Philosophische Fakultät Institut für Philosophie Lehrstuhl für Theoretische Philosophie Dr. Holm Bräuer. 5. Metaphysik
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1 Philosophische Fakultät Institut für Philosophie Lehrstuhl für Theoretische Philosophie Dr. Holm Bräuer 5. Metaphysik 1239
2 1240
3 Metaphysik Was ist das eigentlich? 1241
4 Wie die Metaphysik zu ihrem Namen kam 1242
5 dasjenige, was nach der Physik kommt 1243
6 Aristoteles ( v. Chr.) Aristoteles gehört zu den einflussreichsten Philosophen der griechischen Antike. Er studierte 20 Jahre an Platons Akademie, zuerst als Student, dann auch als Lehrer. Später ging er nach Makedonien, wo er Lehrer von Alexander des Großen war. Er kehrte nach Athen zurück und gründete seine eigene Philosophenschule, das Lykeion. Organon; Physik; Metaphysik; Nikomachische Ethik; Politik 1244
7 Die vierzehn Bücher der Metaphysik des Aristoteles stellen kein einheitliches Werk dar. 1245
8 Erstes Buch Metaphysik = Wissenschaft der ersten und obersten Ursachen Zweites Buch Erforschung der Wahrheit Sechstes Buch Wissenschaft des Seienden als Seiendem Sechstes und zwölftes Buch philosophische Gotteslehre ( Theologie ) Substanzbücher (7 bis 9) Lehre von den ersten Prinzipien der veränderlichen Substanzen 1246
9 Wissenschaft vom Seienden als Seiendem Seiendes in seinen Attributen Seiendes als solches Akzidenzien (existieren als Hinzukommendes ) Substanzen (existieren als solche) veränderliche, wahrnehmbare Substanz unveränderliche, göttliche Substanz Ontologie erste Ursachen und Prinzipien der veränderlichen Welt Theologie erste Ursachen und Prinzipien der unveränderlichen Substanz 1247
10 metaphysica generalis allgemeine Ontologie metaphysica specialis Johann Micraelius ( ) theologia rationalis philosophische Theologie cosmologia rationalis philosophische Kosmologie Christian Wolff ( ) psychologia rationalis philosophische Psychologie 1248
11 Die Grundfrage der Ontologie 1249
12 Interessant am Problem der Ontologie ist seine Einfachheit. Es kann mit drei deutschen Worten beschrieben werden: Was gibt es? Mehr noch, es kann mit einem einzigen Wort beantwortet werden: alles und jeder würde diese Antwort als wahr akzeptieren. Doch damit ist noch nicht mehr gesagt als dass es gibt, was es gibt. Die Möglichkeit verschiedener Auffassungen über einzelne Fälle bleibt bestehen und damit hat dann das Problem auch Jahrhunderte überlebt. W.V.O. Quine, On what there is 1250
13 Was gibt es? Erfassen eines Begriffs Was ist Bedeutung? Was ist Wissen? Was ist eine Erklärung?... durch eine reduktive Definition. (philosophische Analyse) 1251
14 Lässt sich die Frage nach dem, was es gibt, durch philosophische Analyse beantworten? 1252
15 Was bedeutet es, dass etwas existiert? Was bedeutet es, dass etwas existiert? 1253
16 Grundbegriffe der allgemeinen Ontologie Was bedeutet es, dass etwas existiert? Existenz Modalität Identität Grundlagen der kategorialen Ontologie Dinge Was bedeutet es, dass etwas existiert? Eigenschaften Sachverhalte Ereignisse 1254
17 Grundbegriffe der Ontologie Existenz Modalität Identität 1255
18 Sokrates ist. existentielle Verwendung {x x = Sokrates} Sokrates ist ein Mensch. prädikative Verwendung Sokrates {x x ist ein Mensch} Cicero ist Tullius. Identität Cicero = Tullius Ein Mensch ist ein Säugetier. inklusive Verwendung {x x ist ein Mensch} {y y ist ein Säugetier} 1256
