Manuskript. Notizbuch. Da kann man doch was machen Das. Geschäft mit der Schönheit. Wirtschaft und Soziales - Christine Bergmann
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1 Manuskript Notizbuch Titel: Da kann man doch was machen Das Geschäft mit der Schönheit AutorIn: Redaktion: Kristina Weber Wirtschaft und Soziales - Christine Bergmann Sendedatum: Sendezeit Programm: Uhr Bayern 2 ID/Prod.-Nr.: 15P0585 Produktion: , 20 Uhr, Uhr Arbeitstage: Mitwirkende: Anna Dr. Dominik von Lukowicz Dr. Ada Borkenhagen Beitragslänge: (30 Sekunden Fade) Musik: Temptations: My Girl Sun Salute Disappearing Time Wortmeldung: Moderation / Info: Seite 1
2 Beitrag Atmo: Radiomusik/Zahnputzgeräusche/Gurgeln: Musik: My Girl/Temptations Musik faded in den Hintergrund Oh Gott, wenn ich die Augenbrauen so hochziehe, das sieht ja schlimm aus. Ganz - runzelig. Vielleicht trocknet die neue Creme die Haut aus. Ja, das wird s sein. Oh, und da an der Seite bei den Augen... Wenn ich so lächle, ist es da schon ganz, ganz schlimm. Richtige Knitterfältchen. Liegt das am Licht hier drinnen? Musik Sun Salute Sprecher (verlockend): Manchmal scheint es, als würde unsere Haut schneller altern als wir selbst. Wäre es da nicht schön, wenn unser Äußeres stets mit unserem Lebensgefühl im Einklang wäre? Patienten sind begeistert. Ja, das wäre schön. Aber - Patienten? Musik Sun Salute (ab 1.20) Sprecher: Hyaluron-Säure Anti-Aging Wunder für glatte Haut/ Unterspritzung/Schön ohne OP/Günstig/ Botox (Sprecher wird drohender) Nasolabialfalten/Zornesfalte/Östrogenfältchen/Krähenfalten/Marionettenfalten Geräusch: Riss beendet Musik. Stopp, stopp, stopp. Jetzt mal langsam. Ich bin 33! Okay, ich hab jetzt ein paar graue Haare. Und eben auch ein paar Fältchen. Ich werde eben älter. Aber das ist doch normal, oder? Seite 2
3 Sprecher (verlockend): Aber da kann man doch was machen Musik: Disappearing time Ja, man kann da was machen. Und immer mehr Menschen, fast 90 Prozent von ihnen Frauen, lassen auch was machen. Die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen gibt bekannt, allein bei ihren Mitgliedern haben sich im Jahr Menschen in Deutschland ihr Gesicht minimalinvasiv behandeln lassen das sind 45 Prozent mehr als im Jahr davor. Minimalinvasiv bedeutet: behandelt wird nicht mit dem Skalpell, sondern mit der Spritze. Für die Patientinnen billiger, und ein geringeres Risiko gehen sie auch ein. Musikende Aber: Wenn es Schönheit und Jugend aus der Spritze und zum Sonderpreis gibt - darf man da eigentlich noch einfach so altern? Raumatmo Im Wartezimmer der Praxis von Dr. Dominik von Lukowicz Intimchirurgie, Lipödem, Gesicht, Brust, Körper treffe ich Anna. Ihren richtigen Namen will sie lieber nicht im Radio hören. Anna hat glänzendes dunkelblondes Haar, sie ist schlank, lässig gekleidet. Falten? Vielleicht ein paar kleine um die Augen. Und doch kommt Anna schon seit zwei Jahren in die Praxis, zur Faltenbehandlung. Warum? Seite 3
