Behandlung des Status epilepticus im Kindesalter (nach der NG-Periode) (Kurzfassung)
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- Dennis Kolbe
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1 Seite 1 von 5 AWMF online Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie AWMF-Leitlinien-Register Nr. 022/019 Entwicklungsstufe: 2 nicht aktualisiert Zitierbare Quelle: Die Langfassung wird publiziert in: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Leitlinien Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Urban und Fischer, München 2001 Behandlung des Status epilepticus im Kindesalter (nach der NG-Periode) (Kurzfassung) ICD-10: G41.0, G41.1, G41.2, G41.8 Der SE ist a) eine kontinuierliche klinische und/ elektroenzephalographische Anfallsaktivität mit ohne Bewusstseinsverlust von mindestens 30 Minuten Dauer b) ein wiederholtes Auftreten von epileptischen Anfällen ohne zwischenzeitliche vollständige Wiedererlangung des Bewusstseins. Es gibt Bestrebungen die Definition des SE bei Erwachsenen dahingehend zu ändern, dass die Dauer auf 5 Minuten reduziert wird (Lowenstein et al. 1999). 30 Minuten entsprechen aber einer physiologisch wichtigen Grenze ("kompensierte" Phase 0-30 Min. versus "dekompensierte" Phase >30 Min.), ab der der SE zum lebensbedrohlichen und hirnschädigenden Ereignis wird. Klassifikation Konvulsiv generalisiert: generalisierte Kloni mit vorausgehenden und zwischenzeitlich auftretenden generalisiert tonischen Anfällen, Bewußtseinsverlust. Konvulsiv fokal: auf eine Extremität Körperseite beschränkte, z.t. von der Lokalisation her wechselnde tonische, klonische, tonisch-klonische myoklonische Anfälle, polytope Myoklonien. Mit ohne Bewusstseinsverlust. Nicht-konvulsiver SE (Stupor- Absencenstatus): Patient wirkt müde, verwirrt und deutlich beeinträchtigt. Einfache Funktionen bzw. automatisierte Handlungen können z.t. ausgeführt werden. Im EEG kontinuierliche generalisierte epileptiforme Aktivität. Psychomotorischer Status: klinisch wie nichtkonvulsiver SE, im EEG jedoch kontinuierliche fokale epileptiforme Aktivität vorzugsweise über der Temporalregion. Diagnostik Gezielte Anamnese zur familiären Anfallsbelastung, psychomotorischen Entwicklung, vorangehenden Traumen, Infektionen und anderen Vorerkrankungen, Einnahme von Medikamenten (Insulin, Antikonvulsiva), Anfallssymptomatik; internistische und neurologische Untersuchung. Die
2 Seite 2 von 5 Diagnostik darf den Beginn der Therapie nicht verzögern! Blutuntersuchungen: kapillär für Blutzucker, differenziertes Blutbild mit Thrombozyten, Blutgasanalyse; venös für Elektrolyte, Ca++, Mg++, GOT, GPT, CK, NH3, Kreatinin, Harnstoff, Antikonvulsivaspiegel, Blutkultur bei Fieber. Zum Ausschluss Hypoglykämie, Elektrolytverschiebungen, hepatische renale Entgleisung niedriger Antikonvulsivaspiegel als Statusursache. Erfassung metabolischer Dekompensation im Rahmen des SE. Liquordiagnostik: Zellzahl, Liquorzucker, Liquoreiweiss und Asservat, Elektrophorese, Laktat, biogene Amine. Bei klinischem Verdacht zum Ausschluss akut entzündlicher Erkrankungen, Subarachnoidalblutung und zum Ausschluss metabolischer, mitochondrialer chronisch entzündlicher Erkrankungen. Kontraindikationen müssen vor Lumbalpunktion ausgeschlossen werden; wegen der Gefahr einer Einklemmung muss jedes Kind vor Punktion von einem erfahrenen Arzt untersucht werden (einschl. Fundus), ggf. vorausgehende neuroradiologische Untersuchung. Plasma-, Liquor und Urinasservate bei Verdacht auf