19 Sokrates ist. existentielle Verwendung In der Menge aller, die es gibt, existiert einer, der mit Sokrates identisch ist. Sokrates ist ein Mensch. prädikative Verwendung Sokrates ist ein Element der Menge der Menschen. Cicero ist Tullius. Identität Cicero ist identisch mit Tullius Ein Mensch ist ein Säugetier. inklusive Verwendung Die Menge der Menschen ist Teilmenge der Menge der Säugetiere. 1257
20 Welche Bedeutung hat das Prädikat existieren? Was bedeutet es, dass etwas existiert? 1258
21 Existenz ist keine Eigenschaft Immanuel Kant 1259
22 Wenn ich also ein Ding, durch welche und wie viel Prädikate ich will denke, so kommt dadurch, dass ich noch hinzusetze, dieses Ding ist, nicht das mindeste zu dem Dinge hinzu. Denke ich mir sogar in einem Ding alle Realität außer einer, so kommt dadurch, dass ich sage, ein solches mangelhaftes Ding existiert, die fehlende Realität nicht hinzu, sondern es existiert gerade mit demselben Mangel behaftet, als ich es gedacht habe, sonst würde etwas anderes, als ich dachte, existieren. Kant, Kritik der reinen Vernunft 1260
23 Tigerhasen sind gestreift. Tigerhasen existieren. 1261
24 Existenz ist eine Eigenschaft höherer Ordnung Gottlob Frege, Bertrand Russell 1262
25 Eigenschaft erster Ordnung Dieser Stuhl ist rot. Rot ist eine Eigenschaft von einem Ding. Eigenschaft zweiter Ordnung Rot ist eine Farbe. Farbe ist eine Eigenschaft von einer Eigenschaft oder einer Klasse. 1263
26 Eine Eigenschaft 2. Ordnung kann nicht auf Gegenstände angewendet werden! # Dieser Stuhl ist eine Farbe. 1264
27 Rot ist eine Farbe. Die Menge der Farben enthält das Element ROT. Elefanten existieren. Die Menge der Elefanten besitzt mindestens ein Element. 1265
28 Zwerge existieren nicht. Die Menge der Zwerge ist leer. Pegasus existiert nicht. Die Menge der ist leer? Konzept scheitert bei Namen von Individuen. 1266
29 Existenz ist abhängig von einem sprachlichen Bezugssystem Rudolf Carnap, Willard Van Orman Quine 1267
30 Elefanten existieren. x (Elefant (x)) Der offene Satz x ist ein Elefant. ist für mindestens ein Individuum x aus dem Quantifikationsbereich (der Domäne) des Existenzquantors wahr. 1268
31 Der Quantifikationsbereich (die Domäne von Gegenständen, die eine Variable als Wert annehmen darf) ist abhängig von einer Sprache oder Theorie. 1269
32 Fazit Die Antwort auf die Frage nach dem, was es gibt, kann nur relativ zu einem Bezugsrahmen oder einem Sprachsystem beantwortet werden. 1270
33 Existenz ist Aktualität Anthony Kenny 1271
34 Dinosaurier existieren nicht mehr, obwohl es früher welche gab. 1272
35 Es gibt zwar noch die Toten, aber die Menschen, die sie mal waren, existieren nicht mehr. 1273
36 Etwas kann beginnen zu existieren, gerade jetzt (aktual) existieren oder aufhören zu existieren. 1274
37 Existenz im Sinne von Aktualität kann einzelnen Dingen wie ein Prädikat erster Stufe sowohl zu- als auch abgesprochen werden. Elefanten existieren noch. Mammuts existieren nicht mehr. 1275
38 Die alethischen Modalitäten aletheia - die Wahrheit betreffend 1276
39 Aussagen, in denen Ausdrücke wie möglich, notwendig, unmöglich usw. vorkommen, nennt man Modalaussagen. 1277
40 Alethische Modalitäten sind allgemeine Bestimmungen, in denen die Wahrheit einer Aussage bewertet wird. Eine Aussage ist notwendig wahr, wenn es nicht sein kann, dass sie falsch ist. 1278
41 Etwas ist notwendig, wenn es nicht möglich ist, dass es nicht existiert. Etwas ist kontingent, wenn es möglich ist, dass es nicht existiert. Etwas ist möglich, wenn es möglich ist, dass es existiert. Etwas ist unmöglich, wenn es nicht möglich ist, dass es existiert. 1279
42 Die epistemische Interpretation der alethischen Modalitäten Rudolf Carnap, Logischer Empirismus 1280
