Gesundheitskompetenz und Pflege
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- Gabriel Beckenbauer
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1 Gesundheitskompetenz (k)ein Thema für die Pflege? Berlin, Gesundheitskompetenz und Pflege Prof. Dr. Doris Schaeffer Universität Bielefeld
2 Patientenzentrierte Versorgung Integratives Modell der Patientenzentrierten Versorgung (nach Scholl et al. 2014) Integration medizinischer und nichtmedizinischer Versorgung B B B Zusammenarbeit und Teamentwicklung Behandler-Patient- Kommunikation Koordination und Kontinuität der Versorgung Zugang zur Versorgung Förderliche Faktoren Grundprinzipien Handlungen und Maßnahmen Grundlegende Eigenschaften Behandler- Patient- Beziehung des Behandlers B PP Patienteninformation / Förderung der Gesundheitskompetenz Empowerment des Patienten Physische Unterstützung Emotionale Unterstützung Patientenbeteiligung an Versorgungsprozessen Beteiligung von Familienangehörigen und Freunden Patient als Individuum Biopsychosoziale Perspektive
3 Policy Dokumente zur Gesundheitskompetenz 1998 Health Promotion Glossary (WHO) 2007 Together for Health (Gesundheitsstrategie der Europäischen Kommission) 2013 Gesundheit 2020 (WHO Europa) Health Literacy. The solid facts (WHO Europa) Helsinki Statement on Health in All Policies (WHO) 2016 Erklärung von Shanghai (WHO) Erklärung der deutschsprachigen Gesundheitsminister*innen der Länder Schweiz, Österreich, Luxemburg, Liechtenstein und Deutschland th Health Evicence Network (HEN) Report (WHO) Tokyo Declaration on Patient Safety (Global Ministerial Summit on Patient Safety) Erklärung von Astana (WHO) Förderung der Gesundheitskompetenz in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen Beschluss der 91. Gesundheitsministerkonferenz: Stärkung der Gesundheitskompetenz und gesundheitlicher Eigenverantwortung
4 Was wird heute unter Gesundheitskompetenz/ Health Literacy verstanden? Gesundheitskompetenz basiert auf Literalität und umfasst Finden Beurteilen Verstehen Anwenden das Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag in den Bereichen der Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung Urteile fällen und Entscheidungen treffen zu können, die ihre Lebensqualität während des gesamten Lebensverlaufs erhalten oder verbessern. Sørensen et al. 2012, S. 3
5 Gesundheitskompetenz einzelner Bevölkerungsgruppen HLS-GER männlich weiblich Bildung niedrig Bildung mittel Bildung hoch Sozialstat.^ niedrig Sozialstat.^ mittel Sozialstat.^ hoch MH* o. MH Jahre Jahre Jahre ab 65 Jahre chron. Erk. ohne chron. Erk. Gesamt 7,1 7,5 6,2 7,5 9,1 1,3 7,5 10,6 7,0 10,3 8,5 7,8 3,0 2,1 9,1 7,3 20,4 exzellent ausreichend problematisch inadäquat 39,8 37,0 31,7 42,2 39,7 18,8 30,7 25,3 38,0 40,1 42,5 44,3 37,1 42,8 38,4 52,4 59,1 53,0 45,9 51,1 55,9 43,8 45,4 44,4 43,9 45,4 43,8 40,5 40,2 45,8 41,0 44,6 33,5 9,2 10,1 16,3 5,8 7,4 19,2 9,2 4,3 17,5 9,0 6,8 7,0 9,4 15,2 16,8 7,2 9,7 0% 20% 40% 60% 80% 100% *Migrationshintergrund chronische Erkrankungen ^Sozialstatus Schaeffer et al. 2016
6 Gesundheitskompetenz-Items Krankheitsbewältigung/-versorgung nach chronischer Krankheit: schwierig oder sehr schwierig 12. zu beurteilen, ob Informationen über eine Krankheit in den Medien vertrauenswürdig sind? 10. Vor- und Nachteile von verschiebenen Behandlungsmöglichkeiten zu beurteilen? 49,3% 44,5% 60,5% 60,6% 11. zu beurteilen, wann Sie eine zweite Meinung von einem anderen Arzt einholen sollten? 42,4% 54,0% 2. Informationen über Therapien für Krankheiten, die Sie betreffen, zu finden? 28,0% 46,9% 1. Informationen über Krankheitssymptome, die Sie betreffen, zu finden? 19,2% 37,6% 14. den Anweisungen für die Einnahme von Medikamenten zu folgen? 16. den Anweisungen Ihres Arztes oder Apothekers zu folgen? 15.im Notfall einen Krankenwagen zu rufen? 13,3% 8,7% 13,1% 7,0% 7,1% 5,4% chronisch Erkrankte Gesamt
