Risikosteuerung in Versicherungsunternehmen und Solvency II
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- Kajetan Winkler
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1 Risikosteuerung in Versicherungsunternehmen und Solvency II Prof. Dr. Helmut Gründl Humboldt-Universität zu Berlin 1 1
2 Agenda 1. Einführung: Risikosteuerung in Versicherungsunternehmen 2. Das Solvency II-Projekt: Ein kurzer Abriss 3. Organisatorische Anforderungen an ein internes Risikosteuerungsmodell 4. Konzept für ein Solvency II-adäquates internes Risikosteuerungsmodell 5. Fazit und Ausblick 2 2
3 1. Einführung: Risikosteuerung in Versicherungsunternehmen - Deregulierung - Liberalisierung - Globalisierung - Finanzinnovationen - Disintermediation - gestiegene Volatilität auf den Finanzmärkten -Terrorismus - Zunahme der Naturgefahren - Angleichung der Marktbedingungen und Regelungen - Intensivierung des Wettbewerbs - höhere Eigenverantwortung der Marktteilnehmer in Bezug auf Risikoannahme - wachsender Komplexitätsgrad der Risikoanalyse und -handhabung -Ratings - KonTraG / Solvency II zunehmende Bedeutung der Risikosteuerung 3 3
4 Entscheidende Bedeutung der Risikosteuerung in Versicherungsunternehmen: - Insolvenz eines Versicherungsunternehmens (VU) kann den Ruin des Versicherungsnehmers (VN) zur Folge haben - Produktqualität des Versicherers wird direkt durch das Sicherheitsniveau bestimmt - Zahlungsbereitschaft der VN reagiert extrem sensitiv auf Veränderungen des Sicherheitsniveaus des VU Einhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus mittels eines Risikosteuerungsmodells ist aufgrund der VN-Reaktion auch aus Shareholder-Value-Sicht optimal 4 4
5 Risikosteuerungsmodelle sind aber nicht nur aus Shareholder- Value-Sicht notwendig, sondern werden auch künftig von der Regulierung vorgeschrieben sein: Solvency II-Projekt Nur wenige Versicherungsunternehmen haben derzeit ein funktionierendes, modernen Anforderungen genügendes Risikosteuerungssystem Thema dieses Vortrags: Konkrete Ausgestaltung eines Risikosteuerungsmodells, das den Anforderungen der Eigner und der Regulierung (und damit der Versicherungsnehmer) im Sinne des Solvency II- Projekts genügt 5 5
6 2. Das Solvency II-Projekt: Ein kurzer Abriss Die Ausgangslage: Aktuelle EU-Regelungen (update: Solvency I ) zur Mindesteigenkapitalausstattung höchst unbefriedigend - Ausschließlich Betrachtung des Versicherungsbereichs - Schaden- und Beitragsindex nur Volumenfaktoren (keine Risikomessung!) - Abstruse Konsequenzen: Höhere Sicherheitszuschläge führen u. U. zu erhöhten Eigenkapitalanforderungen - Extreme Unschärfe bei der Bewertung der Risikolage durch Vernachlässigung stiller Reserven 6 6
7 Solvency II: Aktueller Entwicklungsstand Ziele von Solvency II: - Entwicklung von Solvabilitätsstandards, die in allen EU- Rechtsräumen anwendbar sind - Schaffung von Anreizen zur Entwicklung unternehmensinterner Risikosteuerungsmodelle - Beteiligte Institutionen: EU-Kommission (Richtlinienvorschlag); Durchführungsbefugnisse: CEIOPS-Arbeitsgruppen (Leben, Nicht-Leben, qualitative Finanzaufsicht, Markttransparenz, sektorübergreifende Fragen) 7 7
8 Anlehnung an Basel II: three-pillar structure Erste Säule: Eigenkapitalausstattung, Kapitalanlage, Bemessung versicherungstechnischer Rückstellungen - Two level approach : 1. Definition eines absoluten Mindestkapitals (die Basis bildet hierbei das bestehende EU-Solvabilitätssystem) 2. Definition eines Zielkapitals auf Basis eines - Standardansatzes oder eines - internen Modellansatzes 8 8
