Wirtschaftslage beeinflusst Wahlen in der Schweiz kaum
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- Daniel Ritter
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1 Wirtschaftslage beeinflusst Wahlen in d Schweiz kaum In d Schweiz hat die Wirtschaftslage die Wahlen in den letzten Jahren nur minim beeinflusst. Dies dürfte sich auch dieses Jahr nicht ändn. Georg Lutz Abstract Die Annahme, dass wirtschaftspolitische Themen und die wirtschaftliche Lage zentral für den Wahlausgang sind, ist weit vbreitet. Alldings sind die wissenschaftlichen Belege dafür umstritten, und auch für die Schweiz lässt sich kein Effekt feststellen. Zwar wird die FDP übdurchschnittlich als jene Partei wahrgenommen, die am kompetentesten ist, wirtschaftliche Probleme zu lösen. Dies stärkt die Libalen alldings nicht mklich, da viele ande Faktoren für den Wahlentscheid wichtig sind. Zudem war die Wirtschaftslage in den letzten Jahren aus Sicht d Wähl nur einmal übhaupt ein wichtiges Problem. Das zeigen die Daten d Studie Selects aus dem Jahr 11. Die Frankenstärke dürfte bei den nationalen Wahlen keinen grossen Einfluss auf einzelne Parteien haben. Denn in d Schweiz wird keine Partei mit d Lösung des Problems identifizit. D Leitsatz «It s the economy, stupid», den Bill Clintons Wahlkampfmanag 1992 im Hauptquarti d Demokraten aufhängte, um die Präsidentschaftskampagne fokussit zu halten, wurde bühmt. Er ging davon aus: Die wirtschaftspolitischen Rezepte des Kandidaten sind relevant für den Wahlfolg. Für die Wähl waren im Hbst 11 Immigration und Umwelt wichtige Themen als die Wirtschaftslage. Die Frage, wie wichtig die wirtschaftliche Lage und wirtschaftspolitische Themen sowie die psönliche wirtschaftliche Situation für den Wahlausgang sind, beschäftigt Politik und Wissenschaft seit lang Zeit. Bangend schauen viele Regiungen vor den Wahlen auf die Wirtschaftszahlen und hoffen, dass zentrale Wirtschaftsindikatoren positiv sind. Doch gibt es wirklich starke Belege für diese Zusammenhänge? Wie wirkt die Wirtschaft auf die Wähl? Die Grundannahme üb den Einfluss d Wirtschaft bei Wahlen ist einfach: Ist die wirtschaftliche Lage gut, dann nützt dies d Regiung. Ist die wirtschaftliche Lage schlecht, dann vlit sie Stimmen. Nach dies Lesart wden SHUTTERSTOCK 40 Die Volkswirtschaft / 1
2 Abb. 1: Das wichtigste Problem aus Wählsicht seit Befragte 1940 Befragte Befragte Befragte Ausländfragen haben die Wähl bei den letzten vi Urnengängen am stärksten beschäftigt. 100% = alle Nennungen eines Wahlgangs. Regiungen für die wirtschaftliche Situation vantwortlich gemacht. Die Prämisse üb die Zentralität d Wirtschaftslage ist in Politik und Wissenschaft weit vbreitet. In jüngst Zeit haben neue Forschungsgebnisse jedoch Zweifel daran aufkommen lassen. Unklar ist auch, ob dies Effekt in d Schweiz kennbar ist. Wie die wirtschaftliche Situation die Wahlen beeinflusst, ist komplex, als es auf den sten Blick scheint. Erstens stellt sich die Frage, welche Wirtschaftsindikatoren übhaupt relevant sind und wahrgenommen wden: Ist das Wirtschaftswachstum (bzw. eine wirtschaftliche Rezession), die Arbeitslosigkeit od die Inflation entscheidend? Zweitens ist zu klären, ob eh die Wahrnehmung d wirtschaftlichen Lage in d Vgangenheit od die Erwartung für die Zukunft entscheidend ist. Und entsprechend: W wird dafür vantwortlich gemacht? Wie übzeugend sind die Antworten d politischen Akteure auf die wirtschaftlichen Hausfordungen? Drittens ist unklar, ob für die Wähl die objektive wirtschaftliche Situation wichtig ist; od ob ihre subjektive Wahrnehmung die durchaus von d objektiven Situation abweichen kann den Ausschlag gibt. Und schliesslich ist vitens re de An ng e Au n z u sla m nd hu z ie Be Kr im Sic ina h e li t ä rh t, ei t an z St en u eu nd n,p ie n r te Pa F in oli po it s he nd su Ge Eu In t r o p e g äi s c r a he t io n lit i t ik k t rk ma it s be Ar zia So le zia Sic