Themenblock. Diagnose und Prognose. Querschnittsbereich Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik. Themen im Block Diagnose und Prognose
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- Erich Tiedeman
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1 Themenblock Diagnose und Prognose Querschnittsbereich Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Themen im Block Diagnose und Prognose Diagnose Prävalenz und prädiktive Werte Güte von diagnostischen Tests Typen diagnostischer Tests 2 mögliche Resultate Tests mit Schwellenwerten Vergleich von diagnostischen Tests Prognose Prädiktive und prognostische Faktoren Analyse von Überlebenszeiten SS Vorlesung 3 - F1 SS Vorlesung 3 - F2 Inhalt des Seminars im Block Diagnose und Prognose Einsatz von statistischen Methoden bei der Diagnose von Erkrankungen Einsatz von statistischen Methoden bei der Prognose von Krankheitsverläufen Anwendung auf aktuelle Beispiele Studium von wissenschaftlichen Publikationen zur Diagnose und Prognose verschiedener Erkrankungen Ziele und Themen in Vorlesung 1 Diagnostische Tests: Fehlentscheidungen möglich Prädiktive Werte: Beschreibung der Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung Sensitivität und Spezifität: Beschreibung der Güte eines Tests Satz von Bayes: Berechnung prädiktiver Werte Schätzung von Sensitivität und Spezifität: Konfidenzintervalle zur Beschreibung der Unsicherheit ROC Kurven: Beschreibung der diagnostischen Güte einer stetigen Variablen SS Vorlesung 3 - F3 SS Vorlesung 3 - F4 1
2 Diagnostischer Test Spezielles Verfahren, um eine Krankheit zu diagnostizieren Beispiele: Beispiele für Resultate diagnostischer Tests HIV-Test positiv / negativ abdominale Sonographie auffällig / unauffällig Blutzuckerwert < 80 mg/dl, mg/dl, > 120 mg/dl Verfahren Laboruntersuchung des Halsabstrichs HIV-Test Frage nach Schmerzen im rechten Unterbauch Abdominale Sonographie Computertomographie Blutzuckerwert Krankheit Angina HIV Appendizitis Diabetes Körpertemperatur zwischen 36 C und 41.5 C Resultate diagnostischer Tests 2 mögliche Resultate: positiv / negativ Mehr als 2 diskrete Resultate: Kategorien Resultate auf metrischer Skala SS Vorlesung 3 - F5 SS Vorlesung 3 - F6 Interpretation von diagnostischen Tests Schlussfolgerung vom Ergebnis des Tests auf das Vorliegen einer Erkrankung Dabei sind Fehlentscheidungen möglich! Wahrscheinlichkeitsaussagen: Prädiktive Werte Beispiel Appendizitis Pewsner et al. (2001), Schweiz Med Forum 3 Landwirt klagt über Bauchschmerzen Mäßig stark Diffus, bisher unbekannt Frage: Liegt eine Appendizitis vor? Diagnostischer Test: Abdominale Sonographie, Testresultat auffällig! Was bedeutet das? SS Vorlesung 3 - F7 SS Vorlesung 3 - F8 2
