15. Weimarer Baurechtstage
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1 15. Weimarer Baurechtstage Die Renaissance des vorhabenbezogenen Bebauungsplans aus Investorensicht Weimar, den 04. März 2016 Dr. Andreas Dazert Fachanwalt für Verwaltungsrecht 1
2 Gliederung I. Abgrenzung vorhabenbezogener zu klassischem Bebauungsplan II. Begriffsbestimmung III. Bestandteile des vorhabenbezogenen Bebauungsplans IV. Vor- und Nachteile des vorhabenbezogenen Bebauungsplans aus Investorensicht V. Frühere Anwendungsprobleme und deren Behebung VI. Vorhaben- und Erschließungsplan VII. Tauglicher Vorhabenträger VIII. Aufstellungsverfahren IX. Durchführungsvertrag X. Vorhabenträgerwechsel 2
3 I. Abgrenzung klassischer Bebauungsplan/ vorhabenbezogener Bebauungsplan klassischer Bebauungsplan vorhabenbezogener Bebauungsplan Kommunale Satzung Grundlage für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gem. 30 Abs. 1 BauGB von baulichen Vorhaben Angebotsplan keine Realisierungspflicht Sonderform des Bebauungsplans gem. 12 BauGB dient der Realisierung eines konkreten baulichen Vorhabens Zulässigkeit des Bauvorhabens gem. 30 Abs. 2 BauGB Realisierungspflicht des Investors 3
4 II. Begriffsbestimmung Der vorhabenbezogene Bebauungsplan gem. 12 BauGB ist ein eigenständiges Instrument des Städtebaurechts, das die Bestimmungen über den Bebauungsplan mit jenen über den städtebaulichen Vertrag verknüpft. Der klassische Bebauungsplan und der vorhabenbezogene Bebauungsplan sind gleichrangig. Es besteht keine Rangfolge, so dass sich die Kommune für den einen oder anderen Weg frei entscheiden kann (vgl. hierzu nur OVG Koblenz, Urteil vom , 8 C 10725/09, BauR 2010, 1539). Bestandteile des vorhabenbezogenen Bebauungsplans sind der Vorhaben- und Erschließungsplan und der Durchführungsvertrag zwischen Kommune und Investor (vgl. 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). 4
5 III. Bestandteile des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Der Bebauungsplan setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: Vorhaben- und Erschließungsplan (VEP) stellt detailliert das Vorhaben und die Erschließung dar Bestandteil des vorhabenbezogenen B-Plans Durchführungsvertrag zwingende Ergänzung des VEP, aber nicht Bestandteil der Satzung enthält v.a. inhaltliche und zeitliche Durchführungsverpflichtung, Kostentragung Vorhabenbezogener Bebauungsplan umfasst mindestens den Bereich des VEP, kann aber auch Regelungen zu einzelnen Flächen enthalten, die nicht Gegenstand des VEP sind (z.b. Infrastrukturflächen, naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen) 5
6 Gesetzeswortlaut Wortlaut des 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB: Die Gemeinde kann durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach 10 Abs. 1 verpflichtet (Durchführungsvertrag). 6
7 VI. Vorhaben- und Erschließungsplan 7
8 III. Vorhabenbezogener Bebauungsplan 8
9 IV. Vor- und Nachteile aus Investorensicht Rechtsstellung des Vorhabenträgers Vorteile für den Vorhabenträger: B-Plan kann sich an konkretem Projekt orientieren zügige Realisierung ohne Abhängigkeit vom Finanzhaushalt der Gemeinde keine Bindung an den Festsetzungskatalog des 9 BauGB und die BauNVO Nachteile für den Vorhabenträger: Vorhabenträger trägt i.d.r. sämtliche Planungskosten Pflicht zur fristgemäßen Durchführung des Vorhabens; andernfalls entschädigungslose Aufhebung des B-Plans Risiko der nutzlosen Vorausleistungen 9
10 V. Frühere Anwendungsprobleme/ Renaissance des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Anwendung war erschwert durch zwei Probleme: 1.Problem: Vergaberechtliche Ausschreibungspflicht Vergabeproblematik infolge der Alhorn -Entscheidung des OLG Düsseldorf vom , VII-Verg 2/07, NZBau 2007, 530: Eine Bauverpflichtung zur Realisierung eines Städtebauprojektes stellt immer die Vereinbarung einer Baukonzession dar, was zu einer europaweiten Ausschreibungspflicht führt. Es kommt nicht darauf an, dass die Kommune als öffentlicher Auftraggeber das Vorhaben selbst nutzen möchte. Unterliegt der Durchführungsvertrag i.s.d. 12 I BauGB der vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht? dagegen EuGH, Urteil vom , C-451/08, NVwZ 2010, Abs. 3 GWB aktuelle Fassung: Ein öffentlicher Bauauftrag liegt nur dann vor, wenn die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber auch unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt. Die Verfolgung eines allgemeinen städtebaulichen Interesses reicht demgegenüber nicht. Vielmehr muss das Bauvorhaben dem unmittelbaren Beschaffungsinteresse der Kommune dienen. 10
