Skript Nierenvorlesung
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- Gisela Auttenberg
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1 Skript Nierenvorlesung Erster Teil Aufbau der Niere S Die Niere ist ein paarig angelegtes Organ im Retroperiteonalraum, das durch die A. und V. renalis versorgt wird (Abb. 9). Das Nierenparenchym wird in Nierenrinde und Nierenmark eingeteilt, die unterschiedliche funktionelle Aufgaben erfüllen. An das Nierenmark schließen sich die Nierenkelche an, die in die Nierenbecken einmünden und dann in die Ureter übergehen. Der in den Nieren gebildete Harn tritt über die Ureter in die Harnblase ein. Die funktionelle Einheit der Niere ist das Nephron, das aus dem Glomerolus, in dem der Filtrationsvorgang stattfindet, und dem sich anschließenden tubuläres System besteht (Abb. 10 und 11). Das tubuläre System unterteilt sich in vier Hauptabschnitte: den proximalen Tubulus (Pars convoluta und Pars recta), die Henle-Schleife (ein dünner absteigender, ein dünner aufsteigender und ein dicker aufsteigender Teil), den distale Tubulus und das Sammelrohr. Glomerulus und proximaler Tubulus befinden sich fast ausschließlich in der Rinde, während sich die Henle Schleife und das Sammelrohr im äußeren und inneren Mark befinden. Ausgehend von den Aa. arcuatae führen die Aa. interlobulares das Blut über die Vasa afferentes in die Glomeruli, die aus etwa 30 Kapillarschlingen gebildet werden. Die V. efferentes bilden ein Netz von peritubulären Kapillaren, die die Nierenrinde versorgen. Das Mark wird von absteigenden efferenten Arteriolen der Glomeruli, den Vasae rectae, die die Henle Schleife als Kapillarnetz umspinnen, versorgt. Es findet damit in der Niere die Bildung so genannter Wundernetze (Retes mirabiles) statt: Arterien verzweigen sich in ein Geflecht aus feinsten Arterien, das sich anschließend nicht zu Venen, sondern wiederum zu Arterien vereinigen. Histologische und funktionelle Eigenschaften verschiedener Tubulusabschnitte S. 12 Die verschiedenen Tubulusabschnitte unterscheiden sich sowohl im Aufbau der Epithelzellen als auch ihrer Zellkontakte, den tight junctions. Der unterschiedliche histologische Aufbau der Nephronabschnitte ist notwendig, weil die einzelnen Nephronabschnitte auf unterschiedliche Transportprozesse spezialisiert sind. Im proximalen Tubulus liegt ein hoch prismatisches Epithel mit einem dichten Bürstensaum vor. Die tight junctions sind schwach ausgebildet, weshalb im proximalen Tubulus ein leckes durchgängiges Epithel vorliegt, das ausgeprägten parazellulären Transport ermöglicht. Auf der basolateralen Seite findet sich eine hohe Dichte von Mitochondrien, was auf einen hohen Energieverbrauch dieser Zellen hindeutet. Das in diesen Mitochondrien 1
2 gebildete ATP wird fast ausschließlich von basolateralen Na + /K + -ATPasen verbraucht, die verschiedene epitheliale Transportprozesse antreiben. In dem dünnen Teil der Henle Schleife liegt ein ganz anderes Epithel vor. Es ist flach, ohne Bürstensaum, weist aber ausgeprägte Schlußleisten auf, die die parazellulären Transporte vermindern. Im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife findet man wieder ein prismatisches Epithel, jedoch ohne Bürstensaum. Mit dem Übergang von Henle Schleife zum distalen Tubulus und zum Sammelrohr werden die Schlußleisten immer ausgeprägter, was zu einer Reduktion und später zu einem Verlust parazellulärer Transportprozesse führt. Die Funktionsweise der verschiedenen Abschnitte wird im Folgenden bei den einzelnen Abschnitten erläutert. Grundprinzipien der Nierenfunktion S Das Nephron funktioniert durch die Zusammenarbeit von Glomerulus und tubulären System. Im Glomerulus findet ein Filtrationsprozess statt, der den Übertritt aller Stoffe unterhalb einer bestimmte Größe erlaubt, aber größere Moleküle zurückhält. Im tubulären System werden in den verschiedenen Nephronabschnitten die filtrierten Substanzen mitunter sogar vollständig- rückresorbiert. Es werden also bei weitem nicht alle Verbindungen die filtriert wurden auch ausgeschieden. Beispiele dafür sind energiehaltige Substanzen wie Glukose und Aminosäuren oder wichtige Spurenelemente wie Phosphat und Sulfat (Abb. 15). Für bestimmte Substanzen gibt es eine geregelte Ausscheidung, die abhängig von der im Körper vorhandenen Menge zu einer ausgeprägten oder nur geringen Ausscheidung führen. Ein besonders wichtiges Beispiel sind K + -Ionen, für die die fraktionelle Ausscheidung (der Prozentsatz der filtrierten Menge, der ausgeschieden wird) zwischen 3% und 150 % variieren kann (Abb. 15). Als Funktionsprinzip der Niere kann man sich merken, das im Glomerulus fast alles filtriert wird und im Tubulus und im Sammelrohr regulierte epitheliale Transportprozesse stattfinden, die Zusammensetzung des Endharns bestimmen. Die tubulären Transportprozesse führen dazu, dass ungefähr 99 % des filtrierten Wassers und 90 % der im Filtrat gelösten Substanzen durch die Nierentubuli zurückresorbiert werden. Das Volumen des Endurins beträgt zwischen 0.3% und 1% der glomerulär filtrierten Wassermenge. Die verschiedenen Nephronabschnitte haben unterschiedlichen Aufgaben. Im proximalen Tubulus finden ausgeprägte Rückresorbtionsprozesse statt. Hier werden 66% des Wasser und des Kochsalzes zurück resorbiert. 95 % der filtrierten Bicarbonatmenge und 100% von Glukose und Aminosäuren. Die Henle Schleife ist notwendig zur Harnkonzentration, während im distalen Tubulus und im Sammelrohr die Feineinstellung der Urinzusammensetzung stattfindet. Makroskopische Parameter zur Beschreibung der Nierenfunktion 2
