel nach dem AufenthG (außer 16 Abs Abs. 3 und 18c AufenthG) 82
83 Der Leistungsausschluss kollidiert mit europäischem Primär- und Sekundärrecht sowie dem Grundgesetz und ist deshalb rechtlich äußerst umstritten 83 83
84 Europarecht Der Ausschluss von Unionsbürgern, die ein Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche besitzen, ist juristisch sehr umstritten. Streitpunkte sind insbesondere die Vereinbarkeit mit: Art. 1 GG i.v.m. Art. 20 GG Art. 24 Abs. 2 UnionsRL - Unionsbürgerrichtlinie Art. 4 VO (EG) 883/2004 Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Europäisches Fürsorgeabkommen 84
85 Art. 1 GG 85
86 Art. 1 GG i.v.m. Art. 20 GG BVerfG, 1 BvL 10/10 vom : Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfGE 125, 175). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Er umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. 86
87 Art. 24 Abs. 1 UnionsRL 87
88 Europarecht Art. 24 Abs. 1 UnionsRL Abs. 1 Abs. 2 ( ) genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums [zur Arbeitsuche] einen Anspruch auf Sozialhilfe ( ) zu gewähren. 88
89 Europarecht Die Kernfrage ist: Was ist Hartz 4? Sozialhilfe oder eine Leistung, die die Aufnahme einer Beschäftigung fördern soll (vgl.: EUGH C-222/08 Vatsouras / Koupatantze)? Im zweiten Fall wäre ein Ausschluss nach einem angemessenen Zeitraum der tatsächlichen Arbeitsuche ( tatsächliche Verbindung zum Arbeitsmarkt ) europarechtswidrig! 89
90 Art. 4 VO (EG) 883/2004 Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit 90
91 Europarecht Art. 4 VO (EG) 883/2004 Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates. 91
92 Verordnung 883/2004 Art. 3: (1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende ( ) Zweige der sozialen Sicherheit betreffen: (3) Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel
93 Verordnung 883/2004 Anhang X nennt für Deutschland als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen: a) die Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII sowie b) die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II
94 Die Rechtsprechung 94 94
95 Rechtsprechung Eilentscheidungen bzw. PKH-Entscheidungen der Landessozialgerichte im Jahr 2013: positiv: 23 negativ: 9 (davon 6 LSG BRB) 95 95
96 Rechtsprechung Im Jahr 2013 sind vier Hauptsacheentscheidungen ergangen: BSG: B 4 AS 54/12 R, 30. Januar 2013 LSG Bayern, (16. Senat),; L 16 AS 847/12; 19. Juni 2013 LSG Hessen (7. Senat); L 7 AS 474/13; 20. September 2013 LSG NRW (19. Senat); L 19 AS 129/13, 10. Oktober
97 BSG: B 4 AS 54/12 R, 30. Januar 2013 Frau K. ist rumänische Staatsbürgerin und lebt seit einigen Monaten in Deutschland. Sie ist im vierten Monat schwanger von Herrn J., einem griechischen Staatsbürger, der seit zehn Jahren in Deutschland gemeldet ist. Das Jobcenter schreibt, sie habe keinen Anspruch auf Leistungen, da sie sich nur zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalte
98 BSG: B 4 AS 54/12 R, 30. Januar 2013 BSG, B 4 AS 54/12 R, Der Leistungsausschluss nach 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, wonach unter Umständen auch Unionsbürger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, greift nicht ein. Unabhängig von der Frage, ob der gesetzlich festgeschriebene unbegrenzte Ausschluss von Unionsbürgern gegen EU-Recht - insbesondere die VO (EG) Nr 883/ verstößt und diese VO hier überhaupt Anwendung finden kann, fehlt es schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm. Es kann nicht positiv festgestellt werden, dass sich die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum allein zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Aufgrund der Vorwirkungen der Geburt ihres Kindes bestand bereits vor dem hier streitigen Zeitraum ein anderer Aufenthaltszweck als der vom LSG ausschließlich für möglich gehaltene Aufenthaltszweck der Arbeitsuche
99 LSG Bayern, L 16 AS 847/12; 19. Juni 2013 Der Kläger verfügte danach lediglich über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Ein anderweitiges Aufenthaltsrecht, das den Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses von vornherein nicht eröffnen würde, ergibt sich in seinem Fall weder nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch nach den Regelungen des Aufenthaltsgesetztes (vgl. BSG, Urteil vom B 4 AS 54/12 R -). Sowohl ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer ( 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU) als auch ein Aufenthaltsrecht nach 2 Abs. 1 FreizügG/EU oder 4a FreizügG/EU erlöschen spätestens nach einer Abwesenheit von mehr als zwei Jahren ( 4a Abs. 7 FreizügG/EU). Der Kläger hat sich für einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren (nach seinen Angaben sogar länger) in Italien und nicht in Deutschland aufgehalten
100 LSG Bayern, L 16 AS 847/12; 19. Juni 2013 Gleichwohl kann der Kläger nicht wirksam von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden. Danach ist der Leistungsausschluss im zu entscheidenden Fall wegen Verstoßes gegen Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gewährleisteten Anspruchs auf Gleichbehandlung und aufgrund des in Art. 24 Abs. 1 Freizügigkeits-RL 2004/38 verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes auf den Kläger nicht anwendbar
