Missachtung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen was macht der Verwalter?

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1 Missachtung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen was macht der Verwalter? 15. Panaenius-Immobilientagung Hamburg

2 A Einführung Inhalt B Wer ist wohnungseigentumsrechtlich Träger von Verkehrssicherungspflichten? Und wer haftet wie? C Öffentlich-rechtliche Verantwortung des Verwalters D Haftungsvermeidungsstrategien für den Verwalter

3 A. Einführung I. Verkehrssicherungspflichten was ist das? Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, muss die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter treffen. Welche Vorkehrungen sind zu treffen? 1. Möglichkeit und Zumutbarkeit der Sicherungsmaßnahmen 2. Stand der Technik 3. Berechtigte Sicherungserwartungen der Verkehrsteilnehmer Wem gegenüber bestehen die Sicherungspflichten? Grundsätzlich nur gegenüber berechtigten Verkehrsteilnehmern Aber auch gegenüber Kindern sowie Jugendlichen oder Personen, die aus verständlichen oder naheliegenden Gründen in den abzusichernden Gefahrenbereich geraten oder geraten können

4 A. Einführung II. Übertragung von Verkehrssicherungspflichten Verkehrssicherungspflicht kann nicht vollständig auf Dritte übertragen werden. Wird vertraglich oder gesetzlich die Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten übertragen, so ist im Außenverhältnis gegenüber dem Verletzten der Dritte verantwortlich (sog. primäre Verkehrssicherungspflicht). Der Übertragende (also ursprünglich originär Pflichtige) ist aber für die Kontrolle und Beaufsichtigung über den übernehmenden Dritten weiter verantwortlich (sog. sekundäre Verkehrssicherungspflicht).

5 B. Wer ist wohnungseigentumsrechtlich Träger von Verkehrssicherungspflichten und wer haftet wie? I. Die einzelnen Wohnungseigentümer Nach traditioneller Auffassung war der Wohnungseigentümer als Eigentümer und Besitzer Träger der Verkehrssicherungspflicht. Alle Wohnungseigentümer hafteten als Gesamtschuldner nach 840 BGB im Falle der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht Nach WEG-Reform streitig: Schuldbefreiende Übernahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband? Der einzelne Wohnungseigentümer haftet nach 10 Abs. 8 WEG nur anteilig (h.m.), nach einer Meinung sogar überhaupt nicht!

6 B. Wer ist wohnungseigentumsrechtlich Träger von Verkehrssicherungspflichten und wer haftet wie? Mindermeinung: Zuständigkeit des Verbandes steht neben der des einzelnen Wohnungseigentümers. Öffentlich-rechtlich (z.b. durch eine Gemeindesatzung) können aber nach wie vor bestimmte Pflichten (z.b. Winterdienst) dem einzelnen Eigentümer persönlich auferlegt werden, so dass diese gesamtschuldnerisch im Falle der Pflichtverletzung in voller Höhe haften können.

7 B. Wer ist wohnungseigentumsrechtlich Träger von Verkehrssicherungspflichten und wer haftet wie? II. Der Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft Nach 10 Abs. 6 Satz 3 WEG obliegen die allen Eigentümern gleich obliegenden Verkehrssicherungspflichten wegen geborener Ausübungsbefugnis als gemeinschaftsbezogene Pflichten jedenfalls auch dem Verband (BGH, Urteil v V ZR 161/11, Rz. 12; BGH, Urteil v V ZR 238/11 Rz. 10).

8 B. Wer ist wohnungseigentumsrechtlich Träger von Verkehrssicherungspflichten und wer haftet wie? III. Der Verwalter Wie bei anderen Organen besteht eine originäre Verkehrspflicht des Verwalters, dass Dritte nicht zu Schaden kommen (BGH, Urteil v VI ZR 176/92; str. nach der WEG-Reform). Parallele zu anderen Organen von Verbänden gilt auch im Wohnungseigentumsrecht: 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG i.v.m. 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG als Kompetenzzuweisung auch im Außenverhältnis Inhalt der originären Verkehrssicherungspflichten des Verwalters beschränkt sich aber auf Kontroll-, Hinweis- und Organisationspflichten (wie sekundäre Verkehrssicherungspflicht) Ist dem Verwalter ein Tätigwerden gegen den erklärten Willen der nach 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG primär zuständigen Wohnungseigentümern nicht zumutbar, so kann es am Verschulden fehlen. nicht an Dritte delegierbar. Daneben kann Verwalter Träger von weiteren Verkehrspflichten sein, die ihm der Verband gesondert rechtsgeschäftlich also durch den Verwaltervertrag übertragen hat.

9 B. Wer ist wohnungseigentumsrechtlich Träger von Verkehrssicherungspflichten und wer haftet wie? IV. Der Hausmeister Originäre Haftung gegenüber Dritten, wenn er Verkehrssicherungspflichten mit der Tätigkeitsübernahme übernimmt (primäre Verkehrssicherungspflicht). Haftung gegenüber dem Verband wegen Verletzung vertraglicher Pflichten ohne Möglichkeit, mangelhafte Kontrolle und Überwachung durch den Verwalter einwenden zu können.