3 S Um die Nierenfunktion eines Menschen charakterisieren zu können, sind laborchemische Parameter notwendig, die verschiedene Aspekte der Nierenfunktion wiedergeben. Zu diesen Parametern gehören die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), der renale Plasmafluß (RPF) und die Filtrationsfaktion (FF). Alle diese Parameter können mit Hilfe des Clearance-Prinzips ermittelt werden. Clearance Das Clearance-Prinzip beruht auf dem Massenerhaltungsgesetz (Abb. 18): Die Menge einer Substanz, die durch die Arterien in die Niere eintritt, ist gleich der Summe der Substanzmenge, die durch die Venen ausströmt plus der Substanzmenge, die durch den Urin den Körper verlässt. Eine Substanz mit der man die die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bestimmen kann muss über folgende Eigenschaften verfügen: Sie muss frei filtriert werden, darf aber weder rückresorbiert, noch sezerniert werden. Außerdem soll sie im Tubulus weder gebildet noch abgebaut werden. Es muss also eine Substanz sein, auf deren Ausscheidungsmenge der Tubulus keinen Einfluss hat. (Abb. 22). Eine solche Substanz ist Inulin. Da im Tubulussystem die Inulinmenge sich nicht verändert, muss die filtrierte Inulinmenge der ausgeschiedenen Inulinmenge entsprechen. Die filtrierte Inulinmenge entspricht dem Produkt aus GFR und der Konzentration von Inulin im Plasma. Die pro Zeiteinheit ausgeschiedene Inulinmenge kann man als Produkt aus dem Urinzeitvolumen und der Inulinkonzentration im Endurin berechnen. Aus dieser Beziehung kann man die glomeruläre Filtrationsrate dann als Produkt aus Urinzeitvolumen und Inulinkonzentration im Harn geteilt durch die Inulinkonzentration im Plasma bestimmen. Diese Art der Bestimmung der GFR entspricht einer Clearance-Bestimmung. Entsprechend kann man für jede Substanz eine Clearance berechnen. Es wird dazu immer das Verhältnis aus der Konzentration im Urin durch die Konzentration im Plasma, multipliziert mit dem Harnzeitvolumen berechnet. Die Clearance beschreibt wie viel Plasmavolumen in einer bestimmten Zeit vollständig von einer Substanz gereinigt werden kann, in dem diese Substanz über die Niere ausgeschieden wird. Man kann sich vorstellen, dass Plasma, welches filtriert wird, in zwei unterschiedliche Behältnisse fließt. Im Ersten kommt das Plasma mit der gleichen Stoffkonzentration an, die es vor der Filtration hatte. In das Zweite fließt nur vollständig gereinigtes Plasma. Die Clearance benennt das Volumen im zweiten Gefäß nach einer festgelegten Zeit, z.b. pro Minute. Inulin spielt in der klinischen Praxis keine Rolle, da diese Substanz injiziert werden muss. Die glomeruläre Filtrationsrate wird meist als Clearance einer endogenen Substanz, dem Kreatinin bestimmt. Kreatinin wird kaum resorbiert oder sezerniert. Zur Bestimmung der Kreatinin-Clearance müssen allein Kreatinin-Konzentrationen im Plasma und im Sammelurin sowie die gesammelte Urinmenge und der Sammelzeitraum bekannt sein. Renaler Plasmafluss und Filtrationsfraktion Man kann mit dem Clearance-Prinzip auch das Plasmavolumen, das pro Zeiteinheit durch die Niere fließt, den renalen Plasmafluss, bestimmen. Hierzu benötigt man eine Substanz, 3
4 die im Tubulus so stark sezerniert wird, dass das gesamte Plasmavolumen, das pro Zeiteinheit durch die Niere fließt, von dieser Substanz befreit wird. Eine derartige Substanz ist p-amino-hippursäure (PAH). PAH wird durch organische Anionentransporter effektiv aus dem Blutvolumen in den Tubulus sezerniert. Aus dem renalen Plasmafluss kann man noch den renalen Blutfluss berechnen, indem man den RPF durch den Volumenanteil von Flüssigkeit des Blutes teilt. Die Filtrationsfraktion (FF) ist das Verhältnis von GFR zu RPF. Normwerte Als Normwerte kann man sich die folgenden Werte merken. Eine normale glomeruläre Filtrationsrate sind 125 ml/min oder 180 l pro Tag. Von dieser Flüssigkeit werden etwa 99 % zurückresorbiert. Es werden pro Tag 1.5 bis 2.0 l Harn ausgeschieden, und dies entspricht in etwa einer Harnausscheidung von 1 ml pro Minute. Ein normaler Plasmafluss sind 600 ml pro Minute, was einem renalen Blutfluss von 1 Liter/min entspricht. Man kommt damit auf eine Filtrationsfraktion von ungefähr 20%. Funktion des glomerulären Filters S Im Glomerulus wird durch die Druckdifferenz zwischen dem