3 Ergebnis des diagnostischen Tests bei 100 Patienten 4-Felder-Tafel Ergebnis eines diagnostischen Tests: 4-Felder-Tafel Mögliche Fehlentscheidungen: Abdominale Sonographie Auffällig Unauffällig Appendizitis Ja Nein Abdominale Sonographie Auffällig Unauffällig Appendizitis Ja Falsch Negative 4 Nein Falsch Positive SS Vorlesung 3 - F9 SS Vorlesung 3 - F10 Ergebnis eines diagnostischen Tests: 4-Felder-Tafel Ergebnis eines diagnostischen Tests: 4-Felder-Tafel Appendizitis Abdominale Sonographie Auffällig Unauffällig Positiver prädiktiver Wert: 41 / 45 = 0.91 In 91% der Fälle hat ein Patient mit positivem Testergebnis Appendizitis. In 4 / 45 = 9% der Fälle hat ein Patient mit positivem Testergebnis keine Appendizitis. Appendizitis Ja Nein 41 4 Richtig Falsch Positive Positive SS Vorlesung 3 - F11 Abdominale Sonographie Auffällig Unauffällig Negativer prädiktiver Wert: 42 / 55 = 0.76 In 76% der Fälle hat ein Patient mit negativem Testergebnis tatsächlich keine Appendizitis. In 13 / 55 = 24% der Fälle hat ein Patient mit negativem Testergebnis doch Appendizitis. Ja Falsch Richtig Negative Negative 54 Nein SS Vorlesung 3 - F12 3
4 Definition Positiver Prädiktiver Wert (PPV) Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins der Krankheit bei positivem Testergebnis Negativer Prädiktiver Wert (NPV) Wahrscheinlichkeit gesund zu sein bei negativem Testergebnis Welche Größen beeinflussen das Ergebnis? Güte des verwendeten Verfahrens Prävalenz Abtasten des Bauches vs. Computertomographie bei Appendizitis Wie zuverlässig erkennt das Verfahren einen Kranken als krank? Wie zuverlässig erkennt das Verfahren einen Gesunden als gesund? Anteil der Kranken in der betrachteten Population SS Vorlesung 3 - F13 SS Vorlesung 3 - F14 Güte diagnostischer Tests Sensitivität (true positive rate) Wahrscheinlichkeit, dass ein kranker Patient ein positives Testergebnis erhält Spezifität (true negative rate) Wahrscheinlichkeit, dass ein gesunder Patient ein negatives Testergebnis erhält 1 Sensitivität (false negative rate) Wahrscheinlichkeit, dass ein kranker Patient ein negatives Testergebnis erhält 1 Spezifität (false positive rate) Wahrscheinlichkeit, dass ein gesunder Patient ein positives Testergebnis erhält Beispiel anhand der 4-Felder-Tafel Abdominale Sonographie auffällig unauffällig Appendizitis Sensitivität = 41 / 54 = 0.76 (true positive rate) 76% der Blinddarmkranken haben ein auffälliges Sonographie-Ergebnis Ja Nein Spezifität = 42 / 46 = 0.91 (true negative rate) 91% der Patienten ohne Blinddarmentzündung haben ein unauffälliges Sonographie-Ergebnis SS Vorlesung 3 - F15 SS Vorlesung 3 - F16 4
5 Bisher: Situation einer diagnostischen Studie betrachtet Untersuchung mehrerer / vieler Patienten Vergleich eines diagnostischen Verfahrens mit dem Goldstandard, der das tatsächliche Vorliegen der Krankheit anzeigt. Darstellung in 4-Felder-Tafel möglich Situation im ärztlichen Alltag Diagnose für einzelnen Patienten Goldstandard kann / soll nicht angewandt werden (z.b. invasives Verfahren) Keine 4-Felder-Tafel Schluss vom Ergebnis des diagnostischen Test für den einzelnen Patienten auf Erkrankung oder Nichterkrankung SS Vorlesung 3 - F17 SS Vorlesung 3 - F18 Welche Informationen werden benötigt? Prävalenz für den Patienten Erfahrung Prävalenzstatistiken Vordiagnose Auswahl eines geeigneten diagnostischen Tests Gütemaße für den ausgewählten diagnostischen Test Sensitivität Spezifität z.b. aus einer diagnostischen Studie Wie erhält man prädiktive Werte? Bekannt seien Prävalenz Sensitivität Spezifität Wie erhält man daraus die prädiktiven Werte? SS Vorlesung 3 - F19 SS Vorlesung 3 - F20 5
