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Transkript:

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ALLEIN ERZIEHEN IN BAYERN

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VORWORT 5 Liebe Mütter, liebe Väter, immer mehr Mütter und Väter erziehen ihre Kinder allein. Kindererziehung, Beruf und Haushalt alleine zu koordinieren dazu braucht es viel Kraft, Durchhaltevermögen und Organisationstalent. Auch wenn Sie sich vielleicht manches Mal überfordert fühlen: Seien Sie stolz auf sich. Sie beweisen jeden Tag Ihre Tatkraft und Ihren Mut. Sie vertreten Ihre Interessen und können sich durchsetzen und sind damit Ihren Kindern ein Vorbild für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Als Alleinerziehende meistern Sie Ihre Situation oft unter erschwerten Bedingungen und stehen großen Herausforderungen gegenüber. Wir möchten Ihnen in dieser Situation helfen und Ihrem besonderen Informationsbedarf Rechnung tragen. Die vorliegende Broschüre gibt einen Überblick über die zahlreichen Aspekte des Alleinerziehens. Sie zeigt insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Beratungs- und Unterstützungsangebote auf. Eine Beratung im Einzelfall kann die Broschüre allerdings nicht ersetzen. Bitte nehmen Sie die in der Broschüre genannten Möglichkeiten für eine individuelle Beratung wahr. Wir wünschen Ihnen und Ihren Kindern für die Zukunft alles Gute. Christine Haderthauer Staatsministerin Markus Sackmann Staatssekretär

6 Diese Symbole verweisen auf weiterführende Info und Hilfen: Anlaufstellen rechtlicher Hintergrund www. interessante Websites Lesetipps

INHALT 7 I. FAMILIENPOLITIK FÜR ALLEIN ERZIEHENDE ELTERN 10 II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN A. Schwangerschaft B. Partnerschaftskrise C. Partnerverlust D. Sexueller Missbrauch und Gewalt E. Erziehung F. Schule G. Die Rolle des Jugendamtes H. Rechtliche Beratung/rechtliche Auseinandersetzungen I. Schulden J. Gleichstellungsbeauftragte K. Selbsthilfe/Netzwerke 14 14 14 17 17 18 22 23 24 26 29 29 III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE A. Vaterschaft B. Sorgerecht C. Umgangsrecht D. Unterhalt des Kindes E. Trennung und Scheidung von Ehen F. Unterhalt des erziehenden Elternteils G. Verbleib in der gemeinsamen Wohnung H. Namensrecht I. Erbrecht und Vorsorge für den Todesfall J. Minderjährige allein erziehende Eltern K. Nichtdeutsche allein erziehende Eltern 30 30 32 38 38 43 47 49 53 56 57 58

INHALT 8 IV. FINANZIELLE HILFEN UND SONSTIGE ANGEBOTE FÜR EINELTERNFAMILIEN A. Hilfen in der Schwangerschaft B. Mutterschaftsgeld und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld C. Elterngeld D. Bayerisches Landeserziehungsgeld E. Unterhaltsvorschuss F. Kindergeld G. Kinderzuschlag H. Hinterbliebenenversorgung I. Wohnen (Wohngeld/Sozialwohnungen/Förderung Eigentumserwerb) J. Arbeitslosengeld K. Grundsicherung für Arbeitsuchende L. Sozialhilfe M. Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind N. Kuren O. Zuschüsse zu Familienurlaub in Familienferienstätten 62 62 62 66 67 68 68 69 70 70 75 78 86 90 92 93 V. STEUERN FÜR EINELTERNFAMILIEN A. Kindergeld und Steuerfreibeträge für Kinder B. Kinderbetreuungskosten C. Sonderbedarf für Schul- oder Berufsausbildung D. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende E. Steuerliche Behandlung von Unterhaltszahlungen 94 94 96 97 98 99 VI. SOZIALVERSICHERUNG FÜR EINELTERNFAMILIEN A. Krankenversicherung/Beihilfeberechtigung B. Pflegeversicherung C. Rentenversicherung D. Sozialversicherung bei Minijobs und Niedriglohnjobs 100 100 102 102 106

9 VII. ERWERBSTÄTIGKEIT A. Mutterschutz B. Elternzeit C. Teilzeiterwerbstätigkeit D. Rückkehr in die Erwerbstätigkeit E. Förderung bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit 108 108 111 113 115 116 VIII. AUSBILDUNG A. Ausbildungsunterhalt B. Berufsausbildungsbeihilfe C. BAföG-Leistungen D. Bildungskredit E. Großelternzeit 118 118 118 120 122 123 IX. KINDERBETREUUNG A. Kinderkrippen B. Tagespflege, Tagesmütter C. Kindergarten D. Kinderhorte E. Mittagsbetreuung F. Ganztagesangebote an Schulen G. Eltern- und Selbsthilfegruppen H. Kindertageseinrichtungen an Hochschulen und Betrieben I. Kurzzeitbetreuung J. Ferienbetreuung 124 126 126 128 128 130 130 132 132 133 135 X. ZUM WEITERLESEN 136

I. FAMILIENPOLITIK FÜR ALLEIN ERZIEHENDE ELTERN 10 DAS ÜBERGEORDNETE ZIEL DER BAYERISCHEN FAMILIENPOLITIK IST EINE POSITIVE GESTALTUNG DER LEBENSBEDINGUNGEN FÜR DIE FAMILIEN. SIE SOLLEN SICH SO GUT WIE MÖGLICH ENTFALTEN KÖNNEN UND IN DER WAHRNEHMUNG IHRER VERANT- WORTUNG FÜR DIE ERZIEHUNG UND BILDUNG IHRER KINDER GESTÄRKT WERDEN. DIE BANDBREITE FAMILIENPOLITISCHER LEISTUNGEN REICHT VON BERATUNGS- UND BILDUNGSANGEBOTEN FÜR ELTERN ÜBER MATERIELLE UNTERSTÜTZUNGSLEISTUNGEN BIS ZUR BEREITSTELLUNG EINES QUALITÄTSORIENTIERTEN BILDUNGS- UND BETREU- UNGSANGEBOTS FÜR KINDER ALLER ALTERSGRUPPEN. Die vorliegende Broschüre widmet sich der besonderen Situation von Familien mit einem allein erziehenden Elternteil (Einelternfamilien). Sie soll dem ausgeprägten Informationsbedarf allein erziehender Eltern Rechnung tragen. Seit der letzten Auflage dieser Broschüre Anfang 2005 gab es drei für allein erziehende Eltern in Bayern besonders wichtige Veränderungen: Ausbau der Kinderbetreuung Das am 1. August 2005 in Kraft getretene Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz gibt den rechtlichen Rahmen für einen dynamischen Aufbau der Kinderbetreuung in Bayern. In den letzten Jahren hat sich in Bayern die Betreuungssituation deutlich verbessert. Für allein erziehende Eltern ist eine gute Kinderbetreuung der Schlüssel für eine Erwerbstätigkeit. Elterngeld Änderung beim Betreuungsunterhalt Das Elterngeld wurde für ab dem 1. Januar 2007 geborene Kinder neu eingeführt. Es ersetzt in den ersten 14 Monaten nach der Geburt eines Kindes den wegen der Kinderbetreuung eintretenden Einkommensausfall. Für Alleinerziehende ist dies eine große Erleichterung, weil für sie der Wegfall des alleinigen Einkommens besonders einschneidend ist. Ab 1. Januar 2008 sind nichteheliche Kinder den ehelichen Kindern auch hinsichtlich des Betreuungsunterhalts für den betreuenden Elternteil gleichgestellt. Dies ist für die Frage wichtig, wie schnell vom allein erziehenden Elternteil die (teilweise) Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.

