Selbst- und Fremdeinschätzungen im Krankenhaus wie entscheiden wir das?
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- Carl Feld
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1 Selbst- und Fremdeinschätzungen im Krankenhaus wie entscheiden wir das? Erika Sirsch 11. Mai 2013 Berlin Seite 1
2 Bevor Schmerz behandelt werden kann, muss er zunächst erkannt werden. Seite 2
3 Selbsteinschätzung gilt als Goldstandard (DNQP 2011). Das basiert auf dem Paradigma von McCaffery (1968) Pain is whatever the experiencing person says it is, existing whenever he/she says it does Seite 3
4 Schmerzeinschätzung bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen Bei mittlerer Beeinträchtigung der Kognition MMSE (Mini Mental State) Wert < 15, ist eine Selbstauskunft nicht mehr zuverlässig möglich. (Kunz et al. 2002) Bei starker Beeinträchtigung der Kognition MMSE (Mini Mental State) Wert < 10, ist eine verbale Selbstauskunft nicht mehr möglich (Basler et al. 2001) Seite 4
5 Schmerzeinschätzung bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen Parmelee und KollegInnen (1993) publizierten in einer großen Untersuchung (n= 2151) in stationären Pflegeeinrichtungen, dass Menschen auch mit schwerer Demenz durchaus zur Selbstauskunft in der Lage waren. Allerdings wurden nicht auskunftsfähige Personen bereits im Vorfeld ausgeschlossen. Seite 5
6 S3-Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen (DIVS 2008:31) Bei Patienten mit starken kognitiven Einschränkungen und Kommunikationsstörungen (z.b. Demenzkranken) ist eine Selbstauskunft unzuverlässig bis unmöglich. Hier ist eine Fremdeinschätzung der Schmerzen mit Hilfe kategorialer Beobachtungsskalen notwendig. Seite 6
7 Staff need to make a judgement about whether or not residents with a cognitive or communicative impairment have been able to understand the questions sufficiently and have been able to convey an adequate response (The Australian Pain Society, Pain in Residential Aged Facilities, Management Strategies. 2005) Seite 7
8 Herangehensweise der ASPMN 1. Versuch einer Selbsteinschätzung 2. Suche nach potentiellen Gründen für Schmerz 3. Beobachten von Schmerz Verhalten 4. Einholen von Ersatz Informationen durch Familienmitglieder 5. Evaluation der Reaktion der Betroffenen auf Schmerzmedikamente (Herr, K., H. Bursch, et al. 2010) Seite 8
9 Relevanz der Demenzerkrankungen für das Krankenhaus Leuchtturmprojekt ROVDE Bei der Hälfte der in die Notfallchirurgie aufgenommenen PatientInnen (51%/n=349) über 65 Jahren wurden deutliche kognitive Einschränkungen festgestellt werden konnten (BMG 2011) Seite 9
10 SMeDeK Projekt Ziel: Entwicklung eines Leitfaden zur Entscheidungsfindung Pflegender von Selbst- und Fremdeinschätzung von Schmerz bei Menschen mit mittelschwerer Demenz auf chirurgischen und/oder konservativen Stationen im Krankenhaus der Allgemeinversorgung Seite 10
11 Teilnehmende Beobachtungen: Schmerzeinschätzungen von Pflegenden vor, während oder nach Pflegehandlungen und/oder Übergabegesprächen erfolgen Pflegehandlungen während der Routinehandlungen durchgeführt werden, insbesondere: Lagewechsel Transfers Gangübungen Seite 11
12 Teilnehmende Beobachtungen: 3 Stationen in Kliniken der Regelversorgung Unfallchirurgie Internistische Abteilung Spezialabteilung für Menschen mit Demenz Seite 12
13 Teilnehmende Beobachtungen: Stichprobe Pflegende (n=25): 18 Pflegefachkräfte & 7 Pflegehilfskräfte 2/3 der Pflegenden sind länger als 2 Jahre im Beruf keine der Pflegekräfte hatte eine Aus- oder Weiterbildung zum Schmerzmanagement Seite 13
