Umwandlung einer Verlust-Kapitalgesellschaft durch Formwechsel
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- Rolf Diefenbach
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1 FALL 4 Umwandlung einer Verlust-Kapitalgesellschaft durch Formwechsel Sachverhalt An der MÜWI-GmbH sind die Gesellschafter Müller und Wiese zu jeweils 50 % seit der Gründung beteiligt. Die Anschaffungskosten für beide Gesellschafter haben jeweils betragen. Die GmbH hat in der Vergangenheit Verluste in Höhe von erwirtschaftet, die in der Bilanz zum Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrags in Höhe von geführt haben. Die GmbH weist einen körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag in Höhe von und einen gewerbesteuerlichen Verlustvortrag in Höhe von aus. Die GmbH verfügt über stille Reserven im Anlagevermögen in Höhe von und trotz der Verluste in der jüngsten Vergangenheit über einen Firmenwert in Höhe von Die Gesellschafter haben zwar ein Sanierungskonzept entwickelt, dennoch ist mit Gewinnen nicht vor zwei Jahren zu rechnen. Um nicht in der Zukunft einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, soll die GmbH unter weitestgehender Nutzung der Verlustvorträge im Wege des Formwechsels in eine OHG umgewandelt werden. Die Umwandlung wird am zum Handelsregister angemeldet. Der Umwandlung wird die nachfolgende Bilanz zum (= steuerlicher Übertragungsstichtag) zugrunde gelegt: Aktiva Bilanz der MÜWI-GmbH zum Passiva A. Anlagevermögen B. Umlaufvermögen I. Forderungen und sonst. Vermögensgegenstände II. Kassenbestand, Guthaben bei Kreditinstituten C. nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag A. Eigenkapital I. Stammkapital II. Verlustvortrag B. Rückstellungen C. Verbindlichkeiten AUFGABEN 1. Nach welchen Vorschriften kann die Umwandlung zivilrechtlich vollzogen werden? 2. Wie wird diese Umwandlung steuerrechtlich grundsätzlich behandelt? 3. Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich bei der MÜWI-GmbH, wenn die Verlustvorträge weitestgehend genutzt werden sollen? Die Übertragungsbilanz ist aufzustellen. 4. Welche steuerlichen Konsequenzen treten bei der neuen OHG und bei den Gesellschaftern der MÜWI-GmbH ein? Die Eröffnungsbilanz der Müller & Wiese OHG ist zu erstellen. 5. Welche Auswirkungen hat die Umwandlung auf die Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer? 65
2 Umwandl. von Körperschaften in Pers.-/Einzelunt. LÖSUNG zu 1. Da im vorliegenden Fall die Müller & Wiese OHG erst durch die Umwandlung entstehen soll, kommt eine Verschmelzung nach 2 UmwG nicht in Betracht. Eine Verschmelzung durch Aufnahme scheidet aus, weil dies nach 2 Nr. 1 UmwG den Vermögensübergang auf einen bereits bestehenden Rechtsträger voraussetzt. Auch eine Verschmelzung durch Neugründung nach 2 Nr. 2 UmwG kommt nicht in Betracht, da hierfür Voraussetzung ist, dass das Vermögen von mindestens zwei bereits bestehenden Rechtsträgern auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden muss. Im vorliegenden Fall kann die Umwandlung jedoch als Formwechsel nach 190 UmwG vollzogen werden, da nach 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG alle Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers (der MÜWI-GmbH) auch an dem neuen Rechtsträger (der Müller & Wiese OHG) beteiligt sind. Beim Formwechsel wird die Identität des formwechselnden Rechtsträgers gewahrt, was daraus deutlich wird, dass kein Vermögensübergang stattfindet und somit der formwechselnde Rechtsträger lediglich in neuer Rechtsform fortbesteht. Geändert wird stattdessen das Rechtskleid, d. h. aus einer GmbH wird z. B. eine Personenhandelsgesellschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ( 191 UmwG). Durch den Formwechsel ist somit systembedingt eine Umwandlung auf einen Rechtsträger möglich, der vorher noch nicht bestanden hat (vgl. auch Tz i. V. m. Tz UmwStE). Die beim Formwechsel einer GmbH in eine Personengesellschaft erforderlichen Schritte nach 192 ff. UmwG lassen sich nach dem zeitlichen Ablauf schematisch wie folgt zusammenfassen: Ablauf des Formwechsels: 1. Entwurf eines Umwandlungsbeschlusses 2. Zuleitung des Entwurfs an den Betriebsrat gem. 194 Abs. 2 UmwG (soweit vorhanden) 3. Erstellen eines Umwandlungsberichts sowie einer Vermögensaufstellung ( 192 UmwG) (aber: Verzicht möglich) 4. Unterrichtung der Gesellschafter über den Formwechsel 5. Beschluss über den Formwechsel ( 193 UmwG) 6. Anmeldung und Eintragung des neuen Rechtsträgers beim Handelsregister ( 198 UmwG) 66