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I. FAMILIENPOLITIK FÜR ALLEIN ERZIEHENDE ELTERN 12 Die Einelternfamilie ist mittlerweile gesellschaftliche Normalität. 15 Prozent der Familien mit minderjährigen Kindern sind im Jahr 2008 in Bayern Einelternfamilien. 240.000 allein erziehende Eltern leben mit 336.000 Kindern zusammen. Die Zahl der Einelternfamilien ist von 172.000 im Jahr 1998 auf 240.000 im Jahr 2008 gestiegen (Zunahme um 40 Prozent). 89 Prozent der allein erziehenden Eltern sind Mütter. Die Einelternfamilie entsteht aus unterschiedlichen Gründen. Von den allein erziehenden Eltern sind 27 Prozent ledig, 19 Prozent sind verheiratet und leben getrennt, 46 Prozent sind geschieden und acht Prozent verwitwet. Die Lebenssituation alleinerziehend ist hinsichtlich Entstehung, Dauerhaftigkeit, ökonomischer Situation, Vorhandensein einer Partnerschaft, Alter und Zahl der Kinder sehr heterogen.

13 Allein erziehen wird heute von vielen Eltern kompetent gelebt, gerade auch im Hinblick auf das Wohl der Kinder. Als problematisch erleben Alleinerziehende 1 vor allem die Alleinverantwortung, finanzielle Nachteile, die alleinige Aufgabenlast und die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie. Diese Broschüre soll allein erziehenden Eltern Hilfen aufzeigen, um die alltäglichen Schwierigkeiten zu meistern. Sie wurde vollständig überarbeitet und berücksichtigt den Rechtsstand zum 1. Oktober 2008. Es gibt keine einheitliche Definition des Alleinerziehens oder der Einelternfamilie. In Statistiken werden nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern teilweise zu den Einelternfamilien gezählt. Es gibt keinen einheitlichen Rechtsbegriff des Alleinerziehens oder der Einelternfamilie: Für den Bezug von Unterhaltsvorschuss gelten andere Voraussetzungen als für den Alleinbezug von 14 Monaten Elterngeld, und wieder andere gelten für den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende. Nicht alle Alleinerziehenden erziehen ihre Kinder im Wortsinn allein: Vielmehr spielen in mehr als einem Drittel der Fälle der andere abwesende Elternteil und/oder der neue nicht im Haushalt lebende Partner als Erziehungsperson für die Kinder eine wichtige Rolle. 1 Schneider, Norbert F.; Krüger, Dorothea; Lasch, Vera; Limmer, Ruth; Matthias-Bleck, Heike: Allein erziehen Vielfalt und Dynamik einer Lebensform, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bd. 199. Stuttgart, Berlin, Köln 2001. Qualitative Interviews S. 199 ff.

II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 14 ZENTRALES ANLIEGEN DIESER BROSCHÜRE IST DIE INFORMATION ÜBER DIE ZAHLREICHEN QUALIFIZIERTEN BERATUNGSANGEBOTE, DIE IN BAYERN ZU DEN UNTERSCHIEDLICHSTEN THEMEN BESTEHEN. FAST ALLE DIESER ANGEBOTE SIND STAATLICH GEFÖRDERT. Beratung hilft beim oftmals problematischen Übergang zum Alleinerziehen Schwangerschaft, Partnerschaftskrise oder Partnerverlust. Beratung ist aber auch für etablierte Einelternfamilien wichtig, da sie die allein erziehenden Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung unterstützen kann. A. PARTNERSCHAFTSKRISE Mütter und Väter haben Anspruch auf Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung. Sie können daher schon bei Krisen in der Ehe, oder wenn Sie eine Trennung in Erwägung ziehen, Unterstützung und Beratung erhalten. Manchmal kann eine solche Beratung helfen, die Partnerschaft auf einer besseren Grundlage weiterzuführen, manchmal wird auch für eine Trennung als richtige Lösung entschieden werden. Auch wenn Sie schon den Entschluss gefasst haben, Ihre Ehe zu beenden, kann eine solche Beratung eine wichtige Unterstützung sein. Die Bewältigung einer Trennung ist für sich schon eine sehr große Belastung. Gleichzeitig sind Sie als Mutter oder Vater vor die Aufgabe gestellt, wichtige und langfristige Entscheidungen für Ihre Kinder zu treffen. Es gilt beispielsweise den Wohnort und das Sorgerecht festzulegen. In dieser Situation kann eine Trennungsberatung eine große Entlastung bedeuten. Sie kann bei den nötigen Absprachen mit dem anderen Elternteil vermitteln und Ihnen selbst helfen, diese schwierige Phase zu bewältigen. Gerade die Regelungen, welche die Kinder betreffen (Sorgerecht, Umgangsrecht und Unterhalt), sind für beide Eltern sehr wichtig und beinhalten auch viel Konfliktstoff. Daher bietet Ihnen das Jugendamt (Erziehungsberatungsstellen) für diese Themen spezielle Beratungsangebote. Sie wollen zeigen, welche Möglichkeiten es gibt, und helfen, einvernehmliche Regelungen zwischen den Eltern zu finden. Dies ist ganz besonders wichtig für die Frage des Umgangs mit den Kindern. Hier müssen beide Elternteile Lösungen finden und mittragen.