101 LSG Bayern, L 16 AS 847/12; 19. Juni 2013 Der Kläger unterfällt als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates (Italienische Republik) dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004). Auch der sachliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist für ihn eröffnet. Für den Kläger galten bis zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland Ende 2003 und gelten mehrere der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Rechtsvorschriften. Er war damals aufgrund einer mehrjährigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Krankheit und Invalidität, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Er hat Anwartschaften in den Leistungszweigen der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung erworben, die unmittelbar im Anschluss an den streitgegenständlichen Zeitraum zu der Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme durch den Rentenversicherungsträger geführt haben
102 LSG Bayern, L 16 AS 847/12; 19. Juni 2013 Auf die Frage, ob auch eine abstrakte Unterworfenheit unter ein System der sozialen Sicherheit den persönlichen Anwendungsbereich und damit einen Rechtsanspruch auf beitragsunabhängige Sonderleistungen gemäß Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 70 VO (EG) 883/2004 begründen könnte, kommt es in seinem Fall nicht an
103 LSG NRW; L 19 AS 129/13, 10. Oktober 2013 Aus der Pressemitteilung: Der 19. Senat des Landessozialgerichts NRW hat mit Urteil vom heutigen Tage rumänischen Staatsangehörigen, die sich nach längerer objektiv aussichtsloser Arbeitsuche weiter im Bundesgebiet gewöhnlich aufhalten, einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (sog. Hartz IV -Leistungen) zuerkannt. Der Leistungsausschluss des 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländerinnen und Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keine Grundsicherungsleistungen erhalten, stehe dem nicht entgegen
104 LSG NRW; L 19 AS 129/13, 10. Oktober 2013 Die Kläger eine Familie mit zwei Kindern leben seit 2009 gemeinsam in Gelsenkirchen. Im streitigen Zeitraum lebten sie von Kindergeld und vom Verkauf von Obdachlosen- Zeitschriften. Einen am gestellten Antrag auf SGB II-Leistungen lehnte das beklagte Jobcenter ab, weil der Familienvater sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten dürfe. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Gelsenkirchen abgewiesen, weil die Kläger nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU allenfalls ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende hätten, so dass der Leistungsausschluss gemäß 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für sie einschlägig sei
105 LSG NRW; L 19 AS 129/13, 10. Oktober 2013 Der 19. Senat des Landessozialgerichts NRW unter Vorsitz von Vorsitzendem Richter am Landessozialgericht Dr. Martin Kühl hat das Urteil des Sozialgerichts auf die Berufung der Kläger aufgehoben und das beklagte Jobcenter verurteilt, den Klägern Leistungen zu gewähren. Erwerbsfähige EU-Bürger, die ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen als zur Arbeitsuche haben, seien nicht vom Leistungsausschluss des 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst. Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für EU- Bürger ohne Aufenthaltsgrund im Sinne des gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts
106 LSG NRW; L 19 AS 129/13, 10. Oktober 2013 Da die Bemühungen der Kläger, eine Arbeitsstelle zu erhalten, zum Zeitpunkt der Antragstellung seit über einem Jahr erfolglos und auch für die Zukunft nicht erfolgversprechend gewesen seien, seien die Kläger nicht mehr zur Arbeitsuche freizügigkeitsberechtigt. Sie gehörten damit nicht zu dem ausgeschlossenen Personenkreis
107 LSG NRW; L 19 AS 129/13, 10. Oktober 2013 Auf die umstrittene und in den bisher hierzu vorliegenden Entscheidungen thematisierte Frage, ob der Leistungsausschluss insgesamt mit EU-Recht unvereinbar sei, komme es deshalb im konkret vom Senat zu entscheidenden Fall nicht an. Es handelt sich um eine wesentliche Grundsatzfrage, die bundesweit etwa Personen betrifft. Der Senat hat die Revision zugelassen (Urteil des Landessozialgerichts NRW vom , L 19 AS 129/13)
108 Art. 1 Europäisches Fürsorgeabkommen 108
109 Europäisches Fürsorgeabkommen Artikel 1 EFA Jeder der Vertragschließenden verpflichtet sich, den Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge (im folgenden als "Fürsorge" bezeichnet) zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. 109
110 Europäisches Fürsorgeabkommen Staaten, die das Europäische Fürsorgeabkommen unterzeichnet haben Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Türkei. Bis zum galten die Ausschlussgründe des 7 I S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II nicht für Personen aus Staaten, die das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) unterzeichnet haben BSG, , AZ B 14 AS 23/10 R 110
