Orientierungsatz: (Erfolgloser) Nachbarantrag; Gebot der Rücksichtnahme; Dachgaube; ausreichende Erschließung (Schmutzwasser); Notleitungsrecht
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1 VG Augsburg, Beschluss v Au 4 S , Au 4 S Titel: Normenketten: 80a Abs 1 Nr 2 VwGO 80a Abs 3 VwGO 80 Abs 5 VwGO 34 Abs 1 BauGB Art 14 Abs 1 GG 917 Abs 1 BGB Orientierungsatz: (Erfolgloser) Nachbarantrag; Gebot der Rücksichtnahme; Dachgaube; ausreichende Erschließung (Schmutzwasser); Notleitungsrecht Schlagworte: Baugenehmigung, Nachbarantrag, Rücksichtnahme, Notleitungsrecht, Erschließung Tenor I. Die Anträge werden abgelehnt. II. Die Kosten der Verfahren tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für die Verfahren wird bis zur gemeinsamen Entscheidung auf jeweils 3.750,-- EUR festgesetzt, für die Zeit danach auf 7.500,-- EUR. Gründe I. 1 Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen den Beigeladenen erteilte Baugenehmigungen zur Errichtung von Doppelhaushälften Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr.... Gemarkung..., welches mit einem Wohnhaus bebaut ist. Östlich an dieses Grundstück grenzt das ehemalige Grundstück Fl.Nr.... Gemarkung... Für dieses damals noch ungeteilte Grundstück erteilte das Landratsamt... jeweils mit Bescheiden vom 3. August 2010 die Baugenehmigung zum Neubau einer Doppelhaushälfte nach 34 BauGB im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO. Die Bescheide enthielten dabei unter Ziffer III der Gründe Auflagen zur Festsetzung der Höhenlage. Haus B (Au 4 S ) wird dabei auf dem nunmehr geteilten Grundstück Fl.Nr.... errichtet, Haus C (Au 4 S ) auf dem nunmehr abgeteilten Grundstück Fl.Nr Dagegen ließen die Antragsteller am 20. August 2010 Klage erheben und jeweils beantragen, die Bescheide des Landratsamtes... vom 3. August 2010 aufzuheben. 4 Gleichzeitig wurde einstweiliger Rechtsschutz beantragt, 5
2 durch Herstellung der aufschiebenden Wirkung, wonach der in der Klage angefochtene Bescheid für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht vollzogen werden darf. 6 Die an das Grundstück der Antragsteller angrenzenden Fl.Nrn...., und... sowie..., auf dem ein weiteres Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung genehmigt worden sei, seien durch Teilung des ehemals einheitlichen Grundstückes... entstanden. Im Jahre 1989, im Zuge der Errichtung des Anwesens der Antragsteller, hätten diese dem Bau einer Abwasserleitung zugestimmt, welche vom ursprünglich einheitlichen Flurstück... in das Grundstück der Antragsteller, entlang der nördlichen Grenze und kurz vor Erreichen der westlichen Grenze nach links in einen diesen gehörenden Revisionsschacht führe. In diesen Revisionsschacht werde auch das Anwesen der Antragsteller von Abwässern entsorgt. Zur Zeit der Errichtung dieses Kanals, ausgeführt mit einem Durchmesser von 150 mm, sei dieser zur Abwasserentsorgung für ein Einfamilienhaus geplant gewesen. Nunmehr seien die streitgegenständlichen Häuser B und C sowie ein weiteres Einfamilienhaus geplant. Danach sei von einem Bedarf von 3 Familien auszugehen, das Anwesen der Antragsteller beherberge zwei Familien. Durch die Teilung des ursprünglichen Grundstücks Fl.Nr.... in drei Bauplätze sei die Leistungsfähigkeit des Revisionsschachtes nicht mehr gegeben. Es drohe der Rückstau, der sich so auswirke, dass die Abwässer aus dem Anwesen der Antragsteller dort durch Toiletten, Dusch- und Badeabläufe in das Kellergeschoss eindringe, welches mit Sauna und Wellnessbereich ausgebaut sei. Den Bauherrn hätte zur Auflage gemacht werden müssen, die Schmutzwasserableitung über einen eigenen Revisionsschacht in die gemeindliche Abwasserleitung einzuführen. 7 Die Antragsteller wenden sich weiter gegen eine genehmigte Dachgaube, die unmittelbaren Blick in die Obergeschosswohnung im Anwesen der Antragsteller gewähre. In der Nachbarschaft gäbe es keine vergleichbaren Dachgauben. Einstweiliger Rechtsschutz sei erforderlich, weil bereits mit dem Bau begonnen worden sei Für den Antragsgegner ist beantragt, 9 die Anträge abzulehnen. 