lw he k rh e, ei t so ft ha sc ir t W A u Im m slä ig nd r a, tio A s n, yl Um we lt, En K li g i e, ma 241 Befragte SELECTS (11), SHUTTERSTOCK zu klären: Schauen Wähl vor allem auf die genelle ökonomische Entwicklung, od ist ihre psönliche wirtschaftliche Situation wichtig, Hinzu kommt, dass viele ande Themen und Faktoren einen Wahlentscheid beeinflussen und d Einfluss deshalb in jedem Fall limitit ist. Bei dies Komplexität ist es nicht staunlich, dass die Forschung keine eindeutigen Ergebnisse üb den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Wahlvhalten lieft. Die empirischen Befunde sind instabil und inkonsistent: Während in einigen Ländn ein Zusammenhang kennbar ist, gibt es viele Wahlen und Länd, in denen ein solch fehlt. Dies lässt einzig den Schluss zu: Die wirtschaftliche Lage beeinflusst Wahlen selektiv und situativ. Wirtschaftslage selten entscheidend Die Vmutung eines situativen und eh gingen Einflusses lässt sich auch auf die Schweiz übtragen. Die Wirtschaftslage ist selten ein zentrales Problem für die Wählschaft, womit eine Grundbedingung für die Wirkungskette schon mal nicht füllt ist. Bei den Wahlen in d Schweiz gibt es eine ausgeprägte Themenkonjunktur. Die Volkswirtschaft / 1 41
3 Abb. 2: Kompetenteste Partei, wirtschaftliche Probleme zu lösen aus Wählsicht SVP 10% FDP 32% BDP 7% CVP 7% GLP % SP 17% Grüne 1% Ande 21% SELECTS (11) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT Partei (in % all Parteinennungen), die am kompetentesten ist, das wichtigste Problem zu lösen, wenn «Wirtschaft» genannt wurde. (N=2) 1 Sämtliche Auswtungen basien auf den Daten d Wahlstudie Selects ( ch). In den Analysen sind jeweils nur die Wählenden einbezogen. Abbildung 1 zeigt, welche Themen von 199 bis 11 von den Wählinnen und Wähln als wichtigstes Problem wahrgenommen wurden 1 : Die Wirtschaft war im untsuchten Zeitraum aus Sicht d Wähl einzig im Jahr 11 ein wichtiges Thema. Damals befand sich Europa in ein Finanzkrise, und d Franken wurde imm stärk, worauf die Nationalbank einen Mindestkurs festsetzte. Zwar wurden im Beobachtungszeitraum vwandte Themen wie Finanzen und Steun, d Arbeitsmarkt od die Sozialwke ebenfalls genannt, jedoch waren ande Themen wie etwa Migration od Umwelt oft wichtig. Die gängige Theorie ist zudem nur beschränkt auf das Schweiz Konkordanzsystem übtragbar, da sie davon ausgeht, dass die wirtschaftliche Situation vor allem einen Einfluss auf die Regiungs- und Oppositionsparteien hat. Diese Üblegungen funktionien hi nur schlecht, da es kein Regiungs-/Oppositionssystem gibt, sondn die grossen Parteien seit vielen Jahren in die Regiung eingebunden sind und damit klare Vantwortlichkeiten für positive und negative Entwicklungen fehlen. In d Schweiz ist somit unklar, welche Parteien übhaupt für die Wirtschaftsentwicklung vantwortlich sind. FDP kann Wirtschaftskompetenz nur begrenzt in Stimmen umsetzen Trotzdem ist es möglich, dass wirtschaftliche Themen ein Partei mehr nutzen als anden. Die Parteien haben dies kannt und richten ihre Kampagnen systematisch darauf aus. Zudem lancien sie Initiativen und greifen Refenden, um ihre Themenführschaft zu untmaun was ihnen auch gelingt. Das Feld ist in d Schweiz Parteienlandschaft klar abgesteckt: Sozialpolitik ist das Knthema d SP, Umweltpolitik jenes d Grünlibalen und d Grünen; Migration jenes d SVP. Bei d Wirtschaft dominit die FDP. Sie wird am ehesten als Partei wahrgenommen, welche dieses «Problem» am besten lösen kann. Von den Befragten, die 11 gesagt hatten, die Wirtschaft sei das wichtigste od zweitwichtigste 42 Die Volkswirtschaft / 1
