Darwin'sche Evolutionstheorie Hauptseminar Mathematische Biologie Prof. Dr. Lukacova Referent: Eric Bastendorf 14.02.2012
Inhalt Die Evolution des genetischen Systems Rückblick in die Populationsgenetik Modifikatortheorie Spieltheorie Geschichtlicher Hintergrund Die Theorie Das Tauben-Falken-Spiel Replikatordynamik Quellen
Die Evolution des genetischen Systems Rückblick in die Populationsgenetik
Bisher wurden nur unendliche Populationen betrachtet taucht ein günstiges Allel auf kommt es zur Fixierung Betrachten wir nun eine endliche Population, trifft dies nicht mehr notwendigerweise zu In diesem Fall können stochastische Effekte wichtig sein Die Theorie des Gendrifts gibt auch hier Aufschluss über die Änderung der Allelfrequenzen
Folgende Fragen werden in der modernen Populationsgenetik gestellt: Wie entwickelt sich das genetische System? Wie entwickeln sich Mutationen? Warum gibt es beim Menschen zwei Geschlechter? Um zu sehen, welche Probleme auftreten können, müssen wir uns jedoch folgende Frage stellen: Warum sind die Wildtyp Allele an einem Locus fast immer dominant? Hier setzt die Modifikatortheorie an
Die Evolution des genetischen Systems Die Modifikatortheorie
Betrachte zwei Loci Seine A und B zwei Allele am ersten Locus mit A vorteilhafter als B Seien M und N zwei Allele am zweiten Locus Die Dominanzbeziehung zwischen A und B ist durch den Modifikator-Genotypen bestimmt A sei dominant über B, falls MM der Modifikator-Genotyp ist B sei dominant über A, falls NN der Modifikator-Genotyp ist Es ist keine Dominanz vorhanden, falls MN der Modifikator-Genotyp ist
Der Modifikator-Genotyp soll allerdings keine Auswirkung auf die Fitness haben Wenn M fixiert wird, dann wird das günstige Allel A dominant wir nehmen an, dass sich Dominanz entwickelt Sei die Fitness von AA 1 und von BB 1 s (egal was der Modifikator-Genotyp ist) Aus der Dominanzannahme folgt für die Fitness des Heterozygoten AB 1, falls der Modifikator-Genotyp MM ist, 1 s für NN, 1 1 s für MN 2 Die Frequenz von A sei p und die von M sei m
Unter zufälliger Paarung, schwacher Selektion und ohne Epistasie erhalten wir folgende Gleichungen für die Änderung der Frequenzen p und m: p = sp 1 p 1 p + 2p 1 1 m up + v 1 p, m = sp 1 p m 1 m. Hier wurden Mutationen von A nach B (und umgekehrt) berücksichtigt unter der Annahme u, v s 1. Verwenden wir das Nichelson-Bailey Modell aus dem zweiten Vortrag Populationsdynamik wechselwirkender Spezies erhalten wir folgende Ergebnisse: Die festen Zustände (p, m ) dieses Systems sind bei S 1 = (p 1, 0) und S 2 = p 2, 1. Ähnlich wie bei der Balance zwischen Mutation und Selektion (Kapitel 4.6) erhalten wir p 1 1 u s, p 2 1 u s.
