17 Euklidische Ringe und Polynome
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- Georg Weiss
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1 17 Euklidische Ringe und Polynome Definition Sei R ein Integritätsbereich. Eine Abbildung δ : R \{0} N 0 heißt euklidisch falls gilt (E1) a, b R mit b 0: q, r R mit r = 0 oder mit r 0 und δ(r) < δ(b), sodass gilt: a = qb + r. δ heißt stark euklidisch falls (E1) gilt und ebenfalls (E2) a, b R \ {0}: a b = δ(a) δ(b). R heißt (stark) euklidischer Ring falls R ein Integritätsbereich ist und eine (stark) euklidische Abbildung δ : R \ {0} N 0 existiert. Bemerkung. In der Literatur trifft man oft Variationen der obigen Definition, die sich aber meistens als äquivalent zu obiger Definition herausstellen. Beispiel. Z ist ein stark euklidischer Ring mit stark euklidischer Abbildung δ : Z \ {0} N 0 : x x (Absolutbetrag). Satz (i) R ist ein euklidischer Ring = R ist HIR. (ii) Sei R ein stark euklidischer Ring mit einer stark euklidischen Abbildung δ : R \ {0} N 0. Sei m = min{δ(a) a R \ {0}}. Dann gilt: R = {a R \ {0} δ(a) = m}. Der Euklidische Algorithmus Wir wissen, dass in HIRs (oder allgemeiner in faktoriellen Ringen) immer ein ggt zweier Elemente (nicht beide gleich 0) existiert. Man kann nun in einem euklidischen Ring die euklidische Abbildung benutzen, um diesen zu berechnen. Dieser sogenannte euklidische Algorithmus funktioniert ganz analog zur Methode, mit der man schon in Z den ggt bestimmt hat. Sei also R ein euklidischer Ring mit euklidischer Abbildung δ. Seien a 0, a 1 R \ {0} (der Fall eines ggt mit einem der Elemente gleich 0 ist trivial). Seien q 1, a 2 R mit a 0 = q 1 a 1 + a 2 und δ(a 2 ) < δ(a 1 ) oder a 2 = 0. Falls a 2 = 0 so gilt a 1 a 0 und somit natürlich ggt(a 0, a 1 ) = a 1. Falls a 2 0 (und somit δ(a 2 ) < δ(a 1 )) folgt aus a 0 = q 1 a 1 + a 2 sofort, dass für jedes d R mit d a 0 und d a 1 auch d a 1 und d a 2 gilt und umgekehrt, also ggt(a 0, a 1 ) = ggt(a 1, a 2 ). Man fährt nun so fort und erhält Folgen q 1, q 2,..., q n R und a 2, a 3,..., a n R \ {0} (n N) mit δ(a i ) < δ(a i 1 ) für 56
2 2 i n, und a 0 = q 1 a 1 + a 2 a 1 = q 2 a 2 + a 3. a n 2 = q n 1 a n 1 + a n a n 1 = q n a n + 0 Dass dies nach endlich vielen, sagen wir n Schritten abbricht, d.h. dass man dann im n-ten Schritt a n+1 = 0 erhält, ist klar, da die δ(a i ) eine strikt fallende Folge von Elementen in N 0 bilden. Damit hat man nun ggt(a 0, a 1 ) = ggt(a 1, a 2 ) =... = ggt(a n 1, a n ) = a n. Wie in Z kann man damit nun auch rückwärts rechnen um s, t R zu bestimmen für die sa 0 + ta 1 = a n = ggt(a 0, a 1 ) gilt (Satz von Bézout!). Beispiel. Sei α = C. Man kann zeigen, dass Z[α] := {x + yα x, y Z} ein HIR aber kein euklidischer Ring ist. Bemerkung. Jeder Körper ist ein stark euklidischer Ring: Man kann z.b. δ : K N 0 : x 0 nehmen. Wir haben folgende strikte Inklusionen (hier: ER = euklidische Ringe, FR = faktorielle Ringe, IB = Integritätsbereiche, KR = kommutative Ringe): {Körper} {ER} {HIR} {FR} {IB} {KR} {Ringe} Zur Erinnerung: Für einen Ring R bezeichnen wir mit R[X] den Polynomring in der Unbestimmten (Variablen) X mit Koeffizienten in R. Falls 0 P (X) R[X], so schreiben wir P = P (X) = a n X n + a n 1 X n a 1 X + a 0 mit a n 0. Der Grad von P (X) ist dann definiert als Grad P = n, und a n wird Leitkoeffizient von P genannt, LK(P ) = a n. Wir definieren ferner Grad(0) = und LK(0) = 0. Mit der üblichen Konvention n + ( ) = für n Z { } hat man dann Lemma Sei R ein Integritätsbereich und f, g R[X]. Dann gilt Grad(f g) = Grad(f) + Grad(g) LK(f g) = LK(f) LK(g) Grad(f + g) max(grad(f), Grad(g)) Satz Sei R ein Ring, f, g R[X] mit g 0. Angenommen LK(g) R. Dann existieren q, r R[X] mit f = qg + r und Grad(r) < Grad(g) (hier: Grad(r) =, d.h. r = 0 möglich). 57
