Die Klimaanpassungsschule, Allergien und der Einfluss des Klimawandels auf Pollen

Transkript

1 Die Klimaanpassungsschule, Allergien und der Einfluss des Klimawandels auf Pollen Matthias Werchan Prof. Dr. med Karl-Christian Bergmann

2 Inhalt Fakten zur Klimaanpassungsschule Atemwegsallergien in Deutschland Pollen- -Erfassung -Arten -Flug und Klimawandel Und am Ende gerne Fragen!

3 Überreichung des Zuwendungsbescheids des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom an die Charité Prof. Dr. med. Dr. h. c. Torsten Zuberbier (Charité) Jügen Becker, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

4 Fakten zur Klimaanpassungsschule (KAS) Laufzeit: Kick-off-Veranstaltung: 15. Februar 2013 (Charité) mit 11 Referenten von Universitätskliniken, Bundesbehörden und Forschungsinstituten Resonanz bisher: seitens der Ärzte eher mäßig umfangreiches Schulungsmaterial online gestellt in Kürze auf der KAS-Website Link zu E-Learning- Angeboten mit Zertifikatvergabe

5 weitere Veranstaltungen im Rahmen der KAS: Europäisches Pollenflugsymposium vom in Berlin 35 Pollenanalysten und ca. 50 Ärzte und Wissenschaftler verschiedener Gebieten (Meteorologie, Biologen, Landschaftsplaner u.a.) "Nurse Academy vom in der Charité für Angestellte niedergelassener Ärzte in und um Berlin Veranstaltungsreihe (Fortbildung) für dermatologische Kliniken in Berlin Vorstellung von KAS in Hannover bei NNA-Forum Klimaschutz in Niedersachsen (II)

6 Ziel der Klimaanpassungsschule Zusammenfassung Wetter- bzw. klimabedingter gesundheitlicher Gefahren und Risiken sowie der möglichen Antworten Vermittlung von sowohl präventiven als auch diagnostisch-therapeutischen Gesichtspunkten. Anleitung zu selbstständigen Entscheidungen in schwierigen Situationen (Hitze, Kälte, Überflutung, starke Luftverschmutzung u.a.). Keine Darstellung bzw. Wissensvermittlung meteorologischer Wetter- bzw. Klimakenntnisse

7 Sondern, ein Projekt zur medizinischen Vor- und Versorgung Wetter- bzw. klimabedingter gesundheitlicher Risiken und Schäden.

8 Im Mittelpunkt stehen die Belange medizinisch besonders vulnerabler Gruppen, z.b. bestimmte Altersgruppen (z.b. Säuglinge und alte Personen), Personen mit chronischen Erkrankungen (z.b. chronische Atemwegs- und Herz- Kreislauferkrankungen oder Allergiker), Personen mit eingeschränkter sozialer Absicherung

9

10 Wissenschaftlicher Beirat der Klimaanpassungsschule

11 Atemwegsallergien in Deutschland Foto: Matthias Werchan

12 Trend bei Sensibilisierungen gegen Inhalationsallergene Haftenberger M. et al. Bundesgesundheitsbl. 2013;56:

13 Häufigkeit allergischer Erkrankungen in Deutschland Langen U. et al. Bundesgesundheitsbl 2013;56:

14 Epidemiologie allergischer Erkrankungen in Deutschland Prozentsätze (innerhalb) der allergischen Erkrankungen in Deutschland Pollenallergie 86% Hunde- oder Katzenallergie 41% Hausstaubmilbenallergie 38% Schimmelpilzallergie 14% Milbenallergie stellt nach den Erkrankungen durch Pollen und Insektengiften die drittwichtigste Allergieform dar, die durch Spezifische Immuntherapie grundlegend behandelbar ist.