6 Beispiel Appendizitis: Landwirt kommt in Arztpraxis mit mäßig starken, bisher unbekannten diffusen Bauchschmerzen Frage nach Schmerzen im rechten Unterbauch (diagnostischer Test!): Sensitivität 81%, Spezifität 89% Prävalenz in ambulanter Praxis bei Patienten mit Bauchschmerzen ca. 0.7% bis 1.6% ungefähr 1% Positiver prädiktiver Wert: % (1 0.89) (1 0.01) Negativer prädiktiver Wert = Die Formel von Bayes Positiver prädiktiver Wert = Sensitivität Prävalenz Sensitivität Prävalenz (1- Spezifität) (1- Prävalenz) Spezifität (1- Prävalenz) Spezifität (1- Prävalenz) (1- Sensitivität) Prävalenz 0.89 (1 0.01) 0.89 (1 0.01) (1 0.81) 0.01 Negativer prädiktiver Wert: % SS Vorlesung 3 - F21 SS Vorlesung 3 - F22 Interpretation der Ergebnisse Positiver prädiktiver Wert 7% mit ca. 7% Wahrscheinlichkeit liegt eine Appendizitis bei Schmerzen im rechten Unterbauch vor Negativer prädiktiver Wert 100% Liegen keine Schmerzen vor, so ist mit fast 100% Wahrscheinlichkeit eine Appendizitis auszuschließen Beispiel fortgeführt: Anderer diagnostischer Test: abdominale Sonographie Sensitivität 76%, Spezifität 91% Prävalenz weiterhin 1% PPV: % (10.91) (10.01) 0.91(1 0.01) NPV: % 0.91(10.01) (10.76) 0.01 Interpretation: Trotz niedrigerer Sensitivität sind positive und negative prädiktive Werte günstiger Zusammenspiel von Sensitivität und Spezifität wichtig SS Vorlesung 3 - F23 SS Vorlesung 3 - F24 6
7 Beispiel: abdominale Sonographie, aber verschiedene Prävalenzen Sensitivität 76%, Spezifität 91% bleiben Patientenkollektiv 1: Landbevölkerung / Patienten einer Landpraxis Prävalenz 1 1% Patientenkollektiv 2: Notaufnahmeambulanz im Krankenhaus Prävalenz 2 zwischen 12% und 26% (Annahme: 20%) PPV 1 8%, aber PPV 2 68%!! NPV 1 100%, aber NPV 2 94% Bisher Anwendung von diagnostischen Tests Berechnung prädiktiver Werte aus vorgegebener Prävalenz, Sensitivität, Spezifität Jetzt Entwicklung und Bewertung diagnostischer Tests Bestimmung von Sensitivität und Spezifität aus 4-Felder- Tafeln Die Güte des Tests und die Vortestwahrscheinlichkeit beeinflussen die prädiktiven Werte erheblich! SS Vorlesung 3 - F25 SS Vorlesung 3 - F26 Diagnostische Studie Diagnostische Studie Studie zur Untersuchung der Güteeigenschaften eines diagnostischen Verfahrens Wie gut kann das Verfahren Kranke und Gesunde aus einer Population mit ähnlichen Symptomen trennen? Sensitivität Spezifität Testergebnis wird mit der Wahrheit ( = tatsächlichem Vorliegen der Krankheit) verglichen Wahrheit wird mit Hilfe des so genannten Goldstandards ermittelt Ergebnisse werden in 4-Felder-Tafel dargestellt Sensitivität und Spezifität werden daraus berechnet SS Vorlesung 3 - F27 SS Vorlesung 3 - F28 7