14 Insgesamt 70 Beobachtungsprotolle Teilnehmende Beobachtungen: Interne Station Unfallchirurgie Spezialstation 34 Prot./17 Pat. 18 Prot./ 8 Pat. 18 Prot./18 Pat. PatientInnen (n= 43) 32 Frauen & 11 Männer / Alter (83,9 Jahre) Pflegebedarf: Keine pflegerische Unterstützung Ø Hilfestellung 55 (77%/ n= 70) Übernahme der Pflege 12 (17%/ n= 70) Keine Information zum Pflegebedarf 3 (4%/ n= 70) Seite 14
15 Teilnehmende Beobachtungen: Angaben zu schmerzverursachenden Erkrankungen und/oder Co-Morbiditäten konnten gemacht werden: Station I Station II Station III 11 (34 Protokolle) 18 (18 Protokolle) 15 (18 Protokolle) Seite 15
16 Ergebnisse Phase II: Informationen zu Schmerz in pflegerischen Übergaben (n=70) Keine Informationen 53 (76%) In einer Übergabe 16 (23%) In zwei Übergaben 1 (1%) Seite 16
17 Teilnehmende Beobachtungen: Diagnostik der kognitiven Beeinträchtigung (n = 70) Nicht diagnostiziert Vermutet Stand so in der Doku Unklar Seite 17
18 Teilnehmende Beobachtungen: (Auszug aus Protokoll / Ereignis 53) Der Mitpat. wurde versorgt, in diesem Zusammenhang wurde der Pat. gelagert u. abgesaugt. Pat. stöhnt leise und grimassiert, sobald er angefasst wird stöhnt er laut u. das Grimassieren verstärkt sich. Pflegende meint immer wenn man ihn anfasst, stöhnt er so. Sie überlegt ob es ihm nicht gefällt, ob er vielleicht doch Schmerzen hat. Diese Beobachtung bleibt ohne Konsequenz. Seite 18
19 Teilnehmende Beobachtungen: (Auszug aus Protokoll / Ereignis 33) Pat: Stöhnt aua Pflege: wo tut es aua es ist alles schon ganz blau (das Gesäß) Pflege: Wo tut es aua Haben sie Schmerzen Pat. nein Pflege: Warum sagen sie dann immer aua Pat. weil es weh tut Pflege wäscht Pat. weiter Pat: schreit aua, mein Gott aua, wat tut et weh Pflege: wir müssen das sauber machen Warum tut es weh, wenn die Zehen gewaschen werden / Die Zehen sind sowas von klein und lassen sich super bewegen und sie sagen aua Pat: stöhnt weiter Das Waschen wird fortgesetzt Seite 19
20 Schmerzassessment bei Menschen mit Demenz im Krankenhaus Pflegende & PatientInnen sprechen nicht die gleiche Sprache Pflegende nutzen Worte wie: Schmerzen oder wie stark ist ihr Schmerz PatientInnen reagieren darauf nicht und nutzen diese Worte häufig auch nicht, sie nutzen eher Formulierungen eher wie es tut weh oder reagieren über Verhaltensmerkmale nein PatientInnen sind in der Lage auf die Sprache der Pflegenden einzugehen ja keine schmerzreduzierenden Maßnahmen schmerzreduzierende Maßnahmen Seite 20
21 Gruppeninterviews in den Bereichen: Unfallchirurgische Abteilung (Beobachtungsstation) Internistischen Abteilung (Beobachtungsstation) Spezialstation für Menschen mit Demenz (Beobachtungsstation) Uniklinik mit Neurologie und Stroke-Unit (2 Interviews) Klinik mit einem hohen Anteil an ausgebildeten Pain-Nurses (incl. Arzt für Schmerztherapie) Klinik in der aktuell ein Konzept zur Schmerzerfassung für Menschen mit Demenz entwickelt und implementiert wird Seite 21
22 Gruppeninterviews / Kategorie -Abhängigkeit vom Individuum- Interview II M: Ich glaube schon, weil das ist dann halt - nicht von der Einschätzung von denen persönlich abhängig, ja, die eine Pflegekraft sieht es vielleicht schon früher, dass was nötig wäre, die andere sieht es halt erst später. Ich denke, dass so ein einheitlicher Wert wäre, würde schon standardmäßiger oder vielleicht auch frühzeitiger was, was gegeben werden.. Seite 22
23 Interview 4 M: Genau. Also, ich habe den, ich bin dann alle Körperteile abgegangen und weiß nicht und irgendwann war es der linke Oberschenkel dann, ja, ja, ja. Es ist dann doch irgendwie rausgekommen. Aber weil sie zum Beispiel der Nachtschwester immer wieder die Frage nach Schmerzen verneint hat, hat sie auch keine Schmerzmittel bekommen und hatte aber offensichtlich starke Schmerzen im Nachhinein ( ) Weil das einfach grotesk war, diese, einerseits diese, oft Mimik und Gestik und einfach, man weiß, die Patientin ist dement und kann diese Frage einfach wahrscheinlich nicht adäquat beantworten und da muss man dann halt auch mal nachgehen. Gruppeninterviews / Kategorie -Inkongruenz- Seite 23