15 Prävalenz von Sensibilisierungen (%) in der deutschen erwachsenen Bevölkerung (n=7025) Haftenberger M. Bundesgesundheitsbl. 2013;56: , , , , ,5 Lieschgras Birke Wespengift Roggen Erle D. pt

16 Prävalenz der Sensibilisierung (%) gegen Baumpollen geschichtet n. sozioökonomischem Status (n=7025) 30 Haftenberger M. Bundesgesundheitsbl. 2013;56: Niedrig Mittel Hoch

17 Prävalenz der Sensibilisierung (%) gegen Baumpollen geschichtet nach Gemeindetyp (n=7025) 22 Haftenberger M. Bundesgesundheitsbl. 2013;56: Ländlich Kleinstädtisch Mittelstädtisch Großstädtisch

18 Prävalenz der Sensibilisierung (%) gegen Gräserpollen geschichtet n. sozioökonomischem Status (n=7025) 30 Haftenberger M. Bundesgesundheitsbl. 2013;56: Niedrig Mittel Hoch

19 Prävalenz der Sensibilisierung (%) gegen Gräserpollen geschichtet n. Gemeindetyp (n=7025) 22 Haftenberger M. Bundesgesundheitsbl. 2013;56: Ländlich Kleinstädtisch Mittelstädtisch Großstädtisch

20 Alte Wahrheit zur Sensibilisierung oft nicht verstanden Sensibilisierung oder sensibilisiert sein bedeutet stets nur, dass die betroffene Person IgE-spezifische Antikörper hat. Diese sind im Blut (Labormethode), den Schleimhäuten (z.b. durch Provokation auf der Nasenschleimhaut) oder in der Haut (z.b. im Pricktest) nachweisbar. Wer nur sensibilisiert ist hat per definitionem noch keine Allergie, ist also noch nicht erkrankt! Allergie bedeutet Krankheitssymptome haben, d.h. sensibilisiert sein und Symptome bei Kontakt mit dem Allergen haben ( klinisch aktuelle Sensibilisierung ). Also: Wann Symptome im Jahr? im Zweifel Provokation als sicherste Bestätigung.

21

22 Lebenszeitprävalenz allergischer Erkrankungen in Deutschland Langen U. Bundesgesundheitsbl 2013;56: Asthma 8,6% Heuschnupfen 14,8% Neurodermitis und Urtikaria je 3,5% Kontaktekzeme 8,1% Nahrungsmittelallergie 4,7% Insektengiftallergie 2,8% 1/3 der Erwachsenen hat mindestens eine allergische Krankheit während des Lebens Frauen häufiger als Männer Alte Bundesländer häufiger als neue Hoher sozioökonomischer Status fördert Allergien

23 10-Jahres-Trend Deutschland Langen U. Bundesgesundheitsbl 2013;56: Asthma: Prävalenz stieg um knapp 3 % Heuschnupfen: Unverändert hoch Neurodermitis: Unverändert Nahrungsmittelallergie: Unverändert Urtikaria und Kontaktekzem: Prävalenz sank (vermutlich aufgrund geringerer Allergenexposition und weniger Arztdiagnosen durch mehr Selbstmedikamentation)

24 Die Pollenfalle eiserne Lunge und Basiswerkzeug zur Pollenerfassung Pollenfalle von Burkard Manufacturing Foto: Barbora Obstová

25 Die Pollenfalle eiserne Lunge und Basiswerkzeug zur Pollenerfassung Sammelergebnis abhängig von: -Lage und Aktivität der Pollenquellen -Sonne (Thermik), -Niederschlag -Windrichtung und Windgeschwindigkeit

26 Pollenfallenstandorte in Deutschland aktuell ca. 43 Messstellen davon 10 Referenzmessstellen (schwarze Vierecke) Messungen laufen ganzjährig Rest saisonale Messstellen (grüne Kreise) Messungen nur während der Pollensaison jede Messstelle sendet ihre Daten zum DWD Pollenflugvorhersage (unter Einbeziehung v. Phänologie)

27 Allergenquellen Hasel Birke Gräser Foto: Barbora Obstová Foto: Barbora Obstová Foto: Barbora Obstová

28 Allergenträger Haselnuss Gräser Fotos: Barbora Obstová

29 Allergenträger Walnuss Weide Haselnuss Tanne Fotos: Barbora Obstová Lärche Gräser

30 Luftstaubpräperate Beispiel für Unterschiede innerhalb Berlins ca Uhr morgens BAB 100 Dach der Charité Pollen Feinstaub Fotos: Matthias Werchan