8 Notation 4-Felder-Tafel 4-Felder-Tafel Krankheit liegt vor Krankheit Krankheit liegt nicht vor Testergebnis positiv Testergebnis negativ Test N SS Vorlesung 3 - F29 SS Vorlesung 3 - F30 4-Felder-Tafel 4-Felder-Tafel Test Krankheit true false false true N Test Krankheit true a false c a+c false d c+d N b+d true b a+b SS Vorlesung 3 - F31 SS Vorlesung 3 - F32 8
9 4-Felder-Tafel Test Sensitivität = P( ) = P( ) / P() = a / a+c = true positive rate true a Krankheit false c a+c false d c+d N b+d true b a+b 1 Sens = P( ) = P( ) / P() = c / a+c = false negative rate SS Vorlesung 3 - F33 4-Felder-Tafel Test Spezifität = P( ) = P( ) / P() = d / b+d = true negative rate true a Krankheit false c a+c false d c+d N b+d true b a+b 1 Spez = P( ) = P( ) / P() =b / b+d = false positive rate SS Vorlesung 3 - F34 Satz von Bayes Beispiel Appendizitis Positiver prädiktiver Wert: P(T D ) P(D ) P(D T ) P(T D ) P(D ) [ 1- P( ) ] [ 1- P(D ) ] Untersuchung der abdominalen Sonographie zur Diagnose einer Appendizitis 100 Patientinnen wurden untersucht: Sonographiebefund positiv () oder negativ () Goldstandard: chirurgisch / histopath. Untersuchung bzw. Daten vom klinischen Follow-Up (Labordaten) SS Vorlesung 3 - F35 SS Vorlesung 3 - F36 9
10 Beispiel fortgeführt: Berechnung von Sensitivität und Spezifität Abdominale Sonographi e Appendizitis Sensitivität = P( ) / P() = 41 / 54 = 0.76 Spezifität = P( ) / P() = 42 / 46 = Beispiel fortgeführt: Ablesen der Prävalenz aus 4-Felder-Tafel Abdominale Sonographie Appendizitis Prävalenz = P() = P( ) + P( ) = = 41/ /100 = 54/100 = 0.54 Aber: Diese Prävalenz gilt NUR für das Patientenkollektiv, in dem der Test entwickelt wurde! SS Vorlesung 3 - F37 SS Vorlesung 3 - F38 Beispiel fortgeführt: Ablesen des PPV aus 4-Felder-Tafel Abdominale Sonographie Appendizitis Positiver prädiktiver Wert = P( ) = P( ) / P() 41/ = = ---- = / Aber: Dieser prädiktive Wert gilt NUR für das Patientenkollektiv, in dem der Test entwickelt wurde! Zusammenfassung Sensitivität und Spezifität sind Gütemaße diagnostischer Tests Prädiktive Werte sind Aussagen für den/die Patienten(in) und hängen von Sensitivität, Spezifität und Prävalenz ab Beispiel: Abdominale Sonographie in 3 verschiedenen Patientenkollektiven (Sens = 76%, Spez = 91%): Patientenkollektiv Arztpraxis Notaufnahme Testentwicklung Prävalenz 1% 20% 54% PPV 8% 68% 91% NPV 99,7% 94% 76% SS Vorlesung 3 - F39 SS Vorlesung 3 - F40 10
11 Schätzung von Prävalenz und Gütemaßen diagnostischer Tests Zusammenhang zwischen Schätzung und Wahrheit Bisher: Prävalenz wurde als bekannt und richtig vorausgesetzt Sensitivität und Spezifität aus 4-Felder-Tafel berechnet und als richtig angenommen Aber: Die wahren Werte (Parameter) sind unbekannt. Berechnungen sind Schätzungen dieser Parameter! SS Vorlesung 3 - F41 p p, ˆ Sens Sens, Spez Spez Schätzungen ausstichprobe: Prävalenz pˆ Sensitivität Spezifität Spez relative Häufigkeiten Sens Grundgesamtheit: wahre, aber unbekannte Parameter Prävalenz, Sensitivität, Spezifität SS Vorlesung 3 - F42 Punktschätzer für unbekannte Wahrscheinlichkeit: Schätzung einer unbekannten Wahrscheinlichkeit p eines Ereignisses durch relative Häufigkeit des Auftretens in der Stichprobe Prävalenz, Sensitivität, Spezifität sind Wahrscheinlichkeiten # Präv # Personen Kranke in Stichprob a c e N pˆ # Beobachtungen, für die Ereignis eingetreten ist # Beobachtungen insgesamt in Stichprobe Sens # Kranke mit positivem Testergebn is a # Kranke insgesamt in Stichprob e a c Spez # Gesunde # Gesunde mit negativem Testergebn is d insgesamt in Stichprob e b d SS Vorlesung 3 - F43 SS Vorlesung 3 - F44 11
