Offshore-Windkraft und Naturschutz



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Von Dr. Gero von Daniels und Dr. Maximilian Uibeleisen, Zeitschrift für Neues EnergieRecht 2011, Heft 6, S. 602-608 A Einleitung Der zügige Ausbau der Offshore-Windkraft ist der Schlüssel für das Gelingen der Energiewende. Übersehen wird dabei gern, dass auch Offshore-Windkraft nicht zum ökologischen Nulltarif zu haben ist: Der beim Einrammen der Pfähle für Windkraftanlagen entstehende Schall beeinträchtigt Schweinswale, rastende Seevögel können durch großflächige Windparks verscheucht und Benthoslebensgemeinschaften auf dem Meeresboden durch die Fundamente der Windparks gestört werden. Das Naturschutzrecht enthält derweil hohe Hürden für Beeinträchtigungen der Meeresflora- und fauna. Hinzu kommt, dass es erst relativ wenig Erkenntnisse über die Meeresumwelt gibt 1 und das deutsche Naturschutzrecht eigentlich auf den terrestrischen Naturschutz ausgerichtet ist 2. Nachfolgend wird ein Überblick über die naturschutzrechtlichen Anforderungen an Offshore-Windparks und die daraus in der Praxis resultierenden Probleme gegeben. B Geltendes Naturschutzrecht für Windparks auf dem Meer Welches Naturschutzrecht für Windparks gilt, richtet sich nach der räumlichen Lage der Windparks auf dem Meer. Werden 1 Vgl. etwa BMU, Nationale Strategie für die nachhaltige Nutzung und den Schutz der Meere (2008), S. 54 ff.; Zeiler/Dahlke/Nolte, promet 2005, 71 (73). 2 Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 56 Rn. 6; Koch, ZUR 2010, 365. Windparks innerhalb des Küstenmeeres, d.h. bis zu 12 Seemeilen von der Basislinie 3 und damit auf deutschem Hoheitsgebiet errichtet, so findet unmittelbar deutsches Recht, also das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und ergänzend die Landesnaturschutzgesetze der jeweiligen Küstenbundesländer, Anwendung 4. Da das Küstenmeer der Nordsee zu weiten Teilen als Nationalpark Wattenmeer ausgewiesen ist und Windparks in Küstennähe u.a. die Interessen des Tourismus beeinträchtigen und mit Fischereibelangen in Konflikt stehen, werden Windparks in Deutschland mittlerweile allerdings fast ausschließlich in der sich an die 12-Seemeilen-Zone anschließenden Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) als OffshoreWindparks geplant 5. Die AWZ ist indes kein deutsches Hoheitsgebiet, sondern bloß sogenanntes Funktionshoheitsgebiet 6. Hieraus folgt nach herrschender Meinung, dass deutsches Recht nur dann gilt, wenn es zuvor ausdrücklich für in der AWZ anwendbar erklärt wurde 7. Eine solche Erstreckungsklausel war im BNatSchG bis zur Einführung des 56 Absatz 1 BNatSchG in das BNatSchG 2010 8 3 Für solche Anlagen wird teilweise auch der Begriff Near-Shore verwendet. 4 Vgl. Art. 2, 3 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen v. 10.12.1982 (BGBl. 1994 II S. 1798); Gesetzesbegründung zu 56 BNatSchG, BT-Drs. 16/12274, S. 73. 5 Vgl. die Übersichtskarten auf der Homepage des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): http://www.bsh.de/de/ Meeresnutzung/Wirtschaft/CONTIS-Informationssystem/index.jsp. 6 Vgl. Art. 55 ff. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen. 7 Vgl. die Gesetzesbegründung zu 56 BNatSchG, BT-Drs. 16/12274, S. 73; Lagoni, NuR 2002, 121 (124 f.); VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003 19 K 3585/03,zit. nach BeckRS 2004, 21454; Heselhaus, in: Frenz/ Müggenborg, BNatSchG, 2011, 56 Rn. 13 m.w.n.; a.a. etwa Czybulka, NuR 2001, 367 (370). 8 BGBl. 2009 I S. 2542. 1

nicht enthalten. Naturschutzbelange konnten daher von dem zuständigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bei der Genehmigung von Offshore-Windparks in erster Linie nur im Rahmen des Versagungsgrunds der Gefährdung der Meeresumwelt gemäß 3 S. 1 Nr. 1 Seeanlagenverordnung (SeeAnlV) sowie der relativ allgemein gehaltenen Regelbeispiele der Verschmutzung der Meeresumwelt und der Gefährdung des Vogelzugs 9 berücksichtigt werden. Zudem hatte das BSH nach der Rechtsprechung des EuGH zur Geltung des europäischen Naturschutzrechts in der AWZ 10 die Bestimmungen der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie 11 zu beachten und daher etwa bei einer möglichen Betroffenheit von Natura 2000-Gebieten eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen 12. Alle anderen Vorschriften des BNatSchG waren hingegen nicht anzuwenden. Dies hatte der deutsche Gesetzgeber dadurch klargestellt, dass er trotz anhaltender Debatte über die Geltung des BNatSchG in der AWZ mit 38 BNatSchG 2002 13 lediglich die Vorschriften zum europäischen Habitatschutz in der AWZ für anwendbar erklärt hat 14. 9 3 S. 2 Nr. 2, 3 SeeAnlV. 10 EuGH, EurUP 2007, 282 (285); Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, Vor 56 Rn. 12. 11 Richtlinien 92/43/EWG (FFH) und 79/409/EWG (Vogelschutz). 12 Zeiler/Dahlke/Nolte, promet 2005, 71 (74 f.); Gellermann, NuR 2004, 75 (79 ff.); Koch/Wiesenthal, ZUR 2003, 350 (353). 13 BGBl. 2002 I S. 1193. 14 Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, 2002, 3 Rn. 66; Dahlke, NuR 2002, 472 (477); Gellermann, NuR 2004, 75 (80 f.); Lorz/Müller/ Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl. (2003), A 1 30 Rn. 14. Zur konstitutiven Wirkung des 56 Absatz 1 BNatSchG Heselhaus, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, 56 Rn. 1. Durch die zum 1.3.2010 in Kraft getretene Novelle des BNatSchG 2010 hat der Gesetzgeber das BNatSchG mit dem neuen 56 Absatz 1 weitestgehend auf die AWZ erstreckt; lediglich die Vorschriften über die Landschaftsplanung finden keine Anwendung und Windkraftanlagen in der AWZ, die bis zum 1.1.2017 genehmigt worden sind, werden von der allgemeinen Eingriffsregelung ausgenommen (vgl. 56 BNatSchG). Die Erstreckung des BNatSchG führt zu einer Verschärfung der naturschutzrechtlichen Anforderungen an Offshore-Windparks. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die nunmehr in der AWZ geltenden strengen Anforderungen des gesetzlichen Biotopschutzes sowie, ab dem 1.1.2017, die allgemeine Eingriffsregelung. In formaler Hinsicht ist des Weiteren von Bedeutung, dass mit 58 BNatSchG eine neue eigenständige Zuständigkeit des Bundesamts für Naturschutz (BfN) im Bereich der AWZ geschaffen wurde. Aufgrund der fehlenden Konzentrationswirkung der Genehmigung nach der SeeAnlV 15 ergibt sich daraus nach derzeitiger Rechtslage, dass nicht das BSH, sondern das BfN für die Erteilung von naturschutzrechtlichen Ausnahmen und Befrei-ungen zuständig ist und es insofern vom BfN abhängen kann, ob ein Offshore- Wind-park gebaut werden kann oder nicht. Allerdings soll die Genehmigungszuständigkeit nach dem ausdrücklichen Willen der Bundesregierung künftig wieder allein in der Hand des BSH liegen 16. Zur Umsetzung dieses Ziels sieht das Gesetz zur Änderung des der SeeAnlV zugrundeliegenden Seeauf- 15 2 Absatz 3 SeeAnlV. 16 Vgl. das 10-Punkte-Sofortprogramm der Bundesregierung v. 28.9.2010 (Punkt 1). 2

gabengesetzes vor, dass das Genehmigungsverfahren nach der SeeAnlV zukünftig als Planfeststellungsverfahren ausgestaltet werden kann 17. Doch soll die Beachtung der Belange bestimmter anderer Bundesbehörden auch hier abweichend von den allgemeinen Regelungen zum Planfeststellungsrecht und zum Naturschutzrecht 18 durch ein Einvernehmenserfordernis gestärkt werden können. Insofern ist davon auszugehen, dass die Position des BfN auch nach Einführung einer Konzentrationswirkung für die Zulassung von Offshore-Windparks stark bleiben wird. Die Änderung der SeeAnlV befindet sich derzeit noch in der Ressortabstimmung, das federführende Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung rechnet mit einem Inkrafttreten Ende 2011 oder Anfang 2012. C Naturschutzrecht in den einzelnen Projektphasen eines Offshore-Windparks Im Folgenden wird dargestellt, wie das Naturschutzrecht in den verschiedenen Lebensphasen eines Offshore-Windparks zum Tragen kommt. I. Genehmigungsphase Um einen Offshore-Windpark zu errichten, ist eine Genehmigung nach 2 Absatz 1 SeeAnlV erforderlich. Dieses Verfahren ist gewissermaßen das verwaltungsrechtliche 17 Vgl. Artikel 1 Nr. 4 b) Erstes Gesetz zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften (BGBl. 2011 I S. 1512) sowie die Gesetzesbegründung in BR-Drs. 255/11. Mutterverfahren, in dem das zuständige BSH die Zulässigkeit des Windparks prüft. Bei Projekten mit mehr als 20 Windkraftanlagen muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Dazu muss der Vorhabensträger die möglichen Auswirkungen des Offshore-Windparks auf die Umwelt einschließlich der Tiere und Pflanzen umfassend ermitteln und beschreiben 19 und als Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) beim BSH einreichen. Aufgrund einer Übereinkunft zwischen BSH und BfN erfolgt auch die weitere naturschutzfachliche Sachverhaltsermittlung durch das BSH im Rahmen des seeanlagenrechtlichen Genehmigungsverfahrens. So müssen erforderliche naturschutzfachliche Gutachten insbesondere zum Biotop- und Artenschutz als gesonderte Kapitel der UVS beim BSH eingereicht werden 20. Die UVS stellt die Vorhabensträger vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Insbesondere sind vom Vorhabensträger aufgrund häufig noch fehlender Informationen über die Meeresflora und -fauna eigene Bestandserhebungen durchzuführen, was bei Wassertiefen von bis zu mehr als 45 Metern 21 mit erheblichem Aufwand 19 Vgl. 2a SeeAnlV i.v.m. Nr. 1.6.1 der Anlage 1 zum UVPG. 20 Z.B. FFH-Verträglichkeitsprüfung, Spezielle Artenschutzrechtliche Prüfung. Näher zu der Übereinkunft zwischen BSH und BfN vom 9.2.2010 Kratsch/Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 30 Rn. 47. 21 Siehe hierzu die Übersicht unter http://www.offshore-wind.de/page/ index.php?id=4761. Die meisten internationalen Projekte (insbesondere in UK, Dänemark und den Niederlanden) liegen in deutlich geringeren Wassertiefen. 18 Hier ist derzeit nur ein Benehmenserfordernis vorgesehen, vgl. 58 Absatz 1 S. 2 BNatSchG. 3

verbunden ist. Um die Einheitlichkeit der Untersuchungen sicherzustellen und den Vorhabensträgern klare Leitlinien für die Untersuchungen zur Verfügung zu stellen 22, hat das BSH ein Standarduntersuchungskonzept vorgelegt, welches mittlerweile in der dritten Fassung vorliegt (sog. StUK 3 ) 23. Das StUK 3 sieht eine zweijährige Basisaufnahme vor, in deren Rahmen beispielsweise eine detaillierte Kartierung des Meeresbodens mit Sonaren, regelmäßige Befischungen sowie flugzeug- und schiffsgestützte Vogelund Meeressäugerzählungen über eine Fläche von mindestens 2.000 km² durchzuführen sind 24. Neben der Genehmigung nach der Seeanlagenverordnung ist je nachdem, ob und in welchem Umfang Naturschutzbelange betroffen sind gegebenenfalls noch die Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung durch das BfN nach Maßgabe des BNatSchG erforderlich. Wird also beispielsweise ein gesetzlich geschütztes Biotop i.s.d. 30 BNatSchG erheblich beeinträchtigt oder ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand nach 44 Absatz 1 BNatSchG verwirklicht, so ist der Offshore-Windpark nur dann zulässig, wenn das BfN zuvor eine Ausnahme nach 30 Absatz 3, 45 Absatz 7 BNatSchG oder eine Befreiung nach 67 Absatz 1, 2 BNatSchG erteilt hat 25. Die Genehmigung des BSH umfasst diese Ausnahmen und Befreiungen nicht, da ihr nach der derzeitigen 22 Zeiler/Dahlke/Nolte, promet 2005, 71 (73 f.). 23 Erhältlich unter http://www.bsh.de/de/produkte/buecher/standard/ index.jsp. 24 S. die detaillierten Vorgaben des StUK 3 unter Teil A Ziff. 12, 13 sowie Teil B; vgl. zusammenfassend auch Zeiler/Dahlke/Nolte, promet 2005, 71 (72 ff.). 