4 SCHWERPUNKT ISTOCK Menschen in einem Einkaufszentrum. Die Wirtschaftslage in d Schweiz dürfte im Hbst einen relativ gingen Einfluss auf den Wahlentscheid haben. «Problem» in d Schweiz, gaben 32% an, die FDP habe dazu die besten Lösungen parat. 17% nannten die SP und nur 10% die SVP (siehe Abbildung 2). Alldings konnte die FDP ihre Themenkompetenz nur beschränkt in Wählstimmen umsetzen. Schaut man, welche Partei diese Befragten effektiv gewählt haben, dann liegt die FDP nur noch leicht üb ihrem tatsächlichen Wählanteil. Die subjektive Wahrnehmung d Wirtschaftslage Die Vantwortung für den Konjunkturvlauf ein bestimmten Partei zuzuschreiben, ist objektiv zwar schwiig. Dennoch ist es möglich, dass bestimmte Parteien von d subjektiven Wahrnehmung d Wähl profitien. Im Rahmen d Wahlstudie Selects wurden 11 nach den Wahlen sämtliche Psonen gefragt, wie sie die wirtschaftliche Lage in d Schweiz beurteilen und ob sie d Meinung sind, die wirtschaftliche Lage habe sich vschlechtt od vbesst. Die Sicht auf die Wirtschaft war damals weitgehend optimistisch. 4% jen, die sich an den Wahlen beteiligten, meinten 11, es gehe d Wirtschaft gut od sehr gut, und nur % gaben an, d Wirtschaft gehe es schlecht od sehr schlecht. Alldings beurteilte auch etwas üb die Hälfte d Wählenden (3%), dass sich die wirtschaftliche Lage in den letzten zwölf Monaten vschlechtt habe, und nur % meinten, es habe eine Vbessung gegeben: Die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa wurde also in d Schweiz durchaus als bedrohlich wahrgenommen. Dies hatte alldings keinen messbaren Einfluss auf den Wahlentscheid. Korrelit man die Wahrnehmung d wirtschaftlichen Lage mit dem effektiven Wahlvhalten, so sind keine signifikanten Untschiede zwischen den Parteien feststellbar. Od in anden Worten: W die wirtschaftliche Lage als gut und bess einschätzte, wählte nicht systematisch ande Parteien als jene, welche die wirtschaftliche Lage als schlecht und schlecht beurteilten (siehe Abbildungen 3 und 4). Die Volkswirtschaft / 1 43
5 Abb. 3: Wählumfrage nach Wahlen im Hbst 11: Wahlentscheid und Einschätzung d Wirtschaftslage (N=3231) Abb. 4: Wählumfrage nach Wahlen im Hbst 11: Wahlentscheid und Einschätzung d wirtschaftlichen Entwicklung in den vgangenen Monaten (N=3231) SELECTS (11) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT «gut od sehr gut» (4% d befragten «wed gut noch schlecht» (29% d «schlecht od sehr schlecht» (% d «vbesst» (% d «unvändt geblieben» (41% d befragten «vschlechtt» (1% d befragten SVP GLP FDP SPS CVP Grüne BDP Übrige Frankenstärke dürfte sich kaum auf Parteienwahl auswirken Theoretisch ist es auch in d Schweiz möglich, dass die Wirtschaft bei künftigen Wahlen einen grössen Einfluss auf den Wahlentscheid haben wird. Dies vor allem dann, wenn die Schweiz plötzlich mit einem massiven Konjunktureinbruch, hohen Arbeitslosenzahlen od stark Inflation zu kämpfen hätte. Dies zeichnet sich vor den Wahlen im Hbst jedoch nicht ab. Die Situation ist vgleichbar mit jen vor vi Jahren. Die Angst vor negativen Auswirkungen des starken Frankens auf die Beschäftigungssituation od die Unsichheit für die Wirtschaft üb die Beziehungen d Schweiz zur EU sind zwar spürbar. Alldings ist wie 11 nicht - kennbar, dass eine Partei mit dem Problem od mit möglichen Lösungen positiv od negativ identifizit wird, und darum sind für 1 auch kaum Auswirkungen auf das Wahlvhalten zu warten. Georg Lutz Professor für Politikwissenschaft an d Univsität Lausanne, Projektleit d Wahlstudie Selects beim Schweiz Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften FORS. Litatur Andson, Christoph J. (07). The End of Economic Voting? Contingency Dilemmas and the Limits of Democratic Accountability.Annual Review of Political Science 10: Lewis-Beck, Michael S. und Mary Stegmai (00). Economic Detminants of Electoral Outcomes. Annual Review of Political Science 3: Lutz, Georg (). «Eidgenössische Wahlen 11. Wahlteilnahme und Wahlentscheid. Lausanne: Selects-FORS. Van d Brug, Wout, Cees Van d Eijk und Mark Franklin (07). The Economy and the Vote: Economic Conditions and Elections in Fifteen Countries. Cambridge Univsity Press. 44 Die Volkswirtschaft / 1
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