Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2014, Prof. Dr. Moritz Brinkmann. Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2014, Prof. Dr.
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- Franziska Kerner
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1 18 IV. Der Beweis durch Urkunden, Zivilrechtlicher Urkundenbegriff: Schriftliche Verkörperung eines menschlichen Gedankens 1. Verfahren a) Auf Antrag, 420, 421 Urkunde im Besitz des Beweisführers, 420: Vorlegung Urkunde im Besitz des Gegners: Antrag auf Anordnung der Vorlegung, 421: 422: Vorlegungspflicht setzt materiellrechtlichen Herausgabeanspruch (zb 402, 716, 809, 810 BGB) oder Bezugnahme des Gegners ( 423) voraus Bei Weigerung der Edition: 427 Urkunde im Besitz eines Dritten, 428 b) Von Amts wegen, 142 Bezugnahme einer Partei (auch d beweisbelasteten) erforderlich (hm) Wenn Urkunde im Besitz eines Dritten, 142 II (vgl. 144 II) 18 IV. Der Beweis durch Urkunden, Wirkungen des Beweises durch Urkunden a) Öffentliche Urkunden ( 415, 418) Vermutung für Echtheit, 437 Wirkung: Urkunde über Erklärung, 415: Voller Beweis des beurkundeten Vorgangs (zb notariell beurkundete Auflassung) Urkunde über Tatsache, 418: Voller Beweis hinsichtlich des Tatsache (zb gerichtliches Protokoll, 165; Tatbestand, 314) b) Private Urkunden (zb Quittung) Erklärungslast des Gegners bez. Echtheit, 439; Echtheitsvermutung bei unterschriebenen Urkunden, 440 II Wirkung: Formelle Beweiskraft für Abgabe der Erklärung (Bsp: Erklärung, dass Quittung erteilt wurde), 416 Materiell kann Inhalt d. Urkunde frei gewürdigt werden (aber: Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit, BGH NJW 2002, 3164) 18 V. Die Parteivernehmung, 445 ff. Parteivernehmung ist nur subsidiäres Beweismittel, 445 Abgrenzung zur informatorischen Anhörung einer Partei gem. 137 II 1. Vernehmung des Gegners, Vernehmung der beweispflichtigen Partei a) Auf Antrag nur bei Zustimmung des Gegner, 447 b) von Amts wegen 448 Beweisnot Anfangsbeweis erforderlich Ermessensentscheidung
2 1. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung Welches Gewicht misst Richter einem einzelnen Beweismittel zu? Welche Schlüsse zieht Richter aus Beweisergebnis? Entscheidung über für wahr halten nach Ergebnis der Beweisaufnahme UND gesamtem Inhalt der VerhandlungEN (auch Einlassungen der Parteien, ungeachtet 445 ff.; 137 IV) Grdsl. keine Bindung an Beweisregeln, 286 II ABER: 165, 314; ; 195 II, 183 IV, 174 IV Gegensatz: Admissiblity Regeln des Jury-trial Bindung des Richters nur an Denkgesetze und Erfahrungssätze ABER: Begründungspflicht hinsichtl. d. Beweiswürdigung, 286 I S. 2 nur eingeschränkte Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rechtsmittelgericht, 529 I, 559 II. 2. Der Anscheinsbeweis K verklagt den B auf Zahlung von Schadensersatz wegen eines Auffahrunfalls. K muss (jedenfalls für Anspruch aus 823 BGB) Verschulden des B beweisen: Warum B aufgefahren ist, wird K kaum beweisen können. Allerdings lässt sich für Auffahrunfall ein qualifizierter Erfahrungssatz des Inhalts aufstellen, dass den Hintermann ein Verschulden trifft, wenn sich der Unfall ir einer normalen Verkehrssituation ereignet hat (kein vorheriger Spurwechsel etc.): Wenn K das Vorliegen einer normalen Verkehrssituation beweisen kann, dann wird Gericht Verschulden des B als bewiesen annehmen, es sei denn B kann beweisen, dass ihn kein Verschulden traf oder Voraussetzungen des Erfahrungssatz nicht vorliegen (zb, weil K zuvor die Spur gewechselt hat, BGH NJW 2011, 685). 2. Der Anscheinsbeweis hier bezügl. Kausalität BGHZ 114, 284, 290 K ist in erster Ehe verheiratet und hat mit seiner Frau zwei Kinder. Bei ihm und seiner Frau wird eine HIV-Infektion festgestellt. Er führt diese Infektion auf eine Bluttransfusion zurück, die er in einem Krankenhaus erhalten hat. Es kann festgestellt werden, dass das übertragene Blut tatsächlich HI Viren enthielt. BGH: Wird einem Patienten, der zu keiner HIV-gefährdeten Risikogruppe gehört und auch durch die Art seiner Lebensführung keiner gesteigerten HIV-Infektionsgefahr ausgesetzt ist, Blut eines Spenders übertragen, der an Aids erkrankt ist, und wird bei ihm und bei anderen Empfängern dieses Blutes später eine Aids-Infektion festgestellt, so spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass er vor der Bluttransfusion noch nicht HIV-infiziert war, und ihm das HIV erst mit der Transfusion übertragen wurde.
