Evaluation von traumapädagogischen Versorgungskonzepten in der stationären Jugendhilfe. Ergebnisse aus fünf Jugendhilfeeinrichtungen in der Schweiz
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- Irmela Meyer
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1 «Was mir wirklich hilft» Evaluation von traumapädagogischen Versorgungskonzepten in der stationären Jugendhilfe Ergebnisse aus fünf Jugendhilfeeinrichtungen in der Schweiz Sophia Fischer, Claudia Dölitzsch und Marc Schmid Kontakt:
2 Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen in der stationären Jugendhilfe sind einer Vielzahl von Grenzverletzungen durch die zu betreuenden Kinder und Jugendlichen ausgesetzt (Steinlin, Fischer, Dölitzsch, Fegert & Schmid, 2015) oftmals von Belastungsreaktionen wie Burnout, Posttraumatischen Belastungsstörungen sowie Sekundärtraumatisierung betroffen (Steinlin, Dölitzsch, Fischer, Lüdke, Fegert& Schmid, 2015) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel ww, upkbs.ch 29. April
3 Wichtigkeit von Versorgungskonzepten für Mitarbeitende in der Jugendhilfe Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel ww, upkbs.ch 29. April
4 Traumapädagogische Versorgungskonzepte Interaktionsanalyse: Fallbesprechung, die eine konkrete Interaktion zwischen zwei Menschen (z.b. MA und Ki/Ju) ins Zentrum stellt, Übertragungs-/Gegenübertragungsmuster analysiert und konkrete Versorgung der Ki/Ju/MA ableitet sowie Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Resilienzförderung: Bewusste und absichtsvolle Förderung von Resilienzfaktoren, die mit psychischer Widerstandsfähigkeit assoziiert sind. zur_entfaltung_der_sinne Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel ww, upkbs.ch 29. April
5 Resilienzförderung: einzelne Stunden, Tage, bestehende Gefässe Bildquelle: Wohngruppe rose Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Februar
6 Modellversuch Traumapädagogik Durch das Bundesamt für Justiz geförderter Modellversuch (Laufzeit 4 Jahre; Start 2012) Zusammenarbeit Kinder- und Jugendpsychiatrien Basel/Ulm 5 Modelleinrichtungen (stationäre Jugendhilfe) in der Schweiz Traumapädagogik-Schulungen auf Leitungsund Teamebene (6 resp. 8 Blöcke à 3 Tage), bis Anfang 2015 Klausurtage zur Umsetzung von traumapdägogischen Konzepten Begleitende Evaluation (Ki/Ju, Mitarbeitende), Vergleich mit 9 Kontrolleinrichtungen 6
7 Fragebogen Evaluation Interaktionsanalyse und Resilienzstunden Selbst konstruierter Fragebogen Nach Abschluss der Schulungen/Klausurtage ausgefüllt Leitung/Team getrennt 26 Items auf Leitungsebene 17 Items auf Teamebene Zwischen Oktober und Dezember 2015 ausgefüllt 7
8 Fragebogen Evaluation Interaktionsanalyse und Resilienzstunden: Leitung und Team Nur bei Leitung: Seit wann, wie häufig und wie lange wurden die Interaktionsanalyse und die Resilienzstunden durchgeführt? Wer hat sie geleitet? Einschätzung, wie hilfreich das Team dies erlebte Beim Team: Waren Interaktionanalyse/Resilienzstundenhilfreich? Welche Aspekte? Schwierigkeiten bei der Umsetzung Inhalte der Resilienzstundenauf der Ebene der Ki/Ju und der Teamebene 8
9 Ergebnisse Interaktionsanalyse Leitungskräfte n = 8; MA aus den Teams n = 22 Frequenz der Interaktionsanalyse: zwischen 1mal wöchentlich und alle 4-6 Wochen Dauer der Interaktionsanalyse: zwischen knapp 1 Stunde und mehr als 2 Stunden meiste Nennungen zwischen 1 und 1.5 Stunden Leitung der Interaktionsanalyse: Leitung der Fachstelle (sozialpädagogische Fachkraft) Heimleitung Therapeuten (Psychiater/Psychologen) Pädagogische Leiter 9
10 Ergebnisse Interaktionsanalyse: Wie hilfreich erlebt? Team (Sicht Leitung) sehr hilfreich hilfreich etwas hilfreich gar nicht hilfreich 10
11 Ergebnisse Interaktionsanalyse: Wie hilfreich erlebt? Team (Sicht Leitung) Team (Sicht Team) sehr hilfreich hilfreich etwas hilfreich gar nicht hilfreich 11