Kapillarraum und der Bowman- Kapsel eine Flüssigkeit abfiltriert. Die abfiltrierte Flüssigkeit, der Primärharn, enthält alle Plasmabestandteile, die den Filter passieren können. Zelluläre Bestandteile des Blutes und große Moleküle(> 10 kda) werden zurückgehalten. Der glomeruläre Filter besteht aus drei verschiedene Schichten: dem Endothel der Glomerulus-Kapillaren, einer dreischichtigen Basalmembran und dem Epithel der Bowman- Kapsel (Abb. 28 und 29). Die Größe der Filteröffnung führt dazu, dass Substanzen wie Harnstoff, Glukose, Rohrzucker oder Inulin frei filtriert werden. Die Effizienz, mit der eine Substanz filtriert wird, kann mit dem Siebkoeffizienten, der den Prozentsatz angibt, der von der durch die Niere fließenden Menge filtriert wird, beschrieben werden. Für kleine Substanzen ist der Siebkoeffizent nahe 1. Mit zunehmender Größe wird der Siebkoeffizient kleiner und erreicht für Myoglobin einen Wert von 0.75, für Eieralbumin 0.22 und für Hämoglobin 0.03 (Abb. 30). Die Größe des glomerulären Filters führt dazu, dass viele kleine Proteine frei filtriert werden können. Ein Beispiel dafür ist das Inulin, das mit einer Molekularmasse von 6 kda fast frei filtriert werden kann. Die Niere ist damit das Hauptausscheidungsorgan einer Reihe von Peptidhormonen. Die Durchlässigkeit des glomerulären Filters ist nicht allein von der Größe abhängig, sondern auch von seiner Ladung. Negativ geladene Teilchen werden bei gleicher Größe schlechter filtriert als neutrale oder positiv geladene Substanzen (Abb. 30). Serumalbumin hat einen Siebkoeffizient, der kleiner als ist. Eine gesunde Niere filtriert praktisch kein Albumin. Die Ausscheidung von Serumalbumin kann damit als Zeichen des Beginns eines glomerulären Schadens benutzt werden. Bei Patienten, bei denen der glomeruläre Filter beschädigt ist, das heißt die Größe der Filteröffnung leicht erhöht ist, kommt es zur Ausscheidung kleiner Albuminmengen im Harn. Diese sogenannte 4
5 Mikroalbuminurie (30-300mg Ausscheidung pro Tag) wird häufig als diagnostischer Hinweis einer beginnenden glomerulären Schädigung genutzt. Der effektive Filtrationsdruck Die Triebkraft für die glomeruläre Filtration ist der Druckunterschied zwischen dem Lumen der Vasa afferentes und der Bowman schen Kapsel. Dieser Druckunterschied setzt sich aus hydrostatischen und kolloidosmotischen Komponenten zusammen. Der effektive Filtrationsdruck ist die Differenz aus hydrostatischem und kolloidosmotischen Druckunterschied (Abb. 32). In den Kapillaren herrscht ein hydrostatischer Druck von etwa 50 mm Hg und ein kolloidosmotischer Druck von 25 mm Hg, während in der Bowman schen Kapsel ein hydrostatischer Druck von 13 mm Hg herrscht. In der Bowman schen Kapsel herrscht normalerweise kein kolloidosmotischer Druck, da der glomeruläre Filter die Filtration von Kolloiden verhindert. Diese Parameter zusammen ergeben einen mittleren effektiven Filtrationsdruck von ca. 10 mm Hg. Der effektive Filtrationsdruck ist nicht konstant entlang des Glomerulus. Da Wasser filtriert wird, aber große gelöste Substanzen zurück bleiben, steigt der kolloidosmatische Druck, aufgrund des steigenden Volumenanteils der Substanzen. Aus diesem Grunde ist am proximalen Teil des glomerulären Filters der effektive Filtrationsdruck am größten. Entlang des Glomerulus sinkt er immer weiter und erreicht einen effektiven Filtrationsdruck von null am distalen Ende des glomerulären Filters. Man spricht von einem Filtrationsgleichgewicht. Bei Erkrankungen, bei denen Proteine stärker filtriert werden, wird dieses Filtrationsgleichgewicht nicht erreicht. Der effektive Filtrationsdruck (und GFR) ändert sich auch bei den verschiedenen pathologischen Bedingungen. (Abb ) Autoregulation der Nierendurchblutung S Die glomeruläre Filtrationsrate bleibt über einen breiten Blutdruckbereich konstant. Man nennt dies die Autoregulation der Nierendurchblutung, die die GFR konstant hält, solange die mittleren arteriellen Drücken zwischen 90 und 210 mm Hg liegen (Abb. 38). Dazu nutzt sie folgende Mechanismen: myogene Vasokonstruktion (Abb. 39): eine Erhöhung des Blutdrucks führt zur Öffnung mechanosensitiver Kationenkanäle. Dies depolarisiert die glatten Muskelzellen der Gefäßwand und führt zu einem Calciumeinstrom und damit zu einer Kontraktion. Dieser Mechanismus heißt Bayliss -Effekt tubuloglomerulärer Feedback (Abb. 41): bei einer gesteigerter glomerulären Filtrationsrate kommt es zu einer Erhöhung der NaCl-Konzentration an der Markula densa. Dies führt zu einer vermehrten Vasokonstriktion über lokale Signale. Renin-Angeotensin-System (Abb ) Trotz der konstanten glomerulären Filtrationsrate nimmt das Harnzeitvolumen mit steigendem Blutdruck zu. Man nennt diesen Vorgang Druckdiurese. Bei einem mittleren 5
