Bericht zur Veranstaltung Fair Trade statt Freihandel à la TTIP! PublikForum - Chefredakteur referiert in der Stadthalle Sigmaringen

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Transkript:

Bündnis 90 / Die Grünen Kreisverband Sigmaringen 1. Vorsitzender: Thomas Friedrich, Ostrach Geschäftsführerin: Sabine Hug, Illmensee Pressesprecher: Wolfgang Lohmiller (Kontakt: kv.sigmaringen@gruene.de - 07581-2903) 2015-06-10 Bericht zur Veranstaltung Fair Trade statt Freihandel à la TTIP! PublikForum - Chefredakteur referiert in der Stadthalle Sigmaringen Kreis Sigmaringen: Gerhard Stumpp, Grüner Sigmaringer Stadtrat, begrüßte in der Stadthalle Sigmaringen ca. 150 Gäste zur Vortragsveranstaltung zum Thema TTIP mit Dr. Wolfgang Kessler. Auf Einladung des Sigmaringer Kreisverbandes Bündnis 90/Die Grünen war der gebürtige Ravensburger Kessler, Chefredakteur von Publik Forum, am vergangenen Montag nach Sigmaringen gekommen. Sie sind heute gekommen, um sich einem komplexen Thema zu widmen, sagte Stumpp. Es kann nicht sein, dass Konzerne Staaten vor geheimen Schiedsgerichten verklagen dürfen, regte er die Zuhörer zum Nachdenken an. Mitten hinein ins Thema des Abends brachte der Stadtrat die Zuhörer mit Begriffen, welche im Zusammenhang mit TTIP diskutiert werden: Fracking, Hormonfleisch aus den USA, gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Äckern... Kessler verstand es, den Zuhörern das komplexe Thema kurzweilig und anschaulich näher zu bringen. Es wurde rasch deutlich: Kessler schaut genau hin, benennt sowohl negative als auch positive Aspekte und bietet Alternativen. Den Präsidenten der USA, Barack Obama, lobte er für sein gutes Gefühl, was der Welt fehlt, nämlich eine gute Vision für die Zukunft. Obama habe Freiheit als Vision angeboten. Widerstand braucht eine eigene Vision, unterstrich der Wirtschaftswissenschaftler, Widerstand allein reiche nicht. Der Titel der Veranstaltung ließ bereits eine Vermutung auf Kesslers Vision zu. Die eingehende Recherche über das, hinter verschlossenen Türen, verhandelte Abkommen zwischen Europa und den USA sei nicht einfach gewesen, bekannte Kessler. In Brüssel habe man selten Auskunft bekommen und man müsse stets unterscheiden: Was sagt jemand? und Was meint jemand? Zudem werden die Gefahren des Abkommens nicht offen benannt, sondern hinter wohlmeinenden Begriffen versteckt. Obamas Vision der Freiheit sei eine Vision der Vergangenheit. Der Wegfall von Zöllen sei ein erfolgversprechendes Konzept in Notzeiten für schnelles Wachstum - wie beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg. Wichtig hierbei sei, dass bei den jeweiligen Partnern nahezu gleiche Bedingungen vorliegen. In den USA und in Europa, allerdings, seien die Bedingungen sehr unterschiedlich, beispielsweise im Bereich der Umweltstandards oder im Arbeitsschutz. Er verstehe Unternehmer, welche das Abkommen wollen, lenkte Kessler ein, um technische Normen in verschiedensten Ländern zu vereinheitlichen. Doch hierzu brauche es kein solch umfassendes Abkommen wie TTIP, welches massiv in das Leben der Menschen und die Umwelt eingreifen werde. Einfache Abkommen über die Anpassung solcher technischer Normen würden hierzu ausreichen. Tatsächlich gehe es bei TTIP in erster Linie um mehr Macht der Konzerne über die Politik. Durch die Beseitigung der sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse schafften sich Großkonzerne bessere Bedingungen für ihre globalen Geschäfte. Zu den nichttarifären Handelshemmnissen gehören Regeln für die Finanzmärkte und Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmern, Gesundheit, Klima und Umwelt. Seite 1 von 7