4 O-Ton 1 Anna: Ich bin 36, natürlich kann ich mir vorstellen, mehr Falten zu bekommen. Und ich glaube, jedes Gesicht wird ja auch durch Falten interessant und trotzdem allem ist es so, dass ich versuche, soweit wie möglich ja, ne natürlich Mimik mit ner schönen Haut oder mit nem relativ jugendlichen Aussehen zu kombinieren. (23) Aber dafür gleich zum Schönheitschirurgen? Anna erklärt: O-Ton 2 Anna: Ich hatte eben ne sehr fahle Haut und ich hatte auch insgesamt finde ich, einfach mehr, mehr Falten. Es war einfach so vom Gesamtbild, dass ich in Spiegel geschaut haben und ich war nicht glücklich. (14) Sie verglich sich mit Freundinnen im gleichen Alter, ging zur Kosmetikerin, probierte verschiedene Cremes, sogar chemisches Peeling. Der Weg zur Spritze war dann wohl nicht mehr so weit. Mittlerweile hat Anna Einiges ausprobiert. O-Ton 3 Anna: Angefangen eben mit den kleinen Sachen, also mit diesem Microbotox, was eigentlich ein minimales Ergebnis erzielt, bis hin zu den Behandlungen, die ein bisschen aufwendiger sind, mit Hyaluron, was ja auch ein natürlicher Stoff ist. Aber da muss man schon sagen, also ich glaub, dass das schon, wenn man da einmal drin ist, in dieser Schleife oder so, dann denkt man schon so, hm, das hab ich jetzt ausprobiert, da war ich zufrieden, mal gucken, was es sonst noch gibt. (31) Chirurg Dominik von Lukowicz, braun gebrannt, fit, jugendlich, spritzt in seiner Praxis in bester Lage in der Münchner Innenstadt zwischen 30 und 70 Patientinnen im Monat Botulinumtoxin, bekannt als Botox, oder Filler auf Seite 4
5 Hyaluronsäurebasis. Anna sah er zu Beginn ihrer Behandlung sehr häufig, jetzt alle paar Monate. Man kennt sich. Szene 1: Dr.: Also, was, was sollen wir heute machen? Anna: Also für mich würde in dem Bereich hier Botox D: Im Bereich der Augen? Seitlich? Anna: Und evtl. nochmal schauen, ob hier die Zornesfalte. Und wichtig, wie gesagt, wie immer, möglichst dezent. D: Dezent. Ja, richtig. (22) Musikakzent In Berlin untersucht Psychologin Dr. Ada Borkenhagen, warum immer mehr Menschen wie Anna sich Schönheitsbehandlungen unterziehen. O-Ton 4 Ada Borkenhagen: Unser Schönheitsideal ist ja ein Jugendlichkeitsideal. Wir haben zudem eine Gesellschaft, die zunehmend altert. Jeder möchte jung aussehen, und genau diesem Trend folgen die Menschen, die diese minimalinvasiven Verfahren in Anspruch nehmen. (23) Der Kampf gegen das Alter ist bereits jetzt vielen Menschen jede Menge Geld und Zeit wert sei es beim Sport, bei der Ernährung oder eben auch durch Schönheitschirurgie. Die Therapeutin glaubt, O- Ton 5: Dass der Druck auf die Normalbevölkerung ganz stark zunehmen wird, sich eben mit diesen Maßnahmen zu verschönern und eben in Zukunft schön zu altern. Man sieht das in der deutschen Bevölkerung auch schon, die Seite 5
6 Mittelschichtsfrau nimmt solche Verfahren zunehmend in Anspruch, wenn auch noch in geringerem Maß als in Amerika. (26) Mittelschichtsfrau ist auch Anna. Sie arbeitet als Lehrerin. O-Ton 6 Anna: Ich muss natürlich auf mein Geld schauen, ich bin jetzt keine Großverdienerin. Aber ich hab mir das Geld dann schon irgendwie zur Seite gelegt, und demensprechend als Kundin, die häufig auch kommt, oder Patientin, hab ich auch angenehme Preise bekommen. (18) Musik: Disappearing Time Aus dem Geschäftsbericht 2013 von Allergan, einem der führenden Anbieter für Botulinumtoxin- und Hyaluronsäure-Produkte, geht hervor: der weltweite Dermalfillermarkt konnte 2009 bis 2013 ein Gesamtwachstum von 71% verzeichnen. Dermalfiller sind etwa Produkte auf Kollagen- oder Hyaluronsäure-Basis, mit denen Falten oder altersbedingter Volumenverlust in der Haut ausgeglichen werden. Das Gewebe wird praller, straffer und besser durchfeuchtet. Mit den Produkten setzen Pharmafirmen wie Allergan, Merz oder andere Milliarden um - jährlich. Genaue Umsatzzahlen für Deutschland sind jedoch auch auf Nachfrage nicht zu bekommen. Musik Ende Neben den Herstellern verdienen die Ärzte. Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie wie Dominik von Lukowicz aber auch Orthopäden, Hautärzte und andere. Einzelne Behandlungen sind, je nach Dosis, ab ein paar hundert Euro zu haben. Seite 6
7 Doch während das Nervengift Botulinumtoxin rezeptpflichtig ist und nur von Ärzten mit geeigneter Qualifikation eingesetzt werden darf, ist etwa Hyaluronsäure als natürlich vorkommender Bestandteil des Bindegewebes nicht diesen Beschränkungen unterworfen. Sogar Heilpraktiker behandeln damit Falten - mehr oder weniger fachgerecht. Und obwohl es gerichtlich verboten wurde: Auch Kosmetikerinnen bieten immer wieder Unterspritzungen an. Atmo Vorbereitung In der Münchner Praxis von Dominik von Lukowicz geht eine riesige Lampe an. Gleißendes, weißes Licht fällt auf Anna, die junge Frau auf dem Behandlungsstuhl. In eine Spritze, nicht länger als sein kleiner Finger, zieht Dominik von Lukowicz eine winzige Menge Botulinumtoxin auf. Atmo Gummihandschuhe anziehen Atmo Desinfektionsmittel sprühen Szene 2: D: Zeigen sie nochmal, lächeln sie nochmal so. Hier sieht man jetzt ganz schön diese Fältchen an den seitlichen Augen, nach seitlich verlaufend. Im Volksmund sind das die sogenannten Krähenfüße, ist ja kein so schöner Ausdruck, sie können auch Lachfalten dazu sagen oder Sonnenblinzelfalten oder sowas. (20) Das sieht genauso aus wie bei mir, heute Morgen im Bad. (auf Ramp) Szene 3 : D: So, drehen sie den Kopf bisschen zu mir bitte. Jetzt schaut man hier, dass man hier im seitlichen Augenbereich ist der Muskel ganz oberflächlich, hängt Seite 7
8 sozusagen direkt mit der Haut zusammen. Deswegen muss man auch entsprechend gibt mal nen Pieks deshalb muss man auch ganz oberflächlich spritzen. Man setzt sozusagen hier so ne Quaddel. (23) Die Nadel ist ganz fein, viel dünner als zum Beispiel beim Blut abnehmen. Szene 4: D: Wenn man das so ein bisschen aufhält und so ein bisschen hin und her schiebt. Durchs Licht, dann sieht man, dass da natürlich auch Venen durchlaufen, da sticht man natürlich nach Möglichkeit nicht hinein. Noch ein Pieks. Und dann haben wir drei kleine, noch einer, drei kleine Piekser pro Seite. Und dann ist die Seite auch schon fertig behandelt. Reporterin: Und tut das jetzt weh? Anna: Sind wie gesagt Minipiekser, mit denen man gut leben kann. Geht schnell vorbei. (32) Weh tut es also nicht. Aber man sieht auch erst mal - nichts. Annas winzige Augenfältchen sehen genauso aus wie vorher. O-Ton 7 Dominik von Lukowicz: Das wirkt so, frühestens also eigentlich nach 24 Stunden, kann auch 5 7 Tage dauern, also normalerweise zwei, drei Tagen. Dann sieht man schon ne deutliche Wirkung, die maximale Wirkung ist dann nach 5 bis 6 Tagen erreicht. Und insgesamt hält es drei bis vier Monate (21) Das Ergebnis einer minimalinvasiven Behandlung soll vor allem natürlich aussehen. Das sagt Anna, und das sagen auch die anderen Patientinnen von Dominik von Lukowicz. Doch manchmal gerät ihm das Ergebnis so natürlich, dass den Patientinnen die Veränderung in ihrem Gesicht selbst kaum auffällt. Seite 8