43 ontologisch notwendig ontologisch möglich 2+2=4 Schwäne sind weiß. a priori epistemisch a posteriori epistemisch 1281
44 ontologisch notwendig ontologisch möglich Ist jede notwendig wahre Aussage eine Aussage, die a priori wahr ist, und umgekehrt? Ist jede möglich wahre Aussage eine Aussage, die a posteriori wahr ist, und umgekehrt? a priori epistemisch a posteriori epistemisch 1282
45 Notwendige Sätze a posteriori und kontingente Sätze a priori Saul A. Kripke 1283
46 Goldbachs Vermutung Jede gerade Zahl, die größer als zwei ist, ist die Summe von zwei Primzahlen. Wenn diese Vermutung wahr ist, dann handelt es sich um eine notwendige Wahrheit; wenn sie falsch ist, dann ist sie notwendig falsch. 1284
47 Wir wissen nicht, ob sie wahr oder falsch ist. 1285
48 Das Urmeter in Paris In Paris liegt ein Stab, dessen Länge als Standard für das Meter dient. Dieser Stab ist notwendig einen Meter lang, da wir dies ja festgelegt haben und ihn als Standard für die Längenmessung benutzen. 1286
49 Es ist kontingent, dass gerade dieser Stab einen Meter lang ist. 1287
50 Alethische Modalitäten und mögliche Welten 1288
51 Es ist notwendig, Es ist möglich, Es ist unmöglich, dass S. dass S. dass S. w 1 w 1 w 1 w 2 wahr w 2 wahr w 2 wahr w 3 w 3 w 3 w 4 falsch w 4 falsch w 4 falsch w 5 w 5 w
52 Existieren alternative mögliche Welten tatsächlich? 1290
53 Realismus Andere möglichen Welten existieren tatsächlich und sind genauso real wie unsere Welt. Aktualismus Nur unsere Welt und die Individuen, die in unserer Welt aktual sind, existieren. 1291
54 Identität 1305
55 a existiert. = Es gibt mindestens ein x, so dass gilt: x = a. 1306
56 Wir können die Frage, ob ein Gegenstand existiert, auch so stellen, dass wir fragen, ob es unter allen Gegenstände einen gibt, der mit ihm identisch ist. Ist dies der Fall, dann existiert der Gegenstand. 1307
57 Um Fragen nach der Existenz zu klären, müssen wir zuerst klären, unter welchen Bedingungen Gegenstände identisch sind und unter welchen nicht. 1308
58 No Entity Without Identity Wenn wir nicht in der Lage sind zu entscheiden, ob es sich in einem gegebenen Fall um ein und denselben Gegenstand handelt oder nicht, dann haben Fragen nach der Existenz dieses Gegenstandes keinen Sinn. W.V.O. Quine 1309
59 Eigenschaften der Indentität 1310
60 Reflexivität Symmetrie Transitivität x = x x = y y = x x = y & y = z x = z Leibniz Gesetz x = y F: F(x) F(y) 1311
61 Gottfried Wilhelm Leibniz ( ) Leibniz war einer der bedeutendsten Philosophen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts sowie einer der wichtigsten Vordenker der Aufklärung. Er wird oft als letzter Universalgelehrter bezeichnet und hatte einen starken Einfluss auf die nachfolgenden Aufklärer, die klassische deutsche Philosophie, sowie den deutschen Idealismus. Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand (1704); Theodizee (1710); Monadologie (1714) 1312
62 Leibniz Identitätsgesetz x = y F: F(x) F(y) 1313
63 Ununterscheidbarkeit des Identischen x = y F: F(x) F(y) Falls x mit y identisch ist, dann stimmt x mit allen Eigenschaften von y überein. 1314
64 Identität des Ununterscheidbaren F: F(x) F(y) x = y Falls x in allen Eigenschaften mit y übereinstimmt, dann ist x identisch mit y. 1315
65 Nicht alle Autoren erkennen an, dass das Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren gültig ist. Max Blacks identische Kugeln Black, Max: The Identity of Indiscernibles (1952) 1316
66 Identitätsbedingungen als Mittel zur Klärung ontologischer Fragestellungen 1317
