Institutionalisierung Arbeitsorientierter Grundbildung (AoG) als Chance und Herausforderung 10 Thesen aus Wissenschaft und Projektpraxis
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- Marielies Waltz
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1 Institutionalisierung Arbeitsorientierter Grundbildung (AoG) als Chance und Herausforderung 10 Thesen aus Wissenschaft und Projektpraxis Zugänge schaffen AlphaDekade-Konferenz 2018 Dr. Sabine Schwarz und Prof. Dr. Michael Schemmann Hamburg 24. und 25. April 2018
2 Michael Schemmann: Forschungsteil von ABAG 2
3 Forschungsdesign Ausgangsüberlegungen, Fragestellungen Fallauswahl: Stammunternehmen und neugewonnene Unternehmen in ABAG 2 Rekrutierung der Interviewees zwischen Expertenstatus und Gelegenheitsstruktur Empirische Erhebung: 13 leitfadengestützte Experteninterviews in 6 Betrieben (Automobilbranche, Sozialdienstleistungen, Zeitarbeit, Verkehrsdienstleistung, Logistikbranche) Grundbildungsverständnis Inhaltsanalytische Auswertung Analyse von Begründungs- und Legitimationsmustern Gelingensfaktoren Inhaltsanalytische Auswertung Analyse von begünstigenden Faktoren Wissen und Können von Lehrkräften Inhaltsanalytische Auswertung Analyse von Kompetenzfacetten
4 Sabine Schwarz: Aus der Projektpraxis Bedarfsanalyse, Angebotsentwicklung, Durchführung und Evaluation von Arbeitsorientierten Grundbildungsangeboten in Kooperation mit Unternehmen? z.b. Seit 2012 ca TN
5 Warum befassen sich Unternehmen mit dem Thema? These 1: Um Betriebe für Arbeitsorientierte Grundbildung (AoG) zu gewinnen, bedarf es eines externen Impulses, d.h. der Ansprache durch einen Prozesstreiber. Auch interne Voraussetzungen haben Auswirkungen darauf, ob Unternehmen sich für AoG öffnen. Guter Zeitpunkt (etwa durch aktuelle Umstrukturierungs- bzw. Veränderungsprozesse) Personalverantwortliche sind bereits sensibilisiert und Konzepte der Alphabetisierung und der Grundbildung sind bekannt Veränderungsdruck (Personalnot, Fehler, hohe Fluktuation )
6 These 2: Für die erfolgreiche Institutionalisierung arbeitsorientierter Grundbildung bedarf es des Prozesstreibers, der den Prozess von der Bedarfsanalyse über die Angebotsentwicklung, bis zur Durchführung und Evaluation steuert und begleitet. dann hat es zwei Monate gedauert und dann hatten wir ein spannendes Projekt hier, nämlich diese Kaufleute auszubilden, das waren alles leistungsgeminderte Mitarbeiter aus dem technischgewerblichen Bereich und so sind wir eigentlich dann zusammengekommen (I_Au_1: 150ff.).
7 These 2: Für die erfolgreiche Institutionalisierung arbeitsorientierter Grundbildung bedarf es des Prozesstreibers, der den Prozess von der Bedarfsanalyse über die Angebotsentwicklung, bis zur Durchführung und Evaluation steuert und begleitet.? Wer bezahlt den Prozesstreiber? Unternehmen übernehmen aktuell bis zu 100% der anfallenden Honorarkosten. Das Bildungsmanagement wird aus der Projektressource geleistet und GERNE in Anspruch genommen.
8 These 3: Bereits etablierte Strukturen der innerbetrieblichen Weiterbildung erweisen sich als förderlich für die Institutionalisierung. These 4: Als förderlich für die Institutionalisierung erweisen sich die Identifikation und Sichtbarmachung von Grundbildungsbedarfen. Und ich hab gesagt: Nö, das ist nicht unser originäres Geschäft, das sollen die mal schön bei der Volkshochschule machen oder sonst wo Kurse. Wir sind nicht dafür zuständig, das Deutsch auszubilden. Sehr arrogant war ich da. [...] Wir müssen sehr viel Fachliches schulen und ne, das hat sich mir nicht so erschlossen. Ich hab immer so gedacht, naja wer jetzt hier arbeiten will der muss doch auch selber von sich aus interessiert sein die Sprache zu sprechen. Aber das ist nicht so. Das ist einfach definitiv nicht so und ich hab mich da auch sehr schnell belehren lassen, dass das eben anders ist (I_Pf_1: 58f.)
9 These 3: Bereits etablierte Strukturen der innerbetrieblichen Weiterbildung erweisen sich als förderlich für die Institutionalisierung. These 4: Als förderlich für die Institutionalisierung erweisen sich die Identifikation und Sichtbarmachung von Grundbildungsbedarfen. z.b. Zielgruppe: Umschüler Situation: Lernungewohnte Zielgruppe, theoretische Anforderungen der Umschulung zum Industriemechaniker müssen bewältigt werden Gefahr: Ausbildungsabbruch Grundbildungsbedarf: Das eigene Lernen zu organisieren Angebot: Umschulung packen Lernen lernen Angebotsvorschläge sind abgeleitete Ergebnisse der vorangegangenen Bedarfsermittlung!
10 These 5: In den Prozess der Angebotsentwicklung sind die Schlüsselakteure und Stakeholder unbedingt mit einzubeziehen. Und wo man auch so Einfluss nehmen kann. Das find ich schon. Das ist sonst, ja man hat dann halt ein Thema, dazu wird ein Kurs angeboten, der Kurs wird durchgeführt und hier war das einfach toll, dass man da so mitwirken konnte von Anfang an. Das wir gesagt haben, was wollen wir da machen? Was wollen wir damit bezwecken? (I_Pd_2: 182ff.)
11 These 5: In den Prozess der Angebotsentwicklung sind die Schlüsselakteure und Stakeholder unbedingt mit einzubeziehen. z.b. Unterschiedliche Perspektiven werden sichtbar: Trainer: Die sollten schon grammatisch korrektes Deutsch lernen. Beschäftigter: Dann muss ich bald nicht mehr meine Kollegin um Hilfe bitten. Vorgesetzte: Hoffentlich habe ich dann genug Personal für die Schicht. Personalentwickler: Endlich können die problemlos an unserer IT-Systemschulung teilnehmen.
12 These 6: Die Einbindung der Trainer*innen erfolgt flexibel an den Lern- und Arbeitsprozess orientiert. das Schöne ist eigentlich, dass es nicht so eine Schulung von der Stange ist. Sondern dass man wirklich sagt: Was macht ihr? Also Wirklich auf den Arbeitsplatz eingeht (I_Fl_2: 231ff.) Ich glaube, dass (...) sich die Trainer da auch sehr gut drauf einstellen, dass die wirklich also mitgehen mit den Leuten und merken: Hm, da ist jetzt noch ein bisschen Redebedarf, (...) (...) die reagieren halt auch auf die Leute und sagen: Ne, ne Moment, ich merke da ist jetzt hier ein Brandherd und da müssen wir jetzt erstmal da drauf eingehen (I_Fl_2: 239ff.)
13 These 7: Für die Institutionalisierung ist die Durchführung der AoG-Konzepte auf höchster Qualität erforderlich, dazu muss eine Balance und Passung zwischen betrieblichen Bedarfen und den Bedürfnissen der Teilnehmenden hergestellt werden. Es hat n Nutzen für den ganzen Markt, es ist natürlich nen riesen Vorteil, dass wir persönlich aktiv an der Entwicklung beteiligt sind. Das hilft uns natürlich, unsere Interessen, ich sag mal richtig gut unter zu bringen. Die da jetzt nicht irgendwie, ich sag mal negativer Art sind, sondern unsere ganzen Fachinteressen (I_Lo_2: 325ff.)
14 These 6: Die Einbindung der Trainer*innen erfolgt flexibel an den Lern- und Arbeitsprozess orientiert. These 7: Für die Institutionalisierung ist die Durchführung der AoG-Konzepte auf höchster Qualität erforderlich, dazu muss eine Balance und Passung zwischen betrieblichen Bedarfen und den Bedürfnissen der Teilnehmenden hergestellt werden.? Wie kann eine hohe Qualität des gesamten Prozesses ohne Projektressourcen gewährleistet und finanziert werden? Welche Regelförderung kann für AoG genutzt werden? Wer wird AoG anbieten? (freiberufliche Trainer*innen, Bildungsinstitutionen) Wie kann eine weitere Professionalisierung der Anbieterseite vorangetrieben werden?