25 Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, 58 Rn. 5 ff.; Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, 58 Rn. 4 ff. Rechtslage gemäß 2 Absatz 3 SeeAnlV keine Konzentrationswirkung zukommt. Etwas anderes gilt lediglich für die Huckepackverfahren der Eingriffsregelung 26 sowie der habitat-schutzrechtlichen Ausnahmen nach 34 Absatz 3-5 BNatSchG, die im Rahmen des jeweiligen Zulassungsverfahrens, hier also der seeanlagenrechtlichen Genehmigung, abzuarbeiten sind 27. Sofern das BfN eine erforderliche Ausnahme oder Befreiung nicht erteilt, kann ein Offshore-Windpark damit trotz Vorliegens einer Genehmigung nach der SeeAnlV nicht realisiert werden. Praktisch bedeutsam ist die Frage, was gilt, wenn nach Inkrafttreten des BNatSchG 2010 zum 1.3.2010 bekannt wird, dass ein Offshore-Windpark gegen nunmehr anwendbares Naturschutzrecht verstoßen würde und daher eigentlich die Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung erforderlich wäre. Dies kann vor allem mit Blick auf die in der AWZ neu eingeführten und bislang vom BSH nicht geprüften gesetzlich geschützten Biotope der Fall sein. Das BNatSchG enthält zur Geltung des Naturschutzrechts in der AWZ keine Übergangsregelungen. Insofern ist nach allgemeinen Grundsätzen davon auszugehen, dass 56 Absatz 1 BNatSchG und damit die im Einzelfall einschlägigen naturschutzrechtlichen Vorschriften ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1.3.2010 anzuwenden sind. Grenzen ergeben sich insoweit allerdings aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot 28. Ist ein Offshore-Windpark bereits errichtet, 26 Ab 1.1.2017, vgl. 56 Absatz 2 BNatSchG. 27 Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, 58 Rn. 8; Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 58 Rn. 4, 15. 28 Vgl. hierzu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Auflage (2011), Art. 20 Rn. 67 ff. 4

wird die nachträgliche Beantragung einer Ausnahme nicht verlangt werden können. Denn die im Rahmen der Errichtungsgenehmigung zu beurteilende Biotopbeeinträchtigung ist in der Regel bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits abgeschlossen. Zudem ist das Vertrauen des Windparkbetreibers in seine bereits getätigten Investitionen besonders geschützt. Läuft hingegen das seeanlagenrechtliche Genehmigungsverfahren für einen Offshore-Windpark noch, werden die neuen naturschutzrechtlichen Anforderungen bei der Genehmigung zu berücksichtigen sein, da hier noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Vorhabensträgers entstanden ist 29. Mit einem Grenzfall hat man es derweil bei Offshore-Windparks zu tun, für die bereits eine Genehmigung nach der SeeAnlV vorliegt, die aber noch nicht realisiert wurden 30. Geht man davon aus, dass das Rückwirkungsverbot nur greift, wenn die tatsächlichen Auswirkungen des Offshore-Windparks bereits eingetreten sind und der naturschutzrechtlich relevante Tatbestand damit abgeschlossen ist, bestünde grundsätzlich ein nachträgliches naturschutzrechtliches Genehmigungserfordernis. Doch wäre hier dann zumindest dem Vertrauen des Vorhabensträgers in den Genehmigungsbestand im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung besonderes Gewicht beizumessen 31. 29 So Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 56 Rn. 7. 30 Das betrifft derzeit 25 Offshore-Windparks, Stand Juni 2011 (vgl. die Tabelle auf der Homepage der Windenergieagentur, http://www.wab.net/images/stories/pdf/offshore/wab_offshoretabelle_a4_nord-ostseede_06-2011.pdf). 31 Vgl. zu Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Fällen unechter Rückwirkung Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. (2011), Art. 20 Rn. 76. II. Fristverlängerung Die Genehmigungen für Offshore-Windparks werden durch das BSH auf Grundlage des 4 Absatz 2 Nr. 1 a) SeeAnlV in der Regel auf circa zwei bis drei Jahre befristet. Zweck der Befristung ist es, die Genehmigungen für Offshore-Windparks später an neue Erkenntnisse und rechtliche Anforderungen anpassen zu können 32. Solche neuen Erkenntnisse können sich mit Blick auf die Meeresumwelt vor allem aus dem sogenannten 3. Untersuchungsjahr nach StUK 3 ergeben. Danach ist die zweijährige Basisaufnahme in der Regel mit einem weiteren Untersuchungsjahr zu aktualisieren, wenn die Bauarbeiten für einen Windpark nicht im dritten Jahr nach Abschluss der Basisaufnahme aufgenommen werden 33. Soweit sich dabei herausstellt, dass neue, bislang unbekannte oder aufgrund der fehlenden Geltung des BNatSchG in der AWZ nicht berücksichtigte Naturschutzbelange betroffen sind, kann die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme oder Befreiung, aber auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen 34 in der Genehmigung nach der SeeAnlV erforderlich werden. III. Errichtung und Betrieb Wird der Offshore-Windpark realisiert, muss das Projekt während der gesamten Lebensdauer der Anlagen einschließlich der Stilllegung in Übereinstimmung mit den in 32 Brandt/Gassner, Seeanlagenverordnung, 2002, 9 Rn. 3; vgl. zur Parallelvorschrift in 18 Absatz 1 Nr. 1 BImSchG Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 3, Loseblatt Stand: 2011, 18 Rn. 1 f., 37. 33 StUK 3, Teil A Ziff. 12.1. 34 Vgl. 4 Absatz 1 S. 2 SeeAnlV. 5

