Verwaltungsreform. Verwaltung vor gewaltigen Herausforderungen
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- Hetty Diefenbach
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1 Verwaltung vor gewaltigen Herausforderungen Gesellschaftlicher Wandel, geöffnete Märkte und neue Technologien verändern die Rahmenbedingungen, Aufgaben und Schwerpunkte für Politik und Verwaltung permanent. Der Bundesrechnungsabschluss 2008 weist ein öffentliches Defizit des Staates laut ESVG 95 von 1,098 Mrd. EUR aus. Die tatsächlichen Ausgaben des Bundes lagen mit 80,298 Mrd. EUR um 10,429 Mrd. EUR und die tatsächlichen Einnahmen des Bundes mit 70,734 Mrd. EUR um 3,825 Mrd. EUR höher, woraus sich ein endgültiger Abgang des Bundes von 9,564 Mrd. EUR ergab. Er lag somit um 6,604 Mrd. EUR über dem veranschlagten Betrag. Die Schere zwischen Einnahmenquote und Ausgabenquote (3,4 % Punkte), die Verschuldung des Staates (176,420 Mrd. EUR), die Verpflichtungen des Bundes (103,043 Mrd. EUR) sowie der Stand der Haftungen (112,595 Mrd. EUR) belegen den Bedarf an Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung. Überdies führen die weltweite Finanzkrise und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Österreich sowohl ausgaben als auch einnahmenseitig zu einer wesentlichen Belastung der öffentlichen Haushalte mit einem deutlichen Anstieg der Haushaltsdefizite und der Verschuldung. Der RH hält daher strukturelle Konsolidierungsmaßnahmen für unbedingt erforderlich, um eine nachhaltige Budgetsicherung zu erreichen. Expertenwissen nutzen Der RH bekennt sich in seiner Strategie dazu, sein Wissen und seine Erfahrungen aktiv in den laufenden Verfassungs und Verwaltungsreformprozess einzubringen. Im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Aufgaben liefert der RH Fakten und Zahlen für einen effektiven und effizienten Mitteleinsatz und bietet so einen Sockel für Reformmaßnahmen. Er definiert keine politischen Vorgaben, sondern zeigt Probleme und Folgewirkungen auf und bietet Lösungsvorschläge an. So hat er erstmals 2007 ein Positionspapier mit 206 aus seiner Prüfungstätigkeit abgeleiteten Vorschlägen (152 für den Bund, 54 für die Länder) zur Verwaltungsreform und zum Bürokratieabbau veröffentlicht. Dieses Positionspapier wurde im Jahr 2009 aktualisiert, um umgesetzte Maßnahmen bereinigt und durch Prüfungsergebnisse aus den 26 Vorarlberg 2009/8
2 Vorarlberg Themen der öffentlichen Finanzkontrolle letzten beiden Jahren ergänzt. Es umfasst nunmehr insgesamt 315 Vorschläge. Die Regierung hat das Potenzial der Vorschläge des RH und anderer Expertenorganisationen in ihre Reformüberlegungen miteinbezogen. Das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode sieht die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen vor, um die vereinbarten budgetären Rahmenbedingungen einhalten zu können. Es verweist dabei auf die Vorschläge des RH aus dem Positionspapier sowie auf ein zwischen dem RH und dem Präsidenten des Staatsschuldenausschusses abgestimmtes Grundlagenpapier über Vorschläge zur Verwaltungsreform. Der RH sieht sich gemeinsam mit dem IHS, dem WIFO und dem KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung als Impulsgeber für einen neuen Anlauf zu den seit geraumer Zeit ausständigen Verwaltungsreformmaßnahmen. Die Expertenorganisationen bringen daher ihre Vorschläge für eine qualitativ hochwertige, effiziente, bürgernahe und kostengünstige Verwaltung in die am 17. Februar 2009 erstmals zusammengetretene Arbeitsgruppe ein. Arbeitsgruppe Verwaltung neu Die Vorgangsweise in der Arbeitsgruppe Verwaltung neu folgte der nachfolgend dargestellten Struktur: Vorarlberg 2009/8 27
3 Die Arbeitsgruppe setzt sich aus politischen Entscheidungsträgern (Bundeskanzler, Bundesminister für Finanzen, zwei Landeshauptleute 1) ) und aus Experten (Präsident des RH, Leiter von IHS und WIFO) zusammen. Sie wird insgesamt elf Arbeitspakete in den unterschiedlichsten Handlungsfeldern (z.b. Bildung, Gesundheit und Pflege, Effizienz der Verwaltung, effizientes Förderungswesen, Bürgerorientierung und Deregulierung, Aufgabenreform und Strukturbereinigung, Beamtenpensionen) bearbeiten. 1) Der Bundeskanzler und der Vizekanzler werden durch die beiden Staatssekretäre im BMF, die Landeshauptleute von Wien und Niederösterreich jeweils durch die Landtagspräsidenten vertreten. Die Experten arbeiten in einem ersten Schritt die Problemanalyse zu den von der Arbeitsgruppe vorgegebenen Arbeitspaketen aus und zeigen Folgewirkungen auf. Als Kontrollorgan des Nationalrats und der 28 Vorarlberg 2009/8