31 Pollen: Anteile (%) der 7 wichtigsten allergenen Arten in Deutschland Anteile der 7 wichtigsten allergenen Pollenarten zueinander im Jahr ,1 [%] 0,6 [%] 2,3 [%] 3,6 [%] 59,1 [%] 14,4 [%] 19,9 [%] Traubenkraut (Ambrosia) Roggen (Secale) Beifuß (Artemisia) Hasel (Corylus) Erle (Alnus) Gräser (Poaceae) Birke (Betula) Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst

32 Haselnuss-Pollen: Jahresmittelwerte aller Messstationen mit Veränderung gegen Vorjahr Anzahl an Haselpollen Hasel: Pollenindex der Jahre und Veränderungen gegenüber dem Vorjahr R² = Bestimmtheitsmaß +244 % -48 % +116 % -51 % +145 % R² = 0,14-47 % -36 % +245 % -41 % +95 % -69 % Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst Haselpollen Trend (linear)

33 Gräser-Pollen: Jahresmittelwerte aller Messstationen mit Veränderung gegen Vorjahr Anzahl an Gräserpollen Gräser: Jahresmittelwert der Jahre und Veränderungen gegenüber dem Vorjahr -6 % -16 % -2 % +13 % -21 % +28 % +9 % -36 % R² = Bestimmtheitsmaß R² = 0,58-10 % -7 % +11 % Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst Gräserpollen Trend (linear)

34 Hitzestress bei Gräsern kann Blütenentwicklung stören und damit Pollenfreisetzung und -vitalität vermindern Harsant J et al. Journal of Exp. Botany, Vol. 64, 10,

35 Roggen-Pollen: Jahresmittelwerte aller Messstationen mit Veränderung gegen Vorjahr Roggen: Jahresmittelwert der Jahre und Veränderungen gegenüber dem Vorjahr R² = Bestimmtheitsmaß +181 % Anzahl an Roggenpollen % -4 % -29 % -11 % -2 % +4 % R² = 0,01-67 % +7 % -12 % +35 % Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst Roggenpollen Trend (linear)

36 Klimawandel und Pollen in Europa Ziello C, Sparks TH, Estrella N, Belmonte J, Bergmann KC, Bucher E, Brighetti MA, Damialis A, Detandt M, Galán C, Gehrig R, Grewling L, Gutiérrez Bustillo AM, Hallsdóttir M, Kockhans-Bieda MC, De Linares C, Myszkowska D, Pàldy A, Sánchez A, Smith M, Thibaudon M, Travaglini A, Uruska A, Valencia-Barrera RM, Vokou D, Wachter R, de Weger LA, Menzel A. Changes to airborne pollen counts across Europe. PLoS One. 2012;7(4):e34076.

37 Ziel Ziello C et al. PLoS One. 2012;7(4):e Beantwortung der häufig gestellten Frage, ob es aufgrund des Klimawandels in Europa mehr oder weniger Pollen in der Luft gibt.

38 Locations of pollen sites. Each station has been indicated by a red circle. Symbol sizes are proportional to the temporal length of the local longest pollen record. Ziello C. et al. PLoS One. 2012;7(4):e34076.

39 Methode Ziello C et al. PLoS One. 2012;7(4):e Die Jahresdaten (jährlicher Pollenindex; annual pollen index (API) von 97 Pollenmessstationen in Europa (1221 Zeitserien) wurden hinsichtlich ihrer Veränderung in der Menge sowie hinsichtlich einer möglichen Abhängigkeit von Temperatur sowie dem Einfluss von Stadt und Land ausgewertet.

40 Trend des jährlichen Pollenindexes nach Pollenart Ziello C et al. PLoS One. 2012;7(4):e Boxplots show the proportional annual change of yearly pollen sums for the 23 pollen taxa analyzed (reasons for selection given in the main text). Medians are significantly different from zero (Mann-Whitney test, * :, ** :, *** :, n.s.: ) for 11 taxa. On the right, the percentages of significant trends are indicated for each taxon (of which the percentages of positive trends are given in parentheses). The height of the boxplot is related to sample size, taxa are arranged in decreasing order of their medians.