der Genehmigung festgelegten naturschutzfachlichen Anforderungen betrieben werden 35. Zur Sicherstellung dieser Anforderungen ist während der Errichtung und mindestens der ersten drei Betriebsjahre von Offshore-Windparks ein bau- und später ein betriebsbegleitendes Monitoring durchzuführen, dessen Ergebnisse dem BSH jährlich vorzulegen sind 36. Treten hierbei neue Erkenntnisse zu Tage, kann das BSH diese insbesondere im Wege nachträglicher Auflagen und Anordnungen gemäß 4 Absatz 1, 15 Absatz 2 SeeAnlV berücksichtigen. Exemplarisch genannt sei die Möglichkeit der Anordnung einer vorübergehenden Abschaltung von Windkraftanlagen im Falle von massivem Vogelzug, wie sie in vielen Genehmigungsbescheiden vorbehalten ist 37. Dabei ist allerdings in Abgrenzung zu einem entschädigungspflichtigen Widerruf der Genehmigung auf Grundlage des 49 Absatz 2 VwVfG zu beachten, dass die nachträglichen Auflagen und Anordnungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen und insbesondere nicht einen wirtschaftlichen Betrieb des Windparks grundsätzlich in Frage stellen dürfen 38. Soweit sich die jeweiligen Beeinträchtigungen durch den Offshore-Windpark anders nicht beseitigen lassen, kommen 35 Vgl. auch 13 SeeAnlV, wonach der Betreiber u.a. sicherzustellen hat, dass von der Anlage während des Betriebs oder nach einer Betriebseinstellung keine Gefahren für die Meeresumwelt und keine Beeinträchtigungen sonstiger überwiegender öffentlicher Belange ausgehen. 36 StUK 3, Teil A Ziff. 12.2 f., 14.2. 37 Vgl. etwa den Genehmigungsbescheid für den Offshore-Windpark Deutsche Bucht, dort Nebenbestimmung 21 (Anm.: Alle Genehmigungsbescheide sind auf der Homepage des BSH unter http://www. bsh.de/de/meeresnutzung/wirtschaft/windparks/index.jsp abrufbar). 38 Brandt/Gassner, Seeanlagenverordnung, 2002, 4 Rn. 32; zur Abgrenzung zwischen nachträglicher Anordnung und Widerruf im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Jarass, BImSchG, 8. Aufl. (2010), 17 Rn. 37 a; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 3, Loseblatt, Stand: 2011, 17 Rn. 30, 21 Rn. 13. schließlich auch eine vorübergehende Betriebsuntersagung, sowie, als ultima ratio, die Anordnung der Beseitigung der Windkraftanlagen in Betracht, vgl. 15 Absatz 3 S. 1, 3 SeeAnlV. Für die neu auf die AWZ erstreckten naturschutzrechtlichen Vorschriften stellt sich die Frage, ob die Überwachung ihrer Einhaltung durch das BfN im Rahmen der naturschutzrechtlichen Generalklausel 39 oder einheitlich durch das BSH zu erfolgen hat. Gemäß 58 Absatz 1 BNatSchG ist das BfN nur zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gemäß 15 Absatz 1 SeeAnlV ist für die Überwachung von Offshore-Windparks uneingeschränkt das BSH zuständig. Allerdings sind die Anordnungsbefugnisse des BSH im Rahmen der Überwachung auf die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach der SeeAnlV begrenzt. Dies ergibt sich eindeutig aus den Ermächtigungsgrundlagen in 4 Absatz 1, 15 Absatz 2, 3 SeeAnlV. Anordnungen des BSH zur Durchsetzung anderer, nicht von der SeeAnlV erfasster Belange, sind daher unzulässig 40. Insofern könnte zumindest mit Blick auf diejenigen naturschutzrechtlichen Vorschriften, die inhaltlich nicht bereits vor der Erstreckung des BNatSchG auf die AWZ vom BSH abgedeckt wurden, bezweifelt werden, ob deren Durchsetzung überhaupt von den seeanlagenrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen gedeckt ist. Für eine entsprechende Kompetenz des BSH spricht jedoch, dass das BSH auch bislang schon die Einhaltung der meisten naturschutzrechtlichen Vorschriften (insbesondere des europäischen Habitat- und Arten-schutzrechts) im Rah- 39 3 Absatz 2 BNatSchG. 40 Brandt/Gassner, Seeanlagenverordnung, 2002, 15 Rn. 3. 6

men der Gefährdung der Meeresumwelt bzw. der sonstigen öffentlichen Belange 41 überwacht hat und sich durch die Geltungserstreckung des BNatSchG an der Überwachung der Einhaltung der naturschutzrechtlichen Vorschriften durch das BSH nichts ändern sollte 42. Dies wird in der Gesetzesbegründung zu 58 Absatz 1 BNatSchG zumindest für Genehmigungszuständigkeiten ausdrücklich festgestellt, wonach durch die Vorschrift [ ] bestehenden Zuständigkeiten anderer Behörden zur Zulassung von Vorhaben und Maßnahmen, etwa des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie [ ], Rechnung getragen [ ] werden soll 43. Dennoch wäre hier ein klarstellender Hinweis, wie er für die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen bereits in 15 Absatz 1 S. 2 SeeAnlV enthalten ist, hilfreich. D Inhaltliche Vorgaben des Naturschutzrechts Die maßgeblichen inhaltlichen Vorgaben des Naturschutzrechts ergeben sich für Offshore-Windparks vor allem aus dem in der AWZ neu eingeführten gesetzlichen Biotopschutz ( 30 BNatSchG) sowie dem besonderen Artenschutzrecht ( 44, 45 BNatSchG). Da beide Schutzregime nebeneinander gelten, kann es dabei durchaus vorkommen, dass bei einem Vorhaben parallel Vorgaben 41 Zur Berücksichtigung von naturschutzrechtlichen Vorschriften im Rahmen des Versagungsgrundes nach 3 S. 1 Nr. 2 SeeAnlV Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 56 Rn. 61. 42 Für einen einheitlichen Vollzug, allerdings ohne nähere Begründung, offenbar auch Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 56 Rn. 67, 58 Rn. 9; Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, 58 Rn. 8; Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, 58 Rn. 10. 43 BT-Drs. 16/12274, S. 74. etwa sowohl des Biotopschutzes als auch des Artenschutzes zur Anwendung gelangen und dementsprechend mehrere Ausnahmen oder Befreiungen erteilt werden müssen 44. Dem Natura 2000-Gebietsschutz kommt hingegen in der AWZ eher untergeordnete Bedeutung zu. Hinsichtlich der Eingriffsregelung werden nachfolgend nur einige problematische Aspekte angerissen, da diese für Offshore-Windparks erst ab dem 1.1.2017 gelten wird. Im Einzelnen: I. Biotopschutz Der gesetzliche Biotopschutz gilt in der AWZ erst seit Erstreckung des BNatSchG auf die AWZ. Damit stellt der Biotopschutz gänzlich neue Anforderungen an Offshore- Windparks, deren Handhabung in der Praxis nicht unproblematisch ist. Als für Offshore- Windparks relevante Biotoptypen kommen zunächst die in 30 Absatz 2 Nr. 6 BNatSchG genannten Biotope in Betracht, insbesondere die Riffe, sublitoralen Sandbänke und Schlickgründe mit bohrender Bodenmegafauna. Aus Sicht eines Vorhabensträgers ist dabei zu beachten, dass die Biotope allein durch ihre Aufzählung in 30 Absatz 2 BNatSchG geschützt sind, eine vorherige Schutzgebietsausweisung ist nicht erforderlich 45. Vorhabensträger können sich daher nicht auf die Prüfung bereits bestehender Schutzgebietsausweisungen beschränken, sondern müssen durch naturschutzfachliche Gutachten selbst prüfen, ob in ihrem 44 Für den Biotopschutz bestimmt dies 30 Absatz 8 BNatSchG ausdrücklich; zum Konkurrenzverhältnis der verschiedenen Schutzregime im Übrigen Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, 30 Rn. 17 f.; Lütkes, a.a.o., 13 Rn. 5 f., 15 Rn. 44. 45 Vgl. die Gesetzesbegründung zu 30 BNatSchG, BT-Drs. 16/12274, S. 63. 7

