Wie kompatibel muss das Blut sein?
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- Hella Keller
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1 Wie kompatibel muss das Blut sein? Immunhämatologische Aspekte Dr. phil. nat. Sofia Lejon Crottet Labor Immunhämatologie, Interregionale Blutspende SRK AG Nationales Referenzlabor Blutspende SRK Schweiz Seite 1
2 Die Themen Die schweizerischen Empfehlungen Kompatibilität Klinische Relevanz der erythrozytären Antikörper Das Responder vs. Non-Responder Paradigma Frequenz der Antikörper Klinische Beurteilung der Antikörper Transfusionsschema der IRB Erweitertes Antigen-Matching Seltenes Blut Seite 2
3 Empfehlungen der SVTM und der B-CH SRK neue Ausgabe! Seite 3
4 Prätransfusionelle / Immunhämatologische Abklärungen: Wann: Abklärungen vor einer Transfusion Abklärungen bei einer Schwangerschaft Abklärungen bei einer Hämolyse Was: Blutgruppenbestimmung ABO, RhD (ev. RhCE (Phae) und Kell, Frauen < 50Jahre) Antikörper-suchtest und -identifikation Überprüfung der Komptabilität zwischen Patientenprobe und Blutprodukt (Type & Screen oder Verträglichkeitsprüfung) Warum: Vermeidung von hämolytischen Transfusionsreaktionen Prävention von Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) Ätiologische Ursache der (Auto-) Immunhämolyse (AIHA) Seite 4
5 Was steht in den Empfehlungen? Seite 5
6 Routine-Praxis für die Auswahl von EKs für die Bluttransfusion Freigabe mittels Type & Screen Bestimmung der ABO-Blutgruppe und des RhD-Antigens (Type) Antikörpersuchtest (AKST) zum Nachweis von Allo-Antikörpern (Screen) AB/RhD-Antigenkontrolle der Erythrozytenkonzentrate (EK) Überprüfung der Kompatibilität von ABO/RhD des Patienten mit ABO/RhD der EK Freigabe mittels Verträglichkeitsprüfung (VP) Bestimmung der ABO-Blutgruppe und des RhD-Antigens AKST zum Nachweis von Allo-Antikörpern (Allo-AK) VP mit Patientenserum/-plasma und jedem EK im Indirekten Antihumanglobulintest (IAT) AB/RhD-Antigenkontrolle der EK Überprüfung der Kompatibilität von ABO/RhD des Patienten mit ABO/RhD der EK und von ev. vorhandenen Allo-Antikörpern des Patienten und den entsprechend Antigen-negativen EK Seite 6
7 Was heisst kompatibel? Wikipedia Seite 7
8 Wieso kompatibel Transfundieren? Vermeiden von Alloimmunisierung Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter (< 50 Jahre) Vorliegen von klinisch relevanten AK Reguläre Antikörper (Anti-A, Anti-B) Irreguläre Antikörper (Antigen negative EKs) Chronisch transfusionsbedürftige Patienten (SCD, Thalassämie, AIHA, etc.) Alloimmunisierungsrisiko erhöht AK-Abklärung z.t. erschwert oder gar nicht möglich Seite 8
9 Mögliche Folgen wenn nicht kompatibel transfundiert wird Alloimmunisierung Wenn junge Frauen inkompatibel transfundiert werden, erhöht sich das Risiko für einen Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) Das Vorhandensein von multiplen AK führt immer zu komplexen serologischen Untersuchungen und kann zu verzögerter Blutversorgung führen Seite 9
10 Klinische Relevanz der erythozytären Alloantikörper Die klinische Relevanz der AK ist abhängig von: IgG-Klasse (IgG1 oder IgG3) IgM Antikörper sind nicht plazentagängig und daher für eine Schwangerschaft nicht relevant Antikörpertiter Komplementaktivierungskapazität (Hämolysetyp: intravasal, extravasal) Temperaturamplitude Bindungskapazität (Avidität) des Antikörpers (z.b. HTLA Antikörper) Immunogenität des Antigens (Die Fähigkeit eines Antigens, eine Immunantwort auszulösen) Seite 10