111 Europäisches Fürsorgeabkommen Wortlaut des EFA-Vorbehaltes der Bundesregierung vom "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Grundsicherung für Arbeitsuchende in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden." 111
112 Europäisches Fürsorgeabkommen Geschäftsanweisung SGB II Nr. 8 vom Vorbehalt gegen das EFA Die Bundesrepublik Deutschland hat für Leistungen nach dem SGB II einen Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) erklärt. Dieser ist mit Wirkung zum in Kraft getreten. Damit finden die Leistungsausschlussgründe nach 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II ab dem auf Angehörige der EFA-Staaten wieder Anwendung. 112
113 Europäisches Fürsorgeabkommen LSG BY, , L 16 AS 568/12 B ER Aus Sicht des Senats spricht viel dafür, dass der Leistungsausschluss gemäß 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf die Beschwerdeführer deswegen nicht anwendbar ist, weil sie sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens ( ) berufen können. Den in Reaktion auf die Entscheidung des BSG vom ( ) von der Bundesregierung mit Wirkung zum erklärten Vorbehalt hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB II hält der Senat bei vorläufiger Prüfung für nicht wirksam, so dass dieser Vorbehalt die Beschwerdeführer nicht vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausschließen kann ( ). 113
114 Für die Beratungspraxis Rechtmäßigkeit des EFA-Vorbehaltes ist in der nationalen Rechtsprechung umstritten Einige Sozialgerichte halten den EFA-Vorbehalt für völkerrechtswidrig und damit für nichtig (LSG BE/BB, LSG BY, LSG RP, LSG NRW) Vorbehalt bezieht sich nur auf Leistungen nach dem SGB II, nicht aber auf Leistungen nach dem SGB XII Bei Ablehnung der Leistungsberechtigung nach SGB II: Weiterleitung der Anträge an das Sozialamt 14 SGB I 114
115 Jenseits der Paragrafen Prof. Thorsten Kingreen, Verwaltungsrechtler an der Uni Regensburg Sozialrechtliche Zugehörigkeit emanzipiert sich von den formalen staatsrechtlichen Kategorien, die für die Frage, was ein Mensch für die Sicherung seiner Existenz benötigt, ohnehin niemals Bedeutung hatten. Normen, die Ausländer beim Bezug existenzsichernder Leistungen gleichwohl nach wie vor gegenüber Inländern benachteiligen, sind allenfalls noch Ausdruck symbolischer Sozialpolitik, die suggeriert, man könne das Sozialsystem durch Leistungsbeschränkungen zu Lasten einzelner gesellschaftlicher Gruppen sanieren. Als Signal an die Betroffenen, nicht dazuzugehören, ist sie integrationspolitisch indes eher kontraproduktiv
116 4. Krankenversicherung 116
117 Krankenversicherung Arbeit suchend: Während Versicherung im Herkunftsland (EHIC) über Sachleistungsaushilfe Über Bezug von SGB II nach 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V Ab Ende der Versicherung im Herkunftsland gem. 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, wenn zuvor irgendwann Mitglied einer staatliche oder gesetzlichen KV (auch im EU-Ausland) Auch bei Beitragsschulden besteht Anspruch auf Notfallbehandlung und volle Leistungen bei Schwangeschaft und Entbindung ( 16 Abs. 3a SGB V) 117
118 Krankenversicherung Minijob: Über Bezug von SGB II nach 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V Ab Beginn der Erwerbstätigkeit Versicherungspflicht gem. 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, wenn zuvor irgendwann Mitglied einer staatliche oder gesetzlichen KV (auch im EU- Ausland) Auch bei Beitragsschulden besteht Anspruch auf Notfallbehandlung und volle Leistungen bei Schwangeschaft und Entbindung ( 16 Abs. 3a SGB V) 118
119 Krankenversicherung Selbstständige: Ab Beginn der Erwerbstätigkeit Versicherungspflicht gem. 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V, wenn zuvor irgendwann Mitglied einer staatlichen oder gesetzlichen KV (auch im EU-Ausland) Ansonsten Basistarif der Privatversicherung ( 193 VVG) Auch bei Beitragsschulden besteht Anspruch auf Notfallbehandlung und volle Leistungen bei Schwangeschaft und Entbindung ( 16 Abs. 3a SGB V) 119
120 5. Kindergeld 120
121 Kindergeld 121
122 4. Linktipps 122
123 Linktipps Krankenversicherungspflicht-2012.pdf 123
124 Dorothee Frings: Sozialleistungen für Unionsbürger/innen nach der VO 883/
125 Diakonisches Werk: Handreichung "Sozialleistungen für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger in Deutschland
126 "Ausländerrecht - Verwaltungsvorschriften" Aufenthaltsgesetz, Freizügigkeit der Staatsbürger aus dem EU-Bereich, Ausländerzentralregister 624 Seiten, broschiert erschienen: 2010 Preis: 14,25 ISBN: Walhalla-Fachverlag
127 Georg Classen: "Sozialleistungen für MigrantInnen und Flüchtlinge" Handbuch für die Praxis 304 Seiten, kartoniert erschienen: 2008 Preis: 14,90 ISBN: Von-Loeper-Literaturverlag
128 Dorothee Frings: "Sozialrecht für Zuwanderer" 372 Seiten, broschiert erschienen: 2008 Preis: 39,- ISBN: Nomos-Verlagsgesellschaft
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