12 Prävalenzschätzung Information über Prävalenz aus Medizinischer Literatur Lokalen Datenbanken Klinisches Urteil Prävalenzstudien (siehe Themenblock I) Punktschätzer: relative Häufigkeit Intervallschätzer: Konfidenzintervall 95% Konfidenzintervall für die Prävalenz Punktschätzer Präv pˆ p ˆ ( 1- p) ˆ pˆ 1.96 n wobei: n = Anzahl der Patienten in der diagnostischen Studie SS Vorlesung 3 - F45 SS Vorlesung 3 - F46 Schätzung von Sensitivität und Spezifität 95% Konfidenzintervall für die Sensitivität wird beeinflusst durch 1. Auswahl der Patienten 2. Auswahl und Durchführung des Goldstandards Sens 1.96 Sens ( 1 - Sens n ) a a c 1.96 a c ac a c 3. Zufallsschwankungen Angabe eines Intervallschätzers sinnvoll wobei: n+ = a + c = Anzahl der Kranken in der diagnostischen Studie SS Vorlesung 3 - F47 SS Vorlesung 3 - F48 12
13 95% Konfidenzintervall für die Spezifität Spez 1.96 Spez ( 1 - Spez ) d n b d 1.96 b d bd b d Beispiel Appendizitis: 95% Konfidenzintervall für die Sensitivität der abdominalen Sonographie ( ) x ; wobei: n- = b + d = Anzahl der Gesunden in der diagnostischen Studie Die wahre Sensitivität liegt mit einer Sicherheit von 95% zwischen 62% und 87%. SS Vorlesung 3 - F49 SS Vorlesung 3 - F50 Beispiel fortgeführt: 95% Konfidenzintervall für die Spezifität ; ( ) x Die wahre Spezifität liegt mit einer Sicherheit von 95% zwischen Diagnostische Tests mit Schwellenwert Bisher: Positives Testergebnis Negatives Testergebnis Jetzt: Ergebnisse auf metrischer Skala (stetiges Merkmal) 83% und 99%. SS Vorlesung 3 - F51 SS Vorlesung 3 - F52 13
14 Beispiele: Diagnostische Tests, die auf stetigem Merkmal beruhen Blutdruck Herzfrequenz Laborparameter wie Blutsenkungsgeschwindigkeit, Konzentration im Serum, etc. Diagnostische Tests mit Schwellenwert (Cutpoint) Resultat des Tests ist ein Messwert auf einer metrischen Skala Große Werte des Tests sprechen eher für eine Erkrankung, niedrige dagegen (oder umgekehrt) Ein Schwellenwert ( Cutpoint ) teilt die Messergebnisse in 2 Gruppen Damit: Spezialfall eines diagnostischen Tests mit 2 möglichen Resultaten (hohe Werte = positiver Test, niedrige Werte = negativer Test) Problem: Wahl eines geeigneten bzw. optimalen Cutpoints! SS Vorlesung 3 - F53 SS Vorlesung 3 - F54 Vorgehensweise 1. Wahl eines Schwellenwertes 2. Darstellung der Ergebnisse in 4-Felder-Tafel 3. Berechnung von Sensitivität und Spezifität zur Beurteilung der Güte des Tests 4. Variation des Schwellenwerts und Wiederholung der Schritte Graphische Darstellung der Ergebnisse von Sensitivität (true positive rate) und 1 Spezifität (false positive rate) in der sogenannten ROC-Kurve (Receiver Operating Characteristic) Beispiel Appendizitis Diagnostischer Test: Fiebermessung Cutpoints: 37.7 C, 38 C, 38.5 C Je höher das Fieber ist desto eher spricht das für eine schwerwiegende Infektion (hier: Appendizitis) Wählt man den Cutpoint sehr niedrig, werden mehr Patienten als positiv klassifiziert, d.h. die Sensitivität ist hoch und die Spezifität ist niedrig Mit steigendem Cutpoint sinkt die Sensitivität und steigt die Spezifität SS Vorlesung 3 - F55 SS Vorlesung 3 - F56 14