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II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 16 Auch die Ehe- und Familienberatungsstellen der freien Träger der Wohlfahrtspflege bieten eine umfassende Beratung bei Partnerschaftskonflikten an. Für Kinder ist die Trennung der Eltern sehr belastend und vielleicht sogar beängstigend: Sie sehen ihr bisheriges Familienleben infrage gestellt, haben Angst, einen Elternteil zu verlieren manche fragen sich, ob sie an der Trennung der Eltern Schuld haben. Versuchen Sie Ihren Kindern zu vermitteln, dass Mutter und Vater jetzt zwar nicht mehr zusammenleben, dass Sie beide aber nach wie vor für sie da sind und weiter ihre Eltern bleiben werden. Überlegen Sie auch, wie Sie Ihr Kind oder Ihre Kinder schon frühzeitig darauf vorbereiten können, dass demnächst ein Elternteil ausziehen wird. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Erziehungsberatungsstellen (www.stmas.bayern.de/familie/ beratung/erziehung), Ehe- und Familienberatungsstellen (www.stmas.bayern.de/familie/ beratung/ehefamilie) www. Erziehungsberatung im Internet (www.bke-elternberatung.de, www.bke-jugendberatung.de) B. SCHWANGERSCHAFT Jede schwangere Frau hat Anspruch auf Beratung in allen Fragen rund um die Schwangerschaft und Geburt. Die Schwangerenberatungsstellen beraten Sie bei Problemen während der Schwangerschaft und im Rahmen der nachgehenden Betreuung auch bis zum dritten Lebensjahr Ihres Kindes. In der Beratungsstelle erhalten Sie auch Unterstützung bei der Vermittlung von sozialen und finanziellen Hilfen. Wenn Sie sich in einer Konfliktsituation befinden, bieten die staatlich anerkannten Schwangerenberatungsstellen Beratung an, auf Wunsch auch anonym. Neben dem Gespräch über die individuelle Konfliktsituation sind praktische Hilfen (z. B. Hilfe bei der Beantragung finanzieller Leistungen, Hilfe bei der Wohnungssuche und Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Beratung über die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Adoption des Kindes, Vergabe der Mittel aus der Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind ) wesentlicher Bestandteil der Beratung. Schwangerenberatungsstellen, Gesundheitsverwaltung bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt

17 C. PARTNERVERLUST Die Partnerin oder den Partner zu verlieren ist ein Schicksalsschlag, dessen Bewältigung sehr viel Kraft erfordert. Scheuen Sie sich daher nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gibt viele Angebote, die Ihnen helfen, über den Verlust hinwegzukommen. Oft tut es gut, sich mit Menschen in einer ähnlichen Situation auszutauschen eine Chance hierzu bieten Selbsthilfegruppen, wie der Verein für verwaiste Eltern München e.v. und die gemeinnützige Nicolaidis Stiftung GmbH. Ehe- und Familienberatungsstellen (www.stmas.bayern.de/familie/beratung/ehefamilie) www. www.nicolaidis-stiftung.de, www.verwaiste-eltern-muenchen.de D. SEXUELLER MISSBRAUCH UND GEWALT Gewalt in der Familie ist ein schichtübergreifendes Phänomen. Neben körperlicher und sexueller Gewalt zählen dazu auch finanzielle, soziale und psychische Druckmittel. Dabei ist unabhängig von der Form der Gewalt die Wirkung auf den betroffenen Partner und die Kinder belastend und schädigend. Auch wenn sich die Gewalt nicht unmittelbar gegen die Kinder richtet, sind sie immer mitbetroffen. Näheres zur Problematik sexuelle Gewalt können Sie der Broschüre Handeln statt Schweigen Informationen und Hilfe bei sexueller Gewalt gegen Frauen bzw. Kinder und Jugendliche entnehmen. Die Broschüre kann bei Bayern Direkt unter Tel. (018 01) 2010 10 oder per E-Mail direkt@bayern.de kostenlos angefordert werden. Sie steht außerdem unter www.stmas.bayern.de als Download zur Verfügung.

II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 18 Hilfeeinrichtungen freier und kommunaler Träger bieten in Fällen von Gewalt vielfältige Hilfen von der telefonischen Beratung über Selbsthilfegruppen bis zur Aufnahme in ein Frauenhaus an. In akuten Fällen können Sie sich an die Polizei wenden. Notrufe sind spezialisierte Beratungseinrichtungen für von häuslicher (physischer, psychischer, sexueller) Gewalt betroffene Frauen und Kinder. www. Die Rufnummern finden Sie unter www.stmas.bayern.de/ gewaltschutz/beratung/notruf.htm Frauenhäuser sind rund um die Uhr erreichbare Einrichtungen, in die sich von Gewalt betroffene Frauen (mit ihren Kindern) flüchten können und Schutz und Beratung erhalten. Die Frauenhäuser bieten auch ambulante und telefonische Beratung an. www. Kontaktdaten finden Sie unter www.stmas.bayern.de/ gewaltschutz/beratung/haeuser.htm E. ERZIEHUNG Erziehung ist eine schwierige und sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Wenn Sie sich in Fragen der Erziehung unsicher sind oder wenn Probleme auftauchen, dann scheuen Sie sich nicht, fachlichen Rat und Hilfe zu suchen. Schwierigkeiten gibt es in allen Familien je früher Sie ihnen begegnen, desto eher können Sie diese beseitigen. Angebote der Familienbildung Informationen zu Fragen und Problemen der Partnerschaft, Elternrolle und Erziehungsfragen werden in verschiedenen Formen angeboten. Neben Vortrags- und Seminarreihen zählen zu den Angeboten der Familienbildung auch Eltern-Kind-Gruppen, Gesprächskreise für Alleinerziehende und Freizeitangebote. Diese können Sie insbesondere den Programmen der Familienbildungsstätten und der Volkshochschulen, der kirchlichen Bildungswerke und vieler Elterngruppen und Selbsthilfeorganisationen entnehmen. Frauenhäuser, Notrufe, Kinderschutzbund, Erziehungsberatungsstellen, Gleichstellungsbeauftragte, Ehe- und Familienberatungsstellen, Beauftragte der Polizei für Frauen und Kinder Volkshochschulen, kirchliche Bildungswerke, Familienbildungsstätten, Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt

19 Mütterberatung Bei besonderem Bedarf, etwa wenn die Versorgung mit niedergelassenen Ärzten nicht ausreichend ist, bietet der öffentliche Gesundheitsdienst Müttern mit Säuglingen und Kleinkindern neben der Gesundheitsvorsorge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kostenlose Beratung an. Diese Beratung umfasst die Untersuchung des Kindes, die Beurteilung des Entwicklungszustandes sowie Informationen zu Ernährung, Erziehung und Gesundheitspflege. Landratsämter/Gesundheitsverwaltungen, kommunale Gesundheitsverwaltungen

II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 20 Erziehungsberatung Das Heranwachsen von Kindern hat verschiedene kritische Phasen: ganz allgemeine, wie die Trotzphase oder die Pubertät, sowie persönliche, z. B. bei der Trennung der Eltern. Die Erziehungsberatungsstellen bieten nicht nur Informationen und Rat für die Probleme von Kindern und Jugendlichen. Sie helfen auch den Eltern, wenn sie mit der Erziehung Schwierigkeiten haben. Sie sind wichtige Gesprächspartner, damit Sie Ihre Probleme und deren Entstehungsgeschichte besser verstehen und lösen. Rechtzeitige Unterstützung kann dazu beitragen, dass aus kleinen Schwierigkeiten erst gar keine größeren Probleme entstehen. Die Beraterinnen und Berater sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Beratung ist kostenlos. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Erziehungsberatungsstellen (www.stmas.bayern.de/familie/ beratung/erziehung), Ehe- und Familienberatungsstellen (www.stmas.bayern.de/familie/ beratung/ehefamilie) www. Erziehungsberatung im Internet (www.bke-elternberatung.de, www.bke-jugendberatung.de)