11 Das Responder vs. Non-Responder Paradigma Angeborene Eigenschaften des Patienten, wie genetische Veranlagung, bedingen den Alloimmunisierungs-Phänotyp. Sobald der Patient einen Antikörper gebildet hat, wird er als «Responder» deklariert. Alloimmunisierungsrate nach Transfusion ca. 1-3% obwohl ca % der Patienten «Responder» wären. Vor Introduktion von Anti-D Prophylaxe bildeten ca. 6-8 % aller RhD negativen schwangeren Frauen Anti-D Antikörper Nach Bildung von einem Antikörper bilden ca % einen zweiten Antikörper Alloimmunisierungsrate in Sichelzellanämie- und Thalassämie-Patienten ist sehr hoch mit bis zu 8-36% (Median 25%) Weitere Risikogruppen: andere Hämoglobinopathien, MDS, AIHA Seite 11
12 Frequenz der Alloimmunisierung gegen häufige und hochfrequente erythrozytäre Antigene Anzahl Anzahl % Revelli N et al., 2014 Seite 12
13 Klinisch relevante Antikörper und deren Häufigkeit A. Seltsam, Springe, Deutschland 86.7% Seite 13
14 Was steht weiter in den Empfehlungen? Rh/K-Phänotyp kompatibel Seite 14
15 Klinische Beurteilung einiger Antikörper G. Daniels & I. Bromilow: Essential Guide to Blood Groups, 2nd Edition, 2010 Seite 15
16 Transfusionsschema IRB SRK AG Seite 16
17 Was steht weiter in den Empfehlungen? Seite 17
18 Erweitertes Antigen-Matching Erweitertes Antigen-Matching kann die Alloimmunisierungsrate vermindern, aber nicht eliminieren! Sichelzellpatienten und Thalassämiepatienten- Höheres Risiko zur Alloimmunisierung Daher sinnvoll neben RhD-, RhCE- und K- auch Fy-, Jk- und Ss-kompatibel zu transfundieren (Rh-Gen sehr Polymorph!) Patienten mit AIHA / Onkopatienten ABO- RhD-, RhCE- und K-kompatibel Ev. weitere Antigene falls AK-Abklärung nicht möglich/erschwert Patienten unter Daratumumab (Darzalex, Anti-CD38) ABO- RhD-, RhCE-, K- und Kp(a)-kompatibel Ev. weitere Antigene falls AK-Abklärung nicht möglich/erschwert Seite 18
19 Was machen wir um kompatibles Blut zu finden? Blutgruppensysteme 1 ABO 19 XK 2 MNS 20 GE 3 P1PK 21 CROM 4 RH 22 KN 5 LU 23 IN 6 KEL 24 OK 7 LE 25 RAPH 8 FY 26 JMH 9 JK 27 I 10 DI 28 GLOB 11 YT 29 GIL 12 XG 30 RHAG 13 SC 31 FORS 14 DO 32 JR 15 CO 33 LAN 16 LW 34 VEL 17 CH/RG 35 CD59 18 H 36 Augustine 314 Blutgruppenantigene in 36 Blutgruppensysteme verteilt Anzahl Antigene Collections* series* (< 1 %) series* (> 90 %) 6 *Genetischer Hintergrund unbekannt Avent ND, Blutgruppenantigene Stand September 2016 Seite 19
20 Was machen wir um kompatibles Blut zu finden? Serologischer Spenderscreen (RhCE, K, Kp(a), Vel, Cw, IgA) Molekularbiologische Genotypisierung von Spendern (Methode Bern) Primer mix 1 Primer mix 2 Primer mix 3 Primer mix 4 Genotype Phenotype 1 Genotype Phenotype 1 Genotype Phenotype 1 Genotype Phenotype 1 KEL*01 K KEL*02 k FY*01 Fy a FY*02 Fy b KEL*03 Kp a KEL*04 Kp b MNS*01 M MNS*02 N YT*01 Yt a YT*02 Yt b MNS*03 S MNS*04 s LU*01 Lu a LU*02 Lu b DO*01 Do a DO*02 Do b CO*01 Co a CO*02 Co b JK*01 Jk a JK*02 Jk b FY*null01 2 (Fy a-b- ) 2 FY*265T 2 Fy bw Insgesamt 22 Allele 20 klinisch relevante Antigene Spezifische Bevölkerungsgruppen untersuchen Seite 20
21 Stand Februar 2015 Seite 21
22 Wichtigste seltene Phänotypen kaukasischer Herkunft k-, Co(a-), Yt(a-), Lu(b-) : ~ 1:500 Kp(b-), Vel- : ~ 1:2 500 Ge:-2,-3, -D-, Co null, : <1: bis <1: ? (66%: Anti-Kp(b), -Vel, -Lu(b) und Yt(a), Seltsam et al., Transfusion 2003) Seite 22
