Multiprofessionelle Zusammenarbeit: Ziele und Voraussetzungen. Univ.-Prof. Dr. Ulrike Höhmann Universität Witten/Herdecke
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1 Multiprofessionelle Zusammenarbeit: Ziele und Voraussetzungen Univ.-Prof. Dr. Ulrike Höhmann Universität Witten/Herdecke 4. Oberhausener Pflegekongress,
2 Multiprofessionelle Zusammenarbeit 1. Ziele: Warum, für wen, wer gehört dazu? 2. Begriffe und Formen: Wovon wir reden 3. Gelingensfaktoren: Was wir gestalten müssen
3 Warum Debatte um multiprofessionelle Zusammenarbeit In fast allen Bereichen: Multiprofessionalität als Qualitätsmerkmal gefordert (z.b. SVR) Bedingungen / Ziele / Wege dahin oft unklar Ausgangspunkte: 1. Inhaltliche (Versorgungs-) Probleme / Anforderungen: Komplex 2. Wissenskörper der Berufsgruppen wird differenzierter und spezialisierter 3. Einrichtungen / Fachrichtungen spezialisieren sich, differenzieren sich aus 4. Patienten /Familien sollen vom Spezialwissen aller profitieren: Qualitätssteigerung 5. Versorgungsketten: Brüche vermeiden (sachlich, zeitlich, personell, institutionell, konzeptionell)
4 1. Für wen multiprofessionelle Zusammenarbeit Alle settings: Passgenaue Ausrichtung der Versorgungs- / Unterstützungsprozesse am Krankheits-/Genesungsverlauf Krankheit pfleg., med., therap. Versorgung Selbstmanagement / Auswahl Koordination von Hilfen Psychosoziale Alltag und biografische Anpassung
5 1. Gesamtversorgung : Wer gehört dazu? Berufsgruppen, die direkt mit Patienten / Familie arbeiten Krankheits- / Genesungsverlauf Berufsgruppen, die Rahmenregeln für die Versorgungspraxis schaffen
6 2. Multiprofessionalität : Begriffliche Annäherung Multiprofessionalität spezialisiertes Wissen / Funktionen gemeinsamer Gegenstand parallele Praxis, koordinierte Anschlussfähigkeit Kooperation meint oft sehr weit reichend: Interprofessionalität integriert ineinandergefügtes Wissen, gemeinsame Problembeschreibung, aufgeteilte Verantwortung, gemeinsamer Orientierungsrahmen im Arbeitsalltag: verschiedene Begriffe: Umgang muss erlernt werden!!
7 2. Formen der multiprofessionellen Zusammenarbeit - strukturiert - locker - direkt - indirekt - dialogisch - instrumentell - gleichberechtigt/ konsultativ - Weisungsprinzip /Delegation nur sinnvoll, - wenn Aufgabe komplex - verschiedene Kompetenzen notwendig + vorhanden
8 2. Notwendige Ausbalancierung Verselbständigung - Verantwortungsdiffusion Ablehnung jeglicher Führung - generellem Führungsanspruch Überstrapazierung persönlicher - Aufrechnung jeder Leistung Beziehungen Sachorientierung - Beziehungsorientierung Formalisierung der Kontakte - Beliebigkeit, Unverbindlichkeit
9 3. Was wir gestalten müssen Bsp. Klinik (v. Lützenkirchen 2005) Ökonomie: formales Mittel um Marktprinzipien gerecht werden zu können Soziale Arbeit: Vermittlungscharakter zwischen verschiedenen Interessen Medizin: auf eigene Fachgebiete bezogen, sonst eher Delegation Pflege: Arbeitsgrundlage: Rückbesinnung auf Patientenorientierung 4. Oberhausener Pflegekongress,
10 3. Kooperationsfrust der Pflege auf Kooperation angewiesen: Klinik/ Reha, ambulant, stationär = letztes Umsetzungsglied in Kette Zunahme berufsfremder Aufgaben: Delegation Gesundheitsförderungsprojekte selten Ausweg ABER Gestaltungsmöglichkeiten: Neuordnung der Aufgaben: job enrichement, NICHT job enlargement ratio essendi : PATIENT Der Herr, der seinen Dienern untertan ist gemeinsame Versorgungsziele einfordern / herausarbeiten eigenen Beitrag / Ziele aktiv! inhaltlich klarstellen, begründen Fachstandards einhalten, keine Produktion von light Versionen
11 3. Konsistente Voraussetzungen im Berufsalltag für alle schaffen - rechtlich-finanziell (Beruferecht / Haftungsrecht, Vergütung, ) - inhaltlich-konzeptionell (Versorgungsmodell, Arbeitsklima, Abstimmungsregeln, ) - organisatorisch-technisch (Aufgaben, Abläufe, Räume, Zeit, ) - personal-motivational (Motivation, Vertrauen, Kompetenz, Vertrauen, ) - um so wichtiger, - je komplexer die (Patienten-)Situation - je enger fachlich / inhaltliche Abstimmungserfordernisse und zeitlicher Druck - je diffuser die Inhalte und Abläufe der Zusammenarbeit
12 3. Förderung der Zusammenarbeit im Alltag 1. Schritt gehen: es gibt Verbündete! 1. institutionalisierte Räume für strukturierte, dialogische Kooperationen 2. betriebliche Kooperations-, Abstimmungs- und Diskussionskultur: nicht Schwäche, sondern Arbeit, kein Beginn bei Umstrukturierung 3. on the job: Umgang mit unterschiedlichen Hierarchien einüben 4. Akteure schulen: Bewußtwerdung der eigenen fachlichen Selbstverständlichkeiten und Training diese zu explizieren 5. Akzeptanz / Einfordern der andern Problemlösungsbeiträge 6. strukturelle Möglichkeiten, gemeinsam erarbeitetet Lösungen umzusetzen 7. Personal- und Sozialkompetenz: mal zu führen, mal zuzuarbeiten 8. Interprofessionelle Kompetenzen fördern
