Arbeits- und Sozialrecht Informationen der DiAG MAV Paderborn in Zusammenarbeit mit RAe Reiter / Schmitz, Herne.

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1 Arbeits- und Sozialrecht Informationen der DiAG MAV Paderborn in Zusammenarbeit mit RAe Reiter / Schmitz, Herne F. Leenen, DiAG Paderborn, 2006

2 Zielvereinbarung - individual- und kollektivrechtliche Rechtsfolgen F. Leenen, DiAG Paderborn, 2006

3 Definition und Elemente der Zielvereinbarung

4 Zielvereinbarung: Definition Zielvereinbarungen sind Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über betriebliche Ziele, die in einer bestimmten Zeitperiode erreicht werden sollen. Zielvereinbarung zwischen einzelnen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber Zielvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und einer Gruppe von Arbeitnehmern Bei entgeltbezogenen Zielvereinbarungen wird für das Erreichen der Ziele ein (Jahres-)Bonus vereinbart, der nach dem Grad der Zielerreichung gestaffelt sein kann. Mit dieser Variante wird ein leistungsbezogener Vergütungsbestandteil für solche Arbeitsverhältnisse implementiert, in denen die Arbeitsleistung nicht unmittelbar an den Arbeitsergebnissen gemessen werden kann. Zielvereinbarungen werden als Instrument der Personalführung eingesetzt, um Leistungsanreize zu geben und eine höhere Identifikation mit den Unternehmenszielen zu erreichen.

5 Zielvereinbarung: Elemente 1. Stufe: Rahmenvertrag zur Zielvereinbarung In ihm wird festgelegt, - in welchem Verfahren die konkreten (Jahres-)Ziele bestimmt werden. - wie die Zielerreichung festgestellt wird. - welcher Bonus bei Zielerreichung gezahlt wird. 2. Stufe: Regelung der Zielfestlegung Der Rahmenvertrag kann dem Arbeitgeber das Recht einräumen, das zu erreichende Ziel einseitig festzulegen. Die einseitige Leistungsbestimmung muss billigem Ermessen isd 315 BGB entsprechen. 3. Stufe: Verfahren, mit dem der Zielerreichungsgrad festgestellt wird.

6 Rechtsfolgen der Störung der Zielerreichung 1. Kürzung der Prämie aufgrund Zeiten ohne Arbeitsleistung 2. Fehlen der Zielfestlegung oder Fehlen der Möglichkeit der Zielerreichung auf Grund einer in der Sphäre des Unternehmens liegenden Ursache 3. Beendigung des Arbeitsvertrags im Zeitraum der Zielperiode durch Kündigung, Aufhebungsvertrag 4. Abmahnung, Kündigung 5. Freistellung durch Suspendierung F. Leenen, DiAG Paderborn, 2006

7 Rechtsfolgen: Kürzung der Prämie Bei einer arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter entsteht kein Anspruch, wenn der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbracht hat. Es gilt das allgemeine Prinzip Ohne Leistung keine Gegenleistung Bei Arbeitsunfähigkeit im gesamten Kalenderjahr ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung Bei Elternzeit im gesamten Kalenderjahr erlischt der Gewinnbeteiligungsanspruch nach 275 I, 326 I BGB auch ohne Kürzungsvereinbarung, da es sich um eine Erfolgsbeteiligung handelt.

8 Rechtsfolgen: Kürzung der Prämie Wenn dem Arbeitnehmer nach - Gesetz, - Tarifvertrag, - Betriebsvereinbarung oder - Arbeitsvertrag ist ein Anspruch auf Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter zu erfüllen. das Entgelt auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung fortzuzahlen ist, wie z.b. - Urlaub, - unverschuldete krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit oder - Mutterschutz Die Lohn- und Gehaltsfortzahlungsbestimmungen des Arbeitsrechts enthalten kein Prinzip zur Erhaltung des allgemeinen, nach einem Jahresbezugszeitraum bemessenen Lebensstandards. Die rechtliche Gestaltung hat die Konsequenz, dass Fehlzeiten auf Grund Arbeitsunfähigkeit über sechs Wochen hinaus bei einer arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter anspruchsmindernd wirken.