Vorhabengebiet möglicherweise gesetzlich geschützte Biotoptypen vorhanden sind 46. Diese Prüfung führt jedoch in der Praxis zu erheblichen Unsicherheiten, wie das Beispiel der Schlickgründe mit bohrender Bodenmegafauna verdeutlicht. Hier ist zunächst unklar, ab was für Schlickgehalten auf dem Meeresboden man es überhaupt mit Schlickgründen i.s.d. 30 Absatz 2 Nr. 6 BNatSchG zu tun hat. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie hoch die Dichte der Megafauna sein muss, zumal sie teilweise wandert und ihren Standort verändert. Einheitliche Maßstäbe oder Kartieranleitungen fehlen bislang, die Gesetzesbegründung enthält lediglich eine generelle Beschreibung der Biotoptypen 47. Einigkeit dürfte lediglich darüber bestehen, dass es gewisse (räumliche) Bagatelleschwellen gibt, unterhalb derer in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass kein schützenswerter Lebensraum i.s.d. 30 Absatz 2 Nr. 6 BNatSchG vorliegt 48. Ähnliche Schwierigkeiten bestehen hinsichtlich der Frage, wann eine tatbestandsmäßige erhebliche Beeinträchtigung eines Biotops vorliegt. Beeinträchtigungen von Biotopen können insbesondere durch die Gründung von Offshore-Windkraftanlagen entstehen. So bedecken beispielsweise Schwerkraftfundamente pro Windrad bis zu 1.200 m² des Meeresbodens. Allerdings ist das Kriterium der Erheblichkeit nicht weiter definiert, und auch allgemeinen Umschreibungen, 46 Anm.: Zwar werden die Biotope gemäß 30 Absatz 7 BNatSchG behördlich registriert und die Registrierung wird öffentlich zugänglich gemacht. Die Registrierung ist aber rein deklaratorischer Natur. Zudem werden nur solche Biotope registriert, die ohnehin bereits bekannt sind. 47 BT-Drs. 16/12274, S. 63. 48 Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, 30 Rn. 4. die auf Art, Umfang, Schwere und Dauer einer nicht nur geringfügigen nachteiligen Veränderung abstellen 49, lassen sich keine zuverlässigen Erheblichkeitsschwellen für die relevanten Meeresbiotope entnehmen. Es ist deshalb jeweils im Einzelfall naturschutzfachlich zu klären, ob eine erhebliche Biotopbeeinträchtigung vorliegt, was angesichts fehlender allgemein anerkannter Erheblichkeitsschwellen unter Umständen mit hohem Begründungs- und Diskussionsaufwand verbunden sein kann. Ist im konkreten Fall eine erhebliche Beeinträchtigung eines gesetzlich geschützten Biotops durch ein Vorhaben zu erwarten, stellt der Biotopschutz für einen Windpark grundsätzlich ein hohes Hindernis dar. Der Vorhabensträger hat zwar die Möglichkeit, beim BfN eine Ausnahme oder eine Befreiung zu beantragen. Die Zulassung einer Ausnahme ist indes gemäß 30 Absatz 3 BNatSchG nur dann möglich, wenn die Beeinträchtigungen aus einer Biotopverletzung ausgeglichen werden können. Mit einem Ausgleich sind ausweislich der Gesetzesbegründung Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des 15 Absatz 2 S. 2 BNatSchG gemeint 50, d.h. die beeinträchtigten Biotopfunktionen müssen in gleichartiger Weise und in räumlicher Nähe zum Eingriff wiederhergestellt werden. Diese Voraussetzung führt zu erheblichen praktischen Problemen, da in letzter Konsequenz in der AWZ neue gleichartige Biotope geschaffen werden müssten. Wie in Meerestiefen bis zu 45 Metern neue Schlickgründe mit bohrender Megafauna eingerichtet werden sollen, ist allerdings unklar. 49 Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, 30 Rn. 8. 50 BT-Drs. 16/12274, S. 63. 8

Die Schwierigkeiten zeigen, dass das Naturschutzrecht eigentlich auf den terrestrischen Naturschutz zugeschnitten ist und bislang unzureichend auf den marinen Naturschutz angepasst ist 51. Dabei wird man sich auch nicht stets mit der Erteilung von Befreiungen nach 67 BNatSchG behelfen können. Denn das für Befreiungen bestehende Erfordernis eines atypischen Sonderfalls 52 wird sich zwar für einzelne Windparks begründen lassen. Allerdings würde der Sonderfall in sein Gegenteil verkehrt, wenn in Zukunft für sämtliche Offshore-Projekte, bei denen erhebliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind, Befreiungen erteilt würden 53. Andererseits dürfte vom Gesetzgeber kaum gewollt gewesen sein, mit dem Biotopschutz ein grundlegendes Hindernis für den Ausbau der Offshore-Windkraft zu schaffen, zumal damit auch die Energiewende zum Scheitern verurteilt wäre 54. Ein Lösungsansatz könnte möglicherweise darin bestehen, den Gedanken aus 56 Absatz 2 BNatSchG, wonach die Eingriffsregelung für Offshore- Windparks bis zum 1.1.2017 suspendiert ist, auf den Ausgleich für Biotopbeeinträchtigungen zu übertragen. Hierfür würde sprechen, dass der Ausgleich nach 30 Absatz 3 BNatSchG mit dem Ausgleich im Sinne 51 Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 56 Rn. 5; Koch, ZUR 2010, 365. 52 Vgl. nur BVerwG, NVwZ 1993, 583. 53 Vgl. hierzu VGH München, NuR 2003, 753 (755); Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 67 Rn. 5. 