Hinter dem häufigsten Begriff in Brüssel, der Harmonisierung, verberge sich die Gefahr, dass eben diese Schutzvorschriften untergraben werden. So gilt in Europa (zumindest auf dem Papier) das Vorsorgeprinzip, welches bedeutet, dass Verfahren oder Stoffe, bei welchen nicht sicher ist, ob diese gefährlich sind, verboten werden. In den USA hingegen sei dies umgekehrt: Solange nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass etwas schadet, ist es erlaubt. Was die Harmonisierung nun konkret bedeutet, erläuterte Kessler am Beispiel Hormonfleisch. Da in den USA Hormonfleisch erlaubt, in Europa verboten ist, gebe es bei einem Freihandelsabkommen drei mögliche Wege: Der erste Weg ist das einheitliche Verbot von Hormonfleisch; der zweite Weg ist die einheitliche Zulassung von Hormonfleisch. Beide Wege werden kaum die Zustimmung beider Verhandlungspartner finden. Daher bleibe als dritter Weg die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Standards, was wiederum bedeute, dass die USA hormonbehandeltes Fleisch in Europa verkaufen dürfe. Da es in den USA keine Kennzeichnungspflicht gebe, so Kessler weiter, könne der Verbraucher nicht erkennen, welches Fleisch hormonbehandelt sei. Und, weil Hormonfleisch billiger sei, wird dieses nach und nach den Markt beherrschen und somit werden die hohen Standards Europas in diesem Bereich aufgeweicht und die bäuerliche Landwirtschaft mehr und mehr an den Rand gedrängt. Dies ist nur eines vieler möglicher Szenarien. Insgesamt führe die ungebremste Konkurrenz durch das Freihandelsabkommen in beiden Welten zur Absenkung der Standards. Verstärkt wird dieser Trend durch die ebenfalls wohlklingenden Begriffe Rechtssicherheit und Investitionsschutz, denn hierdurch werde es besonders schwer, Schutzbestimmungen für Ökologie, Gesundheit oder Arbeitnehmer zu verbessern. Rechtssicherheit für Unternehmen sei wichtig, räumte Kessler ein, insbesondere in instabilen Ländern. Doch, wenn es um den Schutz des Eigentums gehe, haben Unternehmen bereits ein Klagerecht. Im Zusammenhang mit TTIP und den genannten Begriffen wollen die Konzerne ihr Klagerecht dahingehend ausweiten, dass diese Regierungen verklagen können, wenn deren Politik für ein Unternehmen Gewinneinbußen bringe. So bestünde beispielsweise die Gefahr, dass Konzerne Deutschland auf Schadenersatz verklagen, wenn Deutschland das Fracking verböte und den Konzernen hierdurch Gewinne entgingen. Kritisch sei in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Klagen der Konzerne nicht vor nationalen Gerichten entschieden werden, sondern im Geheimen vor privaten Schiedsgerichten, welche mit internationalen, privaten und gewinnorientiert arbeitenden Juristen besetzt seien. Ob dies überhaupt rechtens sei, müsse noch abgeklärt werden. Einige Verfassungsgerichte seien der Ansicht, dies sei rechtswidrig, da die am Freihandelsabkommen beteiligten Staaten funktionierende Rechtssysteme haben. Als besonders schlimm bezeichnete der Referent die indirekte Wirkung dieser Vereinbarungen. Die Demokratie würde hierdurch ohnmächtiger und die Großkonzerne mächtiger. Aktuelles Beispiel hierfür ist Peru. Die Regierung wage nicht, Umweltstandards anzuheben, weil sie sich Klagen der Konzerne nicht leisten könne. Obwohl mittlerweile niemand mehr wirklich an ein Wirtschaftswachstum durch TTIP glaube, wird weiter darüber verhandelt. Die Prognosen über die Auswirkungen auf die Beschäftigungslage in den beteiligten Staaten reichen von geringen Arbeitsplatzgewinnen bis zu geringen Arbeitsplatzverlusten. Das Freihandelsabkommen der USA mit Mexiko habe den USA Arbeitsplatzverluste eingebracht, weil die Produktion in Mexiko billiger sei. Trotzdem ist gerade den USA das Freihandelsabkommen ein großes Anliegen. Kessler sieht hinter den Verhandlungen auch den Versuch der USA, ihre Weltmachtposition zu stärken. Denn im Zuge von Finanz- und Energiekrise sei die Machtposition der USA geschwächt worden. Bei China seien die USA hoch verschuldet und Russland habe aufgrund seiner hoher Energiereserven an Macht gewonnen. Um diesen Machtverschiebungen und Abhängigkeiten entgegenzuwirken, haben die USA Gegenstrategien entwickelt. So erschließen sie mittels Fracking selbst fossile Energiereserven und via NSA werden Unternehmen ausgespäht. Die Ausspähung werde Seite 2 von 7