11 V. Frühere Anwendungsprobleme/ Renaissance des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 2. Problem: Nichtigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Auseinanderfallen zwischen der Gebietsartfestsetzung nach dem BauGB i.v.m. der BauNVO im vorhabenbezogenen Bebauungsplan und dem Vorhaben, wie es im Durchführungsvertrag konkretisiert ist. Bei allgemeiner Festsetzung gem. 9 BauGB ist das Vorhaben im vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht hinreichend konkretisiert. Widerspruch zwischen nach Gebietsart zugelassenem Vorhaben und dem im Durchführungsvertrag konkretisierten Vorhaben führt zur Nichtigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (vgl. BVerwG, Urt. v , NVwZ 2004, 22; Beschluss v , BauR 2004, 1908). Reaktion des Bundesgesetzgebers mit Wirkung ab dem : Neuregelung in 12 III a BauGB: Festsetzung eines Gebietes nach der BauNVO zulässig aber: Zulässigkeit des konkreten Bauvorhabens ist aufschiebend bedingt dadurch, dass im Rahmen der festgesetzten Nutzungen nur solche Vorhaben zulässig sind, zu denen sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichtet (aufschiebend bedingte Festsetzung gem. 9 II BauGB). 11
12 VI. Vorhaben- und Erschließungsplan Vorhaben- und Erschließungsplan ein oder mehrere Vorhaben können Gegenstand eines VEP sein, auch Bestandsvorhaben Vorhaben sind mit allen städtebaulich relevanten Parametern textlich und zeichnerisch so konkret zu beschreiben, dass eine Umsetzung der Durchführungsverpflichtung eindeutig feststellbar ist gem. 12 III 2 Hs. 1 BauGB im Bereich des VEP keine Bindung der Gemeinde an den Festsetzungskatalog des 9 I bis VII BauGB und die BauNVO trotzdem muss der vorhabenbezogene Bebauungsplan das Ergebnis eines gerechtfertigten Abwägungsergebnisses sein im VEP müssen wie in jedem B-Plan (zumindest) Art und Maß der baulichen Nutzung geregelt sein auch gestalterische Festsetzungen i.s.v. 9 IV BauGB sind zulässig VEP ist auf städtebauliche Regelungen beschränkt, daher keine Abweichungen vom Bauordnungsrecht 12
13 VII. Vorhabenträger Vorhabenträger natürliche Personen sowie juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts können Vorhabenträger sein aber nicht Gemeinde selbst; wohl aber eine in ihrem Eigentum stehende juristische Person Gesetz stellt auf einen Vorhabenträger ab; mehrere Investoren können sich jedoch - z.b. in Form einer GbR - zusammenschließen Fähigkeit zur Durchführung des/der Vorhaben und der Erschließung setzt insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vorhabenträgers voraus Gemeinde darf und muss finanzielle Leistungsfähigkeit des Trägers prüfen, einschließlich hinreichender Sicherung der Durchführung von Maßnahmen im öffentlichen Raum (Erschließung) Vorhabenträger muss finanzielle Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Vorhabens nachweisen (z.b. durch Kredit- oder Fördermittelzusagen oder Bürgschaft) Vorhabenträger muss i.d.r. Eigentümer der Flächen des VEP sein oder ansonsten hinreichende privatrechtliche Verfügungsbefugnis innehaben 13
14 VIII. Verfahrensbeginn Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist formlos möglich (vgl. 10 VwVfG). Nach 12 II 1 BauGB Anspruch des Vorhabenträgers, dass über seinen Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden wird. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegen Kommune 12 BauGB sagt nichts darüber aus, wer über Antrag entscheiden darf (Rat oder Verwaltung), richtet sich nach kommunalrechtlichen Vorschriften Anspruch auf Entscheidung ist durchsetzbar durch Leistungs- oder Verpflichtungsklage, je nachdem ob Entscheidung der Gemeinde Verwaltungsaktqualität hat. Streitig! aber: Kein Anspruch auf Satzungserlass: siehe 1 III 2 BauGB: Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden. Auch Vorvertrag oder Durchführungsvertrag, der Verpflichtung zum Erlass des B-Plans zum Gegenstand hat, ist nichtig. 14
15 VIII. Sonstige verfahrensrechtliche Anforderungen Für die Aufstellung eines vorhabenbezogenen B-Plans gelten in formeller Hinsicht die allgemeinen Verfahrens- und Formvorschriften für Bebauungspläne: Regelverfahren gem. 2 ff. BauGB vereinfachtes Verfahren gem. 13 BauGB beschleunigtes Verfahren gem. 13a BauGB 15