6 Blutdruck von 160 mm Hg wird mehr als doppelt so viel Harn ausgeschieden als bei 80 mm Hg. Die Ursache dafür ist, dass die Gefäße, die das Nierenmark versorgen, nicht autoreguliert werden (Abb. 45). Dies führt dazu, dass der kortiko-medulärer osmostische Gradient, der notwendig für die Harnkonzentration ist, mit zumehmendem Blutdruck ausgewaschen wird. Neben der den bereits genannten arteriellen Wundernetzen und der Autoregulation ist eine weitere Besonderheit der Nierendurchblutung die Tatsache, dass die Durchblutung den Bedarf bestimmt. Je höher die Durchblutung ist, desto mehr Primärharn wird abfiltriert. Je mehr Primärharn produziert wird, desto mehr Energie ist für tubuläre Transportprozesse notwendig. Epithelialer Transport S Epithelien sind geschlossene Zellverbände, die das darunter liegende Bindegewebe nach außen begrenzen und schützen und Flüssigkeitsräume voneinander trennen. Der Transport durch Epithelien kann fein reguliert werden und erlaubt damit die regulierte Absorption oder Sekretion von Wasser und wasserlöslichen Substanzen. Es gibt verschiedene Formen von Epithelien, die zwei Hauptfunktionen ausüben (Abb. 48). Einschichtige Epithelien spielen eine Rolle im regulierten Transport von Wasser und gelösten Substanzen. Mehrschichtige, insbesondere die mehrschichtig verhornten Epithelien, sind Barrieren, die das Eindringen von Substanzen verhindern, wie beispielsweise die Haut und die Epithelien von Ureteren und Harnblase. Epithelien sind asymmetrisch aufgebaut (Abb. 49). Man kann aufgrund morphologischer und funktioneller Unterschiede eine apikale und eine basolaterale Membran unterschieden. Die apikale Membranseite ist dem Lumen des Flüssigkeitsraums zugewandt, die basolaterale dem Bindegewebe. Die apikale Zellmembran bildet in vielen Epithelen fingerartige Ausstülpungen, Mikrovilli, weshalb sie auch als Bürstensaumembran bezeichnet wird. In direktem Kontakt mit der basalen Zellmembran ist die Basalmembran, die allerdings keine Barriere für den transepithelialen Transport darstellt. Ein transepithelialer Transport kann prinzipiell zwei verschiedene Wege einnehmen, er kann durch die Zellschicht erfolgen, in dem sogenannten transepithelialen Transport, oder zwischen den einzelnen Zellen, als parazellulärer Transport. Der transzelluläre Transport umfasst sowohl transepithelialen als auch aus parazellulären Transport (Abb. 50 und 52). Man unterscheidet weiterhin Sekretion und Resorption. Resorption ist der Transport aus dem Lumen in die Blutkapilare, Sekretion Transport in umgekehrter Richtung. Eine transepitheliale Sekretion besteht aus einem basolateralen Influx und einem apikalen Efflux, die transepitheliale Resorption aus apikalem Influx und basolateralen Efflux. Triebkräfte des epithelialen Transports Es gibt zwei Triebkräfte für den Transport geladener Teilchen, den Konzentrationsunterschied und die elektrische Spannung. Bei einer transepithelialen Bewegung eines geladenen Teilchens spielen zwei verschiedene Membranspannungen eine 6
7 Rolle, die apikale Membranspannung und die basolaterale Membranspannung. Beide zusammen bilden die transepitheliale Spannung. Diese transepitheliale Spannung kann beim Vorliegen elektrisch-dichter Zell-zu-Zell Kontakte bis zu über 40 mv betragen. Dies bedeutet, dass die Membranspannungen über apikaler und über basolateraler Membran sich um diesen Betrag unterscheiden. Für den parazellulären Transport dienen die transepiteliale Spannung und die transepithelialen Konzentrations- bzw. Osmolaritätsgradienten als Triebkraft. Vektorieller Transport Die funktionelle Asymmetrie von Epithelzellen ermöglicht ein vektoriellen Transport, das heißt den Einstrom von Substanzen auf einer Seite und den Ausstrom auf der anderen Seite. Die Asymmetrie von Epithelzellen ist eine sehr komplexe Eigenschaft von Epithelzellen, die bei weitem noch nicht ausreichend verstanden ist. In noch ungeklärter Weise werden bestimmte Membranproteine nach Ihrer Synthese im endoplasmatischen Retikolum in die apikale, und andere in die basolaterale Membran eingebaut. Membranporteine können seitlich in der Membran diffundieren. In Epithelien würde es daher ohne eine Verankerung dieser Proteine zu einem Ausgleich der Proteindichte zwischen apikaler und basolateraler Membran und damit zu einer Aufhebung der funktionellen Asymmetrie kommen. Ein Großteil dieser Membranproteine wird durch intrazelluläre Strukturproteine an Ihrem Ort gehalten werden. Außerdem verhindern die Schlußleisten oder tight junctions die Diffusion von Membranproteinen von einer Seite auf die andere. Methoden zur Untersuchung epithelialer Transportprozesse Es sind in den letzten Jahren verschiedene Methoden entwickelt worden, um tubuläre Transportprozesse zu untersuchen (Abb. 53). Eine Methode ist die so genannte Mikropunktion. Dazu bringt man eine Pipette in das Tubuluslumen ein, so dass man die Tubulusflüssigkeit in verschiedenen Abschnitten des Nephrons punktieren und Konzentrationen bestimmen kann. Diese Mikropunktion erlaubt nicht die Modifikation der Flüssigkeitszusammensetzung und gibt damit nur beschränkte Einblicke in