9 O-Ton 8: Dominik von Lukowicz: Meistens ist es dann so, wenn man den Patientinnen zwei Wochen später, wenn das alles wirkt und sie kommen und sagen: Ach, es ist ja gar nicht viel passiert. Und man zeigt ihnen dann das Vorher-Bild - also, wir machen ja immer ne Foto-Dokumentation dann sind sie oft überrascht, wie viel in Wirklichkeit passiert ist und wie sehr sie sich schon an dieses neue Erscheinungsbild gewöhnt haben. (22) Auch Anna hat er vor zwei Jahren fotografiert. Sieht sie einen Unterschied? Szene 5: A. Ich hab mir die Fotos noch gar nicht angeschaut also bisher noch nicht. D: Aber Sie sind, glaub ich, angesprochen worden, oder? A. Ja, ich bin angesprochen worden. Auch von Bruder angesprochen worden, der gemeint hat: Ich schau irgendwie frisch aus, auch die Haut schaut gut aus. Oder du schaust erholt aus. Und das ist genau das Ergebnis, das ich wollte. Also, gar nicht, du hast dich irgendwie verändert, sondern erholt ausschauen, frischer ausschauen. (28) Tiefe Falten gar nicht erst entstehen zu lassen, feine Fältchen zu glätten, das ist das Ziel von Annas Behandlungsplan. Das Botulinumtoxin entspannt ihre Muskeln und verhindert so zum Beispiel ständiges Stirnrunzeln. Mit Hyaluronsäure-Filler hat der Arzt bei ihr den natürliche Volumenverlust im Gesicht ausgeglichen, unter den Augen, in der Nasolabialfalte und ganz leicht die Oberlippe vergrößert. O-Ton 9 Anna: Ab dem Moment, wo ich merke, mein Gesicht bewegt sich nicht mehr, oder ich habe irgendwie, ja, diese typischen, oder mir grinst so ne Hollywoodfratze entgegen um Gottes Willen, das fänd ich ganz furchtbar. (16) Seite 9
10 Anna will dem Altern vorbeugend entgegenwirken, eine schöne, jugendlich frische Haut bewahren. Andere kommen, um bestehende Falten zu glätten. Dominik von Lukowicz Patientinnen sind in jedem Alter. O-Ton 10 Dominik von Lukowicz: Also, es gibt die, die so ab 25 kommen, zwischen 25 und 35 und sagen, ich möchte unbedingt was machen, auch prophylaktisch und einfach unterstützend. Und es gibt die, die so zwischen 45 und 50 kommen oder auch 55 und sagen: aber ich brauch doch noch nichts, oder? Jeder hat auch ein anderes Empfinden und eine andere Wunschvorstellung von sich selbst. (25) Sieben Piekser waren heute bei Anna geplant, drei rechts neben dem Auge, drei links, einer in der Mitte über den Augenbrauen. Doch Anna fällt spontan noch etwas ein unter der Augenbraue könnte man doch noch Szene: 6 A: Haben wir nicht auch hier eigentlich gespritzt, dass das so n bisschen, das Auge wacher ist? D: Mhm. A: Das weiß ich nicht, wann wir das das letzte Mal gemacht haben, das fand ich nämlich auch irgendwie ganz schön. War auch nur minimal.. D: Genau, des ist minimal Atmo Behandlung (ausblenden, Text darüber) Zu gern würde ich sehen, wie Anna in einer Woche aussieht. Sind dann alle kleinen Fältchen verschwunden? Musik My Girl ganz leise Seite 10
