Bahn frei für Klima und Umwelt

Transkript

1 1 Monatsbericht Bahn frei für Klima und Umwelt Ein innovativer Industriezweig begegnet den Herausforderungen von morgen Unternehmen der Bahnindustrie entwickeln innovative Technik auf weltweit führendem Niveau. Sie haben erkannt, dass die steigenden Umwelt- und Klimaschutzanforderungen eine Chance bieten, sich im Wettbewerb durch klimaund umweltbewusste Technik noch stärker zu positionieren. Die Bundesregierung unterstützt die Industrie durch günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen und durch das 3. Verkehrsforschungsprogramm. Für dessen Technologieteil ist das BMWi zuständig. Gefördert werden beispielsweise Projekte, die CO 2 -Emissionen zu reduzieren und die Effizienz im Fahrzeugantrieb zu steigern, sowie Projekte, die Leit- und Sicherungstechnik zu standardisieren und den Lärm des Güterverkehrs zu reduzieren. Ein kleiner Industriezweig mit großer Bedeutung Die Bahnindustrie in Deutschland kann auf eine über 175-jährige Tradition zurückblicken. Am 7. Dezember 1835 fuhr in Deutschland die erste Dampfeisenbahn von Nürnberg nach Fürth. Die Technik dafür stammte noch nicht aus Deutschland, sondern wurde von der britischen Firma Robert Stephenson and Company geliefert. Das war zugleich der Startschuss für die enorme Entwicklung dieses Industriezweiges am Standort Deutschland. Firmen wie z. B. J.A. Maffei, Borsig Lokomotiv-Werke, Henschel & Sohn, HANOMAG oder auch Hartmann, BMAG vormals Louis Schwartzkopff und Krauss nahmen den Lok-Bau auf, um den steigenden Bedarf an Lokomotiven zu decken. Damit begann die dynamische eigene Entwicklung von Dampf lokomotiven in Deutschland bis hin zur Fertigung moderner Elektrolokomotiven. Heute gilt Bahntechnik aus Deutschland als weltweit führend. Die Bandbreite der deutschen Bahntechnik ist enorm. Zur Bahnindustrie in Deutschland gehören mehr als 130 Unternehmen unterschiedlichster Größe, die mit ihrer Produktpalette das ganze Spektrum von bahntechnischer Ausrüstung bis hin zu vollständigen Bahnsystemen abdecken. 1 Die Bahntechnikindustrie stellt somit nicht nur das rollende Material, sondern auch Komponenten und Systeme für die Schienen infrastruktur, den Oberbau und die Oberleitungen sowie die Leit- und Sicherungstechnik her. Entscheidend für den Erfolg der Branche ist zudem eine innovative mittelständische Zulieferindustrie, die bahntechnische Komponenten und Subsysteme bereitstellt. Die Unternehmen der Bahnindustrie beschäftigen in Deutschland rund Mitarbeiter. Im Vergleich zum Maschinen- und Anlagenbau mit ca Mitar beitern 2 wird deutlich, dass es sich bei der Bahnindustrie nur um einen kleinen Bereich der Investitions güterindustrie handelt. Dennoch ist die Bedeutung der Bran - che für den Industriestandort Deutschland nicht zu unterschätzen. Die Bahnindustrie weist einen großen Anteil an Eigenfertigung bei der Gütererstellung und damit eine hohe Fertigungstiefe auf. Sie setzt auf Wertschöpfung in Deutschland. Die Unternehmen der Bahnindustrie sichern dadurch gemeinsam mit ihren mittelständischen Zulieferern Arbeitsplätze, nicht selten in strukturschwachen Regionen. Zudem entwickeln die Unternehmen innovative Technik auf weltweit führendem Niveau. Sie schaffen und halten damit hochtechnologisches Know-how am Standort. Dies gilt gerade im Bereich klimaschonender und energiesparender Technik. Nicht zuletzt trägt die Branche dazu bei, das Bedürfnis nach nachhaltiger Mobilität im Inund Aus land zu befriedigen und Deutschland als Verkehrs dreh kreuz in der Mitte Europas zu stärken. Die Unternehmen der Bahnindustrie sind vergleichsweise gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ge - kommen. Der Rückgang des Güterverkehrs in den Krisenjahren 2008 und 2009 führte allerdings dazu, dass weniger Bestellungen für Lokomotiven bei den Her stellern eingingen. Auch von öffentlicher Seite zeigt sich infolge der Konsolidierungsvorgaben eine rückläufige Auftragsvergabe. Aufgrund der langen Auftrags vorlaufzeiten machen sich diese Auswir kun gen erst zeitverzögert bemerkbar. Daher verzeichneten die Unter nehmen der Bahnindustrie im ersten Halbjahr 2011 einen Umsatzrückgang von 14,5 Prozent. 