Kulturelle Muster des Gründens

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Erika Lorenz
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1 Kulturelle Muster des Gründens Workshop Gründungsförderung für Migrantinnen ARGE Kreis Unna, Technische Universität Dortmund, GAUS GmbH 28. April 2008 Dr. Barbara Weißbach IUK Institut Dortmund

2 Kulturen produzieren Muster die auch in Auffassungen über Geschäfte, Verhandlungen, Arbeit, Produkte und Dienstleistungen, Führung, Motivation und den Aufbau von Geschäftsbeziehungen zum Ausdruck kommen

3 Wie geht der / die deutsche Gründungsberater/in üblicherweise vor? Leitbild: die sequenzielle Step-by-Step-Methode Was er / sie vom / von der Gründungsinteressierten erwartet, sind Aussagen zu folgenden Punkten: Was ist meine Idee? Welches Produkt / welche Dienstleistung will ich vermarkten? Wie sieht der Markt dafür aus? Wie ist die Wettbewerbssituation? Welche Kosten entstehen mir? Mit welchem Umsatz kann ich rechnen? usw.

4 Übrigens gehen auch Gründungsberater/innen nichtdeutscher Herkunft oft so vor! Wenn der / die Gründer/in einen multi-aktiven Stil praktiziert das heißt: viele Dinge gleichzeitig beginnt ohne alle abzuschließen, Geschichten erzählt, sprunghaft und wenig geordnet ist. In welchem Fall ist diese Vorgehensweise problematisch?

5 Wenn unterschiedliche Stile des Gründens aufeinander stoßen Gründungsberater/in, auf Stepby-Step-Methode eingenordet: Bring deine Gedanken in eine logische Abfolge! Gründer/in: Meine Idee passt in kein Gerüst.

6 Wenn unterschiedliche Stile des Gründens aufeinander stoßen Kultursensible/r Gründungsberater/in: Erzähl mir deine Geschichte ich helfe dir, sie in einen Business-Plan zu übersetzen! Gründer/in: Also...

7 Kalkulation oft nicht lehrbuchgerecht! Gründer/innen aus beziehungsorientierten Kulturen: Personalkosten werden nicht kalkuliert - Familie kann helfen Umsatz geht vor Deckungsbeitrag Risiken niedrig halten: Überschuldung vermeiden Deutsche Gründer/innen: Das ist Selbstausbeutung!

8 Dot.com statt Döner? Hintergrund Türkei (1) Häufig problematische Branchenstruktur: Gastronomie, Einzelhandel, Bau, Textilien Geringe Wertschöpfung: keine Existenzfähigkeit außerhalb der ethnischen Ökonomie Teils geringe Qualifikation (4 von 10 Migrant/innen haben keinen Schulabschluss) Differenzierung von 3 Gründungsgruppen: 1. Innovative Leistungsträger/innen 2. fachlich kompetente Personen mit geringem kaufmännischen Know-how 3. Gruppe, die umfassender Hilfe bedarf

9 Dot.com statt Döner? Hintergrund Türkei (2) Enorme Gründungsdynamik und mentalität (KPMG- Studie sagt hohes Wachstum bis 2010 voraus) Eigenkapitalquote türkisch geführter Unternehmen liegt bei 75% (deutsche: 15%) Hohe Kreditmoral Rückzahlungsverhalten: türkische Unternehmen an 1. Stelle im Vergleich aller Ethnien Zurückhaltung bei deutschen Banken gegenüber Kreditvergabe an türkische Unternehmer/innen

10 Wenn der / die Gründer/in vom Planet Planwirtschaft kommt... sind ihm / ihr folgende Dinge oft schwer nachvollziehbar: Wozu Marketing, Werbung, Vertriebsstrategien? Jedes Produkt ist im Herkunftsland noch immer verkauft worden! Stichwort: Mangelwirtschaft (Gründungs-)Beratung = Behörde Misstrauen! Gründungsberatung als Dienstleistung? Businessplan als Offenlegung finanzieller Verhältnisse: widerspricht alten Erfahrungen, hierüber lieber einen Grauschleier zu legen

11 Wenn der / die Gründer/in vom Planet Planwirtschaft kommt... bringt er / sie auch folgende Erfahrungen und Motivationen mit: Transformationserfahrung: Stichwort Perestrojka Nachholbedarf in vielfacher Hinsicht sehr hohe Belastbarkeit gewisse Risikobereitschaft

12 Gründer/innen mit polnischem Hintergrund (1) Basis: Wissensbestand Businesskultur in Polen In Polen gibt es eine zunehmende Zahl hoch qualifizierter Manager, die auch in internationalen Unternehmen tätig sind / waren Handeln im fremd- oder interkulturellen Umfeld gewohnt Ausgeprägte Fremdsprachenkompetenz: Englisch oft fließend, Russisch bei den über 30jährigen Berlin und Brandenburg = Zentrum in Deutschland für Menschen aus Polen und dem übrigen Mittel-/Osteuropa

13 Gründer/innen mit polnischem Hintergrund (2) Merkmale der Businesskultur: Viele Polen sind offen in der Begegnung, kontaktfreudig, kaum reserviert Ausgeprägte Höflichkeit Frauen gegenüber! Großteil der polnischen Frauen ist berufstätig, aber kaum in leitenden Positionen Im privaten Sektor sind ein gutes Gehalt, Anerkennung und Erfolg der wesentliche Anreiz, im öffentlichen Sektor die Arbeitsplatzsicherheit was schließen Sie daraus für Gründungsinteressierte aus Polen?

14 Gründer/innen mit polnischem Hintergrund (3) Merkmale der Businesskultur: Bei Meetings werden schwierige Themen und Probleme direkt angesprochen, denn Treffen dienen vor allem der Problemlösung Pünktlichkeit wird sehr geschätzt, kleine Verspätungen aber toleriert Wechselseitiger Austausch von Visitenkarten = Zeichen von Respekt Titel sind wichtig bei der Anrede! Businesskleidung oft elegant aber informell außer beim Kundenkontakt

15 Gründer/innen mit polnischem Hintergrund (4) Merkmale der Businesskultur: In Geschäftsbesprechungen geht man nicht ans Mobiltelefon ist aber situationsabhängig! Schenken und beschenkt werden hat große Bedeutung Kleinigkeiten, die keine Verpflichtungen nach sich ziehen: Blumen, Werbegeschenke, Süßigkeiten, Markenalkohol Die wichtigsten Werte in Polen: Gesundheit (65%) Gute Ehe (55%) Kinder (45%) Arbeit (35%)

16 Wie der / die Gründer/in aus einer anderen Kultur mit dem deutschen Beratungsstil zurecht kommt... hängt auch vom Bildungshintergrund, der Qualifikation und der Sozialisation ab!

17 Fazit Wissen über die kulturelle Prägung des /der Gründungsinteressierten kann dem / der BeraterIn helfen, sich in andere Denk- und Handlungsstrukturen hinein zu versetzen... und seine / ihre Beratungsstrategien flexibel zu halten GründungsberaterInnen brauchen ein breiteres Spektrum an Beratungsstrategien und -methoden die Fähigkeit, neben systematischer Methodik auch den multiaktiven Stil übersetzen zu können Antennen schärfen für individualisierende Vorgehensweisen in der Gründungsberatung

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