67 Was ist ein konkreter Gegenstand? 1318
68 Bündeltheorien Identität des Ununterscheidbaren F [F(a) F(b)] a = b Wenn zwei Gegenstände dieselben Eigenschaften besitzen, dann sind sie identisch. (Gegenstände sind Bündel/Mengen von Eigenschaften.) 1319
69 Essentialismus (Substanzentheorie) Substanz-Kriterium F e [F e (a) F e (b)] a = b Wenn zwei Gegenstände dieselben essentiellen/ substantiellen Eigenschaften besitzen, dann sind sie identisch. (Gegenstände sind Substanzen, denen weitere akzidentelle Eigenschaften zukommen.) 1320
70 Haecceitas Theorie Haecceitas-Kriterium F haec [F haec (a) F haec (b)] a = b Wenn zwei Gegenstände dieselbe Haecceitas besitzen (dasselbe dies da sind), dann sind sie identisch. (Gegenstände sind das, auf das wir demonstrativ hinweisen können.) 1321
71 Bare Partikulars (Substrattheorie) Substrat-Kriterium z [S(z, a) & S(z, b)] a = b Wenn zwei Gegenstände dasselbe Substrat besitzen, dann sind sie identisch. (Gegenstände sind aufgebaut aus einem Substrat und Eigenschaften, die dieses Substrat besitzt.) 1322
72 Raum-Zeit-Regionen Lemmon Kriterium (x a, y a, z a, t a ) = (x b, y b, z b, t b ) a = b Wenn zwei Gegenstände dieselbe Raum-Zeit-Region einnehmen, dann sind sie identisch. (Gegenstände sind ausgefüllte Raum-Zeit-Regionen.) 1323
73 Diachrone Identität 1324
74 Das Schiff des Theseus 1325
75 Fall1: Theseus Schiff S T existiert zu t 1. Nach und nach werden alle alten und verschlissenen Teile durch neue Teile ersetzt. Zum Zeitpunkt t 2 schließlich besteht das Schiff vollständig aus ersetzten Teilen. Nennen wir dies das erneuerte Schiff S E. Ist S T identisch mit S E? 1326
76 Fall 2: Theseus Schiff S T existiert zu t 1. Es liegt in einem Hafen und wird auseinander gebaut. Die einzelnen Teile werden in ein Lagerhaus gebracht. Zum Zeitpunkt t 2 entschließt man sich, Theseus Schiff zu rekonstruieren. Die alten Teile werden in einem Museum wieder zusammengesetzt. Nennen wir dies das rekonstruierte Schiff S R. Ist S T identisch mit S R? 1327
77 Fall 3: Theseus Schiff S T wird nach und nach erneuert, aber die alten Teile werden in ein Lagerhaus gebracht. Nachdem das ganze Schiff erneuert wurde, also nun S E ist, wird Theseus Schiff in einem Museum restauriert und zum Zeitpunkt t 2 wieder aufgebaut. Nennen wir das restaurierte Schiff S R. 1328
78 Das erneuerte Schiff S E und das rekonstruierte Schiff S R sind zwei numerisch verschiedene Schiffe. Das eine fährt auf dem Mittelmeer, das andere steht im Museum. S T kann nicht mit beiden identisch sein! 1329
79 Endurantismus Konkrete Gegenstände besitzen nur eine räumliche Ausdehnung. Sie existieren zu einem bestimmten Zeitpunkt immer als Ganze bzw. sind immer als Ganze vollständig präsent. Dreidimensionalismus 1330
80 Endurantismus S E S T S T S R t 0 t 1 t 2 t Theseus Schiff ist entweder identisch mit dem erneuerten oder dem rekonstruierten Schiff, aber nicht mit beiden. 1331
81 Perdurantismus Konkrete Gegenstände besitzen nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Ausdehnung. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist somit immer nur ein bestimmter (zeitlicher) Teil eines Gegenstandes präsent. Vierdimensionalismus 1332
82 Perdurantismus S T ist zeitlicher Teil von S E und zeitlicher Teil von S R t 0 t 1 t 2 zeitliche Teile von S E zeitliche Teile von S R t Theseus Schiff besteht aus zwei sich vollständig überlappenden zeitlichen Teilen von zwei anderen Schiffen, dem erneuerten und dem rekonstruierten Schiff. 1333
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