1 Quelle: Verband der Bahnindustrie in Deutschland e.v. (VDB), wie auch nachfolgende Kennzahlen zur Bahnindustrie. 2 Quelle: Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

2 Monatsbericht Bombardier Zulassungs- und Erprobungsfahrten der Baureihe ET 442 (Talent 2) auf dem Netz der DB bei Vach. Diese Baureihe wird seit Ende November 2011 bei der S-Bahn Nürnberg eingesetzt. Die Bestellungen im inländischen Fahrzeuggeschäft legten aktuell wieder kräftig zu. Hierbei spielte ein Auf - trag der Deutschen Bahn AG zur Beschaffung von Reisezügen für den Fernverkehr eine wesentliche Rolle (Ersatz von Intercity-/Eurocity-Zügen und später von Fahrzeugen der ICE 1- und ICE 2-Baureihe). Mit einem Auftragsplus von 75 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum waren die Auftragsbücher der Unternehmen damit im ersten Halbjahr 2011 gut gefüllt. Kritisch bewertet die Branche lediglich die Auftrags entwicklung bei Infrastrukturausrüstungen und dem Gleisbau. Die Bahnindustrie wichtiger Akteur im Klimaschutz Deutschland und Europa haben sich ambitionierte Klima schutzziele gesetzt. In ihrem Energiekonzept vom September 2010 strebt die Bundesregierung eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 an. Die deutsche Industrie leistet durch die Entwicklung und den Einsatz klimafreundlicher Technologien und Güter einen er - heblichen Beitrag dazu, die Klimaschutzziele zu erreichen. Sie hat bereits erkannt, dass sich Umwelt schutz zu einem wichtigen Faktor im internationalen Wettbewerb entwickelt hat. Forschung und Entwicklung neuer, klimaschonender Technologien Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB) sieht in den steigenden Umwelt- und Klimaschutzanforderungen einen der bedeutendsten Trends für die Bahnindustrie. Der Schienenverkehr kann eine gute Umwelt- und Klimabilanz vorweisen. Um auch für die künftig steigenden Umwelt- und Klima anforderungen gut gerüstet zu sein, investieren die Unternehmen der Bahnindustrie in Forschung und Ent wicklung. Der Anteil der Investitionen in Forschung und Entwicklung beläuft sich mit auftragsbezogenen Forschungsaufwendungen auf sechs Prozent des Um - satzes. Das entspricht jährlichen Investitionen in Höhe von rund 700 Millionen Euro. Mit diesen Vorhaben werden unter anderem Technologien entwickelt, die den CO 2 -Ausstoß nachhaltig reduzieren. Sie reichen von neuartigen Bremssystemen über die Entwicklung von Hybrid-Antriebssystemen bis hin zur Leichtbauweise von Triebzügen. All dies steigert die Energieeffizienz und trägt damit aktiv zum Klimaschutz bei. Initiative Eco Rail Innovation Um die Kräfte des Systems Bahn zu bündeln, haben Unternehmen der Schienenverkehrswirtschaft, Bahntechnikhersteller und Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien gemeinsam mit wissenschaftlichen Einrichtungen das Projekt Eco Rail Innovation (ERI) ins Leben gerufen. Mit dem Ziel von Null Emission bei Schienenfahrzeugen und Infra struk tur haben die Partner des Projekts zentrale Inno vationsfelder identifiziert. Nun soll neben For schungs vor haben unter anderem die Entwicklung emis sionsarmer und energieeffizienter Komponenten und Antriebssysteme vorangetrieben werden.