9 Standardansatz (Modell noch zu präzisieren): Europäisches oder nationales Standardmodell (GDV Modell) Zielkapital = Aggregation der Eigenkapitalanforderungen für einzelne Risikokategorien - Für alle Versicherungsunternehmen anzuwenden, die kein anerkanntes internes Risikosteuerungsmodell aufweisen - risikobasierter Ansatz verwandt mit dem amerikanischen RBC-Ansatz und dem Capital Adequacy Model von Standard & Poor s 9 9
10 Interne Risikosteuerungsmodelle - Akkreditierung unternehmensindividueller Modelle durch die BaFin - dynamische / stochastische Risikomodelle - Tragfähiges internes Risikosteuerungsmodell erfüllt viele Zwecke auf einmal: - externer Solvabilitätsnachweis - KonTraG - Gewinnsteuerung - interne Risikosteuerung 10 10
11 Solvency II Zweite Säule: Aufsichtsrechtliches Überprüfungsverfahren für interne Modelle und Prozesse (qualitative Anforderungen) Dritte Säule: Transparenzvorschriften zur Förderung der Marktdisziplin Zeitplan: Bis Ende 2005: Richtlinienentwurf durch EU-Kommission Bis Ende 2008: Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens 11 11
12 3. Organisatorische Anforderungen an ein internes Risikosteuerungsmodell Integration des Risikosteuerungsmodells in den umfassenden aktiven internen Risikomanagement-Prozess des Versicherungsunternehmens D.h., die Ergebnisse des Modells sollen ein integraler Bestandteil der Planung und Kontrolle des Unternehmens- Risikoprofils sein: keine Parallelwelten! 12 12
13 Die für das Risikosteuerungsmodell verantwortliche Abteilung muss eine angemessene Unabhängigkeit besitzen und muss direkt an die oberste Führungsebene des Unternehmens berichten Angemessene Dokumentation und interne Revision des Risikosteuerungsmodells und der Risikomanagement- Systeme insgesamt 13 13
14 4. Konzept für ein Solvency II-adäquates internes Risikosteuerungsmodell Vorbemerkungen Interne Risikosteuerungsmodelle sind zeitbezogene Darstellungen der zentralen risikobehafteten Geschäfte des Versicherungsunternehmens auf Marktwertbasis mit einer Abschätzung ihrer Auswirkungen auf das Gesamtunternehmensrisiko Alle Modellkomponenten müssen in ihrer Zusammenwirkung auf der Gesamtunternehmensebene dargestellt werden. Die spezifischen Gegebenheiten des VU müssen dabei konsistent abgebildet werden 14 14
15 Konzepte der Risikomessung: Ruinwahrscheinlichkeit versus Expected Policyholder Deficit Risikomessung auf Unternehmensebene Zwei prominente Ansätze für Solvenzkriterien a) Ruinwahrscheinlichkeit (RW) b) Expected Policyholder Deficit (EPD) Ratio Approach 15 15
16 Vorherrschend: Ruinwahrscheinlichkeits-Konzept Wie groß ist die Überschuldungswahrscheinlichkeit des VU in einem bestimmten Zeitraum; formal z.b. für 1 Jahr: Ψ 1 = Prob(Ek 1 < 0) mit Ek 1 = Eigenkapital des VU am Periodenende Ψ 1 = einjährige Ausfallwahrscheinlichkeit Die Ruinwahrscheinlichkeit trifft keine Aussagen über mögliche Überschuldungshöhen 16 16
17 - Simulationsmodell Die konkrete Ausgestaltung des Risikosteuerungsmodells - Datensatz eines deutschen Kompositversicherers [Volumen wurde anonymisiert; Risikostruktur entspricht der tatsächlich beobachteten] - VU betreibt sieben verschiedene Versicherungszweige - Analyse auf Basis von Marktwerten - Darstellung der Ergebnisse anhand unterschiedlicher Szenarien mit Fokus auf Investmentbereich - diskrete Zeit mit finitem Planungshorizont, z.b. 1 Jahr 17 17
18 Ziel des vorzustellenden Risikosteuerungsmodells: Ermittlung der Überschuldungswahrscheinlichkeit eines Versicherers für unterschiedliche Betrachtungszeiträume Der Ansatz versucht hierbei auch, eine Einschätzung der Risikolage unter alternativen Umweltbedingungen zu ermöglichen Zu Details siehe Schmeiser (2004) 18 18