10 Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 30. August 2010 Bezug genommen Mit Beschluss vom 23. August 2010 wurden die jeweiligen Inhaber der Baugenehmigungen zu den Verfahren beigeladen. Sie haben sich bislang nicht geäußert Mit Schriftsatz vom 14. September hatten die Antragsteller eine Stellungnahme des Architekten... vom 19. August 2010 vorgelegt. In dieser wird ausgeführt, dass der verlegte Schmutzwasserkanal mit dem Durchmesser 150 mm für eine spätere Bebauung mit einem Einfamilienhaus verlegt worden sei. Nun sollten drei Häuser mit insgesamt vier Wohneinheiten angeschlossen werden. Der vorhandene Kanalanschluss werde dann mit den zwei vorhandenen Wohneinheiten nicht mehr ausreichen und es würden Störungen, d.h. Verstopfungen des Hausanschlusses auftreten. Der Bevollmächtigte der Antragsteller führte aus, dass es für das zu bebauende Grundstück eingetragene Leitungsrechte gebe. Den beteiligten Grundstückseigentümern solle nicht das Wasserableitungsrecht genommen werden, sondern es werde begehrt, dass zum Schutz der Antragsteller ein größer dimensionierter Kanal hergestellt werde, um erheblichen Schaden am Eigentum der Antragsteller zu vermeiden. Selbst wenn ein entsprechendes Leitungsrecht bestehe, bedeute dies nicht, dass es vom Berechtigten zum Schaden des Verpflichteten ausgenutzt werden dürfe.
3 13 6. Für den Antragsgegner wurde mit Schriftsatz vom 17. September 2010 die Berechnung eines Ingenieurbüros für Hoch- und Tiefbau zur Ermittlung des Spitzendurchflusses für Trinkwasser nach DIN übersandt. 14 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. II. 15 Die nach 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zulässigen Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung haben keinen Erfolg. 16 Nach 212 a Abs. 1 BauGB i.v.m. 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Nach 80 a Abs. 3 i.v.m. 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache aber die aufschiebende Wirkung auf Grund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Insoweit stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Deshalb ist bei der Entscheidung über den Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich also nach summarischer Prüfung die angefochtene Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (BayVGH vom , BayVBl 1991, 720/721). Erscheint der Nachbarrechtsbehelf dagegen als voraussichtlich erfolglos, ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, hat eine reine Interessenabwägung stattzufinden (vgl. z. B. BayVGH vom , Az. 26 CS ). 17 Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Klagen gegen den Bescheid vom 3. August 2010 werden diese voraussichtlich keinen Erfolg haben, denn eine Verletzung nachbarschützender Rechte, auf die sich die Antragsteller berufen könnten, ist danach wohl nicht gegeben. 18 Eine Verletzung nachbarschützender Normen des Bauplanungsrechtes ist voraussichtlich nicht gegeben. Da die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO erteilt wurde, können sich die Antragsteller für die wohl zu recht auf der Grundlage von 34 BauGB erteilte Baugenehmigung nur auf eine mögliche Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme berufen, das Bestandteil des Einfügungsgebotes nach 34 Abs. 1 BauGB ist. 19 Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme durch die jeweils auf der Ostseite im Dachgeschoss der geplanten Doppelhaushälften vorgesehenen Gauben ist jedoch wohl nicht gegeben. Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung kann erst dann bejaht werden, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Ob dies der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtschau, die den konkreten Einzelfall in den Blick nimmt, zu ermitteln. Im Dachgeschoss der geplanten Doppelhaushälfte in Haus B und C soll jeweils eine Dachgaube für das Kinderzimmer errichtet werden. Der Nachbar ist grundsätzlich öffentlichrechtlich nicht so geschützt, dass das Grundstück einschließlich der darin befindlichen Wohnungen nicht eingesehen werden kann und sein Grundstück frei zu halten ist von unerwünschten Einblicken