54 Anm.: Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Offshore- Windleistung bis 2030 auf 25.000 MW ausgebaut werden, vgl. Energiekonzept der Bundesregierung vom 28.9.2010, S. 8. Mit Stand 06/2011 waren in der AWZ mit dem Testfeld Alpha Ventus und der ersten Ausbaustufe des Windparks Bard 1 60 MW installiert (Stand Juni 2011, vgl. die Tabelle auf der Homepage der Windenergieagentur, http://www.wab.net/images/stories/pdf/offshore/ WAB_Offshoretabelle_A4_Nord-OstseeDE_06-2011.pdf). der (suspendierten) Eingriffsregelung identisch ist und zudem auch bei Biotopbeeinträchtigungen der Kompensationsbedarf möglicherweise noch nicht abschließend bewertet werden kann 55. II. Artenschutz Besondere Herausforderungen ergeben sich für Offshore-Windparks derzeit überdies aus den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten des 44 Absatz 1 BNatSchG. Die in der Nord- und Ostsee vorkommenden und nach Anhang IV der FFH-Richtlinie streng geschützten Schweinswale reagieren empfindlich auf den bei der Errichtung von Offshore- Windparks entstehenden Lärm 56. Auch wenn die Auswirkungen von Lärm auf Schweinswale noch nicht abschließend erforscht sind 57, wird befürchtet, dass die intensiven Geräusche das Gehör von Schweinswalen schädigen und diese erheblich in ihrer Nahrungssuche und Fortbewegung beeinträchtigen können. Damit steht eine Verwirklichung des Tötungs- und Verletzungsverbots ( 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG) im Raum 58. 55 Vgl. die Gesetzesbegründung zu 56 Absatz 2, BT-Drs. 16/12274, S. 73. 56 Anm.: Beim Bau einer Windkraftanlage werden bei der derzeit üblichen Variante der Pfahlgründung massive Pfähle durch einen Hammer mit etwa 2.000 bis 3.000 Schlägen pro Stunde in den Meeresgrund getrieben. 57 Vgl. die ausführlichen Ausführungen im Genehmigungsbescheid für den Offshore-Windpark Deutsche Bucht, S. 73 ff. (Anm.: Alle Genehmigungsbescheide sind auf der Homepage des BSH unter http://www.bsh.de/de/meeresnutzung/wirtschaft/windparks/index.jsp abrufbar). 58 Anm.: Ob daneben auch eine Verletzung der Verbotstatbestände nach 44 Absatz 1 Nr. 2, 3 BNatSchG in Betracht kommt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa davon, ob der Windpark in der Nähe zu einem Fortpflanzungsgebiet während der Fortpflanzungszeit verwirklicht werden soll. Tendenziell geht das BSH aber eher davon aus, dass Auswirkungen durch Rammschall auf der Populationsebene ausgeschlossen werden können ( 44 Absatz 1 Nr. 2 BNatSchG) und den Rammarbeiten zudem die für eine Verletzung des 44 Absatz 1 Nr. 3 BNatSchG erforderliche Langzeitwirkung fehlt, vgl. Genehmigungsbescheid Deutsche Bucht, S. 83 f. 9

Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt daher, für den Nahbereich bis 750 Meter Radius um die Rammstelle sicherzustellen, dass sich darin bei Durchführung der Rammarbeiten keine Schweinswale befinden. Um dies zu erreichen, können Schweinswale vor Beginn der Rammarbeiten durch akustische Vergrämungsmaßnamen aus der unmittelbaren Umgebung der Baustelle vertrieben werden. Alternativ wird die sogenannte Softstart -Methode angewandt, bei der die Pfähle anfangs nicht mit voller Kraft in den Meeresboden gerammt werden. Für den Bereich ab 750 Metern Entfernung empfiehlt das UBA indes die Einhaltung eines Einzelereignis-Schallexpositionspegels (SEL) von 160 db 59. Auch wenn es sich hierbei bislang lediglich um einen Näherungswert handelt, der zudem bestimmte Sicherheitsabschläge beinhaltet 60, legt das BSH den Wert derzeit als verbindlichen Grenzwert in seinen Genehmigungen fest 61. Daraus resultieren in der Praxis erhebliche praktische Probleme für den Bau von Offshore- Windparks, da es noch keine ausreichenden technischen Möglichkeiten gibt, um die Einhaltung des Grenzwerts sicherzustellen. Auch wenn aus der Praxis bislang kein Fall bekannt ist, in dem Rammarbeiten endgültig eingestellt werden mussten 62, bedeutet eine Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich eine Verletzung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen, so dass 59 UBA, Empfehlung von Lärmschutzwerten bei der Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen (OWEA), Mai 2011, S. 3. 60 UBA, Empfehlung von Lärmschutzwerten bei der Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen (OWEA), Mai 2011, S. 3. 61 Vgl. Genehmigungsbescheid Deutsche Bucht, dort Nebenbestimmung 14. die Rammarbeiten zu unterlassen wären und Offshore-Windparks mit ihren gegenwärtigen Gründungsmethoden nicht weiter errichtet werden dürften. Da mit einer Anhebung des Lärmgrenzwerts seitens des UBA kaum zu rechnen ist, suchen Industrie und Forschung derzeit intensiv nach technischen Lösungsmöglichkeiten. Neben alternativen Einbringungsmethoden (z.b. durch Bohrungen) und neuen Fundamentarten (z.b. Schwimmfundamente) besteht eine dritte Optionen in Lärmminderungsmaßnahmen (z.b. Blasenschleier), wobei bislang keine dieser Maßnahmen einen durchschlagenden Erfolg gezeigt hat. Eine weitere Variante könnte insbesondere mit Blick auf die Störung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Schweinswale in der Festlegung von Rammverbotszeiten liegen. Rammverbotszeiten würden allerdings vorwiegend in den Sommermonaten liegen, da Schweinswale während dieser Zeit besonders zahlreich in den Vorhabengebieten für Offshore-Windparks auftreten. Das würde jedoch zu einer deutlichen Verzögerung wenn nicht gar Verhinderung des Ausbaus von Offshore- Windparks führen. Denn eine zügige Errichtung von Offshore-Windparks ist gleichfalls nur in den Sommermonaten möglich, da der Bau der Windparks in der übrigen Zeit durch die schlechteren Wetter- und Lichtbedingungen deutlich erschwert ist. Außer für Meeressäuger können Offshore- Windparks auch für zahlreiche Vogelarten artenschutzrechtliche Konflikte hervorrufen. Rastvögel wie Bergenten oder Seetaucher können durch die Scheuchwirkung bei Errichtung und Betrieb der Windparks während der Überwinterungszeiten gestört 62 Vgl. Spiegel Online v. 23.1.2011, Windpark-Boom bedroht Schweinswale. 10