23 Was ist seltenes Blut? Blut von einer Person mit einer seltenen Blutgruppe. Wann ist die Blutgruppe selten? Wenn negativ für ein hochfrequentes Antigen (Kp(b-), k-, Vel-, etc.) Wenn negativ für alle Antigene in einem Blutgruppensystem ( Null Phänotyp ) Wenn negativ für mehrere Antigene im selben Blutgruppensystem (z.b. D+C+E+c-e- (CDE/CDE od. R Z R Z )) Wenn die Blutgruppenkonstellation komplex ist (negativ für mehrere häufige Antigene) Seite 23
24 Definition der Seltenheit Schweiz: keine Definition, 1:300? Frankreich: 1:250 ISBT Working Party on Rare Donors: 1:1 000 USA (New York Blood Center): 1:200 AABB Standard: 1:1 000 Normal seltene Gruppe 1:5 000 Seltene Gruppe 1: Sehr seltene Gruppe Häufig verwendet: < 1:1 000 Seite 24
25 Wieso sind gewisse Patienten schwierig zu transfundieren? Voraussetzung ist, dass ein Antikörper vorliegt und Antigennegatives Blut verabreicht werden muss! Zwei Patientengruppen, bei denen die adäquate Blutversorgung erschwert ist: Patient hat eine seltene Blutgruppe oder mehrere Antikörper Anti-k oder Anti-U (kompatibles Blut 1:500 resp. 1:????? In der CH ) Anti-e + Anti-Fy(a) + Anti-Jk(a) (kompatibles Blut 1:870) Bei chronischer Transfusionsbedürftigkeit SCD, Thalassämie (Patient und Spender nicht die gleiche Ethnizität!) Aplastische Anämie, MDS oder chronische Anämien, etc. Seite 25
26 Die Komplexität der Antikörperdifferenzierung Alle Testzellen reagieren positiv ausser die Eigenkontrolle Schwierig für Routinelabors aufzuklären Das Vorhanden sein von seltenen Blutzellen ist erforderlich (z.b. Antigen-negative Zellen) Antigen und Antikörper Eigenschaften zu kennen, um wichtige serologische Hinweise zu erkennen Erfahrung gibt klaren Vorteil Ein Vortrag für sich! Seite 26
27 Was zu transfundieren? Kompatibles Blut! Wo finde ich das Blut? Regionaler Blutspendedienst Nationales Referenzlabor Bern DGTI-Register für seltene Spender Internationale Rare Donor Panel (IRDR) Gefrorenes Blut Frisches Blut Autologe (Kryo-) Spende Abbildung: Blutspendedienste in Österreich, Deutschland und der Schweiz, welche an das DGTI Register Daten liefern. Die Zentren mit gelben Punkten lagern auch gefrorenes Blut. Familienmitglied, akute Suche nach dem passenden Spender Seite 27
28 Was zu transfundieren? forts. Inkompatibles Blut! Manchmal ist es notwendig inkompatibles Blut zu transfundieren Immer eine medizinische Entscheidung! Wenn möglich die am wenigsten inkompatiblen Beutel transfundieren Medikamente zur Unterstützung des Immunsystems (z. B. IVIG, Steroide etc.) Die Transfusion bei einer niedrigen Geschwindigkeit durchführen und Patient genau beobachten Keine Hinweise auf eine klinische Signifikanz bedeutet nicht, dass die Transfusion ereignislos sein wird Seite 28
29 Was zu transfundieren? forts. Andere Faktoren zu berücksichtigen Wie dringend wird das Blut benötigt? Was ist die klinische Diagnose? Ist der Antikörper klinisch relevant? Was sagen die in vitro-testresultate (z.b. MMA)? Seite 29
30 Zusammenfassung / Schlussfolgerung Mädchen und Frauen unter 50jährig Rh- und K-kompatibel transfundieren Chronisch transfusionsbedürftige Patienten Rh- und K-kompatibel transfundieren Sobald ein klinisch relevanter AK vorhanden ist, mindestens zusätzlich Rhund K-kompatibel transfundieren Schon mit oben genannten Massnahmen, können viele weitere Immunisierungen und damit aufwändige AK-Abklärungen und auch negative Folgen für den Patienten vermieden werden! Seite 30
31 Foto: J. Jonsson Seite 31
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