Transportprozesse. Bei der Stopped-Flow-Mikroperfusion wird ein Stück Tubulus durch kleine Öltropfen verschlossen. Man bringt eine Lösung auf der einen Seite an und misst die Konzentrationsveränderung entlang des isolierten Tubulusabschnitts. Andere Methoden sind die Ableitungen von Spannungsabfällen über dem Epithel oder von Potentialmessungen innerhalb der Zelle. Die komplexeste Methode ist der so genannte isoliert perfundierte Tubulus. Ein isolierter Tubulus wird aus einem bestimmten Segment des Nephrons entnommen und durch zwei Glaspipetten angesaugt. Auf der einen Seite wird der Tubulsabschnitt mit einer Pipette perfundiert. Auf der anderen Seite wird die durch tubulären Transportprozesse modifizierte Flüssigkeit entnommen und analysiert. Funktion des proximalen Tubulus S
8 Der proximale Tubulus ist für effektive tubuläre Transportprozesse optimiert. (Abb. 54). Er weist auf seiner apikalen Seite einen ausgeprägten Bürstensaum auf, der die Fläche der apikalen Seite vergrößert und so die Aufnahme tubulärer Substanzen verbessert. Auf der basolateralen Seite gibt es so genannte Einfaltungen, die auch die Membranfläche auf der basolateralen Seite vergrößern. Im proximalen Tubulus findet eine ausgeprägte Natriumresorption statt. Daneben werden Chlorid- und Calciumionen resorbiert. Während die Natriumresorption bereits früh proximal beginnt, fängt die Chlorid- und Calciumresorbtion erst in späteren Abschnitten des proximalen Tubulus an. Die Natriumresorption ist an den Transport von verschiedenen organischen und anorganischen Substanzen gekoppelt, wie Glukose, neutrale und saure Aminosäuren, Sulfat, Galaktose, Lactat, Acetat, und andere Substanzen. Die Vielzahl von Mitochondrien ist dafür verantwortlich, dass Energie für tubuläre Transportprozesse bereit gestellt wird. Resorption im proximalen Tubulus Die Natriumresorption ist eine grundlegende Aufgabe des proximalen Tubulus (Abb. 56 und 57). An diesen Transportprozess koppeln viele andere Transportprozesse. Die Natriumresorption im frühproximalen Abschnitt erfolgt nahezu ausschließlich transzellulär. Es gibt eine Reihe von Natriumtransportproteinen auf der apikalen Membranseite, wie beispielsweise elektroneutrale Na + /H + Antiporter oder Symporter, die Na + zusammen mit anderen Substanzen durch die Membran transportieren. Auf der basolateralen Seite wird Natrium durch die Na + /K + -ATPase wieder aus der Zelle heraus transportiert. Die Bewegung von Na + -Ionen durch die Zelle führt zu einem lumennegativen transepithelialen Potential von etwa 3mV. Die geringe transepitheliale Spannung kommt durch nur schwach ausgebildete Schlussleisten zustande, die die Rückdiffusion von Na + auf parazellulären Weg möglich machen (Abb. 56 und 57). Die apikale Na + -Aufnahme folgt zwei Triebkräften, dem Konzentrationsgradienten über der apikalen Membran, die durch die basolaterale Na + /K + -ATPase eingestellt wird, und der Membranspannung der apikalen Seite, die ein K + -Diffusionspotential ist. Die transzelluläre Na + -Resorption erzeugt eine lumennegatives transepithelialen Potential, das eine parazelluläre Cl - -Aufnahme verursacht. Aus osmotischen Gründen kommt es durch die lecken Schlußleisten zu einer signifikanten parazellulären Wasseraufnahme. Dies erhöht die luminale Chloridkonzentration und verstärkt die Cl - -Aufnahme weiter. Die parazelluläre Cl - -Aufnahme verursacht ein positives Transepithelialpotential, das die parazelluläre Aufnahme von Na +, K +, Mg 2+ und Ca 2+ antreibt. Die an diese Bewegung gekoppelte Wasseraufnahme verändern die luminale Konzentration verschiedener Substanzen und erlaubt außerdem noch die parazelluläre Resorption von Harnstoff, Cl - entlang ihres chemischen Gradienten. Sekretionsprozesse im proximalen Tubulus Tubuläre Transportprozesse entfernen Glukose und Aminosäuren beim Stoffwechselgesunden vollständig aus dem Primärharn. Na + und Cl - werden weniger stark aufgenommen als Wasser und daher ankonzentriert. Die tubulär nicht transportierten Inulin oder Kreatinin steigern ihre Konzentration deutlich aufgrund der parazellulären Wasserresorption. Im proximalen Tubulus finden jedoch nicht nur Resorptionsprozesse, sondern aus Sekretionsprozesse statt (Abb. 65). Da es für die sezernierten Substanzen 8