werden (vgl. 44 Absatz 1 Nr. 2 BNatSchG) 63. Für Zugvögel begründen die Windparks zudem ein erhebliches Kollisionsrisiko 64, für das wiederum das Verletzungs- und Tötungsverbot des 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG greift. Problematisch ist dies insbesondere für die in der Nacht ziehenden Arten, die durch die zum Schutz des Schiffs- und Luftverkehrs notwendigen Signalfeuer der Windkraftanlagen angezogen werden könnten. Diesbezüglich ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings zu beachten, dass die Offshore-Windparks nur dann artenschutzrechtlich relevant sind, wenn sie sich als signifikante Steigerung des allgemeinen Tötungsrisikos, das Zugvögel immer trifft, erweisen 65. In welchem Maß die Offshore-Windparks das Tötungsrisiko tatsächlich erhöhen, ist zudem naturschutzfachlich noch nicht abschließend geklärt. Für einige Vogelarten wie etwa Seeschwalben sind Ausweichmanöver vor den Rotoren auch innerhalb des Windparks kein Problem. Im Übrigen gibt es möglicherweise wie bei Leuchttürmen die technische Option, den Lichtkegel einzuschränken oder vogelfreundliche Lichtfarben zu wählen, um die Anlockungswirkung zu minimieren. Abschaltungen von Windparks bei Massenzugereignissen sind hingegen unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten problematisch, da sie zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen der Windparkbetreiber führen. Soweit durch einen Offshore-Windpark artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirklicht werden, bedeutet das freilich nicht automatisch das Aus des Projekts. So kommt eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen vor allem gemäß 45 Absatz 7 Nr. 5 BNatSchG aus anderen zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses hier vor allem des Klimaschutzes in Betracht, vorausgesetzt allerdings, dass keine zumutbaren Alternativen existieren und sich der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Arten nicht verschlechtert. Zudem steht die Erteilung von artenschutzrechtlichen Ausnahmen im Ermessen der Behörde. Das insoweit zuständige BfN hat jedenfalls mit Blick auf den Rammschall bereits signalisiert, dass es ohne verbesserten Lärmschutz keine Ausnahmen oder Befreiungen erteilen würde 66. III. Gebietsschutz Der Natura 2000-Gebietsschutz spielt für die Genehmigung von Offshore-Windparks eine gegenüber dem Biotop- und Artenschutz eher untergeordnete Rolle. Zwar sind auch in der AWZ in Nord- und Ostsee acht FFH- sowie zwei Vogelschutzgebiete ausgewiesen 67. Offshore-Windparks innerhalb dieser Gebiete sind aber in den Raumordnungsplänen für die AWZ in der Nord- und Ostsee mit deren Inkrafttreten am 26.9.2009 bzw. am 19.12.2009 für unzulässig erklärt 63 Anm.: Zur Vermeidung von erheblichen (d.h. populationsschädigenden) Störungen wurde im nord-östlichen Bereich der AWZ der Nordsee vor den nordfriesischen Inseln ein Hauptkonzentrationsgebiet für Seetaucher festgelegt, in dem keine Offhore-Windparks mehr zugelassen werden. 64 Anm.: Daneben haben Offshore-Windparks auch eine gewisse Barrierewirkung für Zugvögel, diesbezüglich wird eine Standortwahl außerhalb der Hauptzugskorridore diskutiert. 65 BVerwG, NVwZ 2008, 1238. 66 Vgl. FAZ.NET v. 8.3.2011, Naturschutzamt bremst Offshore- Windstrom. 67 Vgl. die Informationen auf der Homepage des BfN (http://www. bfn.de/habitatmare/de/natura2000-in-der-deutschen-awz.php). 11

worden 68. Laut 2 Absatz 2 SeeAnlV sind die Ziele der Raumordnung im seeanlagenrechtlichen Genehmigungsverfahren unmittelbar zu beachten. Gebietsinterne erhebliche Beeinträchtigungen von Schutzgebieten durch den Bau von Windparks sind damit ausgeschlossen. Da Offshore-Windparks zudem gemäß 31 Absatz 3 EEG von der Förderung durch garantierte Grund- und Anfangsvergütungen ausgeschlossen sind, dürften sie innerhalb der Natura 2000-Gebiete auch wirtschaftlich uninteressant sein. Daneben können zwar erhebliche Beeinträchtigungen von Schutzgebieten durch außerhalb von Schutzgebieten liegende Projekte hervorgerufen werden 69. Damit das Schutzregime des 34 BNatSchG zum Tragen kommen, ist allerdings auch bei solchen gebietsexternen Projekten erforderlich, dass sie konkret zu erheblichen Beeinträchtigungen der Schutzgebiete führen können. Wird die Entfernung eines Offshore-Windparks zu einem Schutzgebiet so gewählt, dass erhebliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden können, greift das Schutzregime damit nicht. Für Beeinträchtigungen von Seevögeln durch die Scheuchwirkung von Offshore-Windparks wird diesbezüglich von einer maximalen Einwirkungsentfernung von 2 Kilometern ausgegangen 70. Zudem ist mit Blick auf Lärmbeeinträchtigungen während der Bauphase (Rammschall) zwar 68 Siehe die Verordnungen über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee vom 21.09.2009 (BGBl. I 3107) bzw. in der Ostsee vom 10.12.2009 (BGBl. I 3861), jeweils Ziffer 3.5.1 Absatz 3 der Anlage zu 1. Offshore-Windparks, die bei Inkrafttreten der Raumordnungspläne bereits planungsrechtlich verfestigt waren, sind von dem Ausschluss ausgenommen. 69 OVG Lüneburg, Urt. v. 12.11.2008 12 LC 72/07, zit. nach BeckRS 2008, 41176; EuGH, NuR 2006, 166; Kerkmann, in: Kerkmann, Naturschutzrecht in der Praxis, 2. Aufl. (2010), 8 Rn. 140, 185 (m.w.n.). 70 Vgl. Genehmigungsbescheid Deutsche Bucht, S. 94. davon auszugehen, dass der Schall auch über weitere Entfernungen trägt 71. Da aber der Schall mit zunehmender Distanz abnimmt und damit auch der Grenzwert von 160 db ab einer gewissen Distanz unterschritten wird, ist auch hier mit eher begrenzten Auswirkungen zu rechnen. Darüber hinaus erfordert eine Schutzgebietsbeeinträchtigung eine gewisse Dauerhaftigkeit 72, die bei Rammschall nach derzeitigen Erkenntnissen nicht gegeben ist 73. IV. Ausblick: Eingriffsregelung Weitgehend unklar ist derzeit noch, wie die allgemeine Eingriffsregelung ab dem 1.1.2017 74 sinnvoll auf Offshore-Windparks angewendet werden kann 75. Eine strikte Handhabung der Eingriffsregelung entsprechend der für Eingriffe an Land geltenden Grundsätze dürfte kaum in Frage kommen, wenn das stufenweise Eingriffsfolgenregime beibehalten und die Eingriffsregelung nicht entgegen ihrem eigentlichen Charakter zu einer Zulassungsschranke werden soll. Das wird bereits deutlich, wenn man die 71 Laut UBA, Empfehlung von Lärmschutzwerten bei der Errichtung von Offshore-Windenergieanlagen (OWEA), Mai 2011, S. 4, ergeben sich Einwirkungen auf Schweinswale auch in einer Entfernung von mehr als 20 Kilometern. 