9 Rechtsfolgen: Fehlen der Zielfestlegung oder Fehlen der Möglichkeit der Zielerreichung Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Auskunft über die Zielfestlegung, um zu beurteilen, ob und inwieweit entsprechend dem Zielerreichungsgrad ihm anteilig ein Anspruch auf den Bonus zusteht. Wenn der Arbeitgeber den Anspruch auf Auskunft nicht erfüllt, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung in der bisherigen Höhe. Hat ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf eine Bonuszahlung, wenn die für das Kalenderjahr festgelegten Ziele zu 100 % erreicht sind, steht ihm dieser Anspruch auch dann zu, wenn der Arbeitgeber es vertragswidrig unterlässt, eine Zielvorgabe zu treffen. Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Zahlung einer jährlichen Prämie aufgrund einer Zielerreichung und treffen die Vertragsparteien in der Zielvereinbarung keine Zielfestlegung, ist die Höhe der zu zahlenden Prämie in entsprechender Anwendung des 315 III BGB zu bestimmen. Bei der Bestimmung der Höhe der Prämie sind die Interessen der Vertragsparteien nach billigem Ermessen gegeneinander abzuwägen. Es können nur Interessen berücksichtigt werden, die für die andere Vertragspartei erkennbar sind. Wird die Zielerreichung infolge des Verhaltens des Arbeitgebers erschwert oder unmöglich, wird entsprechend der gesetzgeberischen Wertung nach 87 a III 2 HG bei durch den Arbeitgeber zu vertretenden Umständen (z.b. Einstellung der Produktion, für deren Erfolg ein Zielbonus vereinbart wurde) der Zielbonus derart geschuldet, als wenn die Beeinträchtigung durch den Arbeitgeber nicht eingetreten ist.

10 Rechtsfolgen: Beendigung des Arbeitsvertrags im Zeitraum der Zielperiode durch Kündigung, Aufhebungsvertrag Wenn eine Sonderzahlung lediglich von der Arbeitsleistung in Form der Zielerreichung als Gegenleistung abhängig ist, handelt sich um eine Regelung der Vergütung mit reinem Entgeltcharakter. Das Bestehen des Arbeitsvertrags in der Zielperiode ist nicht Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs auf Zahlung. Der Anspruch auf die Vergütung entsteht in der Zielperiode entsprechend der Arbeitsleistung in der zurückgelegten Zeitdauer. Er wird lediglich zu einem zeitlich nachfolgenden Termin fällig. Der Arbeitnehmer hat bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsvertrags während der Zielperiode einen Anspruch auf die anteilige Sonderzahlung entsprechend dem Wert der durch ihn erbrachten Teilleistung.

11 Rechtsfolgen: Kündigung, Abmahnung Auf Schlechtleistungen beruhende Pflichtverletzungen sind geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung nach vorheriger Abmahnung zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, Teilleistungen zu erbringen. Quantitative und/oder qualitative Minderleistungen unter der Hälfte der durchschnittlichen Normalleistung bedeuten ein graduelles Leistungsdefizit, das tatbestandlich eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt Ob eine Leistung als Schlechtleistung rechtlich zu beurteilen ist, bestimmt sich nach dem Arbeitsvertrag. Die Bestimmung einer Normalleistung in einem Prämiensystem nach einer Zielvereinbarung hat nicht den Zweck, Leistungspflichten zu bestimmen, sondern soll einen Anreiz zu überobligatorischen Leistungen bilden. Der Arbeitnehmer schuldet das Wirken, nicht das Werk. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsleistung unter angemessener Ausschöpfung der subjektiven Leistungsfähigkeit erbringen

12 Rechtsfolgen: Freistellung durch Suspendierung Die fehlende Zielerreichung entsprechend dem Inhalt einer Zielvereinbarung berechtigt den Arbeitgeber nicht, den Arbeitnehmer einseitig von der Pflicht zu einer Arbeitsleistung freizustellen.

13 Rechte und Pflichten der Betriebsparteien 1. Allgemeine Rechte der betrieblichen Interessenvertretung 2. Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung 3. Einführung und Anwendung einer technischen Einrichtung 4. Personalfragebogen 5. Beurteilungsrichtlinien 6. Fragen der innerbetrieblichen Lohngestaltung F. Leenen, DiAG Paderborn, 2006

14 Rechte und Pflichten: Information 26 I 2, III Nr. 7 ivm 27 I 1, MAVO Die Aufgabe der MAV zu überwachen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird, begründet einen Anspruch auf Auskunft über die mit den Arbeitnehmern getroffenen Zielvereinbarungen. Zielfestlegung Zielerreichungsgrad Nur die Kenntnis dieser Tatsachen ermöglicht die im Rahmen der Zielvereinbarung notwendige Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im Nachhinein einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Hat die MAV einen Anspruch auf Auskunft, besteht für sie keine Pflicht zu einer Selbstbeschaffung der Informationen. Die MAV hat einen Anspruch, ohne eigenes Zutun durch den Arbeitgeber informiert zu werden.

15 Rechte und Pflichten: Unterlagen Fraglich ist, ob der Dienstgeber verpflichtet ist, Unterlagen in Form der Zielvereinbarungen der MAV nach 26 II 1 MAVO vorzulegen. Die Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtsfrage, ob Gleitzeitkontoauszüge zur Verfügung zu stellen sind, wenn eine flexible Arbeitszeit vereinbart ist, ist übertragbar. Um den Verfall von Arbeitszeit zu kontrollieren und die Einhaltung der Arbeitszeitordnung zu überwachen, hat der Betriebsrat nach 80 II 2 BetrVG einen Anspruch, dass ihm vorhandene Gleitzeitkontoauszüge zur Verfügung gestellt werden. Diese Rechtsprechung ist auf das kirchliche Arbeitsrecht nicht übertragbar. Nach 26 II 2 MAVO dürfen Personalakten nur mit schriftlicher Zustimmung des Arbeitnehmers eingesehen werden.