9 keine nachgeschalteten Resorptionsprozesse gibt, führt eine aktive Sekretion im proximalen Tubulus zur Ausscheidung dieser Substanz. Es gibt zwei Sekretionssysteme. Die Anionenausscheidung beruht auf einer Klasse von organischen Anionentransporter, (OAT). Diese sind sowohl in der apikalen als auch in der basolateralen Membran des proximalen Tubulus zu finden. Ohne Kopplung an einen aktiven Transportprozess würde ein solcher Prozess nicht zu einer aktiven Sekretion, sondern nur zu einer Konzentrationsangleichung der Substanzen in luminaler Flüssigkeit, Zellinnerem und Interstitium führen. Die Existenz eines Na + -gekoppelten Dicarboxylat-Transporters macht die aktive Sekretion von organischen Anionen möglich. Dicarboxylat wird sekundär-aktiv in die Zelle transportiert und dann gegen Anionen auf der basolateralen Seite ausgeschieden. Dies führt zu einer tertiäraktiven Aufnahme von organischen Anionen. Die Anreicherung von organischen Anionen innerhalb der Zelle erlaubt die Ausschleusung auf der apikalen Seite durch einen passiven Mechanismus. Abb. 65 zeigt einen Überblick über Substanzen, die von diesen organischen Anionentransportsystem transportiert wird. Für Kationen gibt es organischen Kationentransporter (OCT). Auch hier sind zwei Systeme gekoppelt. ein organischer Kationenaustauscher, der an eine Protonenbewegung gekoppelt ist, und ein ATP-getriebenes System (M(ulti)D(rug)R(eceptor). Die Henle- Schleife Transportprozesse im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife S Die Henle Schleife dient der NaCl-Resorption und der Harnkonzentration. Eine wichtige Grundlage der Harnkonzentration ist der kortiko-medulläre osmotischen Gradienten (Abb. 78 und 79). Das Interstitium der Rinde weist eine Osmolarität von zwischen 200 und 300 mosmol/l auf. Die Osmolarität steigt jedoch in Richtung der Medulla und erreicht ihren maximalen Wert von 1200 mosmol/l in der Markregion. Die hohe Osmolarität kommt durch eine gesteigerte Natrium-Chlorid-Konzentration (300 mm) zustande und durch eine Anreicherung von Harnstoff. Die hohe extrazelluläre Osmolarität erlaubt eine Wasserresorption im Sammelrohr, die unter ADH-Kontrolle steht. Grundlage für den kortiko-medullären osmotischen Gradienten ist die NaCl-Aufnahme aus dem Lumen des dicken aufsteigenden Teils der Henle-Schleife in das Interstitium. Die NaCl- Resorption ist der initiale Schritt in der Erhöhung der extrazellulären Osmolarität. Weitere Prozesse sind das Gegenstromprinzip und die Harnstoffrezirkulation. Abb. 68 und 70 zeigen die Transportprozesse im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife. Auf der apikalen Membranseite gibt es einen Na + -K + -2Cl Cotransporter, der sekundär-aktiv Na +, K +, und zwei Cl - in die Zelle einschleust. Na + wird basolateral durch die Na + /K + -ATPase ausgeschleust. Auf der apikalen Seite befindet sich ein einwärts gleichrichtender Kaliumkanal, der bei allen Spannungen offen ist und der die Rezirkulation von Kalium aus der Zelle raus erlaubt. Cl - verlässt auf der basolateralen Seite durch Chloridkanäle die Zelle. Das Zusammenwirken dieser drei Transportproteine führt dazu, dass pro Transportzyklus ein Natrium und zwei negative Chloridionen, dass heiß insgesamt eine negative Ladung über die Zelle transportiert wird. Ein elektroneutraler gekoppelter 9
10 Transportprozess, der Na + -K + -2Cl Cotransporter, ist damit die Grundlage für die transzelluläre Bewegung einer negativen Ladung. Die Bewegung von geladenen Teilchen durch die Zelle führt zur Entstehung eines transepithelialen Potentials. Im Vergleich zum proximalen Tubulus sind die Schlussleisten im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife viel dichter, und es kommt daher zu größeren transepithelalen Potentialen von etwa 10 mv. Dieses lumenpositive Potential treibt eine parazelluläre Kationenresorption. Na +, K +, Ca 2+ und Mg 2+ werden abhängig von der transzellulären NaCl Resorption parazellulär aufgenommen. Die Schlussleisten im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife erlauben keine parazeluläre Wasseraufnahme Bartter Syndrom: Eine genetische Erkrankung mit gestörter Harnkonzentration S Die Bedeutung der Transportprozesse im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife kann man an einer genetischen Erkrankung ersehen, dem Bartter Syndrom (Abb. 71 und 72). Patienten mit Bartter Syndrom leiden unter einer gestörten Konzentrationsfähigkeit der Niere. Sie scheiden vermehrt NaCl und Flüssigkeit aus und leiden an einer Hyponatriämie, Hypovolämie und Hypotonie. Das Bartter Syndrom wird durch Mutationen im Na + -K + -2Cl - - Kotransporter, in dem einwärtsgleichrichtenden Kaliumkanal, in den basolateralen Chloridkanälen ClC-KB oder durch einen Calcium-Bindungsprotein verursacht. (Abb. 73) Das Bartter Syndrom belegt die Bedeutung dieser Transportprozesse für die Harnkonzentration und für die Natriumrückresorption. Transportprozesse im Sammelrohr S Sammelrohr lässt sich funktionell und anatomisch in Haupt und Schaltzellen aufteilen. Schaltzellen: Typ A sind für den H+ Transport spezialisiert. Dieser Typ Zelle verfügt über einen primär aktiven Carrier für H+ auf der luminalen Seite, sowie ebenfalls dort lokalisiert über einen primär aktiven Carrier, der Protonen gegen Kalium tauschen kann. Typ B für HCO3- Transport. Dieser Typ verfügt über einen primär aktiven Carrier an der Basolateralmembran für Protonen aus der Zelle heraus. Die Hauptzellen verfügen basolateral über eine Na/K-ATPase (Aufbau des Membranpotentials). Die Ionen aus der luminalen Seite werden über Ionenkanäle heraus oder hineingetrieben. Basolateral existieren Kaliumkanäle. Aufgabe: K-Sekretion. Das Sammelrohr weist eine regulierte Wasserdurchlässigkeit seiner Zellen auf. Es wird wasserundurchlässig nach Aufnahme von Flüssigkeitsmengen und wasserdurchlässig bei Dehydratation. Im Sammelrohr wird Wasser durch Wasserkanäle transzellulär aufgenommen. Der Einbau von Wasserkanälen in die oberflächliche Membran von Sammelrohrzellen wird hormonell reguliert. Im distalen Abschnitt des Sammelrohrs findet auch eine hormon-gesteuerte Harnstoffresorption statt. 10