11 Ich weiß ja auch gar nicht, wie Anna ohne die Behandlungen aussehen würde. Oder ich, wenn ich sowas mal ausprobieren würde. 700 Euro kostet die Dosis Botulinumtoxin, die der Arzt Anna heute gespritzt hat. Und spätestens in einem halben Jahr sollte nachgebessert werden. Könnte ich mir im Notfall schon leisten. Aber sieht Anna frischer aus als ich? Jünger? Ich finde eigentlich nicht. Zumindest aber sieht sie nicht operiert aus. Und weh scheint das Ganze auch nicht zu tun. Also: Was mach ich jetzt? Authentisch alt werden und auf gute Gene setzen? Schließlich werden meine Eltern ständig jünger geschätzt. Aber meine Mutter ärgert sich doch auch seit 20 Jahren über ihre Zornesfalte. In 20 Jahren bin ich 53. Ist Falten haben dann überhaupt noch drin? Musikende Die Berliner Psychologin Ada Borkenhagen glaubt: Nein. Ganz im Gegenteil. Sie befürchtet schon für die nähere Zukunft: O-Ton 11 Ada Borkenhagen: Dass natürlich diejenigen, die altern, ohne dass sie irgendetwas gemacht haben, dass das leicht dazu führen kann, dass diese Menschen stigmatisiert werden, dass sie ausgeschlossen werden. Wir haben das heute schon in Bezug auf das Übergewicht. Wenn Sie stark übergewichtig sind, dann ist das stigmatisierend, damit werden bestimmte Persönlichkeitseigenschaften negativer Art verbunden und sie werden ein Stück weit aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Und genau das, denke ich, wird in den nächsten Jahren mit dem Alter passieren. D.h. wenn sie starke Spuren im Gesicht aufweisen, die auf ein verlebtes Gesicht hindeuten, auf unschöne Seite 11
12 Falten, dass sie sozusagen nicht gesund und vital altern, dass das eben stigmatisierend wird. (52) Weil man ja eben was machen könnte wenn es nicht anders geht, dann eben mit Hilfe von Spritzen. Man muss es ja niemandem verraten. Auch Anna will über ihre Behandlungen lieber nicht reden. Nicht mit der Familie, nicht mir Freunden. Sie glaubt aber, sie ist nicht die Einzige, die der Schönheit nachhilft. O-Ton 12 Anna: Ich denke, dass ich wahrscheinlich mit einigen Leuten in Kontakt bin und es nicht weiß, ob die chemische Peelings machen, oder welche Art von Beauty-Behandlung oder Botox oder Hyaluron oder was auch immer, Needling. Ob die sowas machen und ob das einfach zu ihre Alltag oder zu ihrem Beauty-, zu ihrem Kosmetikdasein dazugehört. Das weiß ich ja nicht. Aber, dass ich s mache ist eben mein kleines Geheimnis und man muss ja nicht über alles reden. Psychologin Ada Borkenhagen beobachtet dieses Verhalten bei vielen Patientinnen und glaubt, es handele sich dabei um ein typisch deutsches Phänomen. Sie sagt: In anderen Ländern gehen Männer und Frauen viel selbstverständlicher damit um, dass sie sich Schönheitsbehandlungen unterziehen. In Amerika etwa gilt es als Zeichen des Wohlstands, sich sowas überhaupt leisten zu können. In Deutschland dagegen zählen Schönheit und Jugendlichkeit nur dann etwas, wenn man sie sich etwa durch Sport diszipliniert erarbeitet oder sie eben ganz natürlich sind. O-Ton 13 Ada Borkenhagen: Diese Natürlichkeit ist keine wirkliche Natürlichkeit, aber man muss sozusagen die Spuren, dass man etwas gemacht hat, kaschieren. Man tut so, als hätte man das mit der gesunden Ernährung, Seite 12