21 Hilfen zur Erziehung Sind die Erziehungsschwierigkeiten schwerwiegend oder dauerhaft (z. B. Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsstörungen), so haben Sie einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung. Dies gilt auch, wenn Sie sich selbst mit der Erziehung Ihres Kindes überfordert fühlen. Die Hilfe zur Erziehung gibt es in verschiedenen Formen: _ AMBULANT (ERZIEHUNGSBERATUNG, SOZIALE GRUPPENARBEIT, ERZIEHUNGSBEISTANDSCHAFT, SOZIALPÄDAGOGISCHE FAMILIEN- HILFE), _ TEILSTATIONÄR (HEILPÄDAGOGISCHE TAGESSTÄTTEN) UND _ STATIONÄR (WOCHEN- UND VOLLZEITPFLEGE, HEIMERZIEHUNG ODER SONSTIGE BETREUTE WOHNFORM, INTENSIVE SOZIAL- PÄDAGOGISCHE EINRICHTUNG). Gemeinsam mit Ihren Beratern beim Jugendamt können Sie aus diesen verschiedenen Möglichkeiten die beste für Ihre Situation auswählen. Die Inanspruchnahme ist stets freiwillig, Sie werden bei allen Entscheidungen beteiligt. Ihre Wünsche werden so weit wie möglich berücksichtigt. Auch Sie selbst erhalten Beratung und Unterstützung. Während die ambulanten Hilfen zur Erziehung kostenlos sind, werden Sie bei den teilstationären und stationären Hilfen zu einem Kostenbeitrag herangezogen, wenn Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse dies zulassen. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt 27 ff. Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII)

II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 22 F. SCHULE Zur Information über die schulische Entwicklung Ihrer Kinder sollten Sie die Angebote der Schule zur Beteiligung der Eltern nutzen (Elternsprechstunden, Elternsprechtage und Klassenelternversammlungen). Erster Ansprechpartner der Eltern in Fragen der Ausbildung und Erziehung ihrer Kinder ist grundsätzlich jede Lehrkraft, die Klassleitung, danach auch die Schulleitung. Daneben gibt es die speziellen Angebote der Schulberatung: Eine Beratungslehrkraft gibt es für jede Schule. Sie berät Schüler und Eltern zum Beispiel bei der Wahl der Schullaufbahn oder bei der Wahl von Fächern und Ausbildungsrichtungen innerhalb einer Schulart. Sie hilft bei Lern-, Leistungs-, und Verhaltensschwierigkeiten und informiert über Möglichkeiten, von einer Schulart zur anderen oder einer Ausbildungsrichtung in eine andere zu wechseln. Die Beratungslehrkraft kann ferner vor oder bei der Einschulung bei Fragen nach einer vorschulischen Förderung, einer vorzeitigen Aufnahme oder einer Zurückstellung des Kindes hinzugezogen werden. Für besonders schwierige Fälle bzw. Ratsuchende, die z. B. an keiner Schule in Bayern sind, stehen die Experten der neun staatlichen Schulberatungsstellen zur Verfügung. In Bayern gibt es schulpsychologische Beratung mit etwa 500 Schulpsychologinnen und -psychologen, die an Schulen oder staatlichen Schulberatungsstellen tätig sind. Sie haben eine Doppelqualifikation als Psychologen und Lehrer und sind in besonderer Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie sind für bestimmte Schularten spezialisiert und mit der Schulpraxis aus der Lehrerperspektive gut vertraut, kennen aber gleichzeitig auch die Anliegen sowohl der Schüler als auch der Eltern. Sie unterstützen insbesondere bei Lern- und Leistungsstörungen (wie bei Teilleistungsstörungen, Motivationsproblemen, Arbeitsverhalten), speziellen Schullaufbahnentscheidungen (z. B. besonderen Begabungen oder Förderbedürfnissen) und aktuellen Krisen (etwa plötzlichem Leistungsabfall oder Schulverweigerung). Eine schulpsychologische Beratung ist kostenlos. Schule des Kindes (Informationen über Sprechzeiten und zuständige Beraterinnen und Berater hängen aus oder können erfragt werden) Staatliche Schulberatungsstelle (www.schulberatung.bayern.de) www. Interaktiver Online-Wegweiser (www.meinbildungsweg.de)

23 G. DIE ROLLE DES JUGENDAMTES Das Jugendamt ist für allein erziehende Eltern ein wichtiger Ansprechpartner. Beide Eltern und Kinder haben einen gesetzlichen Anspruch auf Beratung und Unterstützung, insbesondere _ BEI DER GELTENDMACHUNG VON UNTERHALTSANSPRÜCHEN DES KINDES UND DES BETREUENDEN ELTERNTEILS, _ BEI DER REGELUNG DES UMGANGSRECHTS UND _ BEI DER ANERKENNUNG DER VATERSCHAFT. Sie können einen Antrag auf Beistandschaft durch das Jugendamt für bestimmte Angelegenheiten der Personensorge stellen. Das Jugendamt wird vom Familiengericht und vom Vormundschaftsgericht in einer Reihe von Verfahren beteiligt (insbesondere bei Fragen des Sorge- und Umgangsrechts). Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Erziehungsberatungsstellen, Ehe- und Familienberatungsstellen 17, 18, 50, 52 a ff., 55 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), 1712 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 613 Zivilprozessordnung (ZPO), Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), 49, 49 a Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG)