11 Das Gegenstromprinzip S Die Transportprozesse im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife werden durch das Gegenstromprinzip verstärkt. Das Gegenstromprinzip kommt durch die schleifenförmige Anordnung der Henle Schleife zustande. Abb. 80 zeigt ein gleichlaufendes Ausstoßsystem im Vergleich zu einem Gegenstromausgleicher. Bei einem gleichlaufenden Austauschsystem gibt es abhängig von der Position unterschiedlich stark ausgeprägte Gradienten, die zu Austauschprozessen mit entsprechend unterschiedliche großen Transportraten führen. Der Prozess endet spätestens wenn sich die Konzentration in beiden Kompartimenten angeglichen hat. In jedem Kompartiment liegt dann die Hälfte der Summe der beiden Eingangskonzentrationen vor. Beim Gegenstromaustauscher wird hingegen ein stehender Gradient aufgebaut, der eine konstante Ankonzentration möglich macht. So können fast alle Teile aus dem einen Kompartiment in das andere übergehen. Auf diese Weise werden durch Osmose die Transportprozesse im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife verstärkt. Abb. 80 und 82 zeigen den Aufbau eines osmotischen Gradienten durch eine aktive NaCl- Resorption, die an eine Flüssigkeitsbewegung in einer Schleife im Gegenstrom gekoppelt ist. Man kann sich vorstellen, dass zunächst eine schleifenförmige Flüssigkeitsbewegung mit einer konstanten extrazellulären NaCl -Konzentration besteht. Der Beginn eines Transportprozesses auf der Seite des dünnen absteigende Teils führt zur Erhöhung der extrazellulären NaCl-Konzentration. Da nur diese Seite der Henle Schleife wasserdurchlässig ist, der dicke aufsteigende Teil jedoch nicht, kommt es zu Wassertransportprozessen im dünnen absteigendem Teil der Henle Schleife. Wasser strömt auf der kortikalen Seite aus, und dies führt zu einer Erhöhung der intra- und extrazellulären Osmolarität im absteigenden Teil und mit zunehmender Entfernung vom proximalen Tubulus. Ein derartiger Prozess generiert eine hohen extrazelluläre [NaCl] im Nierenmark. Transportprozesse im dünnen Teil der Henle Schleife S Im dünnen Teil der Henle Schleife ist das Epithel flach und zeigt keinerlei Strukturen, die auf eine zelluläre Optimierung für Transportprozesse hinweisen (Abb. 83). Dennoch finden im dünnen Teil der Henle Schleife Resorptionsprozesse statt. Diese Resorptionsprozesse sind passiv und werden durch unterschiedliche Permeabilitäten für Na +, Cl - und Wasser sowie durch den kortiko-medullären osmotischen Gradienten ermöglicht. Der dünne absteigende Teil der Henle Schleife ist Aasser-permeabel. Wasser wird hier aber im Unterschied zum proximalen Tubulus nicht parazellulär aufgenommen, sondern transzelluär durch spezialisierte Wasserkanäle, so genannte Aquaporine. Die Triebkraft für die Wasserresorption ist die Osmolarität des Interstitiums. Da das Interstitum eine höhere Osmolarität hat als das Tubuluslumen, kommt es zu einem Wasserausstrom, der erst dann aufhört wenn Tubuluslumen und Interstitium die gleiche Osmolarität erreicht haben. Patienten, denen aufgrund genetischer Defekte diese Wasserkanäle fehlen, können Harn nicht effektiv konzentrieren. 11
12 Die Zellen des dünnen aufsteigenden Teil der Henle Schleife besitzen keine Wasserkanäle, sondern apikale und basolaterale Chloridkanäle. Während der Bewegung der Tubulusflüssigkeit durch den dünnen aufsteigenden Teil der Henle Schleife wird die extrazellüläre NaCl-Konzentration geringer. Es kommt dadurch zu einem transepithelialen Konzentrationsunterschied für Na + und Cl -. Cl - kann deswegen auf einem rein passiven Mechanismus durch Chloridkanäle in der apikalen und basolateralen Membran transzellulär aufgenommen werden. Na + folgt parazellulär. Die Bedeutung der NaCl-Resorption im dünnen aufsteigenden Teil der Henle Schleife wird durch ein Tiermodell unterstrichen, in dem die Chloridkanäle im dünnen aufsteigenden Teil der Henle Schleife durch eine genetische Manipulation entfernt wurden. Diese Mäuse sind nicht in der Lage, Harn zu konzentrieren, und weisen ein ausgeprägten Diabetes insipidus auf. (Abb. 84) Dies belegt die Bedeutung von Chloridkanälen im dünnen aufsteigenden Teil der Henle Schleife für die Harnkonzentration. Mechanismen der Urinkonzentration S Eine entscheidende Ursache für den kortiko-medullären Gradienten sind die unterschiedlichen Harnstoffkonzentrationen im Nierenmark und in der Nierenrinde. Diese Harnstoffgradienten kommen