12 Besonders hilfreiche Aspekte: Interaktionsanalyse Aus Sicht der Leitung: Aus Sicht des Teams: Perspektive des Ju. einnehmen zu können für ein besseres Verständnis Sich selbst und eigene Reaktion gut reflektieren zu können Immer wieder Fokus auf Beziehung und Bedürfnisse Strukturierter Ablauf Differenzierung (Verhalten, Stimme, Gedanken, Gefühle) Wertfreies Beobachten Gegenübertragung bewusst machen Suche nach gutem Grund Versorgung des Ju/MA Eigene Gefühle und Eigenanteil erkennen Im Team Phänomenen auf die Spur kommen (Trigger, guter Grund, Übertragungen) Wahrnehmungsschulung Lösungsansätze erarbeiten, mehr Handlungsmöglichkeiten Beschränkung auf eine Interaktion/Situation 12
13 Schwierigkeiten bei der Umsetzung «In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten.» Albert Einstein httpbilder2.n-tv.deimgincomingorigs w1000-h960abreissen.jpg 13
14 Schwierigkeiten bei der Umsetzung: Interaktionsanalyse Aus Sicht der Leitung: Aus Sicht des Teams: Regelmässige Durchführung trotz Alltagsgeschehen Geeignete Interaktion zu finden Fokus auf die Interaktion und nicht die Gesamtsituation Zeit, um in die Tiefe gehen zu können Klare Struktur/Ablauf führte zu Ermüdungserscheinungen Nicht für alle MA geeignet ( Gesichtsverlust ) Fokus auf Handlung (nicht nur Verständnis) Nachhaltigkeit im Alltag/ Beschlüsse Unauffällige Ju. gehen unter 14
15 Ergebnisse Resilienzförderung Ki/Ju Leitungskräfte n = 8; MA aus den Teams n = 22 Durchschnittliche Frequenz der Resilienzförderung: zwischen wöchentlich und monatlich sehr unterschiedlich, je nach BP/Organisation Durchschnittliche Dauer der Resilienzförderung: mind. 1 Stunde bis 1 Tag 15
16 Mögliche Inhalte der Resilienzförderung mit Ki/Ju Biographiearbeit Basteln einer Schatztruhe für die traumatischen Erlebnisse Weihnachtskekse backen ohne dass sie verbrennen Ritual in den Bergen (Abschied nehmen von wichtiger Bezugsperson) Ängste überwinden Kletterpark Reiten Traumfänger basteln Besuch am Grab der Mutter Basteln Spazieren Zimmer umgestalten Emotionen erkennen Gemeinsames Einkaufen Angst vor Spinne überwinden Yoga und Entspannung Velotour Schnitzen Bauerhofbesuch Modellflieger zusammen bauen Ausstellungen Ausflüge Flusswanderungen Blind führen lassen httpwww.braunschweiger-zeitung.desommer-tippsommertippslackline-ueber-diese-linie-musst-du-gehen-id html Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Februar
17 Ergebnisse Resilienzförderung Ki/Ju: Wie hilfreich erlebt? Team (Sicht Leitung) 20 0 sehr hilfreich hilfreich etwas hilfreich gar nicht hilfreich 17
18 Ergebnisse Resilienzförderung Ki/Ju: Wie hilfreich erlebt? Team (Sicht Leitung) Team (Sicht Team) 20 0 sehr hilfreich hilfreich etwas hilfreich gar nicht hilfreich 18
19 Besonders hilfreiche Aspekte: Resilienzförderung Aus Sicht der Leitung: Aus Sicht des Teams: Gemeinsame Zeit ausserhalb der Einrichtung erleben Beziehungsaufbau Entspannte Zeit Durch die Absicht gezieltere Förderung Zeit zu zweit, Wertschätzung Beziehungsaufbau Pädagogische Möglichkeiten ausschöpfen Loslösung vom Alltag Verbindlichkeit Gemeinsame Planung/Auswertung Kennenlernen in neuem Kontext Zunehmende Sensibilisierung der Ki/Ju die Zeit wurde nie schlecht empfunden 19
20 Schwierigkeiten bei der Umsetzung Aus Sicht der Leitung: Aus Sicht des Teams: Zeitliche Gefässe einplanen Keine umsetzbaren Interessen der Ki/Ju Fokus auf Resilienzfaktoren Zeitliche Kapazitäten/Organisation Ki/Ju fordern kostenpflichtige Zeit (Konsumorientierung) Resilienzfaktoren im Auge behalten Motivation der Ki/Ju sehr unterschiedlich Herausforderung mit Ki/Ju, die viel Raum einnehmen (Interaktionen) 20
21 Schlussfolgerungen Interaktionsanalyse und Resilienzförderung benötigen zusätzliche Ressourcen sowohl zeitlich als auch der teilnehmenden Personen (Motivation) Loslösung vom Alltag und in die Tiefe gehen Herausforderung: Transfer in den Alltag und Nachhaltigkeit Interaktionsanalyse und Resilienzförderungscheinen pädagogische Möglichkeiten zu erweitern Fördern die Selbstwirksamkeit auf der Ebene der MA und der Ki/Ju httpwww.bauen-fuer-geborgenheit.dejugendhilfeeinrichtung.html 21