Vergiftung, Drogenmissbrauch; tiefgefroren aufbewahren. EEG: übliche Routineableitung zur Akutversorgung meist verzichtbar, zum Ausschluss dissoziativer (psychogener) Anfälle notwendig. Nach der Akutphase hilfreich für die Anfallsklassifikation und für ätiologische Hinweise. EEG-Monitoring: mit vollständiger reduzierter Elektrodenzahl bei intubierten, relaxierten Patienten und bei refraktärem SE zur Erfassung elektroenzephalographischer und klinischer Anfälle und zur Steuerung der antikonvulsiven Therapie. MRT CT: ggf. nach Einleitung der Notfalltherapie bei dringenden ätiologischen Fragestellungen (Blutung, Entzündung, Tumor, ggf. vor Lumbalpunktion). Bei der Fragestellung Blutung/Traumafolgen ist in der Regel ein CT ausreichend. Bei der Fragestellung Encephalitis/Infarkt und für die nicht-akute Abklärung ist das MRT dem CT in der Wertigkeit deutlich überlegen. THERAPIE Es handelt sich um einen Notfall! Nicht mit der Therapie bis zum Vorliegen der Laborbefunde einer EEG-Ableitung zuwarten! Entsprechend dem Zustand des Patienten sind individuelle Entscheidungen notwendig. Es wird ein stufenweises Vorgehen empfohlen. Kausale und symptomatische Therapie Stufe 1 Überprüfung kardiorespiratorischer Funktionen. Sichern der Atemwege, evtl. kardiopulmonale Reanimation, Sauerstoffgabe bei Zyanose. Kein Mundkeil! Lagerung und Schutz vor Selbstgefährdung. Stufe 2 Gabe von Notfall-Antiepileptika (siehe Tabelle). Installation einer Überwachung von Herzfrequenz und O2-Sättigung (Pulsoxymetrie). Blutuntersuchungen (Blutzucker!) und -Asservat, Urin-Asservat. Venöser Zugang: 0.9% NaCl./Ringerlösung. Glukoseinfusion: nicht routinemässig, da zu Beginn des SE meist Hyperglykämie. Zusätzliche Glukose-Gabe führt hier zu Neuronenschäden. 25% Glukose 2 ml/kg bei Verdacht auf insulininduzierte Hypoglykämie. Azidoseausgleich (meist nicht notwendig).
3 Seite 3 von 5 Stufe 3 Suche nach Ätiologie. Bei SE durch Antikonvulsiva-Entzug sofortige Wiederaufnahme der antikonvulsiven Behandlung. Bei V.a. Herpesenzephalitis Acyclovir. Kardiovaskuläre Therapie wenn notwendig. Korrektur unphysiologischer Zustände und Komplikationen. Bei Hyperpyrexie Wadenwickel, evtl. Kühlmatten, Antipyretika. Stufe 4 Transport und Behandlung auf Intensivstation, Intensiv-Monitoring. EEG-Monitoring: bei intubierten und relaxierten Patienten, bei refraktärem SE zur Steuerung der Antikonvulsiva. Hirndruck-Monitoring und Hirndruck-Therapie (nicht Routine). Beginn der antikonvulsiven Dauerbehandlung. Medikamentöse Therapiemaßnahmen Allgemeine Hinweise Es gibt kein ideales Antikonvulsivum. Diazepam, Clonazepam und Lorazepam sind hochwirksam. Mit Diazepam besteht die meiste Erfahrung; Clonazepam und Lorazepam zeichnen sich gegenüber Diazepam aber durch längere Wirksamkeit und geringere aus. Die aktuelle Literatur gibt deshalb Lorazepam den Vorzug. Phenobarbital und Phenytoin gelten gleichrangig als Mittel der zweiten Behandlungsstufe. Intravenöses Valproat hat sich bei Erwachsenen und Kindern bei noch relativ geringen Fallzahlen als wirksam erwiesen, kontrollierte Studien hierzu fehlen aber. Beim konvulsiven fokalen Status werden die Medikamente in gleicher Reihenfolge wie beim klassischen SE verabreicht; die Aggressivität des Vorgehens richtet sich aber nach der Schwere des klinischen Bildes. Beim nicht-konvulsiven SE ist eine sehr konsequente, aber keine Notfallbehandlung erforderlich; Benzodiazepine können beim Lennox-Gastaut-Syndrom einen tonischen SE auslösen verschlech-tern! Die Therapie