3 1. Umwandlungsbericht Das Vertretungsorgan des formwechselnden Rechtsträgers (d. h. der Geschäftsführer der GmbH) muss nach 192 UmwG einen ausführlichen Umwandlungsbericht erstatten, in dem der Formwechsel rechtlich und wirtschaftlich erläutert wird. Diesem Bericht ist als Bestandteil eine Vermögensaufstellung beizufügen, in der die Gegenstände und Verbindlichkeiten des formwechselnden Rechtsträgers mit dem wirklichen Wert also unter Auflösung stiller Reserven anzusetzen sind. Durch notariell zu beurkundende Erklärung aller Gesellschafter kann nach 192 Abs. 3 UmwG auf die Erstellung eines Umwandlungsberichts verzichtet werden. 2. Umwandlungsbeschluss Nach 193 UmwG ist für den Formwechsel ein Beschluss der Gesellschafter des formwechselnden Rechtsträgers erforderlich, der in einer Gesellschafterversammlung gefasst werden muss. Bei der Einberufung der Gesellschafterversammlung muss nach 230 UmwG auf den zu beschließenden Formwechsel hingewiesen werden. Zu beachten ist, dass nach 233 Abs. 1 UmwG der Umwandlungsbeschluss der Zustimmung aller auch der nicht erschienenen Gesellschafter bedarf. Beim Formwechsel in eine OHG bedarf es der Zustimmung aller Gesellschafter. Der Inhalt des Umwandlungsbeschlusses ergibt sich aus 194 UmwG wie folgt: ÿ Rechtsform, die der Rechtsträger durch den Formwechsel erlangen soll; ÿ Name oder Firma des neuen Rechtsträgers; ÿ Beteiligung der bisherigen Gesellschafter an dem neuen Rechtsträger; ÿ Zahl, Art und Umfang der Anteile, welche die Gesellschafter durch den Formwechsel erlangen sollen; ÿ besondere Rechte, die einem Gesellschafter gewährt werden sollen; ÿ ein Abfindungsangebot an ausscheidende Gesellschafter, sofern nicht wie beim Formwechsel einer GmbH in eine OHG alle Gesellschafter dem Umwandlungsbeschluss zustimmen müssen; ÿ Folgen des Formwechsels für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane und die insoweit vorgesehenen Maßnahmen; ÿ beim Formwechsel einer GmbH in eine OHG zusätzlich nach 234 UmwG: die Bestimmung des Sitzes der Personengesellschaft. Auch beim Formwechsel muss nach 194 Abs. 2 UmwG der Entwurf des Umwandlungsbeschlusses spätestens einen Monat vor dem Tag der Gesellschafterversammlung, die über den Formwechsel beschließt, dem zuständigen Betriebsrat (soweit vorhanden) zugeleitet werden. Zu beachten ist des Weiteren, dass nach 228 Abs. 1 UmwG eine GmbH durch den Formwechsel die Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft nur dann erlangen kann, wenn der Unterneh- 67
4 Umwandl. von Körperschaften in Pers.-/Einzelunt. mensgegenstand im Zeitpunkt des Formwechsels den Vorschriften des 105 Abs. 1 und Abs. 2 HGB über die Gründung einer OHG genügt. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Anderenfalls ist der Formwechsel nur in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder ggf. in eine Partnerschaftsgesellschaft möglich. 3. Vollzugsphase Die neue Rechtsform des formwechselnden Rechtsträgers ist nach 198 UmwG durch die Geschäftsführer der GmbH in das Handelsregister zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung sind nach 199 UmwG beizufügen: ÿ in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift die Niederschrift des Umwandlungsbeschlusses sowie die sonst erforderlichen Unterlagen, soweit diese nicht notariell zu beurkunden sind, ÿ die ggf. erforderlichen Zustimmungserklärungen einzelner Gesellschafter, ÿ der Umwandlungsbericht bzw. die Erklärung über den Verzicht auf seine Erstellung. Die Eintragung in das Handelsregister bewirkt nach 202 UmwG, dass der formwechselnde Rechtsträger (hier: die GmbH) in der im Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform (hier: als OHG) weiter besteht. Die Gesellschafter