II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 24 H. RECHTLICHE BERATUNG/RECHT- LICHE AUSEINANDERSETZUNGEN Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Es ist in vielen Fällen angezeigt, eine juristische Beratung in Anspruch zu nehmen. Bisweilen lassen sich auch gerichtliche Auseinandersetzungen nicht umgehen. Dies ist mit Anwalts- und Gerichtskosten verbunden, für die im Regelfall ein Vorschuss zu entrichten ist. Die Höhe der Anwaltsund Gerichtskosten ist gesetzlich festgelegt und richtet sich nach dem Streitwert. Wer diese Kosten nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, erhält unter bestimmten Voraussetzungen Beratungshilfe bzw. Prozesskostenhilfe. Beratungshilfe Beratungshilfe beantragen Sie bei der Rechtsantragstelle Ihres Amtsgerichts. Dieses leistet die Beratungshilfe entweder selbst oder stellt einen Berechtigungsschein für die Beratung bei einem Rechtsanwalt aus. Mit dem Berechtigungsschein können Sie einen Anwalt Ihres Vertrauens aufsuchen. Für die Beratung durch den Rechtsanwalt müssen Sie dann nur eine Schutzgebühr von zehn Euro bezahlen, die der Rechtsanwalt bei besonders geringen Einkommen ermäßigen oder ganz erlassen kann. Beratungshilfegesetz (BerHG) Prozesskostenhilfe Wenn Sie die Kosten einer Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Voraussetzung für deren Bewilligung ist, dass das Verfahren hinreichend Aussicht auf Erfolg hat. Der Antrag muss bei dem Gericht gestellt werden, vor dem der Prozess geführt wird. Mit dem Antrag müssen Sie ein Formblatt einreichen, in dem Ihre Familienverhältnisse, der ausgeübte Beruf und die finanziellen Verhältnisse dargelegt werden. Das Gericht muss zur Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Regel dem Prozessgegner vorher Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Je nachdem ob Prozesskostenhilfe in Raten, teilweise oder vollständig gewährt wurde, müssen Sie die Gerichtskosten und die Kosten Ihres Anwalts nur in Raten, nur zum Teil oder gar nicht bezahlen. Ist in dem Verfahren anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben, werden die Kosten Ihres Anwalts nur übernommen, wenn die

25 anwaltliche Vertretung erforderlich erscheint oder die Gegenseite anwaltlich vertreten ist. Prozesskostenhilfe befreit Sie nicht von der Pflicht, im Falle Ihres Unterliegens die Verfahrenskosten Ihres Gegners zu erstatten! Prozessgericht 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO), 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 11 a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)

II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 26 I. SCHULDEN Schulden und Überschuldung sind kein unausweichliches Schicksal. Wichtig ist, dass Sie nicht versuchen, Anzeichen finanzieller Schwierigkeiten zu verdrängen. Stellen Sie sich den Problemen! Es gibt eine zweite Chance. In Bayern gibt es eine Vielzahl unter öffentlicher oder freier Trägerschaft stehender Schuldnerberatungsstellen (Adressliste unter www.stmas.bayern.de/sozial/ schuldnerberatung). Vor einer Beratung sollte man bei seinen Gläubigern die aktuellen Forderungen erfragen. Die Schuldnerberatung wird kostenlos angeboten. Alle Angaben der Ratsuchenden werden streng vertraulich behandelt. Die Schuldnerberatung kann keine finanzielle Unterstützung zur Tilgung der Schulden

27 leisten. Sie bietet Ihnen aber ein umfassendes Beratungsangebot zu Ihren finanziellen Problemen. Es wird gemeinsam nach einem individuellen Lösungsansatz gesucht. Man kann beispielsweise zusammen mit Ihnen einen Wirtschafts- und Schuldenplan erstellen, mit Ihren Gläubigern verhandeln, Sie bei einer Umschuldung im Zusammenwirken mit Banken unterstützen. Die Schuldnerberatung kann Sie in geeigneten Fällen auch bei der Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens unterstützen. Wichtig sind die rechtzeitige Inanspruchnahme des Hilfeangebots (Wartezeiten!) und Ihre aktive Mitwirkung, denn so können Sie wieder eine optimistische Perspektive und eine neue Lebensplanung finden. Neben den Schuldnerberatungsstellen können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt wenden (evtl. im Rahmen der Beratungshilfe, vgl. Seite 24). Schuldnerberatungsstelle, Verbände der freien Wohlfahrtspflege, Sozialamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Rechtsanwältin/ Rechtsanwalt, Rechtsberatungsstelle beim Amtsgericht www. www.stmas.bayern.de/sozial/ schuldnerberatung

II. RAT UND HILFE IN KRISEN ODER NEUEN LEBENSSITUATIONEN 28 Verbraucherinsolvenzverfahren Privat überschuldete Verbraucher können sich durch ein Verbraucherinsolvenzverfahren endgültig von ihren Schulden befreien. Dieses Verfahren verläuft in drei Stufen: Außergerichtliche Einigungsbemühungen: Der Schuldner legt unter Mitwirkung einer geeigneten Person oder Stelle (z. B. Rechtsanwalt oder Insolvenzberatungsstelle) einen Schuldenbereinigungsplan vor und versucht, mit seinen Gläubigern eine Vereinbarung über die Bereinigung seiner Schulden zu erreichen. Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan Innerhalb von sechs Monaten ab dem Scheitern der außergerichtlichen Einigung kann der Schuldner beim Insolvenzgericht Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Dem Antrag ist u. a. ein Vermögensverzeichnis des Schuldners, ein Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forderungen und der Gläubiger sowie ein Schuldenbereinigungsplan beizufügen. Es wird versucht, unter Mitwirkung des Gerichts eine Einigung mit den Gläubigern herbeizuführen. Stimmen die Gläubiger einem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zu, so stellt das Gericht dies mit Beschluss fest. Stimmen nicht alle Gläubiger zu, so kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung einzelner Gläubiger ersetzen. Vereinfachtes Insolvenzverfahren Bleibt auch der gerichtliche Versuch einer Einigung über den Schuldenbereinigungsplan ohne Erfolg, so hat das Gericht über den Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden. Im Falle der Eröffnung wird ein vereinfachtes Insolvenzverfahren (3. Stufe) durchgeführt, das der Verteilung des der Zwangsvollstreckung unterliegenden Vermögens des Schuldners an die Gläubiger dient. Hat der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, bildet das vereinfachte Insolvenzverfahren zugleich die Voraussetzung für die sechsjährige Wohlverhaltensphase, die bei ordnungsgemäßem Verlauf mit der gesetzlichen Restschuldbefreiung endet. Während dieser Wohlverhaltensphase muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines Einkommens an einen Treuhänder abtreten, der diese Beträge an die Gläubiger verteilt. 304 314 Insolvenzordnung (InsO)

29 J. GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE Die Gleichstellungsbeauftragten vieler Landratsämter, Gemeinden und Regierungen bieten Beratung und Hilfestellung für Alleinerziehende. Sie sind über die öffentlichen Hilfsangebote sowie private Initiativen (z. B. Selbsthilfegruppen, Vereine, Beratungsorganisationen) vor Ort gut informiert. Gleichstellungsbeauftragte bei Landratsämtern, Gemeinden und Regierungen K. SELBSTHILFE / NETZWERKE Allein erziehende Eltern helfen sich selbst und helfen sich gegenseitig. Gerade Einelternfamilien brauchen außerfamiliäre Netzwerke. Es gibt in ganz Bayern vielfältige Selbsthilfegruppen, Kontaktgruppen, Treffpunkte und ähnliche Initiativen. Hinzuweisen ist besonders auf die Initiativen und Treffpunkte in vielen evangelischen und katholischen Kirchengemeinden. Darüber hinaus bietet das Internet zahlreiche Angebote, insbesondere Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV): eine überkonfessionelle, gemeinnützige und politisch unabhängige Selbsthilfeorganisation, die bundesweit, vor allem aber auch regional tätig ist. Derzeit gibt es in Bayern etwa 40 Kontaktstellen des VAMV. Weitere Informationen erhalten Sie vom VAMV Landesverband Bayern e.v., Tumblingerstraße 24 (Rückgebäude), 80337 München, Tel. (089) 32212-2 94, info@www.vamv-bayern.de, www.vamv-bayern.de.

