ZWISCHEN MYSOPHOBIE UND MESSIE-SYNDROM
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- Leonard Schulze
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1 ZWISCHEN MYSOPHOBIE UND MESSIE-SYNDROM Psychologische Aspekte des Hygieneverhaltens DDr. Ulley Rolles Spittal/Drau Zwangshandlungen Einteilung nach Häufigkeit Wasch/ Putzzwänge (Reinigung/ Angst vor Kontamination) Kontrollzwänge Wiederholung Zählzwänge Symmetrie Sammelzwänge /Horten (Messie syndrom) 1
2 Inhalte von Zwangsgedanken Kontamination/ Verschmutzung Selbst herbeigeführtes Unglück Sozial unangepasstes Verhalten Sexualität Religion Ordnung/ Symmetrie Aggression Magisches Denken Zentrale Merkmale der Zwangsstörung Sich aufdrängende Gedanken/ Vorstellungen/ Impulse Unangenehme Emotionen Angstreduktion durch Zwangshandlungen/ Vermeidung Ausweitung der Zwangshandlungen Zunehmendes Vermeidungsverhalten Miteinbeziehen von Bezugspersonen Oft kombiniert mit Depression Schamgefühle/ Verheimlichung / Selbstvorwürfe 2
3 Prävalenz 1-2% der Bevölkerung Frauen = Männer Waschzwang = mehr Frauen Gipfel Lebensjahr Erste Symptome häufig schon in der Kindheit Verlauf meist chronisch > 50% lebenslang MYSOPHOBIE Krankhaft übersteigerte Angst vor Kontakt mit Schmutz oder der Ansteckung durch Bakterien und Viren Angst vor Berührung von kontaminierten Personen und Gegenständen Panikgefühle bei Konfrontation Folge: extremer Putz- und Waschzwang Spezielle Reinigungsrituale Übertriebener Einsatz von Desinfektionsmitteln Zunehmendes Vermeidungsverhalten 3
4 MYSOPHOBIE Ursachen Genetische Ursachen SLC1A1 Gen auf Chromosom 9p24 SAPAP3 Gen Quellen: Arnold PD, R Sicard, Burroughs E, Richter MA, JL Kennedy. Glutamat-Transporter-Gens SLC1A1 mit Zwangsstörungen verbunden. Arch. Gen Psych. Juli 2006; 63: Gouping Feng et al.:kortiko-striatalen synaptische Defekte und OCD-ähnliche Verhaltensweisen in Sapap3-mutierten Mäusen, Nature 448, (23. August 2007) MYSOPHOBIE Ursachen Neurobiologisch (Serotonin, Dopamin, Glucose - PET) 4
5 MYSOPHOBIE Ursachen Aktuelle Auslöser = Stressoren Stress - erhöht Häufigkeit aufdringlicher Gedanken Stress beeinflusst das Immunsystem (NK-Zellen, Lymphozyten, Th4/Th8, TNF- α,il-1, IL-10 ) MYSOPHOBIE Ursachen Psychologische Faktoren Lerntheorie 5
6 Lerntheoretische/ Psychologische Faktoren Erziehungsstil Lernen am Modell Traumata/ Verluste Beziehungskonflikte (Nähe-Distanz Regulation) Persönlichkeitsfaktoren: Selbstunsicherheit, Selbstzweifel, übertriebenes Verantwortungsgefühl, Perfektionismus, Angst vor Ablehnung Hohe moralische Ansprüche/ Religiöse und gesellschaftliche Normen Denkstil: Katastrophisieren, Überschätzung von Risiken Bausteine der Therapie Bearbeiten: Sinn der Zwänge Kognitive Techniken/ Gedanken hinterfragen Hierarchisierung der zwangsauslösenden Situationen Graduierte Exposition mit Reaktionsmanagement 6
7 Beispiel Exposition - Durchführung Stufe 1 Ansehen von kontaminierter Türschnalle Türschnalle berühren Kontaminierung von eigener Kleidung, Haut, ev. Haare Türschnalle festhalten Danach 1 Stunde nicht die Hände waschen Stufe 2 Kleidung nicht wechseln Haare frühestens morgen waschen Vor dem Zubettgehen nicht duschen Nach jedem Händewaschen Rekontamination Persönliche Gegenstände kontaminieren Beispiel Exposition - Durchführung Stufe 3 Türschnalle festhalten Danach 2 Stunde nicht die Hände waschen Nach jedem Händewaschen rekontamination Persönliche Gegenstände kontaminieren Gegenstände nicht putzen Stufe 4 Türschnalle festhalten Kontaminierung von eigener Kleidung, Haut, Haare Persönliche Gegenstände kontaminieren Kind angreifen Kind 2 Stunden nicht waschen 7