durch unterschiedliche Harnstoffdurchlässigkeiten der verschiedenen Abschnitte des Nephrons zustande. Der proximaler Tubulus und der dünne absteigende und aufsteigende Teil der Henle Schleife sind durchlässig für Harnstoff. Der aufsteigende Teil der Henle Schleife, der distale Tubulus und der proximale Teil des Sammelsrohrs sind dagegen harnstoffundurchlässig. Im distalen Abschnitt des Sammelrohrs findet dagegen eine hormon-gesteuerte Harnstoffresorption statt. Diese besondere Verteilung von Durchlässigkeit für Harnstoff führt zu einer Rezirkulation von Harnstoff. Harnstoff wird durch das Sammelrohr in das Interstitium aufgenommen, diffundiert entlang der Medulla und wird in der Henle Schleife rückresorbiert. Diese Bewegung führt durch das Gegenstromprinzip zu einem stehenden Gradienten des Harnstoffs. Abb. 87, 88 und 89 zeigen die Mechanismen des Harnstofftransportes im Nephron. Im proximalen Tubulus wird Harnstoff parazellulär aufgenommen. Im dünnen absteigenden Teil und im dünnen aufsteigenden Teil gibt es spezialisierte Harnstofftansporter. Man weiß inzwischen, dass für diesen Harnstofftransport Proteine verantwortlich sind, die den Wasserkanälen (Aquaporinen) verwandt sind. Entsprechende Transportprozesse gibt es auch im Sammelrohr des Nierenmarkes. Tubuläre Wasserresorption S Wasser wird in verschiedenen Abschnitten des Nephrons resorbiert. (Abb. 91) Die Wasserresorption erfolgt parazellulär im proximalen Tubulus und transzellulär im dünnen absteigenden Teil der Henle Schleife. Der dünne aufsteigende Teil der Henle Schleife, der 12
13 dicke aufsteigende Teil der Henle Schleife und der distale Tubulus sind nahezu wasserundurchlässig. Das Sammelrohr weist eine regulierte Wasserdurchlässigkeit seiner Zellen auf. Es wird undurchlässig nach Aufnahme von Flüssigkeitsmengen und wasserdurchlässig bei Dehydratation. Im Sammelrohr wird Wasser durch Wasserkanäle transzellulär aufgenommen. Der Einbau von Wasserkanälen in die oberflächliche Membran von Sammelrohrzellen wird hormonell reguliert. (Abb. 92) Bindet Adiuretin (ADH), ein Peptidhormon das im Hypothalamus gebildet und in der Neurohypophyse freigesetzt wird (Abb. 93), an entsprechende Rezeptoren im Sammelrohr, kommt es über ein G-Protein gekoppelten Mechanismus zu einem vermehrten Einbau von Wasserkanälen. ADH wird frei gesetzt, wenn die Osmolarität des Plasmas steigt und daher möglichst viel Wasser im Körper gehalten werden soll. Sind derartige Wasserkanäle vorhanden, kann Wasser durch die oberflächliche Membran in die Zelle einströmen und dort aufgenommen werden. Die Triebkraft für Wasser ist der bestehende Osmolaritätsgradient zwischen Tubuluslumen und Interstitium. Die Wasserresorption im Sammelrohr wird durch die Wasserdurchlässigkeit der Sammelrohrzellen reguliert. Die osmotische Triebkraft wird durch diesen Regulationsschritt praktisch nicht betroffen. Adiuretin ist ein sehr kleines Protein mit insgesamt neun Aminosäuren, das aus einem Vorläuferprotein, dem Präproadiuretin, durch posttranslationale Schritte gebildet wird. Es wird in den Kerngebieten (Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis) des Hypothalamus produziert und im Hypophysenhinterlappen gespeichert. Das Signal für seine Freisetzung ist eine Erhöhung der Osmolarität des Plasmas. Die Erhöhung der Osmolarität führt zur Öffnung eines osmosensitiven Ionenkanal, TRPV4, zur Zelldepolarisation und zur ADH-Freisetzung. Die Kenntnis der Physiologie der Harnkonzentration erlaubt die Erklärung einiger Störungen, die in diesem Prozess auftreten können S Beim Proteinmangel kommt es zu einer gestörten Harnkonzentration. Die Ursache dafür ist, dass die filtrierte Harnstoffmenge reduziert ist, dies reduziert die interstititelle Osmolarität und reduziert damit die maximale Harnosmolarität. 2. Nierenentzündungen dilatieren durch Entzündungsmediatoren die Vasa recta. Dies führt zum Auswaschen des osmotischen Graduienten im Nierenmark. 3. Bei Ausscheidung von nicht oder nicht völlständig resorbierbaren Substanzen erhöht sich der osmotische Druck im tubulären Lumen. Das reduziert den osmotischen Gradienten über dem Sammelrohr und verhindert damit die Wasseraufnahme im Sammelrohr (osmotische Diurese). 4. Schleifendiuretika oder Kaliummangel führen beide zu einer gestörten NaCl- Aufnahme in der Henle Schleife und reduzieren damit die Triebkraft für den Aufbau des kortikomodulären Gradienten. Dies stört die die Harnkonzentration. 5. Diabetes insipidus: Hier handelt es sich um eine hereditäre Erkrankung, die zu einer veränderten ADH-Freisetzung oder einer gestörten Aktivierung von ADH-Rezeptoren 13
14 führt. Die Wasserdurchlässigkeit des Sammelrohrs ist dadurchreduziert und die Wasseraufnahme behindert. 6. Druckdiurese: Bei gesteigertem Blutdruck wird das Nierenmark stärker durchblutet. Dies wäscht den Osmolaritätsgradienten aus und reduziert die Harnkonzentration. 14
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