4 Vorarlberg Themen der öffentlichen Finanzkontrolle Landtage sieht sich der RH dabei den Prinzipien der Objektivität und Unabhängigkeit und seiner besonderen Stellung als föderatives Bund Länder Organ verpflichtet. Er sieht seine Verantwortung darin, gemeinsam mit den anderen Expertenorganisationen das für die Reformen erforderliche Problembewusstsein zu schaffen. In einem zweiten Schritt erfolgt in Vorbereitungsgremien aus Vertretern der Verwaltung und aus Experten die Erarbeitung von Lösungsansätzen zu den aufgezeigten und von der Arbeitsgruppe anerkannten Problemen sowie deren Bewertung. Der RH wirkt in den Vorbereitungsgremien durch das Aufzeigen von Sachlösungen mit, ohne dabei Interessenshaltungen zu berücksichtigen. Seine Vorschläge zielen auf eine bedarfsgerechte und effiziente Erbringung der Leistung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ab. Vorgelegte Problemanalysen In fünf Arbeitsgruppensitzungen legte die vom RH koordinierte Expertengruppe die Problemanalysen zu insgesamt vier Arbeitspaketen vor. In der Arbeitsgruppensitzung vom 24. März 2009 wurden die Expertenpapiere zu Schulverwaltung und zur Effizienz der Verwaltung (mit den fünf Teilpaketen Verwaltungskooperation, Verwaltungssteuerung, E Government, Optimierung der Supportprozesse und Vergabe) von der Arbeitsgruppe zustimmend zur Kenntnis genommen und damit anerkannt. Die Problemanalysen zu den Arbeitspaketen Harmonisierung der Pensionssysteme sowie Effizientes Förderungswesen wurden in der für 9. Dezember 2009 anberaumten Sitzung behandelt. Bei den Beamtenpensionssystemen zeigten die Experten auf, dass einige Länder noch nicht die im Paktum zum Finanzausgleich vereinbarte finanziell gleichwertige Umsetzung der Pensionsreform des Bundes durchgeführt haben, so dass die Beamtenpensionen dieser Länder teilweise noch deutlich über den vergleichbaren Bundesbeamten liegen. Weiters wurden die für die Bediensteten im Vergleich zu den Pensionsregelungen des Bundes zumeist günstigeren Pensionsregelungen der Städte und Gemeinden sowie die Sonderpensionsrechte von ÖBB, OeNB, ORF und den Sozialversicherungen dargestellt. Beim Förderungswesen wurde insbesondere auf die Vielzahl von Förderstellen mit teilweise überschneidenden Förderungsbereichen, auf die Intransparenz des Förderungssystems sowie die fehlenden Zielvorgaben und die fehlende Wirkungsorientierung hingewiesen. Vorarlberg 2009/8 29
5 Lösungsvorschläge der Vorbereitungsgremien Die Arbeitsgruppe beauftragte zwei nach fachlichen Gesichtspunkten besetzte Vorbereitungsgremien mit der Erarbeitung der Lösungsvorschläge, zu denen der RH wesentliche Inhalte beitrug. Im Vorbereitungsgremium Schulverwaltung konnte keine Einigung auf einen gemeinsamen Lösungsvorschlag erzielt werden, so dass drei Endpapiere der Arbeitsgruppe vorgelegt wurden. Das Expertenpapier enthält sehr konkrete Lösungsvorschläge zu den aufgezeigten Hauptproblemen z.b. nicht mehr zeitgemäße Schulverwaltung, hohe Ausgaben (Input) und durchschnittliche Erfolge (Output), Klassengrößen im OECD Durchschnitt trotz überdurchschnittlichem Lehrer Schüler Verhältnis, nicht ausreichende Vorgaben für bildungspolitische Ziele. Das Lösungsmodell beruht auf vier Grundsätzen: Ausgaben, Aufgaben und Finanzierungsverantwortung sowie interne Kontrolle der Schulgebarung in einer Hand; einheitliche Steuerung auf Basis strategischer Bildungsziele (Output und Outcomeorientierung); weitgehende Autonomie der Schulen in Bezug auf Unterrichtsgestaltung und Personalauswahl unter einheitlichen Vorgaben, Zielen und rechtlichen Rahmenbedingungen; Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle der Leistungserbringung der Schulen durch ein permanentes übergeordnetes Monitoring. Es sieht neben einer Reform der Aus und Fortbildung drei Organisationsebenen und Zuständigkeiten vor: Eine letztverantwortliche Ebene für die Schulgesetzgebung, das Schulbudget und die Qualitätssicherung; eine einheitliche regionale Ebene zur Steuerung, Kontrolle und Aufsicht; die Schulen zur weitgehend autonomen Organisation und Durchführung des Unterrichts. Das Vorbereitungsgremium Effizienz der Verwaltung bearbeitete die Teilpakete E Government und Optimierung der Supportprozesse und schlug aus einer Vielzahl von Projektvorschlägen jeweils zehn konkrete Projekte vor, die prioritär behandelt werden sollen. 30 Vorarlberg 2009/8
