VERFASSUNGSWIDRIGES ERBSCHAFTSTEUERGESETZ JANUAR 2015
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- Lucas Maurer
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1 TAX BRIEFING VERFASSUNGSWIDRIGES ERBSCHAFTSTEUERGESETZ JANUAR 2015 MIT DEM URTEIL VOM 17. DEZEMBER 2014 VERWIRFT DAS BVERFG TEILE DES DEUTSCHEN ERBSCHAFT- UND SCHENKUNGSTEUERGESETZES ALS VERFASSUNGSWIDRIG. DIESES BRIEFING ERLÄUTERT WELCHE REGELUNGEN IM DETAIL BETROFFEN SIND UND WELCHE AUSWIRKUNGEN DIESE FÜR DIE STEUERPFLICH- TIGEN HABEN Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ist verfassungswidrig Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 17. Dezember 2014 (Az. 1 BvL 21/12) entschieden, dass die steuerlichen Begünstigungen der Übertragung von betrieblichem Vermögen in den 13a und 13b des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar sind. Dies führt zur Unvereinbarkeit der Steuererhebung nach dem bisher geltenden Gesetz insgesamt, also auch von nicht begünstigtem Privatvermögen. Damit verwirft das Bundesverfassungsgericht zum dritten Mal innerhalb der letzten 20 Jahre Teile des deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes als verfassungswidrig. Zuletzt war dies im Jahr 2006 der Fall, als die Begünstigungen bei den Bewertungsvorschriften - insbesondere für Immobilienvermögen - als verfassungswidrig eingestuft wurden. Im nun entschiedenen Verfahren sind die vom Gesetzgeber mit der Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes zum 1. Januar 2009 eingeführten Begünstigungen für die Übertragung von betrieblichem Vermögen verfassungsrechtlich beurteilt worden. Welche Regelungen sind im Detail betroffen? Das Bundesverfassungsgericht hat die 13a und 13b ErbStG in Gänze als verfassungswidrig beurteilt, auch wenn nach Ansicht des Gerichts nur einzelne Regelungsteile davon tatsächlich gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Die Regelungen der 13a und 13b ErbStG dienen der Begünstigung des Übergangs
2 Watson Farley & Williams von Unternehmen zur Sicherung ihres Bestandes und der damit zusammenhängenden Arbeitsplätze. Im Detail handelt es sich um folgende Regelungen: Nach 13b ErbStG sind begünstigt: Inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen; inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder Anteils an einer Mitunternehmerschaft; dies betrifft insbesondere gewerbliche Personenhandelsgesellschaften; und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in der EU/EWR, sofern der Übertragende zu mehr als 25 % beteiligt ist; dies betrifft insbesondere Anteile an Aktiengesellschaften und GmbHs. Für dieses land- und forstwirtschaftliche Vermögen, Betriebsvermögen und entsprechende Anteile an Kapitalgesellschaften sieht das Gesetz Steuerbefreiungen durch den sogenannten Verschonungsabschlag in Höhe von 85 % (oder 100 %) der steuerlichen Bemessungsgrundlage vor, soweit die folgenden Begünstigungsvoraussetzungen erfüllt werden: Die Lohnsummen der Unternehmen unterschreiten über einen Zeitraum von 5 (oder 7) Jahren nicht einen bestimmten an der durchschnittlichen Lohnsumme vor der Übertragung bemessenen Mindestwert (Lohnsummentest); der Erwerber veräußert nicht innerhalb von 5 (oder 7) Jahren das begünstigt erworbene Vermögen (Behaltensfrist); und das übertragene Vermögen besteht nicht zu mehr als 50 % (oder 10 %) aus Verwaltungsvermögen (Verwaltungsvermögenstest). Nicht Gegenstand der Beurteilung nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil sind die Begünstigungen der Steuerklassenzuordnung für entsprechendes betriebliches Vermögen nach 19a ErbStG. Fortlaufende Besteuerung trotz Verfassungswidrigkeit Das Bundesverfassungsgericht hat einerseits die Verfassungswidrigkeit der benannten Regelungen in 13a und 13b ErbStG und in der Folge des gesamten Gesetzes festgestellt. Andererseits wird zur Vermeidung haushaltswirtschaftlicher Unsicherheiten und gravierender verwaltungstechnischer Probleme anstelle einer Rückabwicklung eine Fortgeltung der gleichheitswidrig befundenen Normen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber angeordnet. Der Gesetzgeber wird verpflichtet, eine Neuregelung bis spätestens zum 30. Juni 2016 zu treffen. Mithin sind die Begünstigungen des derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes bis zur gesetzlichen