aber nicht zugegeben. Dabei gehe es nicht um Merkels Handy, scherzte der Redakteur, es gehe vielmehr um Betriebsgeheimnisse. Das Freihandelsabkommen mit Europa wäre ein weiterer Schritt, die Machtposition zu stärken. Ein Pferdefuß des Abkommens ist zudem, dass es faktisch unkündbar sei. Unkündbar wäre auch die ebenfalls im Abkommen diskutierte Vereinbarung der Liberalität, was auch die Privatisierung von Dienstleistungen, die Versorgung mit Wasser und Strom, medizinische Leistungen und Bildungseinrichtungen beinhaltet. Einmal privatisiert, dürften diese Leistungen nicht mehr in öffentliche Hände zurückgegeben werden (siehe auch TiSA ). Als Blaupause für TTIP und gleichzeitig Türöffner für Konzerne könne das Freihandelsabkommen zwischen Europa und Kanada, CETA, bezeichnet werden. Daher müsse man auch hier wachsam sein und dieses verhindern, mahnte Kessler. Kessler bemängelte, dass die Europäer gegenüber den USA wenig selbstbewusst auftreten und wertet es als Erfolg, dass es endlich zu einer Debatte über TTIP komme. Auch in den USA rege sich Widerstand. Zwei Alternativen zeigte Kessler für die Lösung des Problems TTIP auf: Entweder man verhandle weiter über das Abkommen und achte strengstens darauf, welche Regelungen im Abkommen festgehalten werden, z.b. strenge Schutzauflagen für Umwelt und Arbeitnehmer, keinen Investitionsschutz und kein Klagerecht vor privaten Schiedsgerichten. Doch, so warnte der Wissenschaftler, man dürfe die Dynamik von Freihandelsabkommen nicht unterschätzen. Die Gefahr seien faule Kompromisse, welche nach und nach aufgeweicht werden. Daher setzt sich Kessler für den Abbruch der Verhandlungen mit einem Neustart durch Europa ein. Und hier kommt Kesslers Vision zum Zuge: Das neue Konzept soll Fair Trade heißen. Es sollen Unternehmen belohnt werden, welche besonders fair, ressourcen- und umweltschonend produzieren. Geringe Zölle sollen die fairen Produkte begünstigen. Die Arbeitsnormen der Vereinten Nationen, ökologische Normen, faire Bezahlung und Transparenz sollen Richtschnur sein. Wirtschaft, Umwelt und Gerechtigkeit sollen Hand in Hand gehen. Hierdurch sollen Arbeitslosigkeit und Armut bekämpft werden. Auch im Welthandel solle Europa diese Position vertreten. Dies wäre ein Gewinn für alle. Unregulierter Kapitalismus durch TTIP hingegen gehe an den Herausforderungen der Zukunft vorbei. Allein die Finanzkrise habe gezeigt, dass wir nicht weniger Regeln, sondern bessere brauchen. Wir brauchen nicht mehr Konkurrenz, sondern mehr Kooperation, nicht mehr Wachstum, sondern eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Im Anschluss an seinen Vortrag widmete Kessler sich eingehend den Fragen der Zuhörer, welche sich von konkreten Möglichkeiten und Chancen des Widerstands, die Gefahren von CETA über die Folgen von TTIP für Städte und Gemeinden bis hin zur Frage nach einer zeitlichen Limitierung des Abkommens erstreckten. Gerhard Stumpp motivierte zum Abschluss der Veranstaltung, die Vision Fair Trade weiter zu verfolgen. Zum Einen zeigen die Weltläden, dass dieses Konzept funktioniert, zum Anderen sind bereits verschiedene Städte und Gemeinden Fair-Trade-Kommunen, so beispielsweise Ravensburg und auch Sigmaringen könne sich auf den Weg begeben, Fair-Trade -Stadt zu werden. Seite 3 von 7