III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE 30 EINELTERNFAMILIEN SIND MIT RECHTLICHEN FRAGESTELLUNGEN KONFRONTIERT, DIE SPEZIALISIERTEN RECHTSRAT ERFORDERN. ES FOLGT EINE ÜBERSICHT UNTER ANGABE DER EINSCHLÄGIGEN RECHTSVORSCHRIFTEN UND DER STELLEN, DIE IHNEN WEITERHELFEN KÖNNEN. A. VATERSCHAFT Aus der Vaterschaft ergibt sich eine Reihe von rechtlichen Folgen im Verhältnis zum Kind (Umgang, Unterhalt, Erbansprüche etc.) und zur Mutter (insbesondere Betreuungsunterhalt). Nach dem Gesetz ist der Mann Vater des Kindes, _ DER ZUM ZEITPUNKT DER GEBURT MIT DER MUTTER VERHEIRATET IST, _ DER DIE VATERSCHAFT ANERKANNT HAT ODER _ DESSEN VATERSCHAFT GERICHTLICH FESTGESTELLT IST. Die Anerkennung der Vaterschaft kann der Vater vor dem Jugendamt, vor dem Standesamt, notariell oder zur Niederschrift des Gerichts im Kindschaftsprozess erklären. Dies kann schon vor der Geburt des Kindes geschehen. Kindes nötig, die durch den Vormund des Kindes erteilt wird. War die Mutter zur Zeit der Geburt mit einem anderen Mann verheiratet, ist auch dessen Zustimmung erforderlich. Weigert sich der Vater, die Vaterschaft anzuerkennen, so kann die Vaterschaft auch gerichtlich festgestellt werden. Dies geschieht im Regelfall durch eine DNA-Analyse. Die Mutter, das Kind sowie der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war oder der die Vaterschaft anerkannt hat, haben ein Recht zur Anfechtung der Vaterschaft, ebenso der potenzielle leibliche Vater. Zur Feststellung der Vaterschaft kann eine Beistandschaft des Jugendamtes beantragt werden. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt Zur Anerkennung ist die Zustimmung der Mutter erforderlich. Bei minderjährigen Müttern ist zusätzlich die Zustimmung des 1592 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 59 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII)

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III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE 32 B. SORGERECHT Elterliche Sorge dass die Eltern zusammenleben. Die Sorgeerklärung können auch Elternteile abgeben, die anderweitig verheiratet sind. Die elterliche Sorge ist das Recht und die Pflicht der Eltern, für ihre minderjährigen Kinder umfassend zu sorgen. Sie ist auf die Wahrung und Förderung der körperlichen, geistigen, seelischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen des Kindes gerichtet und umfasst insbesondere die gesetzliche Vertretung und das Recht, Aufenthalt und Umgang des Kindes zu bestimmen. Die Gestaltung des Sorgerechts ist eine sehr wichtige Entscheidung, vor der Sie sich durch das Jugendamt, einen Rechtsanwalt oder Notar beraten lassen sollten. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Notarin/Notar Gemeinsames Sorgerecht und alleiniges Sorgerecht Sind die Eltern miteinander verheiratet oder heiraten sie nach der Geburt des Kindes, haben sie das Sorgerecht gemeinsam. 1626 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 58 a und 59 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, hat die volljährige Mutter das alleinige Sorgerecht. Sie kann sich über ihr Alleinsorgerecht vom zuständigen Jugendamt eine Bescheinigung ausstellen lassen. Nicht verheiratete Eltern können das gemeinsame Sorgerecht erhalten, wenn sie eine übereinstimmende, durch das Jugendamt oder notariell beurkundete Sorgeerklärung abgeben. Dies ist auch schon vor der Geburt des Kindes möglich und setzt nicht voraus,

33 Das gemeinsame Sorgerecht der Eltern kann nur auf Antrag eines Elternteils durch einen Beschluss des Familiengerichts aufgehoben oder geändert werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben. Verfahren vor den Familiengerichten über das Sorgerecht gibt es häufig, wenn die Beziehung der Eltern scheitert. Dem Antrag ist stattzugeben, _ WENN DER ANDERE ELTERNTEIL ZUSTIMMT (AUSSER DAS MINDESTENS 14-JÄHRIGE KIND WIDERSPRICHT) ODER _ WENN ZU ERWARTEN IST, DASS DIE AUFHEBUNG DER GEMEIN- SAMEN SORGE UND DIE ÜBERTRAGUNG AUF DEN ANTRAG- STELLER DEM WOHL DES KINDES AM BESTEN ENTSPRECHEN. Das Gericht kann auch nur einen Teil der elterlichen Sorge einem Elternteil allein zuweisen, z. B. die Vermögenssorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Bei Veränderungen der Situation kann das Familiengericht die Sorgerechtsregelung auf entsprechenden Antrag eines Elternteils verändern. Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Jugendamt, Familiengericht 1671, 1672 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE 34 Kindesentziehung ins Ausland Ein drastischer Fall der Sorgerechtsverletzung ist es, wenn ein Elternteil das Kind gegen den Willen des anderen Elternteils mit ins Ausland nimmt oder dort zurückhält. Ähnliche Probleme treten auf, wenn durch die Kindesentziehung nur das Umgangsrecht vereitelt wird. Ihr Kind aus dem Ausland zurückzubekommen ist schwierig, da dort die Entscheidungen der deutschen Gerichte nicht unmittelbar gelten und ausländische Rechtsordnungen mitunter abweichende Regelungen vorsehen. Zudem muss bisweilen der Aufenthalt des Kindes noch festgestellt werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragsstaat mehrerer internationaler Abkommen, die für die Lösung solcher Konflikte Regelungen vorsehen (insbesondere Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und Europäisches Sorgerechtsübereinkommen). Ferner gilt in den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union diesbezüglich die Brüssel-II-Verordnung. In Deutschland ist die zentrale Behörde im Rückführungsverfahren nach diesen internationalen Regelungen das Bundesamt für Justiz, das betroffenen Eltern und Behörden Beratung anbietet. Bundesamt für Justiz, Zentrale Behörde, Adenauerallee 99 103, 53113 Bonn, Tel. (0228) 410 40, www.bundesjustizamt.de (Stichwort Zivilrecht Internationale Sorgerechtskonflikte )