41 Trend des jährlichen Pollenindexes nach Umgebung Ziello C et al. PLoS One. 2012;7(4):e Boxplots show the proportional annual change of yearly pollen sums for different environments. Mann- Whitney tests show a significant increase (median different from zero, ) of airborne pollen in urban environments. The notches are calculated as and the height of each boxplot is related to sample size. On the right, the percentages of significant trends are indicated for each type of environment.

42 Trend des jährlichen Pollenindexes nach Ländern Ziello C et al. PLoS One. 2012;7(4):e Boxplots show the proportional annual change of yearly pollen sums for 13 countries. Medians are significantly different from zero (Mann-Whitney test, * :, ** :, *** :, n.s.: ) for six countries. On the right, the percentages of significant trends are indicated for each country.the height of the boxplot is related to sample size,

43 Ergebnisse Ziello C. et al. PLoS One. 2012;7(4):e34076 Neun Pollenarten (alle allergen) zeigten einen signifikanten Anstieg, während nur zwei abfielen Die Veränderungen im jährlichen Pollenindex von Baumpollen waren allgemein stärker als von Kräutern. In den letzten Jahren wurden einige Bäume (z.b. Cupressaceae, auch Birken) vermehrt in Städten angepflanzt, mit möglichem Einfluss auf die Pollenkonzentrationen in Städten.

44 Schlussfolgerungen Ziello C. et al. PLoS One. 2012;7(4):e34076 Es gibt in Europa einen Trend zu höheren Konzentrationen an luftgetragenen Pollen, einschließlich der allergenen Arten. Die Zunahme ist in Städten stärker als auf dem Land. Die Zunahme kann nicht eindeutig höheren Temperaturen zugeordnet werden. Dieser Trend könnt durch die Zunahme anthropogener Treibhausgase, insbesondere CO2, gefördert werden. Ein weiterer Anstieg von CO2 könnte zu einer weiteren Zunahme der Pollenkonzentrationen in Europa führen.

45 Übersicht aus Ergebnissen anderer Studien zu Pollentrends und Klimawandel Änderung der räumlichen Verteilung von Pflanzenarten und Pollen (Stichwort: Ambrosia) Start der Gesamt-Pollensaison immer früher Gesamt-Pollensaison endet später (Ambrosia) bei einigen Arten Trend zur Verkürzung der Pollenflugzeit Zunahme des Allergengehaltes durch CO 2 - bei Ambrosia um das 1,6-fache bis 2050 vermutliche Zunahme von Extremereignissen (Gewitterasthma, Pilzsporen nach Überflutungen )

46 Beispiele für Anpassungsmaßnahmen wären: ausgedehnteres Monitoring und damit verbesserte Vorhersage von biogenen Aeroallegenen verbessertes Management allergener Pflanzenarten weitere Erforschung bestimmter Teilaspekte des Themas

47 Bäume pflanzen? Ja, aber welche?

48 Aufforderung zur Rücksicht auf Allergiker Bergmann KC et al. Allergo J 2012;21:

49 Zusammenfassung Bergmann KC et al. Allergo J 2012, 21: Es gab in Deutschland bisher keine Empfehlung zur Neupflanzung von Bäumen im öffentlichen Raum, die Rücksicht auf die Belange von Pollenallergikern nimmt. Es wird ein Vorschlag gemacht, welche Baumsorten bei Anpflanzungen in Städten zu meiden sind, um eine weitere Erhöhung der Zahl allergologisch relevanter Baumpollen in Städten zu vermeiden. Allergologisch unbedenkliche Baumsorten werden empfohlen.

50 Allergologisch bedenkliche Baumund Straucharten Bergmann KC et al. Allergo J 2012;21: Kategorie 1: Vordringlich nicht neu anpflanzen. Kategorie 2: Nach Möglichkeit nicht neu anpflanzen.

51 Allergologisch als unbedenklich geltende Baumund Straucharten Bergmann KC et al. Allergo J 2012;21:

52 Danke für Ihr Interesse und Ihre Geduld Weitere Fragen gerne an: