Ihr/e Ansprechpartner/in Telefon Franz Roggemann
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- Hedwig Becke
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1 16 STELLUNGNAHME 16/1466 A24 Ihr/e Ansprechpartner/in Telefon Franz Roggemann Datum Enquetekommission Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in Nordrhein-Westfalen unter den Bedingungen der Schuldenbremse und des demografischen Wandels in der Dekade 2020 bis 2030 Nichtöffentliches Sachverständigengespräch am 13. März 2014 Zum Fragenkatalog nehmen wir wie folgt Stellung: Zu Frage 1: - Damit die Industrie auch in Zukunft als wichtiges Standbein in NRW erhalten bleibt, sollte die Politik stärker für die Anforderungen der Industrie an den Standorten werben und die Öffentlichkeit von den Chancen der Industrie überzeugen. Der Industrie fehlt es oft an gesellschaftlicher Akzeptanz. Widerstände gegen Standorte oder Investitionsvorhaben entzünden sich oft an veralteten Bildern oder fehlenden Informationen. - Ein Industrieland benötigt eine leistungsfähige Infrastruktur. Dazu gehören Flächen, Verkehrswege und Breitbandnetze. Die Infrastruktur muss bedarfsgerecht ausgebaut und kontinuierlich instandgesetzt werden. Dazu müssen Planungsverfahren verkürzt und ausreichende Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden. Industrielle Entwicklung braucht Raum. Verfügbare Industrieflächen sind für ein Industrieland wie NRW ein entscheidender Faktor und Garant für die Sicherung von Arbeitsplätzen. Nur bei vorausschauender Planung und Vorhaltung eines differenzierten Gewerbeflächenangebots können die Standorte auf Anfragen zur Neuansiedlung oder Erweiterung kurzfristig reagieren. 1
2 - Die Umwelt- und Klimaschutzpolitik des Landes NRW darf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrieunternehmen nicht gefährden. Alleingänge einzelner Bundesländer und Regionen sind im Hinblick auf den Klimaschutz kaum wirksam, für die Wettbewerbsfähigkeit und die Volkswirtschaft aber besonders nachteilig. - Die Industrie in NRW benötigt eine sichere und umweltverträgliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Bezogen auf die Energiewende heißt das: Sie darf nicht dazu führen, dass die Belastungen für Unternehmen höher sind als die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung, die die Energiewende auch bietet. Auch Industrieunternehmen benötigen Planungssicherheit, damit Investitionen getätigt werden können. Damit die Energiewende gelingt, muss der Ausbau von Netzen, Speichern und Kraftwerken beschleunigt werden. Zu Fragen 2 und 3: Laut IHK-Fachkräftemonitor ( entwickeln sich Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften in NRW von 2015 bis 2030 wie folgt: Jahr Angebot Nachfrage Engpass Die Zahlen verdeutlichen, dass die Sicherung des Fachkräftebedarfs die nordrheinwestfälischen Unternehmen in den nächsten Jahren vor immer größere Herausforderungen stellen wird. Der IHK-Fachkräftemonitor verdeutlicht einen weiteren Punkt: Der Engpass wird vor allem bei beruflich qualifizierten Personen auftreten. Schon im Jahr 2020 werden beruflich qualifizierte Personen fehlen (bei einem Engpass von insgesamt ). Im Jahr 2030 werden von insgesamt fehlenden Fachkräften Fachkräfte mit beruflicher Qualifizierung gesucht. 2
3 Die Zahlen machen deutlich, dass der Bedarf an Fachkräften aus dem vorhandenen Erwerbspersonenpotenzial nicht gedeckt werden kann. Zu Frage 4: Es bedarf verschiedener Handlungsansätze. Der demografische Wandel ist zu komplex, als dass er mit einem Ansatz bewältigt werden könnte. In Betracht kommen aus unserer Sicht z. B.: - Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - Erschließung weiterer Zielgruppen für den Arbeitsmarkt (z. B. ältere Arbeitnehmer, Wiedereinsteiger/innen, Personen mit Migrationshintergrund etc.) - Qualifizierungsangebote für Studienabbrecher, die IHK-Organisation hat verschiedene Modellprojekte gestartet (z. B. Projekt Switch in Aachen, Projekt Relaunch your Career in Bonn) - Zuwanderung, Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland Zu Frage 5: Entscheidender Faktor bei der Integration von Langzeitarbeitslosen ist die Qualifikation der Betroffenen. Bei Langzeitarbeitslose liegt der Erwerb einer Qualifikation oft lange zurück o- der die einmal erworbene Qualifikation ist veraltet bzw. wird auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr benötigt. Eine Lösung, mit der Langzeitarbeitslose zügig und nachhaltig qualifiziert werden können, bietet die IHK-Organisation über die Zertifizierung von Teilqualifikationen. Bei Teilqualifikationen werden bestehende Ausbildungsberufe nach dem Berufsbildungsgesetz in einzelne Module so genannte Teilqualifikationen zerlegt. Diese Teilqualifikationen sind selbstständig auf dem Arbeitsmarkt verwertbar. Am Ende einer jeden Teilqualifikation steht eine Kompetenzfeststellung vor der IHK, so dass das Unternehmen anhand des IHK- Zertifikats erkennen kann, über welche Qualifikationen ein Bewerber verfügt. Es können mehrere Teilqualifikationen absolviert werden, bis hin zur Teilnahme an der Abschlussprüfung. Zielgruppe für Teilqualifikationen sind Personen über 25 Jahre, z. B. Langzeitarbeitslose, Berufsrückkehrer/-innen etc.. Zu Frage 6: Eine wesentliche Voraussetzung für die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder müssen weiter ausgebaut werden. Zudem sind bestehende Angebote oft noch zu unflexibel (z. B. in Bezug auf die Öffnungszeiten). Die Teilzeitausbildung spielt nach unseren Erfahrungen dabei bislang nur eine untergeordnete Rolle, kann aber durchaus einen Beitrag leisten. Zu Frage 7: Schon jetzt gibt es Unternehmen, die gezielt Fachkräfte aus dem Ausland anwerben. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung steht zu erwarten, dass die Anwerbung ausländischer Fachkräfte erheblich an Bedeutung gewinnt. Dieser Rekrutierungsweg wird aber oft noch durch bürokratische Hürden erschwert. Zudem fehlt es in Deutschland an einer Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte. Mit der IHK FOSA, der zentralen IHK- Stelle für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, versuchen die IHKs einen Beitrag zur Integration ausländischer Fachkräfte zu leisten 3
4 Zu Frage 8: Die demografische Entwicklung sorgt für bessere Chancen für ältere Mitarbeiter sowie Menschen mit Behinderung. Immer mehr Unternehmen setzen gezielt auf das Erfahrungswissen und versuchen, diese an das Unternehmen zu binden auch über den Ruhestand hinaus. Die Chancen für ältere Menschen bzw. Menschen mit Behinderungen lassen sich durch zielgerichtete Qualifikationen, die z. B. der Anpassung der Fähigkeiten an den aktuellen Stand dienen, verbessern. Zu Frage 9: Der Übergang von der Schule in den Beruf wird in NRW gerade im Rahmen des vom Ausbildungskonsens NRW erarbeiteten Programms Kein Abschluss ohne Anschluss Übergang Schule Beruf in NRW grundlegend neu aufgestellt. Die IHK-Organisation hat bei der Erarbeitung und Umsetzung des Programms intensiv mitgearbeitet und unterstützt das Programm sowohl auf Landesebene als auch vor Ort nachdrücklich. Erstmals wird eine einheitliche, flächendeckende Berufsorientierung an allen Schulformen eingeführt. Bislang gab es in vielen Gebieten Projekte und Aktivitäten. Diese waren aber immer regional oder auf bestimmte Schulformen beschränkt. Nunmehr erfolgt eine systematische Studien- und Berufsorientierung ab der achten Jahrgangsstufe. Bestandteile sind u. a. Potenzialanalysen, betriebliche Praxisphasen sowie eine Anschlussvereinbarung. Neben der Verbesserung der Berufsorientierung sieht das Programm die Straffung der Angebote im Übergangsbereich sowie Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung vor. Es gilt, das Programm, das noch am Anfang steht, konsequent umzusetzen. So ist die dauerhafte Finanzierung der Maßnahmen zur Berufsorientierung sicherzustellen. Zudem müssen die Lehrkräfte den Anforderungen des Programms entsprechend aus- und weitergebildet werden. Zu Frage 10: Der Stellenwert der beruflichen Bildung in der öffentlichen Wahrnehmung ist nach wie vor verbesserungswürdig. Während im Ausland oft neidisch auf das duale Ausbildungssystem einem Garanten für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland geschaut wird, geht der gesellschaftliche Trend im Inland zu immer höheren Abschlüssen. Dabei zeigt der IHK- Fachkräftemonitor, dass die Sicherung des Fachkräftebedarfs gerade bei beruflich qualifizierten Personen besonders schwierig wird. Es gibt einige Ansatzpunkte, die Wahrnehmung der beruflichen Bildung zu verbessern. Zunächst ist die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung nach wie vor verbesserungswürdig. Grundsätzlich ist zwar inzwischen der Hochschulzugang für Absolventen der beruflichen Bildung eröffnet. Einzelne Beschränkungen bestehen aber nach wie vor. Fachwirte und Meister werden in NRW nach wie vor nicht zum Masterstudium zugelassen, obwohl diese Abschlüsse im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf derselben Stufe wie ein Bachelor eingeordnet werden. Darüber hinaus ist es trotz der gleichen DQR- Einordnung bis heute nicht möglich, Absolventen der IHK-Aufstiegsfortbildung als bachelor professional bzw. master professional zu bezeichnen. Auch bei der Anrechnung von beruflich erworbenen Kompetenzen auf ein Hochschulstudium gibt es bislang wenig Bewegung. 4
5 Zu Frage 11: Der Qualifikationsgrad der Erwerbspersonen erhöht grundsätzlich die Chancen dieser Personen auf dem Arbeitsmarkt. Bei dieser generellen Aussage darf man aber nicht übersehen, dass nicht jede höhere Qualifikation automatisch zur Aufnahme einer Beschäftigung führt. Die Qualifikation muss zudem zu den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes passen. Wenn eine Qualifikation nicht gefragt ist, erhöht diese Qualifikation auch nicht die Chancen der betroffenen Person. 5
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