erfolgt beim NCSE am besten unter EEG-Kontrolle; die Aggressivität der Behandlung richtet sich nach dem klinischen Bild. In der folgenden Tabelle wird eine empfehlenswerte Reihung der Medikamente versucht - diese ist jedoch nicht die einzige denkbare, ggfs. kann und muß davon abgewichen werden. Generell gilt, daß jedes Haus ein Stufenschema der Therapie festlegen sollte, mit dem Erfahrung und Sicherheit erworben werden können. Stadium und Ort Medikament Dosierung Komplikationen Erste Anfallsminuten, zu Hause in der Klinik (siehe Text) Diazepam rektal Midazolam nasal buccal Säuglinge > 4 Monate Kleinkind >15 kg Schulkind Erwachsene 5 mg 10 mg mg mg mg/kg 0.2 mg/kg der -Lösung i.n mg/kg der Lsg. buccal
4 Seite 4 von 5 Frühphase (0-30 Minuten), in der Klinik Etablierter SE (30-60 Minuten), in der Klinik Refraktärer SE, auf Intensivstation ( Chloralhydrat 20% rektal) (0,5 ml/kg entsprechend mg/kg) Lorazepam 0.1 mg/kg (evtl. nach 10 Min. wiederholen) Clonazepam Diazepam bei Kindern < 2 Jahren: Pyridoxin * Phenytoin * Phenobarbital Midazolam Dauerinfusion Thiopental Lidocain Kinder mg/kg Erwachsene mg/kg (bis 4 x) Applikation: 2 mg/min mg/kg 100 mg mg/kg in 30 Minuten Applikation: 25 mg/minute, separater -Zugang 5-20 mg/kg Applikation: < 25 mg/min. Infusion: mg/kg/std mg/kg Bolus, Infusion: 1 µg/kg/min, alle 15 Minuten um 1 µg/kg/min steigern bis 5 µg/kg/min erreicht ist Initial 5 mg/kg als Bolus, evtl. wiederholen, dann Infusion 3-5 mg/kg/stunde. Bolus 1,5-2 mg/kg (< 50 mg/min), dann Infusion 3-4 mg/kg/stunde stärkere und kürzere Wirksamkeit als Lorazepam/Clonazepam! Arrhythmie (EKG- Monitor/Pulsoxymeter!) Blutdruckabfall Blutdruckabfall besonders nach Benzodiazepinen Abfall der Sauerstoffsättigung, multiple Nebenwirkungen besonders Atmung, Kreislauf Blutdruckabfall, Arrhythmie (Monitor!). Bei hohen Dosen Anfallsprovokation * Nach Benzodiazepinen sind Phenobarbital und Phenytoin gleichwertig. Beide haben Vor- und Nachteile. Es gibt kein überzeugendes Argument, in der Reihenfolge das eine andere Medikament vorzuziehen, wenn nicht bereits eine ausdosierte Dauermedikation mit einem der beiden besteht (Gefahr der Überdosierung/irreversiblen Toxizität von Phenytoin). Primäre und sekundäre Prävention, Schulung, Nachsorge, Behandlung von sekundären Folgeerkrankungen Bei bekannter Statusneigung sollte das Umfeld der Patienten bzgl. einer frühzeitigen medikamentösen Intervention geschult werden (Stufe "Erste Anfallsminuten"). Bei bleibenden neurologischen und kognitiven Ausfällen spezielle Rehabilitationsmassnahmen, z.b. Krankengymnastik, Sprachschulung, Sehtraining.
5 Seite 5 von 5 Verfahren zur Konsensusbildung: Delphikonferenz der Gesellschaft für Neuropädiatrie Koordination und Redaktion: Prof. Dr. Rudolf Korinthenberg, Abteilung für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen, Universitätskinderklinik, Mathildenstr. 1, D Freiburg, Fax ++49/761/ rudokori@kikli.ukl.uni-freiburg.de Autor des Entwurfs dieser Leitlinie: Elisabeth Korn-Merker, Bielefeld-Bethel; Bernhard Schmitt, Zürich Ersterstellung der Leitlinie: März 2001 Aktuelle Fassung: März 2001 Überprüfung geplant: nach Ablauf von zwei bis drei Jahren Zurück zum Index Leitlinien Neuropädiatrie Zurück zur Liste der Leitlinien Zurück zur AWMF-Leitseite Stand der letzten Aktualisierung: März 2001 : Gesellschaft für Neuropädiatrie Autorisiert für elektronische Publikation: AWMF online HTML-Code aktualisiert: ; 12:07:31
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