7 Gesundheitskompetenz und chronische Krankheit Dimensionen der Informationsverarbeitung Informationen exzellent ausreichend problematisch inadäquat...finden ch. Erk. 3,0 25,7 43,6 27,7 o. ch. Erk. 11,1 40,7 34,4 13,8 gesamt 9,1 36,9 36,6 17,4...verstehen ch. Erk. 4,0 36,0 40,0 19,9 o. ch. Erk. 17,2 44,4 30,5 7,9 gesamt 13,8 42,3 32,8 11,0...beurteilen ch. Erk. 2,7 28,5 42,5 26,4 o. ch. Erk. 8,2 38,1 34,6 19,0 gesamt 6,9 35,7 36,5 20,9...anwenden ch. Erk. 5,1 36,5 45,0 13,3 o. ch. Erk. 49,9 26,5 4,6 gesamt 15,4 46,5 31,2 6,9 0% 20% 40% 60% 80% 100% Schaeffer et al. 2016
8 Anlaufstellen für Informationen über Krankheiten und körperliche Beschwerden in % Hausarzt Facharzt Apotheke Familie Internet Notaufnahme im Krankenhaus Freunde oder Bekannte Bücher, Broschüren oder Zeitschriften Beratungsstelle 36,9 37,1 37,5 49,7 23,9 23,1 24,9 22,7 29,5 30,0 28,8 21,6 25,4 31,5 20,2 18,2 11,0 10,5 11,6 13,6 13,9 13,1 14,8 12,6 6,8 7,5 5,7 6,6 2,4 2,5 2,5 3,3 80,7 77,4 83,9 89,3 gesamt nicht eingeschränkt eingeschränkt chronisch Erkrankte Schaeffer et al. 2016
9 Verständlichkeit von Informationen Erklärungen nicht richtig verstanden haben in % ,5 11,8 13,3 11,7 18,1 19,1 18,1 18,2 25,9 30,7 23,3 27,7 41,9 44,6 44,1 46,9 42,2 37,7 35, ,6 40,1 52,8 0 Gesundheitsamt Beratungsstelle Apotheke Krankenkasse Hausarzt Facharzt gesamt nicht eingeschränkte GK eingeschränkte GK chronisch Erkrankte Schaeffer et al. 2016
10 Informationsdefizite schlecht informiert gefühlt in %...über Anlaufstellen bei Verdacht auf Behandlungsfehler...über die Qualität von Alten- und Pflegeheimen...über die Qualität von ambulanten Pflegediensten...über den Nutzen von privat zu zahlenden Zusatzleistungen beim Arzt...über die Qualität von Krankenhäusern...über die Qualität von Ärzten...über die Bezahlung von Gesundheitsleistungen durch die Krankenkassen...über Behandlungsalternativen...über Zuzahlungen bei Medikamenten...über Rechte als Patient 12,5 13,0 39,5 39,9 39,5 38,9 33,7 34,2 36,2 34,6 25,9 26,6 27,5 27,7 57,9 61,0 59,5 58,6 57,1 55,5 chronisch Erkrankte gesamt
11 Folgen eingeschränkter Gesundheitskompetenz Schlechterer subjektiver Gesundheitszustand niedrige Gesundheitskompetenz Schlechtere Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten Häufigere Arztkontakte Häufigere Krankenhausaufenthalte Häufigere Nutzung des ärztlichen Notfalldienstes
12 Konsequenzen für die Interventionsentwicklung Gefordert sind Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung/vuln. Gruppen Offensive für mehr Verständlichkeit gesundheitsrelevanter Information Beachtung der hohen Bedeutung mündlicher Information (besonders in der Pflege und durch Pflege) Verbesserung der Gesundheitskompetenz im Gesundheits- und Pflegesystem: Gesundheitskompetente (Pflege-)Organisationen Stärkung der Informations- und Kommunikationskompetenz der Gesundheitsberufe/ Pflege Material- und Methodensammlung Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz
13 Aufbau und Inhalt der Material- und Methodensammlung Was sollte ich zum Thema Gesundheitskompetenz wissen? Wie erkenne ich eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz? Was ist in der Gesprächsführung zu beachten? Was ist bei der Erstellung von Gesundheitsinformationen zu beachten? Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden?
14 Leichte Sprache Orientieren Sie sich bei der Erstellung von Gesundheitsinformationen an Ratgebern für leichte Sprache!