15 Ergebnis für Cutpoint 38.5 C Ergebnis für verschiedene Cutpoints Temperatur 38.5 C < 38.5 C Appendizitis Cutpoint Sensitivität 37.7 C C C 0.28 Spezifität Sensitivität = 54 / 192 = 0.28 Spezifität = 272 / 300 = Spezifität = 0.09 SS Vorlesung 3 - F57 SS Vorlesung 3 - F58 Graphische Darstellung für alle Cutpoints Interpretation von ROC-Kurven ROC-Kurve liegt immer in der oberen linken Hälfte der Grafik (oberhalb der Winkelhalbierenden) Gilt Sensitivität = 1 Spezifität, fällt die Kurve mit der Winkelhalbierenden zusammen, d.h. der Test ist uninformativ und kann Kranke von Gesunden nicht unterscheiden. Perfekter Test: Sensitivität = 100% Spezifität = 100%, d.h. 1 Spezifität = 0% SS Vorlesung 3 - F59 SS Vorlesung 3 - F60 15
16 Vergleich diagnostischer Tests anhand von ROC-Kurven Beispiel Appendizitis: 1. Test: Fieber in C 2. Test: Leukozytenzahl pro Liter 3 bzw. 4 verschiedene Cutpoints SS Vorlesung 3 - F61 SS Vorlesung 3 - F62 Interpretation ROC-Kurve der Leukozytenmessung liegt im gesamten Verlauf oberhalb der ROC-Kurve für Fieber d.h. für jede feste Sensitivität erzielt man bei der Leukozytenmessung eine höhere Spezifität Leukozytenmessung ist der Fiebermessung vorzuziehen Aber: andere Faktoren (Kosten, Belastung für Patienten) müssen auch berücksichtigt werden! SS Vorlesung 3 - F63 SS Vorlesung 3 - F64 16
17 Allgemeine Regeln zum Vergleich diagnostischer Tests Visueller Vergleich anhand der ROC-Kurven (welche Kurve liegt höher?) Quantifizierbar durch Fläche unter der Kurve AUC (Area under the curve) SS Vorlesung 3 - F65 SS Vorlesung 3 - F66 Situation: Kreuzende ROC-Kurven Inhaltliche Vorüberlegung erforderlich Screening-Test bei geringer Prävalenz: Spezifität möglichst hoch Gesunde werden möglichst gut erkannt Notfallaufnahme, schwere Erkrankung mit hoher Prävalenz: Sensitivität möglichst hoch Kranke werden möglichst gut erkannt Betrachtung der relevanten Regionen der ROC Kurven SS Vorlesung 3 - F67 SS Vorlesung 3 - F68 17
18 Zusammenfassung Bewertung der Güte des Tests hängt vom benutzten Cutpoint ab. ROC-Kurve fasst Gütemaße Sensitivität und Spezifität der verschiedenen Cutpoints in einer Übersichtsgrafik zusammen. Faustregel: je weiter links oben, desto besser. Vergleich zweier Tests muss immer die Anwendung im Auge haben. Nur relevante Regionen der Grafik werden miteinander verglichen! SS Vorlesung 3 - F69 SS Vorlesung 3 - F70 Ermittlung des optimalen Cutpoints Differenzierung nach Anwendung des diagnostischen Tests möglich: Beispiel Appendizitis, Leukozytenzahl Vorgabe: Sensitivität mindestens 91% Vorgabe der minimal erwünschten Sensitivität oder Spezifität für diese Anwendung Betrachtung der relevanten Region der ROC-Kurven Ermittlung der für diese Nebenbedingung maximalen Spezifität oder Sensitivität Ermittlung des dazugehörigen Cutpoints. SS Vorlesung 3 - F71 SS Vorlesung 3 - F72 18