3 3 Monatsbericht Forschungsförderung für den Schienenverkehr Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung der Bahnindustrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland bewusst. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie fördert im Rahmen des 3. Verkehrs forschungsprogramms verschiedene Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich des bodengebundenen Verkehrs. Eine wichtige Säule nimmt dabei die Bahnforschung ein. Die Förderung reicht von Pro jekten, die CO 2 -Emissionen zu reduzieren und die Effizienz im Fahrzeugantrieb zu steigern, bis zu Projekten, die Leit- und Sicherungstechnik zu standardisieren und den Lärm des Güterverkehrs zu reduzieren. Daneben weisen viele weitere Vorhaben, beispielsweise im Be - reich der Logistik oder Seehafentechnologien, eine Verbindung zum Schienenverkehr auf. Die im Folgenden beispielhaft aufgeführten Projekte zeigen, wie sich die Bahnindustrie das Verkehrs forschungsprogramm zunutze macht, um den Herausforderungen von morgen durch technologische Innovationen zu begegnen. Verbundprojekt EHR Abgaswärmenutzung für schwere On- und Non-Road-Fahrzeuge Für eine bedarfsgerechte Mobilität, die zugleich den Kli ma- und Nachhaltigkeitszielen der Bundesregierung Rechnung trägt, sind Maßnahmen zur weiteren Emissionsreduktion des Verkehrs notwendig. Hierzu kann die Entwicklung emissionsoptimierter Antriebe entscheidend beitragen. Effizienzsteigerungen können be - reits kurz- bis mittelfristig durch eine Weiter ent wick - lung der konventionellen Antriebstechnik erreicht werden. An dieser Stelle setzt das Verbundprojekt EHR Abgaswärmenutzung für schwere On- und Non-Road-Fahrzeuge an. Ziel dieses Projektes ist es, die Motor abwärme bei Schienenfahrzeugen, Nutzfahrzeugen und Schiffen für eine signifikante Reduktion des Kraftstoffverbrauchs zu nutzen. Nahezu zwei Drittel der im Kraft stoff gespeicherten Wärmeleistung gehen als Ab - wärme durch den Motorkühler und das Abgas verloren. Die Nutzung der Abwärme durch einen nachgeschalteten thermodynamischen Prozess (Rankine-Prozess) besitzt somit im besonderen Maße das Potenzial, die im Kraftstoff enthaltene Energie noch effizienter und damit umwelt- und ressourcengerechter zu nutzen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Techno logie fördert dieses Verbundprojekt mit einer Zuwen dung in Höhe von rund 3,4 Millionen Euro. Laufzeit 10/ /2014 Anzahl der Partner Euro Euro 49 Prozent Verbundprojekt LIANA+ Große Li-Ionen-Batterien für Diesel-Elektro-Hybride im Non-Road-Bereich Fahrzeuge mit Hybrid- und Elektroantrieb können große Fortschritte in Richtung Verbrauchsreduzierung und CO 2 -Minderung ermöglichen. Langfristig können dadurch erneuerbare Energien die fossile Energie versorgung im Verkehr ablösen. Elektrifizierte Antriebe haben speziell im Schienennahverkehr große Potenziale, um den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen von Abgasen und Geräuschen deutlich zu reduzieren. Mit den alternativen Antriebssystemen beschäftigt sich das Verbundprojekt LIANA+ Große Li-Ionen-Bat te- DB Schenker Rail im internationalen Einsatz

4 Monatsbericht rien für Diesel-Elektro-Hybride im Non-Road-Bereich. Ziel des Projektes ist es, ein Diesel-Elektro-Hybridantriebssystem mit großen Lithium-Ionen-Batteriemodulen sowohl für den Straßen- als auch für den Schienenverkehr zu entwickeln, um die Emissionen zu mindern und die Effizienz nachhaltig zu steigern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Tech no logie fördert das Verbundprojekt mit einer in Höhe von 4,6 Millionen Euro. Laufzeit 03/ /2014 Anzahl der Partner Euro ICE 3 der Baureihe 406 und 403 passieren die Mainbrücke bei