15 Teach-Back-Methode Bitten Sie Ihre Patientin oder ihren Patienten, das Gesagte in eigenen Worten zu wiederholen!
16 Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz Leitung: Prof. Dr. Doris Schaeffer, Universität Bielefeld (Leiterin) Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Hertie School of Governance Prof. Dr. Ullrich Bauer, Universität Bielefeld Dr. med. Kai Kolpatzik, AOK-Bundesverband Geschäftsstelle: Svea Gille, Hertie School of Governance Förderung: Robert Bosch Stiftung, AOK-Bundesverband Schirmherr: Bundesgesundheitsminister Expertenbeirat: Prof. Dr. med. Attila Altiner, Prof. Dr. Marie-Luise Dierks, Prof. Dr. Michael Ewers, Susanne Jordan, Prof. Dr. Ilona Kickbusch, Dr. Bernadette Klapper, Prof. Dr. phil. Jürgen Pelikan, Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Dr. Sebastian Schmidt-Kaehler, Dr. Alexander Schmidt-Gernig, Prof. Dr. Christiane Woopen
17 Der Nationale Aktionsplan - Die Gesundheitskompetenz in Deutschland stärken Etwa jeder Zweite in Deutschland weist eine eingeschränkte Gesundheits- kompetenz auf. Ihnen fällt es schwer, gesundheitsbezogene Informationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und auf die eigene Lebenssituation anzuwenden. Ein Expertenkreis hat deshalb den vorliegenden Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz erarbeitet. Er benennt vier Handlungs- felder und formuliert dazu 15 konkrete Empfehlungen, um die Gesundheitskompetenz in Deutschland gezielt zu fördern und zu stärken. Forschung Erziehungsund Bildungssystem Beruf und Arbeitsplatz Erziehungsund Bildungssystem Was ist zu tun? Beruf und Arbeitsplatz Medien Konsum und Ernährung Alltagsbewältigung Forschung Medien völkerung in Deutschland Was ist die Herausforderung? 54% Mehr als die Hälfte der Beverfügt über eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz Soziale und gesundheitliche Ungleichheit verringern UMSETZUNGS- PRINZIPIEN Was ist wichtig? Alltagsbewältigung Individuelle und strukturelle Krankheitsgeschehen Bedingungen verändern Selbstmanagement Forschung ausbauen Krankheitsgeschehen Gesundheitskompetent mit chronischer Erkrankung leben Die Gesundheitskompetenz in allen Lebenswelten Verankerung im Gesundheitssystem fördern Das Gesundheitssystem nutzerfreundlich gestalten Kommunen Verankerung im Gesundheitssystem Navigation im Gesundheitssystem Kooperation aller Akteure herstellen Chancen der Digitalisierung nutzen Teilhabe ermöglichen Versorgung chronisch Kranker Partizipation Kommunikation im Gesundheitssystem Nutzerfreundliche Gesundheitsinformationen
18 Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz Umsetzung Umsetzung des Nationalen Aktionsplans: Umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit Vier Workshops in 2018/19 mit Vertretern aus Politik und Praxis Symposium am Mai 2019 in Bielefeld Expertengruppe Gesundheitskompetenz und Pflege (DBfK/NAP) Allianz Gesundheitskompetenz/BMG: gem. Tagung 2019/20 Forschung: u. a. HLS-GER II, HLS MIG; HLS-19/ M-Pohl etc. Memorandum des DNVF
19 Fazit Nurses play a major role in providing leadership that meets the challenge of low health literacy in our society, both at the individual level of care and within our organizations. We need to know how to implement strategies to create a patient-centered, shame-free environment that enhances health literacy not only for patients with low literacy, but for all patients. (Cornett 2009)
20 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
21 Die Strategiepapiere #1 #2 #3 #4 Das Erziehungs- und Bildungssystem in die Lage versetzen, die Förderung von Gesundheitskompetenz so früh wie möglich im Lebenslauf zu beginnen Gesundheitskompetenz in die Versorgung von Menschen mit chronischer Erkrankung integrieren Den Umgang mit Gesundheitsinformationen in den Medien erleichtern Das Gesundheitssystem nutzerfreundlich und gesundheitskompetent gestalten
22 Relationales Modell Fertigkeiten und Fähigkeiten des Einzelnen GESUNDHEITS- KOMPETENZ Anforderungen und Komplexität des Systems Parker 2009 Gesundheitskompetenz wird sowohl von den persönlichen Kompetenzen des Individuums als auch von den Anforderungen und der Komplexität der jeweiligen Lebensumwelt beeinflusst.
23 Gesundheitskompetenz und chronische Krankheit Ergebnisse aus Fokusgruppendiskussionen Ja die Beipackzettel, da sind ja alle Informationen drin, aber das liest sich keiner durch, viel zu kompliziert. (FG 3/ ) Im Krankenhaus stehen die da und quatschen lateinisch vor dem Bett und unsereiner versteht wieder mal Bratkartoffel (P10/270) Also das Beurteilen finde ich manchmal schwierig, weil es gibt immer diese Meinung und diese Meinung (...) deswegen ist es manchmal wirklich schwierig zu beurteilen, was ist jetzt für mich gut oder nicht, mache ich das jetzt (FG 3/ ) Ja, ich gehe da nach dem Bauchgefühl vor. Wenn ich denke ok das ist gut jetzt dann mache ich das auch. (FG 3/ ) Kompetenz heißt ja auch eigentlich ein informierter Patient (zu sein), aber informierte Patienten sind bei Ärzten nicht gern gesehen. (FG 4/ )
24 Red Flags Ich lese das dann später... Ich habe meine Brille zu Hause liegen lassen. Meine Frau wird das für mich ausfüllen. Ich wusste gar nichts von dem Termin!
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