KIRCHE ALS LERNENDE ORGANISATION Zukunftsbild des Erzbistums Paderborn Auf dem Weg zu einer lernenden Organisation Stand: 13.8.
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- Simon Winter
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1 KIRCHE ALS LERNENDE ORGANISATION Zukunftsbild des Erzbistums Paderborn Auf dem Weg zu einer lernenden Organisation Stand: Zur Bistumsentwicklung beschreibt das Zukunftsbild für die kommenden Jahre das Miteinander lernen als eine von fünf zentralen Herausforderungen: Das Erzbistum will auf diesem Weg der Aneignung des Zukunftsbildes mehr und mehr zu einer lernenden Organisation werden. 1 Nach dem Zukunftsbild hat die Einlösung dieses Anspruchs Voraussetzungen: Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Weges ist eine Lern- und Hörbereitschaft mit dem Ziel einer ernsthaften Einübung von Grundhaltungen im Miteinander der haupt- und ehrenamtlich in der Kirche Tätigen. Zu diesen Grundhaltungen gehören das Umdenken, das Voneinanderlernen und Aufeinanderhören sowie die Überprüfung der Verlässlichkeit und der Wirksamkeit des pastoralen Handelns und der administrativen Prozesse. Mit anderen Worten: Der Weg braucht ein verbindliches und verlässliches Miteinander aller Akteure und Verantwortlichen. Diese Lern- und Hörbereitschaft ist zugleich die wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Weg der Entwicklung des Erzbistums Paderborn ein geistlicher Weg werden kann. Ein geistlicher Weg entwickelt sich nicht ohne Bereitschaft zum Umdenken und zum Neuanfang. 2 Der Begriff der lernenden Organisation impliziert, es sei die Organisation, die lernt. Treffender formuliert müsste es eigentlich heißen lernende Menschen in einer Organisation. Die Menschen sind es, die lernen, die sich und ihr Verhalten ändern. Geschieht dies gemeinsam mit vielen innerhalb eins Systems, so kann man dies als lernenden Organisation bezeichnen. Darin kommt zum Ausdruck, dass sich durch die Summe der Verhaltensänderungen der einzelnen Menschen die Organisation als Ganze, die Kultur der Organisation, verändert und entwickelt. D.h. nicht nur die Menschen sind andere geworden, sondern mit ihnen hat sich auch die Organisation zu einer anderen entwickelt. Somit ist die Folge, das Ziel der Entwicklung zu einer lernenden Organisation Kulturveränderung, bzw. diese herbei zu führen. Dies spiegelt sich auch in der von der Teilprojektgruppe Aneignung formulierten Zielsetzung für den Prozess der Aneignung: Auf der Grundlage, dass den Menschen im Erzbistum Paderborn das Zukunftsbild bekannt ist, ist das grundlegende Ziel der Aneignung, sich persönlich und gemeinschaftlich mit den Inhalten [kognitiv und geistlich-spirituell] auseinander zu setzen, dazu Haltungen zu entwickeln oder zu verändern und diese in das Handeln integrieren zu können. Damit ist das Ziel der Aneignung auch eine Veränderung der Kultur pastoralen Handelns. 3 Wenn der Prozess der Aneignung den Anspruch bzw. das Ziel hat, einen Beitrag auf dem Weg des Erzbistums zu einer lernenden Organisation zu leisten, so ergeben sich daraus mehrere Fragestellungen: 1. Was sind die Merkmale einer lernenden Organisation, was macht sie aus? 2. Wie und unter welchen Voraussetzungen entwickelt sich eine Organisation zu einer lernenden Organisation? 3. Wie kann eine Organisation in diesem Prozess unterstützt und gefördert werden? 4. Was bedeutet lernende Organisation in einem kirchlichen Kontext? 1 Zukunftsbild, S Zukunftsbild, S Arbeitspapier der TP-Gruppe Aneignung
2 5. Wie kann evaluiert werden, ob, bzw. in welchem Maß die Entwicklung zur lernenden Organisation gelungen ist? Im Bereich der Organisationsentwicklung behandeln eine Reihe von Autoren das Thema lernende Organisation (Reinhard und Schweiker 4, Frieling 5, ). Im Folgenden soll aber dem Denkmodell des Peter M. Senge weiter nachgegangen werden, der den Begriff der lernenden Organisation in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts prägte. In diesem Modell nimmt das systemische Denken eine besondere Bedeutung ein. In seinem Buch die fünfte Disziplin 6 erläutert er fünf zentrale Merkmale, die aus seiner Sicht eine lernende Organisation ausmachen: Personal Mastery Die Disziplin der Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung durch einen kontinuierlichen Prozess der Selbstverbesserung der Mitglieder einer Organisation Mentale Modelle Das Aufdecken, Bewusstmachen und die kritische Reflexion tief verwurzelter Annahmen, Verallgemeinerungen, Bilder und Symbole, die großen Einfluss darauf haben, wie wir die Welt wahrnehmen und in ihr handeln. Visionen entwickeln Die Fähigkeit, gemeinsame Zukunftsbilder freizulegen, ohne sie von oben zu verordnen. Visionen, die echtes Engagement und wirkliche Teilnehmerschaft in einer Organisation fördern. Team-Lernen Gemeinsames Lernen im Team auf der Basis von Dialog und innerer Verbundenheit. Systemisches Denken Systemisches Denken ist die Disziplin, die alle anderen miteinander verknüpft. Eine lernende Organisation ist ein Ort, an dem Menschen kontinuierlich entdecken, dass sie ihre Realität selbst erschaffen und verändern können. Aus kirchlicher Perspektive sollte es gelingen, komplexe Prozesse in Organisationen einerseits so zu organisieren, dass Ziel und Ergebnis nicht aus dem Fokus geraten, andererseits aber auch einem geistlich-theologischen Anspruch genügen, der jedes Denken und Sprechen in der Kirche begleiten muss. 7 Aus dieser Perspektive braucht es immer eine Offenheit für die Frage, was Gott seiner Kirche sagt, wozu er sie ruft und welche Zukunft er für sie bereithält. Dies unterscheidet die Kirche deutlich von anderen Organisationen. Deshalb benötigen die fünf Merkmale einer lernenden Organisation, wie sie in der Organisationsentwicklung gedacht und verwendet werden eine Übersetzung, die eine Einbeziehung dieser geistlich-theologischen Perspektive ermöglicht und von einer Grundhaltung des Hörens ausgeht (s. folgendes Schaubild). Diese Grundhaltung des Hörens, der Aufmerksamkeit für das, was Gott seiner Kirche sagt, wird nicht in der Hektik gelingen, die häufig auch der Kirche und ihren Gremien zu Eigen ist. Hier gilt es für Entschleunigung und Orte der Stille zu sorgen an denen Menschen Gottes Plan mit der Welt erahnen können, wie es auch das Zukunftsbild nahelegt: Ein besonderes Augenmerk muss auf die geistliche Fundierung von Entscheidungsprozessen gelegt werden. Dies wird zum Qualitätsmerkmal und führt zur Entschleunigung von Entscheidungsprozessen, etwa durch Phasen der Stille, des Zuhörens und gemeinschaftlichen Abwägens oder die Einbeziehung der heiligen Schrift. 8 4 R. Reinhard u. U. Schweiker in H. Geisler, Organisationslernen und Weiterbildung, Luchterhand, E. Frieling, Das lernende Unternehmen, Neres Verlag, Die fünfte Disziplin, P.M. Senge, deutsche Fassung - 5.Aufl., Klett-Cotta, A.Tapken, Lebendige Seelsorge, Zukunftsbild, S. 59
3 Menschwerdung (Personal Mastery) Menschen leben in einer Grundhaltung des Hörens auf Gott und ständiger Selbstreflexion, sie spüren ihren Charismen und ihrer Berufung nach. Sie bringen die von Gott in ihnen angelegten Talente zur Entfaltung. Menschen entwickeln Sensibilität für die Charismen ihrer Mitmenschen und tragen Sorge dafür, dass diese zur Entfaltung gelangen. Reflektierte Wahrnehmung der Welt (Mentale Modelle) Menschen reflektieren selbstkritisch ihre Bilder, Muster, Annahmen von der Welt. Machtvolle Modelle des Individuums und der Organisation werden hinterfragt. Institutionelles Lernen und ständiger Wandel sind gewollt. Kirche als lernende Organisation Kirche als lernende Organisation steht unter dem Anspruch zu lernen, wozu Gott sie ruft. Dazu braucht es Qualität in Dialog und Kommunikation, Reflexion und Orte der Stille, an denen Gottes Weg mit der Welt und der Kirche für die Menschen ahnbar wird. Gemeinsame Visionen und Ziele (Visionen entwickeln) Menschen verändern ihre inneren Haltungen und ihr Handeln, weil sie von Visionen und Zielen im Innersten wirklich berührt sind, weil sie in ihrem Herzen und ihren Gefühlen wirklich angesprochen sind. Gemeinsames Lernen im Team (Team-Lernen) Menschen in der Organisation stehen in einer Haltung des Hörens in einem wertschätzenden Dialog, lernen individuell und im Team auf der Basis innerer Verbundenheit. Dies benötigt Orte, Gelegenheiten und Zeit des Einübens. Systemisches Denken in der Organisation (Systemisches Denken) Menschen erkennen kontinuierlich Gottes Plan und Wirken in ihrem eigenen und im Tun ihrer Mitmenschen, erkennen dass die Welt gestalt- und veränderbar ist. Es geht um die Perspektive Gottes, nicht nur Teile, sondern das Ganze zu sehen. L.Vollenkemper, 2015 nach P.Senge, A.Tapken, O.Scharmer