Die Eigenwerte bei S 1 sind näherungsweise u und s, bei S 2 us und 2s S 1 ist unstabil mit Wachstumsrate 1 + u S 2 ist stabil mit Dämpfungsrate 1 su Das Modifikator-Gen wird fixiert, so dass sich Dominanz entwickelt Die Invasionsrate 1 + u des Modifikator-Gen hängt von der Mutationsrate am ersten Locus ab (oft von der Größenordnung 10 6 ) Invasion ist extrem langsam Wir sind zwar zu einem Ergebnis gekommen, jedoch wird bis heute noch sehr viel darüber diskutiert, ob solch ein langsamer Prozess die Überlegenheit von dominanten Wildtyp Genen erklären kann
Spieltheorie Geschichtlicher Hintergrund
In den 1940er Jahren von den Mathematikern John von Neumann und Oskar Morgenstern entwickelt um Strategien in wirtschaftlichen Wechselwirkungen zu erforschen Dabei konnte ein Individuum Geld von einem Anderen gewinnen oder verlieren Es wurde angenommen, dass ein Individuum rational im Sinne seines eigenen Interesses handelt 1967 veröffentlichte der Evolutionsbiologe Bill Hamilton eine unstabile Strategie für Geschlechtsverteilung, wobei er Ideen der Spieltheorie verwendete
Das Kriterium der Rationalität und der Stabilität wurde dabei durch das der Populationsdynamik und das vom eigenen Interesse durch die Darwin sche Fitness ersetzt In den 1970er Jahren wurde diese Idee von John Maynard Smith erweitert Er suchte nach einer ESS (evolutionarily stable strategy) für Wechselwirkungen bei Tieren Dabei wird die Auszahlung erzielt, indem man einer Strategie folgt, die abhängig von Strategien ist, die von Anderen verfolgt wird eine wichtige Eigenschaft der Spieltheorie, die nicht immer in populationsgenetischen Modellen angewendet werden kann
Spieltheorie Die Theorie
j Wird zur Erforschung evolutionärer Prozesse, Ausbreitung und Verteilung von Verhaltensmustern in Tierpopulationen durch natürliche Selektion, Ausbreitung von Infektionen, etc. genutzt Sie untersucht die zeitliche und/oder räumliche Entwicklung verschiedenen Phänotypen in einer Population Zwischen diesen Phänotypen finden Wechselwirkungen statt, bei denen sie verschiedene Strategien verwenden Bsp. Revierkämpfe Die eingesetzten Strategien entscheiden über eine Veränderung der Fitness der einzelnen Phänotypen Diese Veränderung der einzelnen Phänotypen beeinflusst wiederum ihre Verbreitung innerhalb der Population
Auf die Idee kam man durch die Tatsache, dass selbst schwer bewaffnete Tiere in Revier- und Paarungskämpfen ihre Waffen nur in den seltensten Fällen einsetzen, um einen Rivalen tödlich zu verletzen Das wurde früher noch durch das Prinzip der Arterhaltung erklärt Da man dabei jedoch annahm, dass eine biologische Spezies rationale Entscheidungen treffen kann, entfernte man sich von dieser Ansicht
Spieltheorie Das Tauben-Falken-Spiel
Wir nehmen an, dass zwei alternative Strategien auf ein Tier, welches mit einem Anderen um eine Ressource kämpft, anwendbar sind Falke H kämpft bis er gewinnt oder verliert Taube D balzt, zieht sich jedoch zurück, wenn sein Gegenüber um sich greift Eine gemischte Strategie P, spiele H mit Wahrscheinlichkeit p und D mit Wahrscheinlichkeit 1 p, ist auch möglich Die Auszahlungen der einzelnen Strategien werden dann in einer Auszahlungsmatrix dargestellt
Für eine Ressource wird angenommen, dass sie ein Gewinn G von Fitness erzielt Ein Falke-Taube Wettkampf um eine Ressource führt dazu, dass sie an den Falken geht Bei zwei Tauben wird die Ressource entweder geteilt oder eine Taube erhält sie komplett mit Wahrscheinlichkeit 1 2 Bei zwei Falken wird einer den Kampf verlieren und Kosten C tragen und der andere wird die Ressource gewinnen. Die durchschnittliche Auszahlung beträgt dann 1 (G C). 2