13 dem richtigen Kopfkissen oder viel Wasser trinken hinbekommen, was in der Regel nicht sein kann. (25) In einer aktuellen Untersuchung in Berlin hat Dr. Ada Borkenhagen Patientinnen befragt, die der Schönheit mit Botulinumtoxin und Fillern nachhelfen oder dem Alter entgegenwirken. Es zeigt sich: Die Frauen leiden keinesfalls unter einer Persönlichkeitsstörung im Gegensatz zu manchen Patienten, die ihren Körper durch immer neue Schönheits-OPs verändern. O-Ton 14: Ada Borkenhagen: Wir konnten weiterhin zeigen, dass bei diesen Patientinnen keinerlei Symptome einer Körperdismorphophobie vorliegen, das wurde immer in der Literatur so postuliert. Körperdismorphophobie? O-Ton 15 Ada Borkenhagen: Allgemein so leicht flapsig übersetzt mit dem Begriff Hässlichkeitswahn. Diese Patienten leiden quasi daran, dass sie ein inneres Bild von sich haben, dass sie als hässliche Person zeigt. Und dieses innere Bild wollen sie durch äußere Korrekturen ausgleichen, bzw. verschönern und das kann natürlich nicht gelingen. Die Filler- und Botulinumtoxin-Patientinnen dagegen zeigten sich in der Untersuchung zwar ein bisschen extrovertierter als die Durchschnittsbevölkerung und auch ein bisschen angepasster und ängstlicher. Unglücklicher aber sind sie nicht. O-Ton 16 Ada Borkenhagen: Also zumindest bei den Patientinnen, die wir untersucht haben, gibt es keinen Anhalt darauf, dass die sozusagen von Botox süchtig sind, oder nach Botox süchtig sind. Und wir können zeigen, dass sie in Seite 13
14 Bezug auf die psychische Lebensqualität sich nicht von der deutschen alters- und geschlechtsspezifischen Vergleichsgruppe unterscheiden. Sie sind also: nicht anders als alle anderen. Musikakzent Aber heißt das jetzt, schon längst laufen überall Frauen und Männer rum, die regelmäßig zu Hyaluron und Botox greifen? Lassen die Hälfte meiner Freundinnen sich schon behandeln oder zumindest die Hälfte der Freundinnen meiner Mutter? Weiß ich das nur nicht, weil alle so natürlich aussehen? Schönheitschirurg Dominik von Lukowicz: O-Ton 17 Dominik von Lukowicz: Es kommt natürlich sehr darauf an, wo man hingeht, wenn man so durch die Straßen oder die Fußgängerzone läuft, sieht man sie vereinzelt. Also, ich sage mal so, ich scanne ja nicht jedes Gesicht. Und ich bin da ja auch in meiner Freizeit und muss nicht jeden beurteilen. Wenn s mir so im Vorbeigehen auffällt, dann ist es eigentlich meistens schlecht gemacht. Ohoh, schlecht gemacht. Beinahe wäre ich jetzt schon überzeugt gewesen, aber das klingt nicht gut. Und tatsächlich: Schon nach kurzer Suche im Netz findet man auch solche Erfahrungsberichte: Musik: Disappearing Time Collage Seite 14
15 Sprecherin 1: Ich habe wochenlang ausgesehen, als hätte mich jemand verprügelt. Verquollen, geschwollen und alle Farbnuancen. Sprecherin 2: War bei der Kosmetikerin und habe im Nasolabialbereich die Falten mit Hyaluronsäure unterspritzen lassen. Jetzt hängen mir die Mundwinkel nach unten und mein Gesicht ist angeschwollen, ich sehe aus wie ein Zombie! Sprecherin 3: Seit der Unterspritzung ist mein Lächeln total asymmetrisch. Vorher hatte ich echt ein total symmetrisches Gesicht und jetzt traue ich mich kaum noch zu lachen... Ich könnte nur noch heulen... Es ist echt total schief!!! Unsachgemäße Behandlungen können eben auch bei einer eigentlich ungefährlichen Substanz wie Hyaluronsäure zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Verbraucherschützer raten deshalb: Auch für minimalinvasive Schönheitsbehandlungen nur zu einem Facharzt für ästhetische und plastische Chirurgie zu gehen. Außerdem sollte man vorher genau abklären, welche Kosten auf einen zukommen und nicht schon beim ersten Beratungsgespräch einen Behandlungsvertrag unterschreiben. Der Arzt muss darüber hinaus über Risiken aufklären und klar machen, welche Ergebnisse überhaupt möglich sind. Doch nicht immer nehmen sich die Ärzte diese Zeit. Atmo Behandlung In München, in der Praxis von Dominik von Lukowicz, ist Annas Behandlung abgeschlossen. Am Wochenende will sie verreisen, und da besonders frisch aussehen. Wie fühlt es sich eigentlich an, dieses Botox im Gesicht? Szene 7 Anna: Also, ich spür nichts, und bin auch nicht eingeschränkt. Seite 15