19 Das Eigenkapital des Versicherers Ek zum Zeitpunkt t (t = 1, 2,..., T) ergibt sich auf Basis der folgenden Gleichung: Ek t = Ek t-1 + G t D t Ek = Eigenkapital (zu Marktwerten, also incl. stiller Reserven bzw. Lasten) G D = Gewinn = Dividenden- und Steuerzahlungen 19 19
20 Der Gewinn G des Versicherungsunternehmens setzt sich aus drei Teilen zusammen: 1. Versicherungstechnisches Ergebnis 2. Kapitalanlageergebnis 3. Ergebnis aus dem nicht-versicherungstechnischen Bereich 20 20
21 Vertiefung: Kapitalanlageergebnis Das Kapitalanlageergebnis I 1 für den Planungshorizont von 1 Jahr ergibt sich aus der folgenden Gleichung: I 1 = C0 r0,1 IE1 C = Kapitalanlagevolumen am Periodenanfang r = Rendite des Anlageportfolios (Zufallsvariable, abhängig von der Asset Allocation) IE = zahlungswirksamer Betriebsaufwand aus dem Kapitalanlagebereich 21 21
22 Dabei gilt: T r w R T = w = ( w,..., w ) 0,1 1 z r1 z R = M w = j 1 j= 1 rz Anlageklassen j = 1,...,z mit den dazugehörigen Renditen r j Der Anteil der Anlageklasse j an der Kapitalanlage C 0 wird mit w j bezeichnet Betrachtung von 8 Anlageklassen mit drei unterschiedlichen Asset Strukturen (w[1] ist die aktuelle Struktur des VU) w [] 1 =. w [] 2 = w[] 3 = real estate money market stocks (Germany) stocks (Europe) stocks (World) bonds affil. enterprises mortgage 22 22
23 Inputdaten für verschiedene Asset-Klassen j type relevant index distribution E ( r j ) std ( r j ) 1 real estate DIX normal 4.20 % 3.00 % 2 money market - normal 3.30 % 1.00 % 3 stocks DAX normal % % 4 stocks MSCI-Europe normal % % 5 stocks MSCI-World normal % 11.7 % 6 bonds REXP normal 6.90 % 5.70 % 7 affiliated enterprises - normal 7.30 % % 8 mortgage % 0.00 % 23 23
24 Korrelationen zwischen den Renditen der Anlageklassen j
25 Sonstige Investmentdaten: - Kapitalanlagevolumen C 0 = Kapitalanlageaufwendungen IE 1 = Sonstiges Ergebnis (nicht versicherungstechnisches Ergebnis) = ; deterministisch Eigenkapital (zu Marktwerten) Ek 0 = Ergebnisse: Einjährige Ruinwahrscheinlichkeit (Ψ 1 ) des VU und korrespondierendes S&P-Rating in Abhängigkeit: - der EK-Ausstattung Ek 0 - der Asset Allocation w 25 25
26 Die (einjährigen) Überschuldungswahrscheinlichkeiten Ψ 1 werden durch Simulation ermittelt Für die Verwendung eines Simulationsmodells spricht insbesondere die Möglichkeit, Abhängigkeitsbeziehungen zwischen unterschiedlich verteilten Zufallsvariablen in einfacher Art und Weise zu berücksichtigen Der Modellrahmen erweist sich dabei als sehr flexibel, da unterschiedliche Szenarien in ihrer Wirkung für die Unternehmenssicherheit analysiert werden können Verdeutlichung anhand dreier Szenarien für die angestrebte Asset Allocation 26 26
27 Einjährige Ruinwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Asset Allocation und der Eigenkapitalausstattung w[1] w[2] w[3] Ek 0 = Ek 0 = Ψ 1 0,000 % (S&P: AAA ) Ψ 1 0,000 % (S&P: AAA ) Ψ 1 0,000 % (S&P: AAA ) Ψ 1 0,001 % (S&P: AAA ) Ψ 1 0,002 % (S&P: AA ) Ψ 1 0,035 % (S&P: A ) Ek 0 = Ψ 1 0,002 % (S&P: AA ) Ψ 1 0,009 % (S&P: AA ) Ψ 1 0,229 % (S&P: BB ) Ek 0 = Ψ 1 0,035 % (S&P: A ) Ψ 1 0,105 % (S&P: BBB ) Ψ 1 1,055 % (S&P: B ) Ek 0 = Ψ 1 0,556 % (S&P: BB ) Ψ 1 0,983 % (S&P: B ) Ψ 1 3,839 % (S&P: B ) 27 27
28 5. Fazit und Ausblick Interne Risikosteuerungsmodelle sind nach dem heutigen Stand der Technik implementierbar Sie werden künftig ein unerlässliches Instrumentarium der Steuerung von Versicherungsunternehmen darstellen Mit die größte Schwierigkeit bei der Implementierung eines Risikosteuerungsmodells besteht in der Ermittlung des notwendigen Dateninputs (Möglichkeit: Unternehmensübergreifende Datensammlung analog zu PCS) 28 28