16 IX. Durchführungsvertrag öffentlich-rechtlicher Vertrag i.s.d. 54 VwVfG städtebaulicher Vertrag i.s.d. 11 IV VwVfG formelle Anforderungen: Schriftform nach 57 VwVfG notarielle Beurkundung nach 311b BGB i.v.m. 62 Satz 2 VwVfG, wenn gleichzeitig Übereignung von Grundstücken Abschluss spätestens vor Satzungsbeschluss nach 10 I BauGB (vgl. Wortlaut des 12 I 1 BauGB und OVG Bautzen, NVwZ 1995, 181); bindendes Vertragsangebot des Vorhabenträgers vor Satzungsbeschluss reicht aus; falls Abschluss zu spät, Heilung gem. 214 IV BauGB durch ergänzendes Verfahren möglich (vgl. OVG Münster, BauR 2012, 1075) 16
17 IX. Inhalte des Durchführungsvertrages vertragliche Verpflichtung zur Durchführung des konkretisierten Vorhabens innerhalb einer hinreichend bestimmten Frist; Möglichkeit der Verlängerung der Durchführungsfrist mit Zustimmung der Gemeinde kann im Vertrag vereinbart werden (vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1997, 699) Verpflichtung zur Tragung der Planung- und Erschließungskosten ganz oder zumindest teilweise; Planungskosten umfassen auch Gutachten, die Gemeinde Dritten überträgt Übernahme der Erschließungsmaßnahmen ist die Regel, aber nicht Anwendungsvoraussetzung des VEP; bei vertraglicher Übernahme der Erschließungskosten ist Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts ausgeschlossen (vgl. 12 III 2 Hs. 2) Sicherungsmöglichkeiten des Vorhabenträgers: z.b. Rücktrittsrecht, wenn B-Plan nicht innerhalb einer bestimmten Frist in Kraft getreten ist z.b. vertragliche Verpflichtung der Gemeinde, dem Vorhabenträger die Planungskosten zu ersetzen (BGH, Urt , NJW 1980, 826) 17
18 IX. Wirksamkeit des Durchführungsvertrages Achtung: Ist DV unwirksam (z.b. fehlender konkretisierter Durchführungsfrist, Verstoß gegen die Schranken des 11 BauGB oder wegen sonstiger allgemeiner Nichtigkeitsgründe), ist B-Plan nichtig. Beispiel: Kommune überträgt Grundstück zur Realisierung des Vorhabens unter Verstoß gegen das Europäische Beihilferecht auf den Vorhabenträger! 18
19 IX. Nichterfüllung der Durchführungspflicht 12 VI 1 BauGB: Gemeinde soll B-Plan aufheben, wenn der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht fristgerecht durchgeführt wird; intendiertes Ermessen (Regelsanktion) Aufhebung im vereinfachten Verfahren nach 13 BauGB möglich (Aufhebungsverfahren) 12 VI 2 BauGB: kein Ersatzanspruch des Vorhabenträgers insb. keine Ansprüche aus 39 ff. BauGB (Planungsschadensrecht) Entschädigungsausschluss gilt nur für diesen Fall der B-Plan-Aufhebung Vertragsstrafen bei Nichtdurchführung zulasten des Vorhabenträgers möglich, falls im Durchführungsvertrag vorgesehen; möglicherweise drohen ihm auch Ansprüche wegen Nichterfüllung des Durchführungsvertrages ( 62 Satz 2 VwVfG i.v.m. BGB) 19
20 X. Wechsel des Vorhabenträgers Trägerwechsel 12 V BauGB: Trägerwechsel bei Zustimmung der Gemeinde möglich Zustimmung darf nur verweigert werden, wenn Durchführung des Vorhaben- und Erschließungsplans gefährdet erscheint (z.b. weil neuer Vorhabenträger nicht bereit ist, im selben Umfang Sicherheiten zu stellen wie alter) Zustimmung der Gemeinde auch erforderlich, wenn im DV Möglichkeit des Trägerwechsels eingeräumt wird; denn zum Zeitpunkt des Wechsels muss eine Gefährdung des Vorhabens auszuschließen sein bei (rechtswidriger) Versagung der Zustimmung (= VA) ist Verpflichtungswiderspruch bzw. -klage möglich klagebefugt: nur Vorhabenträger nicht Anwärter 20
21 Ergebnisse 1. Aus Investorensicht ist der vorhabenbezogene Bebauungsplan ein flexibles Instrument zur Schaffung von Baurecht für ein konkretisiertes Vorhaben. 2. Die Initiative für die Aufstellung geht vom Investor aus. Er hat einen Anspruch gegenüber der Kommune als Plangeberin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. 3. Die alten Probleme in Bezug auf eine etwaige öffentliche Ausschreibungspflicht und die fehlende hinreichende Konkretisierung bei allgemeiner Gebietsartfestsetzung sind durch gesetzliche Neuregelungen beseitigt. 4. Der Investor muss zur Realisierung des Vorhabens innerhalb der vereinbarten Durchführungsfrist in der Lage sein, da ansonsten die entschädigungslose Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans droht. 5. Da der Durchführungsvertag konstitutiver Bestandteil ist, führt seine Nichtigkeit auch zur Nichtigkeit des vorhabenbezogenen Bebauunsplans. 21
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Andreas Dazert Fachanwalt für Verwaltungsrecht Kunz Rechtsanwälte & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbb Mainzer Straße Koblenz Telefon: +49 (261) Telefax: +49 (261)
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