72 Kerkmann, in: Kerkmann, Naturschutzrecht in der Praxis, 2. Aufl. (2010), 8 Rn. 189; Lorz/Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl. (2003), A 1 34 Rn. 10. 73 Vgl. Genehmigungsbescheid Deutsche Bucht, S. 81. 74 Anm.: Für alle anderen Aktivitäten in der AWZ gilt die Eingriffsregelung schon heute. Im Zusammenhang mit Offshore-Windparks ist die Eingriffsregelung vor allem bei der Genehmigung der stromabführenden Kabel zu berücksichtigen. 75 Anm.: Klarheit bringen insoweit auch die vom BSH erarbeiteten Leitsätze zur Anwendung der Eingriffsregelung innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone noch nicht, da diese die gesetzlichen Vorgaben für Offshore-Windparks nur sehr begrenzt konkretisieren. Die Leitsätze sind unter http://www.bsh.de/de/meeresnutzung/wirtschaft/windparks/index.jsp erhältlich. 12

Realisierbarkeit von Kompensationsmaßnahmen i.s.d. 15 Absatz 2 BNatSchG in der AWZ betrachtet. Eine Aufwertung der Natur in der AWZ, etwa durch Schaffung neuer Riffe oder Seegraswiesen, ist praktisch nur begrenzt durchführbar und würde zudem schnell in Konflikt mit anderen Nutzungen, wie etwa der Schleppnetzfischerei geraten. Auch die Beseitigung bestehender Störungen kommt nur sehr begrenzt in Betracht. Diskutiert wird hier beispielsweise die Beseitigung vorhandener Anlagen (z.b. Bohrinseln) oder auch die Einschränkung des Schiffsverkehrs 76. Da jedoch nur wenige beseitigungsfähige Anlagen in der AWZ vorhanden sind und weitergehende Maßnahmen wie eine Einschränkung des Schiffsverkehrs weder durch den Vorhabensträger eines Offshore-Windparks noch durch die deutschen Behörden möglich sind 77, wird sich der praktische Nutzen solcher Vorschläge voraussichtlich in Grenzen halten. Schließlich stößt auch die von 15 Absatz 4 BNatSchG geforderte rechtliche Sicherung der Kompensationsmaßnahmen in der AWZ auf Schwierigkeiten, weil es sich bei der AWZ nicht um deutsches Hoheitsgebiet handelt, so dass es dort auch kein Grundeigentum Privater gibt und dementsprechend eigentumsbezogene Sicherungsmechanismen nicht in Betracht kommen 78. Geht man somit davon aus, dass Kompensationsmaßnahmen bei Offshore-Windparks in der AWZ wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt machbar sind, wird die Eingriffs- 76 Vgl. ausführlich zu diesem Thema Czybulka, in: Schumacher/ Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2011), 15 Rn. 174 ff. 77 Koch, ZUR 2010, 365 (370). 78 In der AWZ gibt es kein Eigentum Privater; Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, 2002, 5 Rn. 43; Koch, ZUR 2010, 365. regelung regelmäßig auf eine Abwägungsentscheidung nach 15 Absatz 5 BNatSchG hinauslaufen. Auch wenn hier sicher Einiges dafür spricht, dass im Rahmen der Abwägung die für die Errichtung von Offshore- Windparks streitenden Belange die Naturschutzbelange überwiegen, steht eine regelmäßige Handhabung der Eingriffsregelung als Zulassungsschranke der eigentlichen Struktur der Eingriffsregelung als Folgenbewältigungsprogramm 79 entgegen. Schließlich folgt der Abwägungsentscheidung die Entscheidung über die Höhe der zu leistenden Ersatzzahlungen, die hier aufgrund fehlender Durchschnittskosten für vergleichbare Kompensationsmaßnahmen sowie fehlender Maßstäbe zur Ermittlung der dem Vorhabensträger erwachsenden Vorteile nicht minder schwierig ist 80. Insgesamt bleibt daher mit Blick auf die Eingriffsregelung zu hoffen, dass das Bundesumweltministerium in einer Rechtsverordnung nach 15 Absatz 7 BNatSchG die Handhabung der Eingriffsregelung bei Offshore-Windparks noch näher und in einer auch für den marinen Bereich praktisch handhabbaren Weise regeln wird. E Fazit Seit der Erstreckung des BNatSchG auf die AWZ zum 1.3.2010 hat das Naturschutzrecht für Offshore-Windparks erheblich an Bedeutung gewonnen und führt teilweise zu schwer überwindbaren Hürden. Dies gilt umso mehr, als bestimmte Vorgaben des 79 BVerwG, NVwZ 2004, 1486 (1496); Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, 15 Rn. 65. 80 15 Absatz 6 BNatSchG, hierzu ausführlich etwa Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, 15 Rn. 109 ff. 13

BNatSchG, die eigentlich auf den terrestrischen Naturschutz zugeschnitten sind, im Bereich des maritimen Naturschutzes kaum praktikabel sind. Vorhabensträgern ist daher zu raten, Standorte für neue Windparkprojekte sorgfältig zu wählen, um naturschutzrechtliche Restriktionen (etwa aufgrund von geschützten Biotopen oder von Konzentrationsgebieten bestimmter Arten) so weit wie möglich zu vermeiden. Zudem wird an der Entwicklung neuer technischer Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten sein, um negative Auswirkungen von Offshore-Windparks auf die Meeresumwelt weiter zu reduzieren. In jedem Fall wird der im Rahmen der Energiewende beschlossene schnelle und massive Ausbau der Offshore-Windkraft nur gelingen, wenn die gesetzlichen Instrumentarien des BNatSchG zur Konfliktbewältigung sachgerecht und flexibel gehandhabt werden. Die Autoren sind als Rechtsanwälte im Bereich Environment, Planning and Regulatory (EPR) am Berliner Standort der Kanzlei tätig. Der Aufsatz basiert auf einem Vortrag, den die Autoren im Rahmen der Konferenz Offshore-Windkraft und Naturschutz ein unlösbarer Konflikt? am 30.6.2011 in Berlin gehalten haben. Der Aufsatz berücksichtigt die Rechtslage bis zum 15.11.2011. freshfields.com ist eine Limited Liability Partnership mit Sitz in 65 Fleet Street, London EC4Y 1HS, registriert in England und Wales unter der Registernummer OC334789. ist von der Solicitors Regulation Authority zugelassen und wird von dieser reguliert. Weitere regulatorische Informationen finden Sie im Internet unter www.freshfields.com/support/legalnotice. January 2012, 32086 14