Neuregelung weiter zu gewähren. Beachtenswert ist jedoch der Hinweis am Ende Urteilsbegründung, dass im Fall einer exzessiven Ausnutzung der gleichheitswidrig befundenen Begünstigungen für betriebliches Vermögen kein Vertrauensschutz für eine Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen besteht. Der Gesetzgeber könne eine rückwirkende Neuregelung für den Zeitraum ab der Verkündung des Urteils am 17. Dezember 2014 einführen, die im Fall einer solchen exzessiven Ausnutzung der Begünstigungen greift. Mithin besteht keine uneingeschränkte Verlässlichkeit auf eine Fortgeltung der derzeit als verfassungswidrig eingestuften steuerlichen Begünstigungen, vielmehr ist eine höhere Steuerbelastung auch vor einer
3 Deutschland: Tax Briefing 3 gesetzlichen Neuregelung für Übertragungen nach dem 17. Dezember 2014 zu befürchten. Das Bundesministerium der Finanzen hat in einer Pressemitteilung zum Urteil bereits angekündigt, dass bis zur gesetzlichen Neuregelung nur vorläufige Steuerbescheide zu erteilen seien. Urteilsbegründung zur Verfassungswidrigkeit als Hinweis auf die künftigen gesetzlichen Änderungen Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der Urteilsbegründung mit bestimmten Details der Begünstigung von betrieblichem Vermögen auseinandergesetzt. Diese können als Hinweise an den Gesetzgeber gesehen werden, an welchen Stellen Änderungen zwingend erforderlich sind, um eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechtes zu erreichen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um: Eine generelle Begünstigung von Unternehmen ohne eine individuelle Bedürfnisprüfung, ob eine steuerliche Begünstigung zur Erhaltung des Unternehmens und der Arbeitsplätze überhaupt erforderlich sei, ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes nur für kleine und mittlere Unternehmen tragbar, mithin ist für Großunternehmen von dem Erfordernis einer individuellen Bedürfnisprüfung auszugehen. Wie eine solche Bedürfnisprüfung ausgestaltet werden soll und woran der Gesetzgeber sich hinsichtlich der Frage der Bedürftigkeit orientieren soll, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil nicht ausgeführt. Auch bleibt unklar, auf welcher Ebene (Unternehmen und/oder Erwerber) diese zu prüfen sei. Hier besteht mithin erhebliche Unsicherheit, wie eine verwaltungstechnisch praktikable und sinnhafte Ausgestaltung zur Feststellung der Bedürftigkeit erfolgen kann; die Ausnahmeregelung von den Anforderungen des Lohnsummentests für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes verfassungswidrig, da über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte haben und somit der weit überwiegende Teil der deutschen Betriebe über diese Ausnahme gerade nicht an den Lohnsummentest und damit an eine Erhaltung der Arbeitsplätze zur Erlangung der steuerlichen Begünstigung gebunden sei. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes muss aber eine solche Ausnahme zu dem grundsätzlich als Rechtfertigung für die Begünstigungen herangezogenen Erhalt der Arbeitsplätze auf eine Minderheit beschränkt bleiben. Sie darf nicht die Mehrheit aller Betriebe begünstigen, da andernfalls der eigentlich als Bedingung an eine begünstigte Übertragung geknüpften Lohnsummentest unterlaufen wird; die Begünstigung der Übertragung von Verwaltungsvermögen als Teil des betrieblichen Vermögens ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes zu großzügig bemessen. Bis zu 50 % des übertragenen Vermögens kann als nicht produktives Verwaltungsvermögen steuerlich begünstigt übertragen werden. Dies sei zu umfassend und damit verfassungswidrig; die gesetzlichen Regelungen des derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes erlauben legale Gestaltungen durch Nutzung der Begünstigungsregelungen zur Vermeidung einer Steuerpflicht. Beispielsweise kann durch eine Verschachtelung von Gesellschaften mit jeweils zulässigem Verwaltungsvermögen von bis zu 50 % über den Kaskadeneffekt eine insgesamt über 50 % liegende Begünstigung des übertragenden Gesamtvermögens erfolgen, ebenso kann durch Aufspaltung von Betrieben in mehrere Rechtsträger mit bis zu jeweils 20 Beschäftigten eine Umgehung des Lohnsummentests erreicht werden. Auch diese Gestaltungsmöglichkeiten