Nantenbach auf dem Weg Richtung Süden Euro 44 Prozent Verbundvorhaben NeGSt Neue Generation Signaltechnik Sektorweite Initiative zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Leit- und Sicherungstechnik Die Leit- und Sicherungstechnik gehört zu den zentralen Komponenten der Eisenbahninfrastruktur. Feh len de Standards in diesem Bereich haben in den letzten Jah ren zu Problemen geführt. Für die Verkehrs betreiber (z. B. die Deutsche Bahn) hat die fehlende Kompatibilität der Komponenten verschiedener Hersteller den Nachteil, dass sie nach der erstmaligen Entscheidung für einen bestimmten Anbieter an diesen gebunden bleiben, auch bei Neuaus- bzw. Nachrüstungen. Für Hersteller ist es damit schwierig, neue und innovative Produkte in be - stehenden Infrastrukturen zu platzieren. Sowohl für Nutzer als auch für Hersteller geht die Variantenvielfalt der Leit- und Sicherungstechnik zudem mit einer zu nehmenden Komplexität der Zulassungsprozesse einher. Genau an dieser technologischen Herausforderung der bestehenden Infrastrukturen setzt das Verbund vorh a- ben NeGSt Neue Generation Signaltechnik Sek torweite Initiative zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Leit- und Sicherungstechnik an. Ziel des Projektes ist es, im Zuge einer Standardisierung von Schnitt stellen ein konzeptionelles Redesign der Leit- und Sicherungstechnik zu entwickeln. Darüber hinaus zielt das Projekt darauf ab, in einem gemeinschaftlichen Ansatz Impulse für eine Optimierung der Zulassungsprozesse zu geben. Neben den Forschungsinstituten und der DB Netze als Infrastrukturbetreiber ist die Beteiligung sämt licher relevanter, in Deutschland ansässiger Her - steller von Leit- und Sicherungstechnik die ent scheidende Voraussetzung dafür, den sektorweiten Ansatz des Vorhabens erfolgreich umsetzen zu können. Die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten werden als äußerst gut bewertet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Techno logie fördert dieses Projekt mit einer in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro. Laufzeit 09/ /2013 Anzahl der Partner Euro Euro 51 Prozent Verbundprojekt LäGiV Lärmreduzierter Güterverkehr durch innovative Verbundstoff-Bremsklotzsohlen Derzeit verkehren im Schienengüterverkehr überwiegend Güterwagen mit einer Grauguss-Bremsklotzsohle. Diese Grauguss-Bremsen rauen die Radoberfläche auf, die dann, angeregt durch den Rad-Schiene-Kontakt, Luftschall emittieren. Dieser Luftschall stellt einen maß geblichen Beitrag der Gesamtlärmemissionen im

5 5 Monatsbericht Schie nenverkehr dar. Das Verbundprojekt LäGiV Lärm reduzierter Güterverkehr durch innovative Verbundstoff-Bremsklotzsohlen verfolgt das Ziel, Wagen mit Grauguss-Bremstechnologie umzurüsten und damit Lärmemissionen zu reduzieren. Dafür sollen die Verbundstoff-Bremsklotzsohlen so weit entwickelt wer den, dass sie auch ohne technische Defizite im Bestand und in Neufahrzeugen eingesetzt werden können. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt ent wick lung plant die Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems, woraus sich ein Teil der Umrüstung von Graugussbremssohle auf Verbundstoff brems sohle refinanzieren soll. Die Einführung ist mit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2012 ge - plant und soll über eine Laufzeit von acht Jahren andauern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Techn o logie fördert das Verbundprojekt LäGiV mit einer Zu wen - dung in Höhe von 6,9 Millionen Euro. Laufzeit 11/ /2014 Anzahl der Projektpartner 6 Projektkoordinator Fördermittel Deutsche Bahn AG 14,9 Mio. Euro 6,9 Mio. Euro 47 Prozent Kontakt: Dr. Friederike Schwarzberg/Norbert Klören