24 Zu berücksichtigende Elemente bei der Entscheidungsfindung zum Schmerzassessment bei Menschen mit Demenz Surrogat Report (z. B. durch Angehörige) Reaktion auf schmerzreduzierende Maßnahme Medikamentös Nicht medikamentös Erfassung von Schmerz Eindimensional Mehrdimensional Mobilität Transfer Lagerungen Aufstehen Laufen Zeitliche Dimension Akuter Schmerz Chronischer Schmerz Kognition Unterschiedliche Formen Unterschiedliche Stadien der kognitiven Beeinträchtigung Selbst- und Fremd Einschätzung Schmerzkonzept sensorisch diskrimintativ affektiv motivational kognitiv- evaluativ behavioristisch Bewusstsein Kommunikation Hören Sehen Sprechen Reaktionszeit Co-Morbidität Seite 24
25 Grundlage des Screenings -See-Painzur Entscheidungsfindung Es werden Informationen aufgezeigt, die in der Entscheidung zu einer systematischen Fremdeinschätzung von Schmerz zusätzlich oder alternativ zur Selbsteinschätzung berücksichtigt werden müssen. Es erforderlich diese Einschätzung in den Kontext der jeweiligen Situation zu setzen und ggf. mit Reaktionen auf schmerzreduzierende nicht-medikamentöse oder medikamentöse Maßnahmen abzugleichen. Ein singuläres Einschätzen von Informationen aus diesen Informationsfeldern kann keine zuverlässige Einschätzung von Schmerz ergeben. Es ist nicht das Ziel dadurch die Schmerzintensität zu erfassen. Seite 25
26 Screening -See-Pain-: Bei allen PatientInnen (> 65 Jahren) sollten folgende Informationen zur pflegerischen Schmerzdiagnostik ergänzend zur Selbstauskunft berücksichtigt werden Informationsfeld I Informationsfeld II Informationsfeld III Hintergrundinformationen die vorklinisch und/oder schriftlich vorliegen Hintergrundinformationen durch direkte (mündliche) Information durch Dritte Hintergrundinformationen aus direktem PatientInnen Kontakt (z. B. auch bei BISAD, ZOPA oder BESD beschrieben) Seite 26
27 Screening -See-Pain-: Fragen die durch Beobachtungen beantwortet werden können: Die PatientIn beantwortet die Frage nach Schmerzen mit nein, zeigt aber mit Schmerz assoziierte Verhaltensmerkmale (Informationsfeld III), vokalisiert oder verbalisiert diese durch Äußerungen wie aua. Das Verhalten (Informationsfeld III) der PatientIn passt nicht zu den verbalen Schmerzäußerungen. Es gibt einen stellvertretenden Bericht zu Schmerz durch Dritte (Informationsfeld II): z. B. Angehörige, andere nahestehende Personen oder Mitarbeitende anderer Berufsgruppen. Seite 27
28 Screening -See-Pain-: Fragen bei denen sich die Beobachtungen auf eine zuvor erfolgte Intervention stützt Die Patientin zeigt veränderte/verstärkte Reaktionen von Verhaltensmerkmalen (Informationsfeld III) bei Bewegung / Mobilisation Die Patientin zeigt veränderte/reduzierte Reaktionen von Verhaltensmerkmalen (Informationsfeld III) nach einer schmerzreduzierenden nicht-medikamentösen Intervention (z. B. einspannte Lagerung, Kälte oder Wärmeanwendung) Die Patientin zeigt veränderte/reduzierte Reaktionen von Verhaltensmerkmalen (Informationsfeld III ) nach einer schmerzreduzierenden medikamentösen Intervention (z. B. Gabe von Schmerzmedikamenten, Bedarfsmedikation) Seite 28
29 Take Home Message Bei der Schmerzerfassung von älteren Menschen (mit Demenz) im Krankenhaus: Screening bei Patientinnen und Patienten Dabei ist besonders wichtig: Die sprachlichen und non-verbalen Äußerungen der Patienten beachten, nicht ausschließlich die Antworten auf Fragen nach Schmerz oder der Schmerzintensität bewerten Die Inkongruenz von Antworten auf die Frage nach Schmerz reflektieren Seite 29
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