Sozial- und Wirtschaftsstatistik aktuell AK Wien
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1 Sozial- und Wirtschaftsstatistik aktuell AK Wien Einkommen aus Arbeit und Vermögen WUSSTEN SIE, DASS der Einkommensanteil der untersten 20% der ArbeitnehmerInnen seit 1976 konstant gesunken ist, während die obersten 20% deutlich dazugewonnen haben? die Einkommen aus Vermögensbesitz noch deutlich ungleicher verteilt sind als die Löhne und Gehälter? in Österreich sehr wenige Haushalte ausschließlich von Einkommen aus Vermögensbesitz leben können, während der überwiegende Teil der Bevölkerung kaum nennenswerte Vermögenseinkünfte hat? von den reichsten 20% der Haushalte zwei Drittel eine Erbschaft erhalten, bei den ärmsten 20% der Haushalte hingegen nur jeder zehnte erbt. Die Verteilung der Einkommen in Österreich Im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise wurde die zunehmende Ungleichheit der Einkommensverteilung als eine von mehreren Krisenursachen ausgemacht. In Österreich sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich durch die Umverteilungswirkungen des Wohlfahrtsstaates nicht so groß wie in vielen anderen Ländern, aber auch hierzulande öffnet sich die Einkommensschere spürbar. Diese Aussage lässt sich auf der Grundlage verfügbarer Daten für Österreich zeigen. Zumindest für jene Einkommensarten, die durch Steuer- und Abgabenstatistiken sehr gut erfasst sind. Es sind vor allem die lohnsteuerpflichtigen Einkommen, für die es in Österreich verlässliche und detaillierte Zahlen gibt, die eine Zunahme der Lohnungleichheit über die letzten Jahrzehnte nachweisen (siehe Tabelle 1). So stieg der Gini-Koeffizient, der zwischen 0 und 1 begrenzt ist und einen höheren Wert für größere Ungleichheit annimmt, seit 1976 kontinuierlich an (siehe Glossar auf Seite 5). Gleichzeitig sank der ohnehin geringe Einkommensanteil der Ärmsten 20 % ab, während der Einkommensanteil der Bestverdienenden 20 % im Jahr 2010 wesentlich höher war als noch Für die Entwicklung bei den niedrigen Löhnen ist vor Impressum: Herausgeber und Medieninhaber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Strasse Redaktion: Gerlinde Hauer, Petra Innreiter, Ilse Leidl, Reinhold Russinger, Matthias Schnetzer, Norman Wagner Kontakt: SWSA@akwien.at Verlags- und Herstellungsort: Wien Erscheinungsweise: 11 mal jährlich Kostenlose Bestellung unter: DVR: AKWien
2 allem die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse verantwortlich, vor allem der Anstieg der Teilzeitbeschäftigung. Tabelle 1: Entwicklung der Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Einkommen Gini-Koeffizient ArbeitnehmerInnen 0,349 0,350 0,410 0,433 0,441 0,452 Einkommensanteile in % Unterstes Quintil 4,8 5,4 2,9 2,5 2,2 2,0 Oberstes Quintil 40,2 41,0 44,4 45,7 46,5 47,4 Quelle: Sozialbericht , Statistik Austria, Lohnsteuerstatistik, WIFO-Berechnungen Während die Einkommen von unselbständig Beschäftigten in Österreich durch die Lohnsteuerstatistik und die Statistiken der Sozialversicherungsträger sehr gut erfasst sind, gibt es zu den selbständig Beschäftigten nur bedingt verlässliche Informationen. Als primäre Datenquelle gilt hier die Integrierte Lohn- und Einkommenssteuerstatistik von Statistik Austria. Allerdings wird hier nur wiedergegeben, was die Steuerpflichtigen in ihren Steuerbescheiden auch tatsächlich angeben. Dennoch legt eine Analyse dieser Steuerstatistik für das Jahr 2010 nahe, dass die Selbständigeneinkommen im Vergleich zu den Lohneinkommen noch schiefer verteilt sind: so ist der Gini-Koeffizient mit 0,71 sehr hoch, das oberste Zehntel vereint 58 % der Einkommen auf sich. Verteilung der Einkommen aus Vermögensbesitz Steuerdaten können allerdings nur Informationen zu Einkommen liefern, die von den staatlichen Behörden auch tatsächlich erfasst werden. Somit gibt es zwar relativ verlässliche Daten zu den Einkommen aus Arbeit, kaum aber Informationen zu Einkommen, die aus dem Besitz von Vermögen erzielt werden. Folglich konnten Kapitaleinkommen aufgrund der schwachen Datenlage bisher in den meisten Verteilungsanalysen für Österreich nicht berücksichtigt werden. Haushaltserhebungen wie der von Statistik Austria seit 2003 durchgeführte EU-SILC (Statistics on Income and Living Conditions) sowie der von der OeNB erhobene HFCS (Household Finance and Consumption Survey) stellen dabei wichtige Informationsquellen dar, um das Bild der Einkommenssituation in Österreich zu vervollständigen. Beide Datenquellen erheben einen breiten Einkommensbegriff, der neben den Arbeitseinkommen auch die Vermögenseinkünfte mit einschließt, und erlauben damit eine detaillierte Analyse der gesamten Haushaltseinkommen. Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Datenquellen liegt in der Befragungsmethode. So wurden im SILC 2
3 sowohl persönliche als auch telefonische Interviews durchgeführt, während im HFCS alle Befragungen persönlich vorgenommen wurden (CAPI - Computer Assisted Personal Interview). Studien zeigen, dass die Angaben in persönlichen Interviews verlässlicher sind, als jene die am Telefon gemacht werden. Das wird vor allem bei der Erhebung von Haushalten am oberen Ende der Vermögensverteilung sichtbar. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Ergebnisse, die aus diesen Daten gewonnen werden können. Tabelle 2: Verteilung der Vermögenseinkommen in Österreich SILC HFCS Partizipation in % Durchschnitt Perzentil Perzentil (Median) Perzentil Perzentil Einkommensanteil Top 1% Gini-Koeffizient 0,86 0,91 Quelle: Humer et al. (Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 4/2013, im Erscheinen) Die Tabelle zeigt, dass ein Großteil der österreichischen Haushalte Einkommen aus Vermögensbesitz erzielt (76 % der Haushalte laut SILC, 78 % laut HFCS). Dies liegt vor allem daran, dass die meisten Haushalte Gehaltskonten (99 %), Sparkonten (87 %) oder Bausparverträge (55 %) besitzen. Fonds (10 %), Aktien (5 %) und Anleihen (4 %) sind deutlich weniger verbreitet. Häuser oder Wohnungen, die nicht als eigener Hauptwohnsitz genutzt werden, besitzen lediglich 13 % der befragten Haushalte. Die Hälfte der Haushalte erzielt aus diesen Einkommensquellen weniger als 200 Euro im Jahr. Allerdings sind die Vermögenseinkünfte sehr schief verteilt, wobei der HFCS den oberen Rand der Verteilung besser abdeckt als die SILC-Daten. Das oberste Prozent weist im SILC ein Jahreseinkommen von rund Euro aus Kapitalbesitz auf, während es im HFCS sogar Euro im Jahr sind. Die Gini-Koeffizienten sind mit 0,86 bzw. 0,91 bei den Kapitaleinkommen deutlich höher als für Lohn- und Selbständigeneinkommen und zeigen eine größere Ungleichheit an. Die Daten aus den Haushaltserhebungen bieten somit neue und eindrückliche Einblicke in die Einkommensverteilung der österreichischen Haushalte. Aus den Daten wird ersichtlich, dass kaum ein Haushalt ausschließlich von Vermögenseinkommen leben kann. Das ist nur sehr wenigen Haushalten mit hohen Einkommen aus Vermögensbesitz möglich. 3
4 Zuflüsse aus Erbschaften Schließlich werden die Vermögen, die einigen wenigen als ertragreiche Einkommensquelle abseits von Arbeit dienen, über Generationen hinweg weitergegeben. Auch dazu liefern die Daten aus dem HFCS aufschlussreiche Informationen. Abbildung 1: Anteil der Erbenhaushalte und Median des Gegenwartswert der Erbschaft Anteil in % Median in Quelle: Oesterreichische Nationalbank, HFCS 2010 In Abbildung 1 ist zu erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit zu erben für Haushalte an unterschiedlichen Positionen der (Netto-)Vermögensverteilung sehr ungleich ist. Im 5. (obersten) Vermögensquintil gaben 65 % der Haushalte an, schon einmal geerbt zu haben. Im 1. (untersten) trifft dies nur für knapp 10 % zu. Auch der Wert der Erbschaften unterscheidet sich sehr deutlich. Die OeNB berechnet hier einen Gegenwartswert, also was eine Erbschaft, die vor einigen Jahren erhalten wurde, heute wert wäre. So wurde im 1. (untersten) Nettovermögensquintil nur rund Euro im Median geerbt, im 5. (obersten) Fünftel sind es indessen Euro. Eine interessante Beobachtung ergibt sich, wenn die Erbschaften in Relation zu den Bruttojahreseinkommen der jeweiligen Haushalte gestellt werden. So erbt ein Haushalt im 1. (untersten) Fünftel der Nettovermögensverteilung im Median 76 % seines Jahreseinkommens. Bei den vermögendsten 20 % (5. Fünftel) beträgt das Erbe gemessen am ohnehin hohen Jahreseinkommen satte 389 %. 4
5 Die Arbeiterkammer setzt sich ein für eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums durch Maßnahmen wie niedrigere Dividenden, zugunsten von Realinvestitionen und Lohnsteigerungen. Steuern auf sehr hohe Vermögen: Sie sollen einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Sozial- und Wohlfahrtsstaates leisten. die Einführung einer reformierten Erbschafts- und Schenkungssteuer mit Freibeträgen: Zu erben ist keine Leistung, die gegenüber Arbeit steuerlich begünstigt werden sollte. Das Aufkommen einer Erbschaftssteuer könnte der Finanzierung von Pflegedienstleistungen dienen. einen Ausbau des Wohlfahrtsstaates und des Sozialsystems: Der Zugang zum Gesundheits-, Bildungs- und Pflegesystem ist essentiell für eine gerechte Verteilung von Lebenschancen. Glossar Die in diesem Beitrag erwähnten Haushaltserhebungen sind EU-SILC und HFCS. Informationen zu den jeweiligen Datenquellen finden Sie unter folgenden Verweisen: EU-SILC: HFCS: Gini-Koeffizient Der Gini-Koeffizient ist eine statistische Maßzahl zur Abbildung von Ungleichverteilungen. Bei maximaler Ungleichverteilung (eine Person erhält das komplette Einkommen) nimmt der Gini-Koeffizient einen Wert von 1 an, bei einer perfekten Gleichverteilung der Einkommen liegt der Wert bei 0. Je höher also der Koeffizient ist, desto ungleicher sind die Einkommen verteilt. Nettovermögen Das Nettovermögen eines Haushalts berechnet sich aus dem Bruttovermögen abzüglich der Schulden. Zum Bruttovermögen werden Sachvermögen (Immobilien, Unternehmenseigentum, Fahrzeuge, Wertgegenstände) und Finanzvermögen (Girokonten, Spareinlagen, Investmentfonds, Aktien, etc.) gerechnet. In die Verschuldung gehen besicherte (mit Immobilien etc. besichert) und unbesicherte (Überziehungskredite, Kreditkartenschulden, etc.) Schulden ein. 5
6 Medianeinkommen Das Medianeinkommen gibt die Einkommenshöhe an, welche die EinkommensbezieherInnen in zwei gleich große Hälften teilt. 50 % verdienen mehr als der Median (das mittlere Einkommen) und 50 % weniger. Weitere Informationen Fessler, Pirmin/Mooslechner, Peter/Schürz, Martin (2012): Household Finance and Consumption Survey des Eurosystems 2010: Erste Ergebnisse für Österreich. Geldpolitik & Wirtschaft Q3/12 Humer, Stefan/Moser, Mathias/Schnetzer, Matthias/Ertl, Michael/Kilic, Atila (2013, im Erscheinen): Über die Bedeutung von Kapitaleinkommen für die Einkommensverteilung Österreichs. Wirtschaft und Gesellschaft, 39. Jahrgang, Heft 4 Wollen Sie dieses Informationsservice abonnieren? Ganz einfach unter: Sozial- und Wirtschaftsstatistik aktuell auswählen und auf abschicken klicken. Feedback und Rückfragen bitte an SWSA@akwien.at 6
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