6 Vorarlberg Themen der öffentlichen Finanzkontrolle Beim E Government wurden beispielsweise die Projekte Schaffung und Stärkung von Entscheidungsmechanismen (z.b. paritätische Entscheidungs und Steuerungsgremien) zur gebietskörperschaftenübergreifenden Steuerung, Konsolidierung und Harmonisierung von E Government Anwendungen, die Einrichtung von One Stop Shop Verfahren für die Lebenssituationen Geburt, Tod, Eheschließung, Gewerbeanmeldung und 24 Stunden Betreuung sowie die Konsolidierung der Registeranwendungen ausgewählt. Die zehn prioritären Reformthemen zu den Supportprozessen umfassten beispielsweise die stärkere Vernetzung der Aus und Weiterbildungsangebote im öffentlichen Sektor, die Ausdehnung von Shared Service Projekten (Bibliothek, Druck etc.) auf nachgeordnete Dienststellen des Bundes in den Landeshauptstädten und auf andere Gebietskörperschaften sowie die Neuregelung der verfassungsrechtlichen Grundlage für Gemeindeverbände (keine Beschränkung auf die Besorgung einzelner Aufgaben und keine Begrenzung durch Landesgrenzen). Zur Teilpaket Verwaltungssteuerung haben die Expertinnen und Experten umfassende Lösungsvorschläge mit neun konkreten Projekten vorgelegt, die insbesondere auf eine bessere Koordinierung der Schnittstellen zwischen den Gebietskörperschaften abzielten. Im Vorbereitungsgremium erfolgte dazu eine sehr intensive und kontroversielle Diskussion zu den notwendigen Grundlagen für eine zielgerichtete Verwaltungssteuerung im Rahmen der bundesstaatlichen Aufgabenverteilung. Über aus Sicht der Expertinnen und Experten unbedingt notwendige Maßnahmen (z.b. neue Instrumente zur Verwaltungssteuerung, Weiterentwicklung und Harmonisierung des Rechnungswesens) konnte im Vorbereitungsgremium mit den Vertretern der Gebietskörperschaften kein ausreichender Konsens erzielt werden. Über die Realisierung der Lösungsvorschläge wird in der Arbeitsgruppe zu entscheiden sein. Erste Umsetzungserfolge und weitere Vorgangsweise Durch einen Ministerratsbeschluss vom 15. September 2009 wurden insgesamt 32 Projekte zum E Government, den Supportprozessen und Verwaltungsreformmaßnahmen in einzelnen Ressorts beauftragt. Mit den bereits beschlossenen Projekten wurden wichtige Anliegen in Angriff genommen. Bei der vorgenommenen Priorisierung der Projekte in den Bereichen E Government und Supportprozesse zeigt sich aber auch, dass bisher nur eine geringe Reformbereitschaft bei jenen Empfehlungen besteht, bei denen das Zusammenwirken mehrerer Stellen oder Gebietskörperschaften erforderlich wäre (Gemengelagen) oder die auf Systemumstellungen oder Kompetenzänderungen abzielen. Vorarlberg 2009/8 31
7 Zur Harmonisierung der Pensionssysteme haben mehrere Länder insbesondere seit Durchführung der diesbezüglichen RH Querschnittsüberprüfungen bereits Pensionsreformen zur Umsetzung des daraus realisierbaren Einsparungspotenzials von insgesamt 714 Mill. EUR für den Zeitraum von 2010 bis 2049 beschlossen oder die feste Absicht dazu bekundet. Bei der Schulverwaltung bestehen auf politischer Ebene noch divergierende Vorstellungen, so dass bisher keine greifbaren Ergebnisse erzielt werden konnten. Das Expertenpapier wurde jedoch von allen Beteiligten als hervorragende Grundlage für intensive weiterführende Gespräche und Verhandlungen anerkannt. Aus Sicht des RH war im bisherigen Reformprozess zwar die grundsätzliche Bereitschaft zu Reformmaßnahmen erkennbar, noch fehlen jedoch entschlossene Schritte auf politischer Ebene, auch solche Vorschläge der Expertengruppe aufzugreifen, die tiefgreifendere Veränderungen von bisherigen Strukturen und Vorgangsweisen bedeuten. Einbindung aller politischen Kräfte Bereits frühzeitig drängte der RH auf eine Einbindung aller parlamentarischen Kräfte in den Verwaltungsreformprozess, weil die Entscheidungsfindung nur auf breiter Basis nach einem eingehenden Diskussionsprozess mit den betroffenen Stakeholdern erfolgen kann. Als Organ des Nationalrates hat er die Expertenpapiere jeweils auch den Klubs der fünf Parlamentsparteien übermittelt und im Rahmen der so genannten Österreich Gespräche seine Vorschläge näher erläutert. Als konkretes Ergebnis erfolgte am 9. Juli 2009 im Nationalrat im Rahmen eines Österreich Gesprächs die Einsetzung eines Unterausschusses zum Verfassungsausschuss, um die erforderlichen verfassungsrechtlichen Grundlagen rasch schaffen zu können. 32 Vorarlberg 2009/8
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