22 Schlussfolgerungen Empfehlungen: an institutionsinterne Abläufe / Möglichkeiten anpassen Umsetzung möglichst individuell Auf wichtige Faktoren bei der Durchführung achten / im Auge behalten: Interaktionsanalyse: z.b. Handlungsmöglichkeiten auffächern, NACHBESPRECHUNG Resilienzförderung: Absichtsvoll durchführen, Sinn und Zweck gut erläutern (Internalisierung/Nachhaltigkeit) 22
23 Der Weg dorthin Verschiedene Phasen in der Einführung der Resilienzförderung bei Kindern und Jugendlichen Einführungsphase: Verbindlichkeit, Spass&Freude, gemeinsame Zeit Übergangsphase: Einführung des Absichtsvollen, Resilienzfaktor wird von MA ausgewählt Internalisierung: Resilienzfaktor wird von Ki/Ju ausgewählt Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Februar
24 Publikationen / weiterführende Literatur Steinlin, C., Dölitzsch, C., Fischer, S., Lüdtke, J., Fegert, J. M. & Schmid, M. (2015). Burnout, Posttraumatische Belastungsstörung und Sekundärtraumatisierung. Belastungsreaktionen bei pädagogischen Fachkräften in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen der Schweiz. Trauma und Gewalt, 9 (1), Steinlin, C., Fischer, S., Dölitzsch, C., Fegert, J. M. & Schmid, M. (2015). Pädagogische Arbeit in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, eine gefahrgeneigte Tätigkeit. Ergebnisse einer epidemiologischen Studie. Trauma und Gewalt, 9 (1), Schmid, M., Steinlin, C. & Fegert, J. M. (2015). Die Rekonstruktion des sicheren Ortes. Überlegungen zum Umgang mit grenzverletzendem Verhalten gegenüber pädagogisch Mitarbeitenden. Trauma und Gewalt, 9 (1), Schmid, M. & Lang, B. (2015). Die traumapädagogische Interaktionsanalyse als Mittel der Fallreflexion. Trauma und Gewalt, 9 (1),
25 DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Basel Marc Schmid Birgit Lang Bettina Breymaier Sophia Fischer Nina Kind Judith Leisibach Jennifer Hartung Ulm Jörg M. Fegert Claudia Dölitzsch Alexander Küttner 25
26 Häufigkeit von grenzverletzendem Verhalten gegenüber den BetreuerInnen Beschimpfungen, Beleidigungen 79% Verbale Bedrohung Tätlicher Angriff Gezieltes Fertigmachen Sachbeschädigung Bedrohung mit Waffe Anspucken Verbale Bedrohung einer nahestehenden Person Entblössung von Kind/Jugendl. vor Person Andere sexuelle Angebote Sexuelle Belästigung Bedrohung eines Nahestehenden mit Waffe 6% 6% 3% 2% 2% 15% 10% 9% 9% 24% 53% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
27 miterlebte Übergriffe zwischen Kindern und Jugendlichen Gewalt 30% Sexuelle Übergriffe 10% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
28 Beobachtetes selbstschädigendes Verhalten der Kinder und Jugendlichen Selbstverletzendes Verhalten 41% Suizidversuch 9% Vollendeter Suizid 1% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
29 Anzahl Grenzverletzungen pro Person 25% Anzahl pro Person 21.9% 20% 15% 16.2% 16.2% 14.8% 22% mind. 5 unterschiedliche Erlebnisse 10% 9.1% 6.4% 6.1% 5% 0% 3.4% 2.4% 2.4% 1.0% 0.3% % mind. 1 Erlebnis
30 Burnout-Verdacht BOSS: Mindestens ein auffälliger Wert pro Skala Beruf Eigene Person 18% 18% Familie 30% Freunde 33% Körperliche Beschwerden 24% Kognitive Beschwerden Emotionale Beschwerden 15% 16% BOSS I 18% BOSS II 14% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Die Skala Beruf ist ausschlaggebend für den Verdacht auf Burnout.
31 PTBS -Symptomatik Verdacht auf PTBS (alle Kriterien vorhanden): 3 Teilnehmer (1% der Gesamtstichprobe) * Intrusion, Vermeidung, Hyperarousal 31
32 Sekundärtrauma-Symptomatik alle Kriterien (außer Suizid) vorhanden: 3 Teilnehmer (1% der Gesamtstichprobe) * Intrusion, Vermeidung, Hyperarousal, depressive Verstimmung, Suizidgedanken, Entgrenzung, Sexualität, Suchtverhalten, Reaktualisierung einer Vortraumatisierung, parapsychotisches Bedrohungserleben 32
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