4 (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung 2008 Band 1, Rdnr. 440 zu Art. 66). Die Möglichkeit, aus Fenstern Einblicke in die Nachbargrundstücke zu erhalten liegt in der Natur der Sache und ist von den Eigentümern und Bewohnern eines Gebietes regelmäßig hinzunehmen. Für eine andere Beurteilung ist vorliegend kein Anlass. Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass zwischen dem Gebäude der Antragsteller und den Vorhaben der Beigeladenen eine Distanz von etwa 15 m liegt. 20 Auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes deswegen, weil die beiden Doppelhaushälften auf das Grundstück der Antragsteller eine "erdrückende Wirkung" hätten, liegt voraussichtlich nicht vor. Zwar war die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften, deren Einhaltung im Regelfall eine solche Wirkung ausschließt, vorliegend nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Dennoch kann wohl eine "erdrückende Wirkung" der Doppelhaushälften angesichts der Bauweise mit E+D und einer Höhe von rund 7 m trotz einer Gesamtlänge beider Vorhaben von 18,60 m nicht angenommen werden. 21 Auch durch die Benutzung des im Grundstück der Antragsteller verlegten Schmutzwasserkanales sowie des klägerischen Revisionsschachtes dürfte eine Rechtsverletzung der Antragsteller nicht gegeben sein. Dabei schützt grundsätzlich das Erfordernis der im Rahmen des 34 Abs. 1 BauGB zu prüfenden gesicherten Erschließung nicht die Interessen des Nachbarn, sondern dient dem Interesse der Allgemeinheit. Allerdings kann einem Nachbarn ein Abwehrrecht gegen eine rechtswidrige Baugenehmigung zustehen, wenn diese in sein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentumsrecht dadurch eingreift, dass sie ihm wegen einer fehlenden Erschließung die Duldung eines Notleitungsrechtes nach 917 Abs. 1 BGB analog "aufzwingt" (BayVGH vom , BayVBl 2000, 472). 22 Vorliegend besteht jedoch bereits ein Schmutzwasserkanal, der durch das Grundstück der Antragsteller zur öffentlichen Abwasserleitung verläuft. Das grundsätzliche Nutzungsrecht dieses Kanals sowie des Revisionsschachtes für die streitgegenständlichen Grundstücke wird von den Antragstellern auch nicht bestritten. Entgegen ihres Vortrags dürfte jedoch der vorliegende Schmutzwasserkanal für den Anschluss der beiden streitgegenständlichen Doppelhaushälften sowie des weiter genehmigten Einfamilienwohnhauses mit Einliegerwohnung (Au 4 S ) ausreichen. Im Eilverfahren geht das Gericht davon aus, dass die vom Antragsgegner vorgelegte Berechnung des Ingenieurbüros für Hoch- und Tiefbau (Dipl.-Ing....) zur Ermittlung des Spitzendurchflusses für Trinkwasser nach DIN vom 20. September 2010 mit der am 21. September übersandten Korrektur zutreffend ist. Diese Korrektur stellt klar, dass der Berechnung sowohl die beiden Doppelhaushälften als auch das Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung zu Grunde liegen. Dies ergibt sich auch aus den angenommenen Stückzahlen bezüglich der einbezogenen Badewannen, Brausewannen, etc.. Nach dieser Berechnung ergibt sich ein Summendurchfluss von 5,66 l/s. Die Abflussleistung der streitgegenständlichen Schmutzwasserleistung DN 150 beträgt danach 25,8 l/s. Somit ist jedenfalls im Eilverfahren zunächst plausibel dargelegt, dass der streitgegenständliche Schmutzwasserkanal und damit auch der Revisionsschacht im Eigentum der Antragsteller für den Anschluss von weiteren vier Wohneinheiten ausreichend dimensioniert sind. Dies gilt ausweislich der ergänzenden Stellungnahme vom 21. September 2010 auch unter Berücksichtigung der beiden Wohneinheiten im Haus der Antragsteller. Die vom Bevollmächtigten noch angeführte Sauna bzw. der Whirlpool dürften angesichts der Differenz von 20 l/s ohne Belang sein. Diese Berechnung ist durch die pauschale Behauptung in der Stellungnahme des Architekten der Antragsteller vom 19. August 2010 nicht widerlegt. Die mögliche Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie vom Bevollmächtigten der Antragsteller beantragt, wird im Eilverfahren nicht für erforderlich gehalten. 23 Nachdem - wie dargelegt - eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften wohl nicht in Betracht kommt, scheidet die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Antragsteller aus. An der Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Baugenehmigungen, die nachbarschützende Rechte der Antragsteller voraussichtlich nicht verletzen, kann grundsätzlich kein überwiegendes Interesse der Antragsteller bestehen.
5 24 Kostenentscheidung: 154 Abs. 1 VwGO, 159 VwGO. 25 Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst ( 162 Abs. 3 VwGO). 26 Streitwert: 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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