Hintergrund-INFOS, Beispiele, Begriffe Publik Forum ist eine kritisch-unabhängige und an christlichen Werten orientierte Zeitung. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Kessler, der unter anderem an der London School of Economics studierte und zeitweise für den Internationalen Währungsfonds IWF in Washington gearbeitet hat, stellt sich schon seit langem die Frage, wie ethischchristliche Prinzipien mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik vereint werden können. Der gebürtige Ravensburger sieht das geplante Freihandelsabkommen TTIP ( Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA kritisch. Er befürchtet, dass das geplante Abkommen zu einer neuen großen Liberalisierungswelle in der Wirtschaft führen könnte. Internationale Großkonzerne könnten dadurch weiter gestärkt und die Souveränität demokratisch verfasster Staaten und damit die Demokratie geschwächt werden. Hinter wohlklingenden Begriffen wie Harmonisierung, regulatorische Kooperation, Rechtssicherheit und Liberalität stehe die Absicht, Schutzgesetze für Verbraucher ( z.b. Schutz vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln oder Hormonfleisch), ArbeitnehmerInnen und die Umwelt ( z.b. Fracking-Technologie ) zu schwächen oder aus dem Weg zu räumen. Dr. Kesslers Vision von Wirtschaft ist der faire Handel. Neue Regeln im Welthandel sollten so formuliert sein, dass Länder belohnt werden, die strenge soziale und ökologische Standards einhalten. Rechtssicherheit und Investitionsschutz Genutzt hat beispielsweise der weltweit größte Tabakkonzern Philip Morris diese Klagemöglichkeit gegen Australien. Zur Gesundheitsprävention hatte die Australische Regierung 2011 den Tabakkonzernen vorgeschrieben, in welcher Form diese auf Zigarettenschachteln vor gesundheitlichen Gefahren waren müssen. Hierdurch, so begründete der Konzern seine Klage, gingen dem Tabakkonzern Gewinne in Milliardenhöhe verloren. Als Grundlage diente dem Konzern das bilaterale Investitionsschutz-Abkommen zwischen Australien und Hongkong. Die inzwischen abgewählte damalige Regierung Australiens warnte vor der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit solchen Klagerechten. CETA CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), steht für eine geplante Freihandelszone zwischen der EU und Kanada. Der Vertrag zu CETA umfasst 1500 Seiten und wurde den 28 EU Mitgliedsstaaten Anfang August 2014 zur Prüfung vorgelegt. Ebenso wie bei TTIP liefen die Verhandlungen für CETA unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente. CETA kann als Blaupause für TTIP bezeichnet werden. Investitionsschutz in CETA Genauso wie TTIP enthält CETA ein Kapitel zum Investitionsschutz sowie eines zu Investor-Staat-Klagen, welches ein Sonderklagerecht für Unternehmen vorsieht. Dadurch wird es möglich, dass Unternehmen Staaten vor privaten Schiedsgerichten auf Schadenersatz klagen können. Die privaten Schiedsgerichte setzen sich aus privaten, gewinnorientiert arbeitenden Anwälten zusammen oder, falls gewünscht, aus einem einzigen privaten Schiedsrichter. Alle Maßnahmen und Regelungen, die die Unabhängigkeit von Richtern in ordentlichen Gerichten sicherstellen sollen, fallen bei diesen Tribunalen weg. Es ist im Moment keine Berufungsmöglichkeit vorgesehen. Seite 4 von 7

Das in CETA gewährte Klagerecht erhalten nicht nur kanadische Unternehmen, sondern alle Unternehmen, die Niederlassungen in Kanada haben, darunter viele US-Konzerne, welche dann auch gegen Staaten in Europa klagen könnten. Hiermit wäre beispielsweise die Tür für Fracking geöffnet. Öl- und Gasunternehmen mit kanadischen Büros (auch von US-Unternehmen), welche bereits damit begonnen haben, in Europa nach Schiefergasreserven zu suchen, hätten über CETA die Möglichkeit zukünftige Fracking-Verbote anzufechten. TiSa (Trade in Services Agreement = internationales Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen) In diesem Abkommen geht es um die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Besonders kritisch ist hierin die vorgesehene Klausel, welche eine Rekommunalisierung unmöglich macht. Das bedeutet, dass eine einmal erfolgte Privatisierung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Weitere Informationen unter: www.attac.de Bücher von Wolfgang Kessler: Zukunft statt Zocken Gelebte Alternativen zu einer entfesselten Wirtschaft. Geld regiert die Welt. Wer regiert das Geld? www.publik-forum.de Seite 5 von 7

Bilder von der Veranstaltung Von links: Gerhard Stumpp, Wolfgang Kessler (Foto: Sabine Hug) Referent Wolfgang Kessler (Foto: Sabine Hug) Seite 6 von 7

Blick ins Publikum (Foto: Sabine Hug) Seite 7 von 7