3 2. Der Anscheinsbeweis BGH, NJW 2012, 1277 Bei missbräuchlicher Abhebung an einem Geldautomaten unter Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl (PIN) spricht der Beweis des ersten Anscheins nur dann dafür, dass der Karteninhaber pflichtwidrig die PIN auf der Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn bei der Abhebung die Originalkarte eingesetzt worden ist (Bestätigung des Senatsurteils BGHZ 160, 308). 3. Die Beweisvereitelung a) Geregelte Fälle 371 III, 427 S. 2, 444, 446 b) Tatbestand Entzug oder Vorenthalten von Beweismitteln fahrlässig oder vorsätzlich c) Rechtsfolge Berücksichtigung ird freien Beweiswürdigung 3. Die Beweisvereitelung Der Turboladerfall BGH NJW 2006, 434 K kauft von B einen Gebrauchtwagen für private Zwecke. Nach zwei Monaten bleibt dieser wegen eines Fehlers am Turbolader liegen. K fordert den B unter Fristsetzung erfolglos zur Nachbesserung auf. Daraufhin lässt K den Fehler auf eigene Kosten beheben, der Einbau eines neuen Turboladers kostet Mit seiner Klage verlangt K die Erstattung dieser Summe. Im Prozess stellt sich heraus, dass K den alten Turbolader entsorgt hat. Str, ob 476 BGB hier anwendbar. Nimmt man dies (entgegen der hm) an, muss B beweisen, dass Sache bei Gefahrübergang noch nicht mangelhaft war. P: Beweis kann infolge des Verhaltens des K nicht mehr geführt werden ( 371 III nicht einschlägig). BGH: Jedenfalls Beweiserleichterung dahingehend, dass man die wahrscheinlichste Ursache annimmt.
4 3. Die Beweisvereitelung a) Geregelte Fälle 371 III, 427 S. 2, 444, 446 b) Tatbestand Entzug oder Vorenthalten von Beweismitteln fahrlässig oder vorsätzlich c) Rechtsfolge Berücksichtigung ird freien Beweiswürdigung d) Zur Abgrenzung: Vorwerfbares Nichtschaffen von Beweismitteln (BGH NJW 1957, 1230; NJW 2009, 2197) 19 II. 1. Das Beweismaß Wann kann/darf/muss der Richter eine Behauptung als wahr ansehen? Unstr.: Es kommt auf die subjektive Einschätzung des Richters an Die Ansicht der herrschenden Meinung: - Grad von Gewissheit, der den Zweifeln schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 254, 256 Anastasia) - Kein Wahrscheinlichkeitsurteil im Sinne einer mathematischen Wahrscheinlichkeit - HM: Beweismaß für alle Fälle gleich, aber Erleichterungen beim Beweis innerer Tatsachen, negativer Tatsachen und von Kausalverläufen, im Fall der Glaubhaftmachung ( 294) sowie bei II 2. Die Schadensschätzung nach 287 Referendar S fällt durch das Zweite Staatsexamen. Er ficht die Bewertung einer Klausur im Ergebnis erfolgreich an, so dass er zur mündlichen Prüfung zugelassen wird, die er besteht. Mit seiner gegen das Land gerichteten Klage macht er den Verlust geltend, den er infolge seiner späteren Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlitten hat. Beweis der Schadenshöhe mit großer Unsicherheit belastet (Vergleich mit einem hypothetischen Zustand) Zur Abhilfe: Beweiserleichterung nach betrifft nur die haftungsausfüllende Kausalität Str. ist Verhältnis zu 286: HM: lex specialis; Beweismaßreduzierung: Wahrscheinlichkeit genügt, volle Überzeugung nicht erforderlich
5 19 II. 3. Die Glaubhaftmachung, 294 Kein voller Beweis erforderlich; auch eidesstattliche Versicherung ( 156 StGB) ist zulässig 1. Fälle (Auswahl): 44 II, 236 II, 296 IV, 386 I, 920 II 2. Rechtsfolgen Niedrigeres Beweismaß (hm) Prozesshandlung ohne erforderliche Glaubhaftmachung ist unzulässig 20 Die Beweislast I. Die Funktion des Instituts Die objektive Beweislast verteilt das Risiko der Beweislosigkeit ( non liquet = es ist nicht klar; der Richter ist also weder vom Vorleigen noch vom Nichtvorliegen der behaupteten Tatsache überzeugt) II. Die Beweislast als materiellrechtliches Institut Arg.: Untrennbarer Bezug zw. materiellem Recht und Beweislast Die Unterscheidung zwischen der subjektiven Beweislast is einer Beweisführungslast und der objektiven Beweislast als Risikoverteilungsregel Die Beweislast und die Darlegungslast 20 Die Beweislast III. Die Verteilung der Beweislast 1. Grundsatz, vgl. Art. 8 chzgb: Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Maßgeblich ist also Formulierung der Norm, vgl. insbesondere 280 I2 BGB: Schuldner muss beweisen, dass er PflichtV nicht zu vertreten hat 932 BGB: Bösgläubigkeit muss derjenige beweisen, der Unwirksamkeit des Erwerbs geltend macht 831 I2 BGB: Geschäftsherr muss beweisen, dass ihn kein (Auswahl-/Überwachungsverschulden) trifft ABER: Indizierte Rechtswidrigkeit bei 823 BGB: Schädiger muss Eingreifen von Rechtfertigungsgründen beweisen.
6 Der Zahnriemenfall, BGHZ 159, 215 = NJW 2004, 2299 Der Kl. kaufte von der Bekl., einer Kraftfahrzeughändlerin, einen PKW für seinen privaten Gebrauch, die Beklagte hatte zuvor den Zahnriemen erneuert. Das Fahrzeug wurde dem Kl. am übergeben. Am erlitt das Fahrzeug einen Motorschaden, der auf einen zu lockeren Zahnriemen zurückzuführen ist. Warum sich der Zahnriemen gelockert hat, ist streitig. Die Bekl. lehnte eine kostenlose Reparatur ab. Der Kl. erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt mit ihrer Klage Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen kann die Lockerung des Zahnriemens entweder auf einen Materialfehler oder auf das Einlegen eines niedrigen Ganges bei hoher Drehzahl zurückzuführen sein.
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