Um nun eine Evolution zu modellieren, betrachten wir eine Population von Individuen, die verschiedene reine Strategien (H oder D) oder gemischte (P) Strategien anwenden Die Individuen werden zufällig gepaart und sie häufen die dazugehörigen Auszahlungen an Sie produzieren zu sich identischen Nachwuchs (die Anzahl ist gleich einer anfänglichen konstanten Fitness plus die Auszahlungen) Eine Strategie heißt ESS, wenn sie immun gegen eine eindringende Mutantenstrategie ist eine Population in der alle Individuen dieselbe ESS anwenden, wird nie durch eine natürliche Selektion zu einer anderen wechseln
Allgemein: Wir betrachten Spiele mit n reinen Strategien Dabei beschränken wir uns auf Spiele in Normalform, d.h. bei denen die Auszahlung durch eine Matrix beschrieben wird Sei U = (u ij ) die n n Auszahlungsmatrix, so dass u ij die Auszahlung für ein i-stratege gegen einen j- Strategen ist, für i, j = 1,, n Gemischte Strategien werden durch einen Wahrscheinlichkeitsvektor (Spaltenvektor) p = (p i ) beschrieben, wobei p i die Wahrscheinlichkeit ist, mit der Strategie i verwendet wird Die i-te reine Strategie wird mit dem i-ten Einheitsvektor e i dargestellt
Die Auszahlung eines i-strategen gegen einen q- Strategen ist gegeben durch (Uq) i = e T i Uq Die Auszahlung eines p-strategen gegen einen q- n i,j=1 Strategen ist gegeben durch p T Uq = u ij p i q i Diese Auszahlung bezeichnen wir mit W(p, q) Die Wahrscheinlichkeitsvektoren, die die Strategien beschreiben, sind aus der Simplex S n 1 p = p i R n : p i 0, p i = 1 i=1 Die Ecken dieser Simplex entsprechen den n reinen Strategien Der Rand S n 1 besteht aus allen Vektoren p S n 1 mit mindestens einem Eintrag = 0, d.h. alle Strategien mit supp p = i: p i > 0 1,2,, n n
Das Innere S n 1 \ S n 1 besteht aus allen Vektoren p S n 1 mit allen Einträgen > 0 Wenn eine kleine Anzahl mutierter q-strategen in eine Population von p-strategen eingeführt wird, sich jedoch nicht behaupten kann, ist p eine ESS p ergeht es besser als q, sprich W q, εq + 1 ε p < W p, εq + q ε p ( ) für alle q und alle ε hinreichend klein Da diese Bedingung nicht leicht zu überprüfen ist, besonders weil p nicht immer bekannt ist, führen wir eine alternative Form ein Da W stetig in der zweiten Variablen ist, folgt für ε 0, dass W q, p W p, p p q
Da W linear in der zweiten Variablen ist, folgt εw q, q + 1 ε W q, p < εw p, q + 1 ε W(p, p) für alle q p und alle ε hinreichend klein Entweder ist W q, p < W p, p, 1 oder W q, p = W(p, p) und W q, q < W p, q (2) für alle q p Mit diesen Bedingungen lässt sich auch überprüfen, ob die gegebene Strategie p eine ESS ist außerdem leichter zu zeigen wie die ursprüngliche Bedingung
Für zwei reine Strategien A und B definieren wir V A = W A, A W B, A, V B = W B, B W(A, B) wo V(A) und V(B) die Gewinne sind, die von den angesiedelten reinen Strategien gegenüber den alternativen reinen Strategien in einer Umgebung von A bzw. B erzielen Diese Größen bestimmen den Ausgang des Spiels Nun sei P, spiele A mit Wahrscheinlichkeit p, die angesiedelte gemischte Strategie Q, spiele A mit Wahrscheinlichkeit q, eine mutierte gemischte Strategie Die Größe, die entscheidet ob Q in P einfallen kann, ist W Q, P W(P, P)