19 Ergebnis Vorgabe: Sensitivität mindestens 91% Optimaler Cutpoint ist / L Die zugehörige Spezifität ist ca. 50%. Ermittlung eines optimalen Cutpoints Gleiche Gewichtung von Sensitivität und Spezifität Paralleles Verschieben der Winkelhalbierenden, bis sie die ROC- Kurve nur noch berührt Berührungspunkt ist optimaler Cutpoint SS Vorlesung 3 - F73 SS Vorlesung 3 - F74 Beispiel Ermittlung des optimalen Cutpoints Sensitivity Specificity Ungleiche Gewichtung von Sensitivität und Spezifität Paralleles Verschieben von Geraden bis sie die ROC Kurve nur noch berührt Berührungspunkt ist optimaler Cutpoint SS Vorlesung 3 - F75 SS Vorlesung 3 - F76 19
20 Beispiel: Vorgabe Sensitivität doppelt so wichtig wie Spezifität Sensitivity Specificity Das Verhältnis der Strecken a:b muss1:2 sein! Hintereinanderschalten von diagnostischen Tests Selten wird nur ein diagnostischer Test zur Diagnose eingesetzt Absicherung der Diagnose durch Serie von diagnostischen Tests möglich Ablaufschema Test 1 Test 2 Prävalenz = Vortest-Wkt 1 Nachtest-Wkt 1 PW 1 = Vortest-Wkt 2 Nachtest-Wkt 1 PW 1 Nachtest-Wkt 2 PW 1,2 SS Vorlesung 3 - F77 SS Vorlesung 3 - F78 Lernziele der Vorlesung I 1. Diagnostisches Verfahren kann Fehlentscheidungen liefern, deshalb sind Wahrscheinlichkeitsaussagen erforderlich. 2. Prädiktive Werte als Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen einer Erkrankung verstehen. 3. Sensitivität und Spezifität sind bedingte Wahrscheinlichkeiten. 4. Berechnung der prädiktiven Werte aus Prävalenz, Sensitivität und Spezifität mit Hilfe des Satzes von Bayes. 5. Sensitivität und Spezifität sind Gütemaße für diagnostische Tests. 6. Prädiktive Werte hängen von der Prävalenz und der Güte des diagnostischen Tests ab. 7. Information über diagnostische Kenngrößen: Schätzung der unbekannten Wahrscheinlichkeiten. Lernziele der Vorlesung II 8. Wahl des Schwellenwerts verändert die Güte des diagnostischen Tests (Sensitivität und Spezifität) und damit auch die prädiktiven Werte. 9. Bestimmung eines optimalen Cutpoints ist mit Hilfe der ROC-Kurve möglich. 10. Overall Bewertung und Vergleich der Güte verschiedener diagnostischer Tests ist mit Hilfe des AUC-Kriteriums möglich. SS Vorlesung 3 - F79 SS Vorlesung 3 - F80 20
21 Zusätzliche Lernziele des Seminars 1. Kritische Bewertung von Screeningverfahren in Nicht- Risikogruppen. 2. Extrahieren diagnostischer Kenngrößen aus wissenschaftlichen Publikationen. 3. Vergleichen und Bewerten verschiedener diagnostischer Tests. 4. Kombination von diagnostischen Tests zu einem sequentiellen Verfahren (Differentialdiagnostik). 5. Vergleichen von sequentiellen mit einstufigen diagnostischen Verfahren. 6. Kritische Bewertung von Publikationen zu diagnostischen Fragestellungen. SS Vorlesung 3 - F81 21
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