15 These 8: Es gilt den Nutzen von AoG-Konzepten mehrperspektivisch zu argumentieren, d.h. es werden individuelle und betriebsbezogene Effekte differenziert. das ist so dieser Effekt privater Nutzen aber auch geschäftlicher Nutzen, ne. Man hat beides (I_Pd_2_ 213f.) Weil es etwas ist was wirklich absolut auf unsere Niederlassungen zugeschnitten ist, auf unseren Bedarf (I_Pd_2: 542f.) weil die merken diese Selbstsicherheit, diese Zufriedenheit die wirkt sich auch auf andere Tätigkeiten aus (I_Fl_1: 327f.)
16 These 8: Es gilt den Nutzen von AoG-Konzepten mehrperspektivisch zu argumentieren, d.h. es werden individuelle und betriebsbezogene Effekte differenziert. z.b. Betriebsbezogener Nutzen (Auswahl): Die Beschäftigten können nun flexibel unterschiedliche Arbeiten erledigen. Die Beschäftigten können an fachlichen, innerbetrieblichen Qualifizierungen teilnehmen. Individueller Nutzen (Auswahl): Man kann ohne Angst äußern, wenn man Dinge nicht richtig verstanden hat. Man kann die eigenen Kinder besser unterstützen. Man kann sich bei einem anderen Arbeitgeber bewerben, der mehr Geld bezahlt.
17 These 9: Die Institutionalisierung hängt nachhaltig vom Erfolg der ersten Veranstaltungen bei den Teilnehmenden ab. Im Idealfall entwickelt sich ein Schneeballeffekt und andere Nicht-Teilnehmende werden motiviert mitzumachen. Natürlich war es auch teilweise so, dass die Mitarbeiter gesagt haben: Hey! Beim nächsten Lehrgang möchte ich gerne mal dabei sein, ne. Das hat sich dann schon positiv herumgetragen (I_Fl_3: 147f.). Das Schöne ist die Kollegen und Kolleginnen die bereits, ich sag mal in den Genuss des Projektes gekommen sind, die haben den Mehrwert erkannt, die wissen auch, dass die Refinanzierung relativ schnell gelingt auch, insofern würden wir da auch offene Türen einrennen, wenn wir sagen würden wir wollen da nochmal weitermachen (I_PD_2: 275ff.)
18 These 9: Die Institutionalisierung hängt nachhaltig vom Erfolg der ersten Veranstaltungen bei den Teilnehmenden ab. Im Idealfall entwickelt sich ein Schneeballeffekt und andere Nicht-Teilnehmende werden motiviert mitzumachen. Mittlerweile hat aber das auch die Runde gemacht, das ist ja oft der Schneeballeffekt: Mensch, das führt ja auch zu was! Und das war ja auch gut und da hat ja auch die Leute motiviert und die freuen sich auch und das hat wieder ein bisschen Schub gegeben. So dass ich schon glaube, dadurch, dass wir eben auch auf dem Weg hin zur Personalentwicklung sind, dass wir einen anderen Stellenwert haben und da mit Sicherheit auch mehr ins eigene Portmonee greifen würden (I_Fl_2: 166ff.).
19 Wer ist fachlich zuständig für AoG? These 10: Dabei sind die Förderlogiken entlang der Biografien der Teilnehmenden und nicht entlang der Zuständigkeiten für Bildungsbereiche zu denken. Auszubildende Jugendliche in berufsvorbereitenden Maßnahmen Neuzugezogene und schon länger in Deutschland lebende Menschen mit nicht ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen Umschüler*innen/Personen in Teilqualifizierungen Arbeitssuchende mit geringen formalen Qualifikationen Leiharbeitnehmer*innen Zuständigkeitsübergreifend Wissen und Ressourcen im Sinne der Adressat*innen vernetzen und nutzen.
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