8 MESSIE SYNDROM Defizit, Handlungen geplant und zielgerichtet an der Bewältigung alltäglicher Aufgaben auszurichten Verwahrlosung Unordentlichkeit bis zu Geruchsbelästigung und hygienischen Problemen Zwanghaftes Sammeln wertloser oder verbrauchter Dinge Chronisches Problem mit Zeiteinteilung und Pünktlichkeit MESSIE SYNDROM Lähmung der Handlungsfähigkeit auch in wichtigen Situationen Versäumen bzw. nicht erledigen normaler sozialer Verpflichtungen (z.b. Post) Eingeschränkter sozialer Umgang Hilflosigkeit unter dem Druck des Chaos Häufig Kombination mit Depression/ Sucht 8
9 MESSIE SYNDROM Spektrum Anpassungsstörung nach Trauma Ängste, Depression Borderline-Störungen Zwangsstörung Sucht Demenz Schizophrenie, Wahnvorstellungen Hirnschädigungen MESSIE SYNDROM Ursachen Mangel an Zuneigung Mangel an Selbstwertgefühl Angst vor Verlust & Verlassenwerden Gewollter oder ungewollter Rückzug Soziale Isolation Einsamkeit Überforderung Hier versucht Therapie anzusetzen! 9
10 MYSO- PHOBIE MESSIE- SYNDROM FORSCHUNG ZIELE WISSEN MAXIMIEREN RISIKO REDUZIEREN 10
11 PARADOXON ZUNEHMENDER WISSENSSTAND ZUNEHMENDES DEFIZITÄRES HYGIENE- VERHALTEN HYGIENEVERHALTEN BLOCKIERT HYGIENE- VORURTEILE PERSÖNLICHE RISIKOBILANZ 11
12 Einfluss auf das Hygieneverhalten Hygiene - Erziehung Vorbild der Eltern Gesellschaftliche Normen - Religion Vermittlung einsichtiger Verhaltensregeln Kontrolle des Verhaltens Sanktionen bei wahrnehmbaren Defiziten Vermittlung von (aktualisiertem) Wissen Umweltbedingungen Persönliche Risikobilanz Quelle: Bergler Reinhold, Psychologie der Hygiene, Steinkopff Verlag, 2009 Untersuchung: Erziehung zu selbstverantwortlichem Gesundheitsverhalten (n= 140 Mütter) >1/3 stimmt Aussagen zu, man solle es mit Sauberkeit, Impfungen, Arztkontrollen nicht übertreiben 1/4 gibt zu, sich nicht immer vorbildlich zu verhalten 1/4 hält Händewaschen nach Toilette nicht nötig Selbstverantwortliches Gesundheitsverhalten wird nur von der Hälfte der Mütter praktiziert Quelle: Bergler R., Psychologie der Hygiene, steinkopff Verlag,
13 Internationale Studie: Körperhygiene und Sauberkeit D (n=1016), F (n=517), E (n=514) In allen Ländern weitgehend übereinstimmendes Wissen Mütter sind in allen Ländern die zentralen Vermittler Ausmaß elterlicher Kontrolle in F und E > D Qualität der elterlichen Sanktionen strenger in F, E Quelle: Bergler R., Psychologie der Hygiene, steinkopff Verlag,2009 Hygiene Gesellschaft und Religion Rollenerwartungen und Alter Umgebungsbedingungen Persönlichkeitsstruktur/ Lebensstil 13
14 Untersuchung: Ernährungsverhalten 23% Kontrolliertes, gewichtsbewusstes Ernährungsverhalten 31% Fehlende Sensibilität und Bereitschaft, Gleichgültigkeit 46% Unkontrolliertes, genussorientiertes, gewohnheitsmäßiges Ernährungsverhalten Genuss geht über Gesundheit! Quelle: Bergler R., Psychologie der Hygiene, steinkopff Verlag,2009 Untersuchung: Bewegungsverhalten 31% Körpertraining und Sport als Lusterleben, Lebensqualität, Attraktivitätssteigerung 30% Bekanntheit von Körpertraining als Prävention ohne Bereitschaft zur Umsetzung 39% Fehlende Anstrengungsbereitschaft und keine Freude am Sport Bequemlichkeit geht über Gesundheit! Quelle: Bergler R., Psychologie der Hygiene, steinkopff Verlag,