16 Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung Dem Zustandekommen einer Zielvereinbarung geht in der Regel ein Personalgespräch zwischen dem Vorgesetzten und dem Arbeitnehmer voraus. Nach der Mitarbeitervertretungsordnung besteht lediglich ein Recht der MAV auf Anhörung nach 29 I Nr. 1 MAVO.Es handelt sich um eine Regelung der Ordnung in der Einrichtung. Das Beteiligungsrecht bezieht sich auf die Regelung, wer wann wie mit wem zu reden hat (Zeitpunkt, Häufigkeit der Personalgespräche, Beteiligte Personen). Das Recht der Anhörung umfasst nicht den Inhalt der Zielvereinbarung.

17 Einführung und Anwendung einer technischen Einrichtung Werden Zielvereinbarung, Zielfestlegung und/oder Zielerreichung in einem Datenverarbeitungssystem gespeichert oder verarbeitet, bestehten Beteiligungsrechtsrechte der MAV. Zustimmungsrecht: 36 I Nr. 9 MAVO Antragsrecht: 37 I Nr. 9 MAVO Dienstvereinbarung 38 I Nr. 9 MAVO

18 Personalfragebogen In der Regel erhebt der Vorgesetzte im Auftrag des Arbeitgebers personenbezogene Angaben in den Personalgesprächen vor Zustandekommen einer Zielvereinbarung. Dies gilt entsprechend in den Personalgesprächen nach Zustandekommen der Zielvereinbarung mit dem Zweck der Zielfestlegung oder Zielerreichung. Im konkreten Einzelfall beziehen sich die Fragen insbesondere auf tatsächliche Umstände: - Über- oder Unterforderung des Arbeitnehmers im bisherigen Einsatzbereich - Beurteilung der individuellen Stärken und Schwächen aus der Sicht des Vorgesetzten - Formulierung der spezifischen Interessen des Arbeitnehmers - Überprüfung der Zielerreichung anhand Soll- und Ist-Zustand Zustimmungsrecht: 36 I Nr. 5 MAVO Antragsrecht: 37 I Nr. 5 MAVO Dienstvereinbarung 38 I Nr. 5 MAVO

19 Beurteilungsrichtlinien Nach dem Inhalt einer Zielvereinbarung wird die Zielerreichung in einer Periode anhand bestimmter Kriterien festgestellt. Beurteilungsrichtlinien sind Regelungen, die die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung eines Arbeitnehmers verobjektivieren und nach einheitlichen, für die Beurteilung maßgebenden Kriterien ausrichten sollen. Inhalt ist eine Regelung, wie - d.h. nach welchen Kriterien - der Arbeitnehmer insgesamt oder in Teilen seiner Leistung oder seines Verhaltens beurteilt werden soll. Zustimmungsrecht: 36 I Nr. 6 MAVO Antragsrecht: 37 I Nr. 6 MAVO Dienstvereinbarung 38 I Nr. 6 MAVO

20 Beurteilungsrichtlinien Durch die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsrichtlinien soll ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung und eine Bewertung nach einheitlichen Maßstäben ermöglicht und derart erreicht werden, dass die Ergebnisse der Beurteilung miteinander vergleichbar sind. Das Beteiligungsrecht bezieht sich auf die materiellen Grundsätze der Beurteilung - Leistungsverhalten (Arbeitsweise, Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Arbeitserfolg) - Führungsverhalten (Vertrauenswürdigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kooperationsbereitschaft, Verhalten zu gleichgeordneten oder nachgeordneten Arbeitnehmern,) und das Verfahren der Beurteilung - Zuständigkeit, - Kenntnisnahme der Beurteilung durch den Arbeitnehmer, - Einspruchsmöglichkeiten, - zeitlicher Abstand der einzelnen Beurteilungen. Zustimmungsrecht: 36 I Nr. 6 MAVO Antragsrecht: 37 I Nr. 6 MAVO Dienstvereinbarung 38 I Nr. 6 MAVO

21 Fragen der innerbetrieblichen Lohngestaltung Wird durch Zielvereinbarung ein Bonus für durch eine durch Arbeitsleistung zu beeinflussende Zielerreichung geregelt, handelt es sich um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung, wenn ein kollektiver Tatbestand gegeben ist. Ein kollektiver Tatbestand liegt vor, wenn Grund und Höhe der Zahlung von allgemeinen Kriterien abhängig gemacht werden, die von einer Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebs erfüllt werden können. Ein kollektiver Tatbestand besteht, wenn die Zahlung einer Vergütung nach Leistung erfolgt, da das Kriterium der Leistung notwendig den Vergleich mit einer Normal-, Mindest- oder Minderleistung anderer Arbeitnehmer voraussetzt. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach 87 I Nr. 10 BetrVG. In der MAVO fehlt eine 87 I Nr. 10 BetrVG entsprechende Regelung.