4 Unterstützung auf dem Weg zur lernenden Organisation Wenn dies die Merkmale einer lernenden kirchlichen Organisation sind, stellen sich die Fragen danach, wie das Erzbistum in diesem Prozess dorthin unterstützt werden kann, wie Aneignung des Zukunftsbildes in diesem Sinne zu einem Prozess der Kulturveränderung beitragen kann und wie evaluiert werden kann, ob und in welchem Maße Aneignung des Zukunftsbildes in diesem Verständnis gelungen ist. 1. Individuelles und Gemeinschaftliches Lernen Der Weg des Erzbistums Paderborn als Groß-Organisation benötigt notwendiger Weise Entwicklungsprozesse und Veränderungen im Einzelnen, im Individuum, aber auch Veränderungsprozesse in der Gesamtheit der dort handelnden Menschen, die am Ende eine Kulturveränderung der Organisation ausmachen. Idealer Weise passieren die individuellen und die gemeinschaftlichen Entwicklungen nicht getrennt voneinander, sondern als integrierte Prozesse, die sich wechselseitig bedingen, beeinflussen und voran bringen. Somit sollten Maßnahmen, die diesen Prozess fördern, immer auf den einzelnen Menschen und die Gruppe, das Team in dem er sich bewegt, ausgerichtet sein es geht also um individuelles und gemeinschaftliches Lernen im Team oder in der Gruppe. 2. Lernen durch Denken, Fühlen, Kommunizieren und Handeln. Menschen lernen durch Denken, Fühlen, Kommunizieren und/oder Handeln (learning by doing). Diese vier Lernstrategien bzw. Lernstile sollten in einem ausgewogenen und der Problemstellung angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Menschen neigen aber in der Regel dazu, eine dieser Strategien zu favorisieren und andere auszublenden bzw. ihnen weniger Bedeutung zu geben. 9 Dies führt immer dazu, dass wichtige Perspektiven für eine anstehende Entscheidung, eine Problemlösung und damit für das Lernen ausgeblendet werden. Der Komplexität von Entscheidungen werden Operationen nicht gerecht, die sich jeweils alternativ nur auf menschliches Denken (analysieren), nur auf Kommunikation, nur auf Gefühle, oder nur auf Handeln (empirische Versuche) stützen. Maßnahmen, die Menschen und Teams im Prozess zur Lernenden Organisation unterstützen wollen, sollten daher immer einen Mix dieser Komponenten zum Inhalt haben und sie sollten die Menschen darin trainieren, für sie neue oder unterentwickelte Lernstile zu kultivieren. Dies muss auch für ganze Teams gelten, in denen bestimmte Lernstile vorherrschend sind, und andere ausgeblendet werden. Es geht also in den Maßnahmen des Weiteren immer um einen Lernstil-Mix aus Denken, Fühlen, Kommunizieren und Handeln. 3. Lernen in der Grundhaltung des Hörens Weiter oben wurde bereits ausgeführt, dass es bei alledem immer eine Aufmerksamkeit benötigt, für das, was Gott seiner Kirche sagt und dass es somit gilt, für Entschleunigung und Orte der Stille zu sorgen an denen Menschen Gottes Plan mit der Welt erahnen können. Ziel ist es, bei den Menschen in der gesamten Organisation eine Grundhaltung des Hörens zu kultivieren. Damit durchzieht alle Maßnahmen auf dem Weg zur lernenden Organisation immer auch eine geistlich-spirituelle Linie. 4. Ziele der Unterstützungsmaßnahmen Den fünf Merkmalen einer lernenden Organisation entsprechend, sollten die Maßnahmen für Teams und Einzelne folgende inhaltliche Ziele aufweisen: Sensibilität entwickeln für die eigene Berufung. Sensibel werden für die eigenen Charismen und Talente und die der Mitmenschen. Persönlich und als Organisation Sensibilität entwickeln für Bilder, Muster und Annahmen von der Welt und diese ggf. revidieren und weiter entwickeln können. 9 David M. Noer, Die vier Lerntypen, Klett-Cotta, 1998, S. 193
5 Sensibel werden für persönliche und gemeinsame Visionen und Ziele und diese artikulieren können. Sensibilität für eine Haltung des Hörens und des wertschätzenden Dialogs entwickeln und diese einüben. Einüben einer systemischen Perspektive auf die Welt, die nicht nur Teile, sondern das Ganze in den Blick nimmt. 13. August 2015, Ludger Vollenkemper
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