Arbeitsgemeinschaft BGB AT SS 2018

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1 Arbeitsgemeinschaft BGB AT SS 2018 Fall 9 Der amerikanische Geschäftsmann M ist Sohn eines in Deutschland geborenen Vaters und spricht daher fließend Deutsch. Als das Unternehmen, für das er arbeitet, einen großen Auftrag in München erhält, wird M dorthin geschickt, um das Geschäft abzuwickeln. M fühlt sich in Deutschland auf Anhieb sehr wohl, obwohl es für ihn der erste Besuch im Heimatland seines Vaters ist, und freundet sich schnell mit den Leuten aus seiner Projektgruppe an. Da nun sein Abschied näher rückt, fasst er den Entschluss, zum Abschied ein typisch amerikanisches Barbecue zu veranstalten. Er lädt dazu alle Kollegen und Freunde zu sich ein. Da die letzten Tage des Projekts sehr stressig sind, kommt er erst am Vortag der Abschiedsparty dazu, sich über das Barbecue Gedanken zu machen. Es freut ihn daher umso mehr, dass an eben diesem Tag ein Prospekt des Supermarktes von P in der Büropost liegt, der einen Lieferservice anbietet. In diesem Prospekt preist P besonders das Flaschenbier der Marke Budweiser an (nur 8 pro Kasten). M ist von dem niedrigen Preis begeistert und freut sich, seinen Gästen echtes amerikanisches Bier anbieten zu können. Er ruft direkt seine Sekretärin S zu sich ins Büro und diktiert ihr einen Brief an P: Ich bestelle hiermit 20 Kästen Budweiser, wie im Prospekt vom heutigen Tag angepriesen. S vertippt sich und schreibt daher 30 Kästen. Dies fällt weder ihr noch M auf als er den Brief ohne ihn gelesen zu haben unterschreibt und sofort per Fax an P abschickt. Die Bestellung wird am Faxgerät des P ausgedruckt und er liest sie kurze Zeit später. Sofort sortiert P die Ware aus und versieht sie mit einem Auftragszettel, damit er sie am nächsten Morgen, wie von M gewünscht, zu diesem nach Hause bringen kann. Eine Rückmeldung an M erfolgt nicht. Am nächsten Morgen liefert P die Ware an M mit den Worten Wir freuen uns Seite 1 von 6

2 über Ihre Bestellung von gestern und hoffen Sie wieder zu sehen! aus und erhält von diesem für die Ware 240 in bar, die er in einen Umschlag legt und im Handschuhfach seines Lieferwagens deponiert. Einige Minuten nachdem P wieder weggefahren ist, wundert sich M über den hohen Preis und untersucht die Lieferung genauer. Er stellt mit Entsetzen fest, dass er nicht nur die falsche Anzahl Kästen erhalten hat, sondern es auch noch nicht einmal das richtige Bier ist. M wusste nämlich nicht, dass in Europa der Name Budweiser nicht von der amerikanischen Brauerei Anheuser-Busch, sondern von der tschechischen Brauerei aus Budweis verwendet wird. Umgehend ruft er bei P an, und alle Geschehnisse werden aufgeklärt. M sagt, er wolle unter diesen Umständen nichts mehr von dem Vertrag wissen und das Bier überhaupt nicht haben. Er fordert sein Geld zurück. P weigert sich, M das Geld, das noch im Umschlag im Handschuhfach des Lieferwagens liegt, zurückzugeben. Er ist der Meinung, dass M selbst schuld sei, wenn er das falsche Bier bestelle. Daher sei er zu gar nichts verpflichtet. Welche Ansprüche hat M gegen P? Seite 2 von 6

3 Skizze A. M - P Herausgabe Geldscheine gemäß 985 BGB I. Anspruch entstanden 1. Eigentum des M? Ursprünglich war M Eigentümer der Scheine Eigentumsverlust durch Aushändigung an P? a. Dingliche Einigung? aa. Einigung? bb. (+) cc. Wirksamkeit der Einigung? Unwirksam aufgrund Anfechtung, 142 Abs. 1 BGB? Anfechtungsgrund? M wollte Geldscheine übereignen; kein Irrtum dd. Wirksame Einigung (+) b. Dingliche Einigung (+) c. Übergabe, Berechtigung (+) 2. M ist nicht (mehr) Eigentümer der Geldscheine II. Anspruch nicht entstanden B. M - P kein Herausgabeanspruch gemäß 985 BGB Seite 3 von 6

4 C. M - P Anspruch auf Herausgabe der Geldscheine aus 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB I. Anspruch entstanden 1. Etwas erlangt? 2. Eigentum und Besitz an den Geldscheinen (+) 3. Durch Leistung? 4. Leistung des M erfolgte zur Erfüllung der (vermeintlichen) Verbindlichkeit aus 433 Abs. 2 BGB (+) 5. Ohne Rechtsgrund? a. Kaufrechtliche Einigung? o o o Prospekt = Aufforderung zur Angebotsstellung Angebot: Fax des M: 133, 157: 30 Kästen des tschechischen Budweiser-Biers Annahme: mit Ablieferung der Ware bei M (aa.: kleinere Bestellung im Bereich des täglichen Bedarfs durch Bereitstellen der Waren, 151 S. 1 BGB) b. Kaufrechtliche Einigung über 30 Kästen des tschechischen Bieres (+) c. Wirksamkeit? aa. Unwirksam aufgrund Anfechtung, 142 Abs. 1 BGB? Anfechtungserklärung 143 (+) Anfechtungsfrist 121 (+) Anfechtungsgrund? o Falsche Biersorte: Inhaltsirrtum 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB (+) Seite 4 von 6

5 o Zu hohe Menge: Erklärungsirrtum 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB? - Die Sekretärin vertippt sich - Kein eigenes Vertippen (-) Fehlerhafte Übermittlung 120 BGB? - Erforderlich wäre Verfälschung nach Abgabe - Abgabe: M entäußert die Willenserklärung in den Rechtsverkehr durch Absenden mittels Fax an P - Keine Veränderung nach der Abgabe (-) Inhaltsirrtum 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB: - Objektiv erklärt: Angebot über 30 Kästen - Keine subjektive Vorstellung beim Unterschreiben nichtgelesener Dokumente - vorliegend Unterschrift unter einem Diktat: subjektive Vorstellung: 20 Kästen Inhaltsirrtum 119 Abs.1 Alt. 1 BGB (+) Anfechtungsgrund (+) bb. Unwirksam aufgrund Anfechtung (+) d. Wirksamkeit (-) 6. Ohne Rechtsgrund (+) II. Anspruch nicht untergegangen, Anspruch durchsetzbar D. M - P Anspruch auf Herausgabe der Geldscheine aus 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB Seite 5 von 6

6 Weiterführende Literatur Kellermann, JA 2004, 405. Seite 6 von 6