3 Damit erhält man sofort: Satz Sei K ein Körper. Dann ist die Abbildung Grad : K[X] \ {0} N 0 : f Grad(f) eine stark euklidische Abbildung. Insbesondere ist K[X] ein stark euklidischer Ring und damit ein HIR. Korollar Sei K ein Körper, f, g K[X] mit g 0. Dann existieren eindeutig bestimmte q, r K[X] mit f = qg + r und Grad(r) < Grad(g). Korollar Sei R ein Integritätsbereich, 0 f R[X], n = Grad(f). (i) f hat höchstens n verschiedene Nullstellen. (ii) Sind a 1, a 2,..., a m verschiedene Nullstellen von f (1 m n), so existiert ein g R[X] mit f = g m i=1 (X a i). Korollar Sei R ein Integritätsbereich, f R[X]. Angenommen für eine Teilmenge S R mit S = gilt f(λ) = 0 ( λ S). Dann gilt f = 0. Bemerkung. (1) Korollar 17.8 gilt nicht sobald R kein Integritätsbereich mehr ist. Denn dann existieren a, b R \ {0} mit ab = 0. Betrachte nun f = ax R[X], Da a 0 hat man Grad(f) = 1. Aber f(0) = a 0 = 0 = ab = f(b), also hat f mindestens zwei verschiedene Nullstellen, nämlich 0 und b. (2) Wir müssen unterscheiden zwischen Polynomen P (X) in R[X], und die durch ein solches Polynom gegebene Polynomfunktion f P : R R : λ P (λ). Zum Beispiel gilt für R = F 2 := Z/2Z = {0, 1}: P (X) = 0 und Q(X) = X 2 +X sind unterschiedliche Polynome, aber die dazugehörigen Polynomfunktionen sind gleich: f P = f Q : F 2 F 2 : λ 0 (Nullfunktion!). (3) Falls aber nun R ein Integritätsbereich ist mit R =, so gilt für Polynome P (X) und Q(X) in R[X]: P (X) = Q(X) f P = f Q. Lemma Sei K ein Körper. Dann ist f K[X] irreduzibel genau dann wenn gilt: (i) Grad(f) 1, und (ii) g, h K[X] mit 1 Grad(g), Grad(h) und f = gh. Insbesondere gilt: Grad(f) = 1: f irreduzibel; Grad(f) = 2, 3: f irreduzibel f hat keine Nullstelle in K. 58
4 Wir erinnern uns: Ein Polynom 0 f R[X] heißt monisch (oder normiert) falls LK(f) = 1. Falls R ein Integritätsbereich ist, so wissen wir ebenfalls, dass R[X] = R. In diesem Fall (R Integritätsbereich) gilt daher: f, g R[X] monisch und f assoziiert zu g = f = g. Falls R = K ein Körper ist, so kann man Polynome immer so skalieren, dass sie monisch sind. Insgesamt erhält man also, dass die Assoziationsklasse eines f K[X] \ {0} immer genau ein monisches Polynom enthält, welches wir als Repräsentanten dieser Assoziationsklasse wählen (ähnlich, wie man aus einer Assoziationsklasse {±m} eines m Z \ {0} immer das positive Element als Repräsentanten wählen kann). Man erhält damit aus 16.5, 16.6 und 17.6: Satz (ZPE in K[X]). Sei K ein Körper, und sei 0 f K[X]. Dann existieren ein eindeutig bestimmtes λ K und (bis auf die Reihenfolge) eindeutig bestimmte monische irreduzible Polynome p 1,..., p n K[X] mit f = λ n i=1 p i. Hierbei gilt λ = LK(f). Bemerkung. Man vergleiche diesen Satz mit ZPE in Z: Jedes m Z \ {0} lässt sich schreiben als m = ɛp 1 p 2 p n mit eindeutig bestimmtem ɛ {±1} = Z und bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmten Primzahlen p i. Die Rolle des Vorzeichens ɛ {±1} = Z entspricht also der Rolle des Leitkoeffizienten λ K. Die (positiven) Primzahlen entsprechen den monischen irreduziblen Polynomen. Beispiel. Mittels 17.3, 17.7 und Polynomdivision kann man den ggt zweier Polynome in K[X] (K Körper) bestimmen ganz analog zur Methode, wie man den ggt in Z bestimmt hat, indem man den euklidischen Algorithmus auf K[X] anwendet (mit der Gradabbildung als euklidischer Abbildung). Hier ein Beispiel: Bestimme ggt(x 7 + X 6 + X 5 + X 4 + X 2 + 1, X 4 + 1) in F 2 [X]: X 7 + X 6 + X 5 + X 4 + X }{{} f = (X 3 + X 2 + X + 1) (X 4 + 1) + (X 3 + X) }{{}}{{}}{{} q g r X = X(X 3 + X) + (X 2 + 1) X 3 + X = X(X 2 + 1) + 0 = ggt = X Mittels Bézout erhält man (beachte: +1 = 1 in F 2 ): X = 1(X 4 + 1) + X(X 3 + X) = 1(X 4 + 1) +X [ (X 7 + X 6 + X 5 + X 4 + X 2 + 1) + (X 3 + X 2 + X + 1)(X 4 + 1) ] = (X 4 + X 3 + X 2 + X + 1)(X 4 + 1) +X(X 7 + X 6 + X 5 + X 4 + X 2 + 1) = uf + vg 59
5 mit u = X, v = X 4 + X 3 + X 2 + X + 1. Satz Sei K ein Körper und sei G K mit G < (d.h. G ist eine endliche Untergruppe der multiplikativen Gruppe K = K \ {0}). Dann ist G zyklisch. 60
In einem faktoriellen Ring A existieren der größte gemeinsame Teiler ggt und das kleinste gemeinsame Vielfache kgv: Mit 0 a = λ i I pn i
2 Faktorielle Ringe In Folgenden seien alle Ringe stets Integritätsbereiche. Hier nun einige aus der Algebra 1 bekannte Definitionen und Fakten für einen Integritätsbereich A. x A heißt irreduzibel falls
Mehra i x i, (1) Ein Teil der folgenden Betrachtungen gilt auch, wenn man den Körper durch einen Ring ersetzt.
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