erhalten für ihre Beteiligungen an der GmbH nunmehr Anteile an der OHG. Der Formwechsel ist damit abgeschlossen. zu 2. Steuerrechtlich kommt es bei dem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft wie in den Fällen der Verschmelzung zu einem Wechsel von der intransparenten zur transparenten Besteuerung. Im UmwStG sind dazu keine eigenständigen Regelungen zu finden, sondern 9 Satz 1 UmwStG verweist auf die Regelungen zur Verschmelzung, also auf die 3 8 UmwStG. Das bedeutet, dass ein Übertragungsgewinn, Bezüge i. S. d. 7 UmwStG und ein Übernahmeergebnis entsprechend zu ermitteln sind. Aus der Anwendung der Regelungen zur Verschmelzung folgt, dass aufgrund des Wechsels der Besteuerungsprinzipien steuerrechtlich eine Vermögensübertragung fingiert wird. Aus diesem Grund sind auch beim Formwechsel eine Übertragungsbilanz und eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Probleme ergeben sich bezüglich des steuerlichen Übertragungsstichtags, da handelsrechtlich keine Schlussbilanz nach 17 Abs. 2 UmwG aufzustellen ist. Daher kann der steuerliche Übertragungsstichtag nicht aus der handelsrechtlichen Schlussbilanz abgeleitet werden. Aus dem gleichen Grund sind auch die Regelungen zur steuerlichen Rückbeziehung gem. 2 UmwStG beim Formwechsel nicht anwendbar. Aus diesem Grund definiert 9 Satz 2 UmwStG, dass die Übertragungsbilanz und Eröffnungsbilanz auf den Tag aufzustellen sind, an dem der Formwechsel wirksam wird. Da diese Bilanzen gem. 9 Satz 3 UmwStG auch auf einen 8 Monate vorher liegenden Stichtag aufgestellt werden dürfen, besteht auch beim Formwechsel die Möglichkeit der Rückbeziehung. 68
5 zu 3. Grundsätzlich werden bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft gem. 3 Abs. 1 UmwStG in der steuerlichen Übertragungsbilanz die Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert angesetzt. Da die vorhandenen Verlustvorträge weitestgehend genutzt werden sollen, entfällt ein Ansatz zu Buchwerten bei der übertragenden MÜWI-GmbH. Da die Verlustvorträge merklich höher sind als die stillen Reserven, ist auch ein Zwischenwertansatz nicht sinnvoll. Daher sind die Voraussetzungen des 3 Abs. 2 UmwStG nicht zu prüfen. Nur bei Ansatz des gemeinen Wertes kommt es zur maximalen Ausnutzung der Verlustvorträge. Da die stillen Reserven insgesamt nur umfassen, kann noch nicht einmal der gewerbesteuerliche Verlustvortrag voll genutzt werden. Im Ergebnis entsteht in der steuerlichen Übertragungsbilanz der MÜWI-GmbH ein Übertragungsgewinn in Höhe von , der zu keinen steuerlichen Folgen führt, weil er mit den Verlustvorträgen verrechnet werden kann. Der verbleibende körperschaftsteuerliche Verlustvortrag in Höhe von und der verbleibende gewerbesteuerliche Verlustvortrag in Höhe von gehen jeweils nicht über und verfallen damit. Die Wertaufstockung führt bei der übernehmenden Müller & Wiese OHG zu höheren Werten und damit auch zu einem höheren Abschreibungspotential. In der Praxis sollten die gemeinen Werte fundiert ermittelt werden, insbesondere der Firmenwert, der bei einer Verlustgesellschaft schwer nachweisbar ist. Das ist deshalb erforderlich, weil im Falle der Betriebsprüfung in dem vorliegenden Fall davon ausgegangen werden kann, dass der Prüfer versuchen wird, die gemeinen Werte als zu hoch anzunehmen. Die Folge wäre dann, dass die untergehenden Verluste sich vergrößern würden und das Abschreibungspotential sich verringern würde. Die Übertragungsbilanz sieht dann wie folgt aus: Aktiva Bilanz der MÜWI-GmbH zum Passiva A. Anlagevermögen I. Firmenwert II. Sachanlagen B. Umlaufvermögen I. Forderungen und sonst. Vermögensgegenstände II. Kassenbestand, Guthaben bei Kreditinstituten A. Eigenkapital I. Stammkapital II. Verlustvortrag III. Übertragungsgewinn B. Rückstellungen C. Verbindlichkeiten zu 4. Nach 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG hat die übernehmende Personengesellschaft die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der GmbH enthaltenen Wert zu übernehmen. Es gilt somit eine strenge Buchwertverknüpfung. 69
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