Es gilt W Q, P W P, P = p q V B 1 p p, mit p = V(B)/(V A + V B ). p (0,1) V(A) und V(B) beide positiv oder beide negativ sind Wenn p 0 gilt 1 p p > 0 p 0,1
Zurück zu den Tauben und Falken Setze Falken als A und Tauben als B Dann gilt V A = V H = W H, H W D, H = 1 2 und V B = V D = W D, D W H, D = 1 G 2 G C G > C, V H > 0, V D < 0, W Q, P W P, P > 0 so lange wie q > p jede mutierte Strategie mit höherer Wahrscheinlichkeit Falke zu spielen, kann in eine gegebene angesiedelte Strategie einfallen die einzige ESS: spiele Falke mit Wahrscheinlichkeit 1
G < C, V H < 0, V D < 0, mit p = W Q, P W P, P = 1 2 C(q p)(p p ) V D V H +V D = G C Um hier die ESS zu finden betrachten wir folgenden Plot
die einzige ESS ist p = p = G C mit W Q, P W P, P = 0, aber W Q, Q < W(P, Q) (vgl. Gleichung (2)) Sind die Kosten in Relation zum Gewinn hoch, sollte die Strategie Taube in einem Großteil von Zusammentreffen angewendet werden Eine ESS heißt konvergent-stabil, wenn eine Population ausgehend von jeder Strategie nach einer ESS strebt
Konvergente Stabilität und evolutionäre Stabilität sind nicht äquivalent Dies kann unter Anderem zu Populationsspaltungen führen, wobei verschiedene Strategien verfolgt werden Führt möglicherweise zu Artenbildung
Replikatordynamik
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Welche Strategie wird verwendet, wenn alle Individuen dieselbe Strategie verwenden? Wie verändert sich durch natürliche Selektion jeweils die Anzahl der Individuen, die eine anwendbare Strategie verwenden? Grund für diese Fragen ist, dass es oft unrealistisch ist, dass jedes Individuum in einer Population dieselbe Strategie verwendet verschiedene Strategien benötigen verschiedene Entscheidungen zur Ressourceneinteilung
Die erste Frage ist im Bereich der Steady States anzusiedeln Für die zweite Frage benötigt man ein Modell von evolutionären Dynamiken die Replikatorgleichungen Betrachte eine Population, in der jedes einzelne Individuum eine von n reinen Strategien anwendet Die Frequenz des i-ten Phänotyps sei x i Der Zustand des Systems wird mit folgender Replikatorgleichung beschrieben x i = w i x w x x i für jedes i = 1,, n, wobei w i (x) die Fitness des i-ten n Phänotyps und w x = x j w j (x) j=1 die durchschnittliche Fitness der Population ist
Die Auszahlungen des Spiels wurden als eine Veränderung der Fitness interpretiert (ausgehend von einem Basislevel) Dieses Basislevel verschwindet, wenn wir w von w i subtrahieren x i = W e i, x W x, x x i = ( Ux i x T Ux)x i Mit diesem System von Gleichungen repräsentieren wir einen evolutionären Prozess Bsp. Gemeiner Seitenfleckleguan (Uta stansburina)
Dieses Beispiel ist äquivalent zum Kinderspiel Schere- Stein-Papier Sei p die symmetrische Strategie ( 1 3, 1 3, 1 3 ) Dann ist p ein Nash-Gleichgewicht für jede Strategie q, W q, q = W p, q = W p, p = 0 kein ESS Replikatorgleichungen x = x y z, y = y z x, z = z x y
Angenommen, es gibt eine Art Strafe wenn ein Individuum ein Anderes vom selben Phänotyp trifft die Nullen auf der Diagonalen der Auzahlungsmatrix werden durch ε ersetzt symmetrische Strategie wird ein ESS besteht eine Population aus Phänotypen, die die symmetrische Strategie spielen, kann in diese nicht eingefallen werden Sind die reinen Strategien die einzig möglichen Phänotypen, dann neigt die Population zum symmetrischen Zustand
Quellen Nicholas F. Britton: Essential Mathematical Biology
1 Das wars! Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!