35 Daneben können Sie sich an das Jugendamt oder einen auf das internationale Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt wenden. Qualifizierte Beratung und Unterstützung leisten auch der iaf, Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.v., und der Internationale Sozialdienst. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt Internationaler Sozialdienst, Deutscher Verein für private Fürsorge e.v., Michaelkirchstraße 17/18, 10179 Berlin, Tel. (030) 62980-403, www.iss-ger.de iaf, Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.v., Goethestraße 53, 80336 München, Tel. (089) 5314 14, www.verband-binationaler.de Die Sorgerechtsverletzung ist unter Umständen gemäß 235 des Strafgesetzbuches als Entziehung Minderjähriger strafbar, wofür allerdings in der Regel ein Strafantrag erforderlich ist. Dieser ist innerhalb von drei Monaten nach der Tat bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zu stellen. Wenn Sie eine Kindesentführung befürchten, sollten Sie sich schon vorab bei einer der oben genannten Stellen beraten lassen. Im günstigsten Fall lässt sich der der Befürchtung zugrunde liegende Konflikt bereinigen. Ansonsten gibt es Maßnahmen, die jedenfalls einen gewissen Schutz vor einer Kindesentführung versprechen: Sie können das alleinige Sorgerecht und/oder das Beisein von Dritten für die Treffen des Kindes mit dem anderen Elternteil beantragen.

III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE 36 Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts Bei gemeinsamem Sorgerecht ist bei Entscheidungen, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich, auch wenn die Eltern getrennt leben bzw. geschieden sind. Entscheidungen von erheblicher Bedeutung sind z. B. die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, die Schul- oder Berufswahl oder die Wahl des religiösen Bekenntnisses bei Kindern unter 14 Jahren. Allerdings darf der Elternteil, bei dem das Kind gewöhnlich lebt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens alleine entscheiden. Sie/Er muss also den anderen Elternteil nicht wegen jeder unbedeutenden Kleinigkeit fragen. Empfehlenswert ist zur Vermeidung von Streit der Abschluss einer Sorgevereinbarung. Das ist ein Vertrag, in dem die praktisch wichtigen Fragen ausdrücklich geregelt werden. 1687 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Muster einer Sorgevereinbarung nach Trennung und Scheidung: VAMV-Sorgevereinbarung, zu bestellen bei der VAMV-Bundesgeschäftsstelle, Tel. (030) 6959786 oder kontakt@vamv.de Tod des sorgeberechtigten Elternteils und Vorsorge für diesen Fall Stirbt bei gemeinsamer elterlicher Sorge ein Elternteil, steht dem anderen volljährigen Elternteil das Sorgerecht allein zu. Beim Tod eines allein sorgeberechtigten Elternteils überträgt das Familiengericht dem anderen Elternteil die elterliche Sorge. Falls dies nicht dem Wohl des Kindes entspricht, bestimmt das Gericht einen Vormund. Der allein sorgeberechtigte Elternteil kann durch ein Testament (oder durch eine andere letztwillige Verfügung) eine Person für den Todesfall als Vormund benennen. Das Gericht kann diese Person nur mit wichtigen Gründen übergehen. Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Jugendamt, Familiengericht 1680, 1681, 1773, 1776, 1777 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

37 (Wieder-)Verheiratung Rechtsstellung von Stiefeltern Gehen Sie als allein erziehender Elternteil mit einem neuen Partner (der nicht der leibliche Elternteil des Kindes ist) eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein, so steht diesem das sogenannte kleine Sorgerecht zu, das heißt, sie/er kann über die alltäglichen Belange mitentscheiden (jedoch nur einvernehmlich mit Ihnen) und sie/er darf im Notfall oder bei Gefahr alles tun, um das Wohl des Kindes zu sichern. Damit darf der Stiefelternteil in den Dingen des alltäglichen Lebens Ihr Kind nach außen vertreten. Ihr/Ihm entstehen daraus jedoch keine Unterhaltspflichten. 1687 b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 9 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) Für die verheiratete Stiefmutter bzw. den verheirateten Stiefvater besteht zudem die Möglichkeit, Ihr nichteheliches Kind zu adoptieren. Zur Adoption ist jedoch die Einwilligung beider Elternteile erforderlich. Verweigert der andere Elternteil die Einwilligung, kann sie das Vormundschaftsgericht nur ersetzen, wenn das Unterbleiben der Adoption für das Kind einen unverhältnismäßigen Nachteil bedeuten würde. Im Falle der Adoption durch einen Stiefelternteil erlangt das Kind die Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes. Das Sorgerecht steht Ihnen dann zusammen mit dem Stiefelternteil zu. 1741 1766 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE 38 C. UMGANGSRECHT Das Umgangsrecht regelt den Kontakt zwischen Eltern und Kind. Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Beide Eltern haben das Recht auf Kontakt zu ihrem Kind. Daher haben die Eltern auch alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Wenn der Umgang dem Wohl des Kindes dient, haben auch Großeltern und Geschwister ein Umgangsrecht, ebenso andere enge Bezugspersonen (z. B. Stiefeltern), wenn diese für das Kind eine Zeit lang Verantwortung getragen haben und daraus eine soziale Beziehung entstanden ist. Jugendamt, Erziehungsberatungsstellen, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung, Wie Eltern den Umgang am Wohl des Kindes orientieren können, herausgegeben von der Deutschen Liga für das Kind, dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.v. (VAMV), 2. Auflage 2007, zu bestellen bei der VAMV-Bundesgeschäftsstelle, Tel. (030) 6959-786 oder kontakt@vamv.de D. UNTERHALT DES KINDES In Konfliktfällen entscheidet das Familiengericht über die Gestaltung des Umgangsrechts: Es kann es einschränken oder sogar ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine dauerhafte Unterbindung des Kontaktes ist allerdings nur in Ausnahmefällen möglich. Eheliche und nichteheliche Kinder sind unterhaltsrechtlich gleichgestellt. Der Unterhaltsanspruch besteht grundsätzlich ab der Geburt des Kindes. Soll der Unterhalt des nichtehelichen Kindes gegen den Vater geltend gemacht werden, muss vorher eine Vaterschaftsanerkennung oder -feststellung vorliegen. 1684, 1685 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Verschiedene Arten von Unterhalt: Leben die Eltern zusammen, erfüllen sie den Unterhaltsanspruch des Kindes durch Gewährung von Nahrung, Wohnung, Kleidung, Erziehung