16 Dr: Ne. Man sieht auch: es hat keinen blauen Fleck gegeben. Ne, das kann grundsätzlich immer mal passieren, dass man halt doch ein Gefäßchen trifft, irgendwo was in der Tiefe oder auch oberflächlich. Und das es dann einen blauen Fleck gibt, der ein paar Tage hält. Damit muss man grundsätzlich halt immer rechnen. Gott sei Dank kommt es sehr sehr selten vor. (30) Dr. Lukowicz hat heute sieben Unterspritzungen vorgenommen alle haben gut geklappt. Er ist zufrieden und seine Patientinnen auch. O-Ton 18 Dominik von Lukowicz: Grundsätzlich gilt natürlich, dass man mit dem Patienten ganz klar besprechen muss, was habe ich vor, was ist möglich, was ist nicht möglich. Und dann weiß der Patient genau, was er zu erwarten hat, und normalerweise ist er dann auch nicht enttäuscht, wenn er halt bekommt, was er erwartet. (18) Anna erwartet sich von den Behandlungen mit Botulinumtoxin und Hyaluronsäure eine frischere, weniger knittrige Haut. Und sie findet, dass sie die nach zwei Jahren bei Dr. Lukowicz auch hat. Dass sie das im Gegensatz zu manch anderer in ihrem Alter jede Menge Geld gekostet hat, findet sie in Ordnung. O-Ton 19: Anna: Also darüber mach ich mir jetzt auch keine Gedanken, ob die Natur unfair war. Ich denk mir nur, so lange man was machen kann für mich ist es einfach ne Möglichkeit, mich wohler zu fühlen. (12) Musik Sun Salute Als ich meinen Freundinnen erzählt habe, dass ich eine Frau bei ihrer Faltenunterspritzung begleite, meinten einige: Frag doch mal nach, was das kostet! Und meine Mutter fing wieder mit ihrer Zornesfalte an. Seite 16
17 Der gesellschaftliche Druck, schön zu altern, ist doch längst da. Aber echtes Leben mit Spaß und dem ein oder anderen Exzess hinterlässt eben Spuren ist es mir wichtiger, schön zu altern, als etwas erlebt zu haben? Die meisten von uns schauen doch wahrscheinlich manchmal in den Spiegel und schneiden sich selbst Grimassen, um zu sehen, wie schlimm die Falten schon sind. Wir ernähren uns so gesund wie möglich, wir trinken viel Wasser und kaufen teure Cremes. Männer fahren Rennrad oder lassen sich Haare verpflanzen. Sprecher: Da kann man doch was machen Jugendlich bis zur Rente - das ist heute eine realistische Option. Gezwungen aber wird niemand. Psychologin Ada Borkenhagen: O-Ton 20: Ada Borkenhagen: Wir müssen das natürlich nicht alle mitmachen, und wir sehen schon auch in Untersuchungen zu Attraktivität, dass die Bedeutung von Attraktivität natürlich bei Menschen, die über 70 sind, sehr stark abnimmt (15) Musik: My Girl Ab siebzig zählen also nur noch die inneren Werte. Ob Anna sich behandeln lassen wird, bis sie siebzig ist? Ob ich mich irgendwann behandeln lassen werde, bevor ich siebzig bin? Keine Ahnung. Jedenfalls muss ich dringend mal wieder meine Haare tönen. Die Grauen nehmen jetzt wirklich überhand. Seite 17
18 Musik hochziehen Seite 18
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