10 C. Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters I. Beispiele für öffentlich-rechtliche Vorschriften 1.Bauordnungsrecht Fehlender Brandschutz 2.Trinkwasserverordnung Untersuchungspflicht nach 14 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 TrinkwasserVO Strafbewehrt nach 25 TrinkwasserVO für den Inhaber

11 C. Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters 3.EnEV 2009 Begrenzung der energetisch relevanten Änderung nach 9 Abs. 1 EnEV Nachrüstung von Heizanlagen usw. ( 10 Abs. 1 bis Abs. 3 EnEV) Außerbetriebnahme von elektrischen Speichersystemen ( 10a Abs. 1 EnEV) Aufrechterhaltung der energetischen Qualität der Außenbauteile ( 11 Abs. 1 EnEV) Nachrüstung von Einrichtungen und Zentralheizungen ( 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EnEV) Verantwortlichkeit auch des Verwalters nach 26 Abs. 2 EnEV

12 26 EnEV - Verantwortliche (1) Für die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung ist der Bauherr verantwortlich, soweit in dieser Verordnung nicht ausdrücklich ein anderer Verantwortlicher bezeichnet ist. (2) Für die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung sind im Rahmen ihres jeweiligen Wirkungskreises auch die Personen verantwortlich, die im Auftrag des Bauherrn bei der Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder Anlagentechnik in Gebäuden tätig werden.

13 C. Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters II. Rechtsprechung

14 OVG Münster, Beschluss vom B 1495/10, ZWE 2011, Die dem Verwalter im Rahmen seiner Verwaltungsaufgaben in 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG eingeräumten Handlungsbefugnisse in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum rechtfertigen es, ihn insoweit auch als Störer ordnungsrechtlich in Anspruch zu nehmen. 2. Ist allein das Sondereigentum und das Privateigentum an den darin befindlichen Gegenständen betroffen, kann der Verwalter als Störer nicht in Anspruch genommen werden. Auf dieses erstreckt sich seine Handlungsbefugnis und -pflicht nicht.

15 C. Exkurs: Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters III. Literatur Die wohnungseigentumsrechtliche Literatur nimmt mit unterschiedlichen Ansätzen fast einheitlich an, dass der Verwalter gegenüber einer Behörde nicht selbständig als Störer ordnungspflichtig ist, sondern vielmehr nur die Wohnungseigentümer und der Verband Wohnungseigentümergemeinschaft. Die öffentlich-rechtliche Zustands- und Handlungsverantwortung sei eigentums- und besitzbezogen. Die Regelungen in 27 WEG verliehen dem Verwalter keine Entscheidungsbefugnis gegen den Willen der Wohnungseigentümer. Der Verwalter ist bloßes Ausführungsorgan und hat nur ein nachrangiges Verwaltungsrecht.

16 C. Exkurs: Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters IV. Eigene Auffassung 1. Begriff des Störers als Verantwortlichen Handlungsstörer: Verhaltensstörer ist derjenige, der durch sein Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar verursacht. Ein Unterlassen ist dann relevant, wenn eine (öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche) Pflicht zum Tätigwerden besteht. Zustandsstörer: Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über der Sache, von der unmittelbar eine Gefahr ausgeht. Auf die zivilrechtliche Verfügungsbefugnis kommt es nicht an.

17 C. Exkurs: Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters 2. Verantwortung des Verwalters a) Handlungsstörer durch selbständige Entscheidung ordnungswidrigen Zustand des Gemeinschaftseigentums geschaffen (+) durch nicht selbständige Entscheidung ordnungswidrigen Zustand des Gemeinschaftseigentums geschaffen (-) /(+) o kein autonomes Entscheidung des Verwalters bei Vollziehung eines Beschlusses nach 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG o bei wertender Betrachtung dem Verwalter nicht unmittelbar zurechenbar (POR stellt hierauf nicht ab!)? (+) qualifizierte Organisationsverpflichtung im Innenverhältnis, qualifizierte Entscheidungen herbeizuführen (erfüllt das Unmittelbarkeitserfordernis im Unterlassensfall)

18 C. Exkurs: Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters b) Zustandsstörer Verantwortung der Eigentümer als Eigenbesitzer Verantwortung der Gemeinschaft über 10 Abs. 6 Satz 3 WEG Verwalter auf Grund Unterlassens? o (-) bei Verletzung einer einfachen Handlungspflicht o M.E. (+), wenn Verwalter in Kenntnis bauordnungswidriger oder ordnungswidriger Zustände bei fehlender Handlungsbefugnis nicht die organisatorischen Maßnahmen für die Entscheidung der Gemeinschaft im Innenverhältnis veranlasst (erfüllt das Unmittelbarkeitserfordernis) o M.E. (+), wenn Verwalter in Kenntnis bauordnungswidriger oder ordnungswidriger Zustände bei bestehender Handlungsbefugnis (Gesetz, Gemeinschaftsordnung, Vertrag, Beschluss) nicht handelt o also (+) bei qualifizierter Verletzung einer qualifizierten Handlungspflicht