29 Das Vorhandensein interner Risikosteuerungsmodelle wird insbesondere auch in Richtung der Versicherungsnehmer ein wichtiges Sicherheits-Signal vermitteln Hierbei wird insbesondere der Kommunikation zwischen dem Versicherungsunternehmen und den Versicherungsnehmern eine entscheidende Rolle zukommen Wegen der Komplexität der Zusammenhänge werden künftig gerade Rating-Agenturen eine zentrale Rolle dahingehend einnehmen, dass sie die Risikolage des Versicherungsunternehmens und das Funktionieren von internen Risikosteuerungsmodellen in Richtung Versicherungsmarkt kommunizieren 29 29
30 Literatur Bittermann, L. (2004): Versicherungstechnik auf neue Beine stellen (I), in: Versicherungswirtschaft (59), S Brand, L./Bahr, R. (2001): Ratings Performance 2000: Default, Transition, Recovery, and Spreads, New York. Daykin, C. D./Pentikäinen, T./Pesonen, M. (1994): Practical Risk Theory for Actuaries, London. Europäische Kommission (2002, Hrsg.): Arbeitspapier Markt 2535/02, via Internet: Europäische Kommission (2003, Hrsg.): Arbeitspapier Markt 2509/03, via Internet: Europäische Kommission (2004, Hrsg.): Arbeitspapier Markt 2543/03, via Internet: Farny, D. (2000): Versicherungsbetriebslehre, 3. Auflage, Karlsruhe. Gräwert, A./Stevens, A./Tadros, R. (2003): Solvency II: Ein Regulierungsrahmen für risikobasiertes Kapital, in: Versicherungswirtschaft (58), S Gründl, H./Schmeiser, H. (2004): Solvency II und interne Risikosteuerungsmodelle für Versicherungsunternehmen, in: Versicherungswirtschaft (59), S Heistermann, B. (2002): Vom Müller-Report zu Solvency II, in Assets&Liabilities (4), S Hattemer, C./Schüller, J. (2004): Die heiße Diskussionsphase von Solvency II ist eröffnet, in: Versicherungswirtschaft (59), S
31 Knauth, K.-W./Schubert, T. (2003): Versicherungsaufsicht vor Paradigmenwechsel, in: Versicherungswirtschaft (58), S Lutz, A./Bittermann. L. (2003): Parallelen im Risikomanagement von Banken und Versicherungen, in: Versicherungswirtschaft (58), S Nelson, L./Stricker, M./Thofern J.-O. (2004): Solvency II-Anforderungen der Finanzaufsicht an die Versicherungswirtschaft, Arbeitspapier der Aon Rück, via Internet: Romeike, F. (2003): Die Auswirkungen von Solvency II auf die Versicherungswirtschaft, in RATINGaktuell (1), S Schmeiser, H. (2001): Risikomanagement von Versicherungsunternehmen nach KonTraG, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (90), S Schmeiser, H. (2004): New Risk-Based Capital Standards in the European Union: A Proposal Based on Empirical Data, in: Risk Management & Insurance Review (7), S Schradin, H. (2003): Entwicklungen der Versicherungsaufsicht, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (92), S Schradin, H./Zons, M. (2003): Determination and allocation of risk-adequate equity capitalization for performance measurement, Arbeitspapier, Institut für Versicherungswirtschaft an der Universität zu Köln, via Internet: m2_2003.pdf. Schubert, T./Grießmann, G. (2003): Solvency II geht in die zweite Runde, in: Versicherungswirtschaft (58), S Schubert, T./Grießmann, G. (2004a): Solvency II Die EU treibt die zweite Phase des Projekts voran, in: Versicherungswirtschaft (59), S und S Schubert, T./Grießmann, G. (2004b): Solvency II = Basel II + X, in: Versicherungswirtschaft (59), S Zimmermann, C./Bach, C./Raub, J. (2004): Von der Pflicht zur Kür im Risikomanagement (I), in: Versicherungswirtschaft (59), S
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