39 (Naturalunterhalt). Leben die Eltern getrennt, dann erfüllt der Elternteil, bei dem das minderjährige Kind lebt, seinen Beitrag zum Unterhalt des Kindes in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (Betreuungsunterhalt). Der andere Elternteil schuldet seinem Kind monatlich den so genannten Barunterhalt. Unterhaltshöhe: Die Höhe des Barunterhalts bemisst sich nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils und dem Alter des Kindes. Voraussetzung für die Zahlung von Kindesunterhalt ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten, d. h. dem Unterhaltsverpflichteten muss ein so genannter Selbstbehalt verbleiben. Der Selbstbehalt beträgt derzeit 900 Euro, wenn der Unterhaltsverpflichtete erwerbstätig ist, und 770 Euro, wenn der Unterhaltsverpflichtete nicht erwerbstätig ist (unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland). Zur konkreten Berechnung der Höhe des Kindesunterhalts wird die so genannte Düsseldorfer Tabelle herangezogen (Stand 1. Januar 2008): Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen (Euro) 0 5 Jahre Altersstufen 6 11 Jahre 12 17 Jahre ab 18 Jahre Prozentsatz Bedarfskontrollbetrag 1 bis 1.500 279 322 365 408 100 770/900 2 1.501 1.900 293 339 384 429 105 1.000 3 1.901 2.300 307 355 402 449 110 1.100 4 2.301 2.700 321 371 420 470 115 1.200 5 2.701 3.100 335 387 438 490 120 1.300 6 3.101 3.500 358 413 468 523 128 1.400 7 3.501 3.900 380 438 497 555 136 1.500 8 3.901 4.300 402 464 526 588 144 1.600 9 4.301 4.700 425 490 555 621 152 1.700 10 4.701 5.100 447 516 584 653 160 1.800 (Ab 5.101 Euro nach den Umständen des Falles)

III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE 40 Die Unterhaltsbeträge nach der Düsseldorfer Tabelle beziehen sich auf den Fall, dass drei Unterhaltsberechtigte (z. B. Mutter mit zwei Kindern) vorhanden sind. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind in der Regel Abschläge oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen. Kindergeldanrechnung Das Kindergeld ist zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden, soll also in vollem Umfang dem Kind zugute kommen. Es ist zur Hälfte auf den Kindesunterhalt anzurechnen, wenn die Eltern getrennt leben und ein Elternteil Betreuungsunterhalt (siehe oben) erbringt. Bekommt der barunterhaltspflichtige Elternteil das Kindergeld ausbezahlt, dann entspricht dies eigentlich nicht der Rechtslage. Denn bezugsberechtigt ist beim Kindergeld eigentlich nur der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt. Der betreuende Elternteil sollte in diesem Fall bei der zuständigen Familienkasse einen Antrag auf Auszahlungsänderung stellen. Solange der barunterhaltspflichtige Elternteil noch fehlerhaft Kindergeld bezieht, muss er dieses in voller Höhe an das Kind auszahlen. Titulierung und gerichtliche Geltendmachung des Kindesunterhalts Sie sollten zunächst versuchen, sich gütlich mit dem anderen Elternteil über den Kindesunterhalt zu einigen. Auch im Falle einer gütlichen Einigung ist es aber sinnvoll, die Regelung zum Kindesunterhalt zu titulieren, d. h., eine öffentliche Urkunde zu errichten, mit der notfalls die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Titulieren kann u. a. das Jugendamt. Dort kann kostenlos eine entsprechende Verpflichtungserklärung aufgenommen werden. Der Unterhaltsverpflichtete sollte dabei Unterlagen über sein Einkommen (Lohn- und Gehaltsabrechnung über mindestens sechs Monate, Nachweis über sonstige Einkünfte) und seinen Personalausweis mitbringen. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt Ist eine Einigung über den Unterhalt nicht möglich, so bleibt nur der Weg zum Gericht, also in der Regel die Unterhaltsklage. Gleichzeitig mit der Klageerhebung kann in dringenden Fällen der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt werden.

41 Vereinfachtes Verfahren In einfachen unstreitigen Fällen kann auf Antrag der Rechtspfleger des Familiengerichts über den Unterhalt eines minderjährigen Kindes entscheiden. Im vereinfachten Verfahren kann höchstens das 1,2-fache des Mindestunterhalts (entspricht Stufe 1 der Düsseldorfer Tabelle) geltend gemacht werden. Das vereinfachte Verfahren kommt nur in Betracht, wenn über den Unterhaltsanspruch noch kein Gericht entschieden hat, kein Gerichtsverfahren anhängig ist und auch noch kein sonstiger Titel vorliegt. Unterhaltspflicht bei volljährigen Kindern Gegenüber volljährigen Kindern sind grundsätzlich beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Solange diese noch im Haushalt eines Elternteils wohnen, gilt für die Unterhaltshöhe die Stufe 4 der Düsseldorfer Tabelle. Ausbildungsunterhalt Die Eltern schulden ihrem Kind die Finanzierung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Angemessen ist die Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten des Kindes, seinem Leistungswillen und seinen beachtenswerten Neigungen am besten entspricht und deren Finanzierung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern nicht übersteigt. Die Eltern sind grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Zweitausbildung zu finanzieren. Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn eine weitere Ausbildung von vornherein angestrebt war, ohne dass es im Allgemeinen darauf ankommt, ob diese als Weiterbildung oder als Zweitausbildung zu qualifizieren ist. Eine Verpflichtung zur Finanzierung einer Zweitausbildung kommt auch dann in Betracht, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruht oder das Kind gegen seinen Willen zu dieser Ausbildung gedrängt wurde.

III. RECHTLICHE SITUATION DER EINELTERNFAMILIE 42 Als angemessener Gesamtunterhaltsbedarf für ein volljähriges unterhaltspflichtiges Kind mit eigenem Hausstand legen die Gerichte derzeit in der Regel einen Betrag in Höhe von 640 Euro (ohne Beiträge zur Krankenund Pflegeversicherung sowie Studiengebühren) zugrunde. Sonderbedarf Im Einzelfall kann ein besonderer Bedarf des Kindes gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten geltend gemacht werden. Bei diesem so genannten Sonderbedarf handelt es sich um einen unregelmäßigen, außerordentlich hohen Bedarf, der überraschend und der Höhe nach nicht einschätzbar ist. Typisch für den Sonderbedarf ist, dass er aus dem normalen, laufenden Unterhalt nicht gezahlt und auch nicht angespart werden kann. Beispiele für einen Sonderbedarf können z. B. Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung oder eine unvorhergesehene Operation sein. 1610 ff., 1613 Absatz 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen kann eine Beistandschaft des Jugendamtes beantragt werden. Das Jugendamt hat eine Beratungspflicht. Jugendamt bei der kreisfreien Stadt oder beim Landratsamt, Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.v. (VAMV) 1615 a, 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Generell empfiehlt sich in Fragen des Unterhalts die Beratung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, zumal das voraussichtlich zum 1. September 2009 in Kraft tretende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für Unterhaltssachen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorschreibt. Rechtsanwältin/Rechtsanwalt