4 Watson Farley & Williams verstoßen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gegen den Gleichheitsgrundsatz. Unseres Erachtens wird der Gesetzgeber mindestens an diesen Punkten eine Änderung der derzeitigen Regelungen vornehmen. Umgekehrt hat das Bundesverfassungsgericht aber zu anderen Regelungen des derzeit geltenden Rechtes explizit die Verfassungskonformität bestätigt. Dies betrifft beispielsweise die Verschonung von betrieblichem Vermögen durch Minderung der Bemessungsgrundlage um 85 % (oder 100 %) dem Grunde nach, die Pauschalierung der Behaltefrist mit fünf oder sieben Jahren sowie die vom Gesetzgeber ausgewählten Vermögensarten, d.h. die Begünstigung von Betriebsvermögen einschließlich Anteilen an Personengesellschaften unabhängig von der Beteiligungshöhe, die Begünstigung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, an denen der Übertragende mit über 25 % beteiligt ist, sowie die umfassende Begünstigung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Auswirkungen für die Steuerpflichtigen Einerseits ist mit der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit der Begünstigungsregelungen für betriebliches Vermögen eine wichtige Steuerbegünstigung im derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz als verfassungswidrig beurteilt worden. Mithin ist davon auszugehen, dass diese als zu weitreichend beurteilten Begünstigungen an mehreren Stellen zu Lasten der Steuerpflichtigen verschärft werden. Insbesondere die Höchstgrenze von 20 Beschäftigten für die Ausnahmeregelung von dem Lohnsummentest dürfte voraussichtlich auf nur einige wenige Beschäftigte gesenkt werden. Zu dem ist zu erwarten, dass die Begünstigung von Verwaltungsvermögen eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen wird. Andererseits ist aber hervorzuheben, dass durch die Fortgeltung des als verfassungswidrig eingestuften Rechtes die bis zur Verkündung des Urteils am 17. Dezember 2014 vollzogenen Übertragungen aller Voraussicht nach nicht mehr vom Gesetzgeber mit rückwirkend verschärften Bedingungen zu einer höheren Steuer herangezogen werden können. Auch für künftige Übertragungen bis zu einer gesetzlichen Neuregelung kann gegebenenfalls das derzeit günstigere Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz angewendet werden. Damit eröffnet sich für die Steuerpflichtigen die Möglichkeit, ihre Übertragungen noch vor einer gesetzlichen Neuregelung nach dem alten oder, wenn dies günstiger erscheint, einem künftigen neuen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz mit einer individuell geplanten Gestaltung durchzuführen. Allerdings wird hierbei der Hinweis des Bundesverfassungsgerichtes auf eine zulässige rückwirkende Änderung für Zeiträume zwischen der Verkündigung des Urteils am 17. Dezember 2014 und dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung bei exzessivem Ausnutzen der verfassungswidrigen Normen sorgfältig zu berücksichtigen sein.
5 5 KONTAKT Sollten Sie Fragen zu diesem Briefing haben, können Sie sich gerne jederzeit an Gerrit Bartsch wenden. GERRIT BARTSCH Partner Hamburg Alle Rechte vorbehalten. Die Wiedergabe, Vervielfältigung, Verbreitung und/oder Bearbeitung sämtlicher Inhalte und Darstellungen des Beitrages sowie die sonstige Nutzung ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung von Watson Farley und Williams gestattet. Alle Verweise auf Watson Farley & Williams und das Unternehmen in diesem Dokument beziehen sich auf die Watson Farley & Williams LLP und /oder deren verbundene Unternehmen. Alle Nennungen von einem Partner beziehen sich auf ein Mitglied von Watson Farley & Williams LLP oder ein Mitglied oder Partner eines verbundenen Unternehmens oder einen Mitarbeiter bzw. Consultant mit vergleichbarer Position und Qualifikation. Dieses Briefing ist ein Produkt von Watson Farley & Williams. Es liefert eine Zusammenfassung von rechtlichen Belangen und ist nicht darauf ausgerichtet, rechtlichen Rat zu erteilen. Das hier Dargestellte eignet sich möglicherweise nicht für Ihre Situation. Bei Anfragen oder Wünschen nach einer Rechtsberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Ansprechpartner bei Watson Farley & Williams. Diese Publikation dient ausschließlich dem Zweck der Werbung LON NW NW 08/12/2015 Watson Farley & Williams 2015 wfw.com
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