19 C. Exkurs: Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters c) Bestätigung in der verwaltungsgerichtlichen Praxis VGH Mannheim, Urt. v VI 879/72, NJW 1974, 74 OVG Münster, Beschl. v B 2966/93, u.v. OVG Berlin, Beschl. v S , BauR 2003, 1083 VG Arnsberg, Urt. v K 2981/10, ZWE 2012, 293 d) Ausnahmetatbestand fehlende Störereigenschaft, wenn Verwalter nicht mehr handeln kann, weil Gemeinschaft entgegenstehenden Willen durch Beschluss dokumentiert hat

20 C. Exkurs: Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters 3. Verantwortlichkeit der Gemeinschaft Zuweisung nach 10 Abs. 6 Satz 3 WEG auch im Außenverhältnis ( Ordnungspflicht ist gemeinschaftsbezogen ) Zustands- und ggf. auch Handlungsstörerin Verwalter als Zustellungsbevollmächtiger und kastriertes Organ Verwalter als interner Organisator, der für die Umsetzung der Ordnungsverfügung sorgen muss erhebliche Haftungsgefahren im Innenverhältnis von Eigentümern, die öffentlich-rechtlich notwendigen und zur Abstellung von Gefahrzuständen notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen nicht zustimmen, da hierauf ein Anspruch gemäß 21 Abs. 4 WEG besteht (LG Krefeld, Beschluss vom T 200/07, BeckRS 2008, 20068)

21 D. Haftungsvermeidungsstrategien für den Verwalter I. Verwaltervertrag Verwaltervertrag ist typischerweise ein Verbrauchervertrag im Sinne von 310 Abs. 3 BGB und unterliegt damit der Inhalts- und Missbrauchskontrolle zu Lasten des Verwalters. Pflichten aus 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG und 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG sind wesentliche Verwalterpflichten und zwingend ( 27 Abs. 4 WEG); zu Kardinalpflichten kann eine Haftung nach 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht eingeschränkt werden. Ob für versicherbare Vermögensschäden auf Grund einer Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit eine Haftungsbegrenzung möglich ist, ist zweifelhaft, im Ergebnis aber wegen der gesetzlichen Wertungen zu verneinen.

22 D. Haftungsvermeidungsstrategien für den Verwalter II. Organisation 1. Organschaftliche Kontroll-, Hinweis- und Koordinierungsverpflichtungen Die Pflichten sind höchstpersönlich an das Verwalteramt gebunden und können nicht vollständig auf Dritte befreiend übertragen werden. Vom Verwalter eingeschaltete Dritte haften der Gemeinschaft oder dem Verwalter vertraglich, deliktsrechtlich sind sie Verrichtungsgehilfen des Verwalters. Der Verband haftet im Außenverhältnis gegenüber Dritten nach den 31, 89 BGB für die Überwachungsfehler seines Verwalters (str.). Kein Entlastungsbeweis des Verbandes möglich, aber ggf. Regress im Innenverhältnis gegenüber dem Verwalter.

23 D. Haftungsvermeidungsstrategien für den Verwalter 2. Vertragliche Übertragung der Verkehrssicherungspflichten Übliche Verwalterverträge beinhalten die Übernahme weitergehender Pflichten in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum durch den Verwalter über die laufende Instandhaltung und Instandsetzung hinaus, wobei für die Übernahme der Verkehrssicherungspflichten ausreichen soll (m.e. zweifelhaft): Beispiel 1: Verwalter hat nach pflichtgemäßem Ermessen alles zu tun, was zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung gehört Beispiel 2: [ ] dem Verwalter obliegt die ordnungsgemäße Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Folge einer vertraglichen Übernahme der Verkehrssicherungspflicht ist die Haftung des Verwalters für jede Fehlleistung des Hausmeisters nach 278 BGB ohne jede Entlastungsmöglichkeit gegenüber dem Verband

24 D. Haftungsvermeidungsstrategien für den Verwalter Niemals, niemals nie und abermals nie die Verkehrspflichten vertraglich übernehmen und dies auch so im Verwaltervertrag klarstellen! Geregelt werden sollten auch klare Versicherungssummen für die Verletzung von Personen und Sachen. Achtung: Die üblichen Haftungssummen reichen keinesfalls aus!

25 D. Haftungsvermeidungsstrategien für den Verwalter III. Notstrategie des Verwalters 1. Haftungsrisiken zivil- und strafrechtliche Risiken im Schadensfall o Beispiel: Brandschutzmängel werden nicht behoben, Brand mit Personen- und Sachschäden Verlust des Versicherungsschutzes (Risikoerhöhung, bewusste Pflichtwidrigkeit, Umfang Versicherungsschutz) 2. Niederlegung des Verwalteramts gegenüber allen Eigentümern oder in einer Eigentümerversammlung unberechtigte Niederlegung führt zwar zur Beendigung des Verwalteramts, aber zur Haftung des Verwalters auf Schadensersatz Situation mit der Freigabe des Insolvenzverwalters vergleichbar? Freigabe beendet Stellung als Zustandsstörer Freigabe beendet nicht Stellung als Handlungsstörer