15 Motive des Hygieneverhalten Vorbild der Eltern Normen der Gesellschaft Entwicklung von Eigenverantwortlichkeit Einfache, nachvollziehbare spezifische Verhaltensregeln Quelle: Bergler Reinhold, Psychologie der Hygiene, Steinkopff Verlag, 2009 Motive des Hygieneverhalten Verständliche Information über Hygiene Integration von Hygieneverhalten in einen präventiven Lebensstil Erfahrung von Lebensqualität, Wohlbefinden und Gesundheit 15
16 Hygienebarrieren Einstellung zu Folgen von Hygienedefizit Vorurteile Abnahme der Selbstverantwortlichkeit Überschätzen äußerer Risikofaktoren Geringe subjektive Eintretenswahrscheinlichkeit Überhöhtes Vertrauen in Therapiefähigkeit Vereinfachung aus Gewohnheit Informationsaufnahme erschwert durch Lebensstil Entscheidung zu Freiheit & Ungewißheit RISIKOBEURTEILUNG Wie wahrscheinlich ist eine Infektion? Wie gefährlich ist die Infektion für mich? 16
17 ? OBJEKTIVES RISIKO SUBJEKTIVES Psychologisches RISIKO SUBJEKTIVES RISIKO WAHR- GENOMMENES RISIKO AKZEPTIERTES RISIKO 17
18 WAHRGENOMMENES RISIKO Wissen Erfahrung Schlüsselreize Filter Körperlicher Zustand - Stress Aufmerksamkeit - Konzentration AKZEPTIERTES RISIKO > Persönlichkeitsfaktoren Einstellungen zu Folgen von Hygienedefiziten Verantwortungsgefühl Soziale Faktoren Persönliche Risikobilanz Bequemlichkeit 18
19 ACHTUNG FALLE!! Erfahrungsfalle Gewohnheitsfalle Einstellungsfalle Verhaltensfalle Wahrnehmungsfalle Sicherheitsfalle Unverwundbarkeitsfalle Verantwortungsfalle Soziale Falle ACHTUNG FALLE!! Erfahrungsfalle: Bin ein Experte Gewohnheitsfalle: Hundertmal kein Problem gewesen Einstellungsfalle: Wird nicht so heiß gegessen wie gekocht Verhaltensfalle: Das eine Mal wird s schon gut gehen Wahrnehmungsfalle: Da seh ich nichts 19
20 ACHTUNG FALLE!! Sicherheitsfalle: Und wenn, kann man s behandeln Unverwundbarkeitsfalle: Mir passiert schon nichts Verantwortungsfalle: Die anderen werden schon wissen Soziale Falle: Was werden die anderen von mir denken? STRATEGIEN Wissen auf den neuesten Stand bringen Verunsicherung abbauen Persönliche Eintretenswahrscheinlichkeit vermitteln Konsequenzen aufzeigen Anschaulich verpackt Wiederholen Verstärken 20
21 STRATEGIEN Wissen auf den neuesten Stand bringen Motivation durch effektive Kommunikation Spreche die Sprache der Zielgruppe Spezifische Verhaltensregeln: einfach, kurz, verständlich STRATEGIEN Wissen auf den neuesten Stand bringen Motivation durch effektive Kommunikation Vorbildwirkung Sanktionen setzen Transparenz in Entscheidungsfindung Motivation durch Identifikation 21
22 STRATEGIEN Prävention muss individuell sein Die Erlebniswelt des Empfängers muss bekannt sein So kann es gelingen, den anderen zu erreichen INNERE REFLEXION Sich der Unvollständigkeit der eigenen Einschätzung bewusst werden Mehr Sensibilität für Nicht-Wissen entwickeln Ist mein Wissen aktuell? Wissen erweitern neue Risikofelder? Eigene Bedenken nicht verdrängen, Situation genauer analysieren 22
23 INNERE REFLEXION Trotz Erfahrung selbstkritisch bleiben Eigene Einstellung hinterfragen Vorurteile bewusst machen Selbstbeobachtung Akzeptanz der Selbstverantwortlichkeit Selbstachtsamkeit als Lebensstil? DDr. Ulley Rolles Ärztin für Allgemeinmedizin Psychotherapeutin Verhaltenstherapie & Hypnose Bergrettungsärztin Tirolerstrasse Spittal/Drau Tel. & Fax:
2 Aktualität der hygienischen Risikofaktoren und Risikofelder... 37
Inhaltsverzeichnis 1 Hygiene und Sauberkeit............................................... 1 1.1 Bedeutungsumfeld, Symbolgehalt und Wertigkeiten in der Alltagssprache.......................................
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