13 3. Förderung von Kompetenzen für Multi-/ Interprofessionelle Zusammenarbeit (vgl. Canadian Interprofessional Competency Framework, 2010) Role clarification Team Functioning Zusammenarbeit: partnership between a team of health providers and a client in a participatory, collaborative and coordinated approach to shared decision making around health and social issues. Interprofessional Conflict resolution Collaborative Leadership Rahmenbedingungen: Versorgungsstrukturen, Zusammenarbeit, Zusammenarbeitende, Klienten
14 Qualifikations Beispiel: M.A. Studiengang Multiprofessionelle Versorgung von Menschen mit Demenz Ziel : Change Agents in ihren jeweiligen Berufsfeldern sichere eigene Professionalität fachliche und kommunikative Kompetenz: je nach Problem Haupt - oder Hilfs- funktionen zu übernehmen; Diskurse! Übersetzungs- und Beurteilungsfähigkeit der Lösungen anderer! nicht Übernahme fremder Expertise
15 Frust und Lust: Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas schönes Bauen (Goethe) Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
16 Barr H, Low H (2012): Interprofessional Education in Pre-registration Courses. A CAIPE Guide for Commissioners and Regulators of Education Boller, S (2012): Multiprofessionalität als Weg der Schulentwicklung? Möglichkeiten und Grenzen berufsfeldübergreifender Zusammenarbeit in der Schule. In: Stephan Gerhard Huber (Hg.): Kooperation in der Schule. Münster [u.a.]: Waxmann, S Bräutigam C, Evans M, Hilbert J (2013): Berufsbilder im Gesundheitssektor. Vom Berufebasteln zur strategischen Bildungspolitik. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn Canadian Interprofessional Health Collaborative (2010) Canadian Interprofessional Competency Framework, September 2010 Careum (Hg.) (2011): Eine neue globale Initiative zur Reform der Ausbildung von Gesundheitsfachleuten. Lancet Report. Hochuli Freund U, Stotz W (2013): Kooperative Prozessgestaltung in der Sozialen Arbeit. Kohlhammer, Stuttgart Höhmann U, Müller-Mundt G, Schulz B (1997): Qualität durch Kooperation. Mabuse, Frankfurt Hornby S (1993): Collborative Care. Blackwell Scientific London et al. Jungert M (Hg.) (2013): Interdisziplinarität. Theorie, Praxis, Probleme. 2. Aufl., Darmstadt Kaba-Schönstein L, Kälble K (Hg.) (2004): Interdisziplinäre Kooperation im Gesundheitswesen. Mabuse, Frankfurt Kern M (2001): Multiprofessionalität im Behandlungsteam. In: Zeitschrift für Palliativmedizin (2), S Klein, JT (2012): A taxonomy of interdisciplinarity. In: Frodeman R, Klein JT, Mitcham C (Hg.): The Oxford handbook of interdisciplinarity. Oxford: Oxford University Press, S Kocka J (Hrsg.) (1987): Interdisziplinarität. STW, Frankfurt Lützenkirchen, A (2005): Interdisziplinäre Kooperation und Vernetzung im Gesundheitswesen-eine aktuelle Bestandsaufnahme. In: Gruppendynamik und Organisationsberatung 36 (3), Miller C, Ross N, Freeman M (1999): Shared Learning and Clinical Teamwork. New directions for multiprofessional practise. English National Board for Nursing, Midwifery and Health Visiting. Richter O (2002): Die besondere Problematik interdisziplinärer Studiengänge: das Beispiel Geoökologie. In: Neumann K (Hg.): Gute Lehre in der Vielfalt der Disziplinen. Weinheim: Beltz (Beltz Wissenschaft), S Robert-Bosch-Stiftung (2011): Memorandum Kooperation der Gesundheitsberufe. Stuttgart Roodbol PF (2010): Multiprofessional education to stimulate collaboration: a circular argument and its consequences. In: GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung 27 (2), Doc28 Schröder G (2010): Interprofessionalität in der Umsetzung. In: Pflegewissenschaft (1), S Schweitzer J (1998): Gelingende Kooperation. Weinheim, Juventa Sennet, R (2012): Zusammenarbeit. Hanser, München Sukopp T (2013): Interdisziplinarität und Transdisziplinarität. Definitionen und Konzepte. In: Jungert M (Hg.): Interdisziplinarität. Theorie, Praxis, Probleme. 2. Aufl., Darmstadt, S Treuheit W (1996): Interdisziplinarität in der Lehre. Schriftenreihe Wissenschaft und Technik der TUD Band 72, Darmstadt WHO (2010): Framework for Action on Interprofessional Education & Collaborative Practice 16
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