Kursbuch ärztliche Kommunikation Grundlagen und Fallbeispiele für Klinik und Praxis von Kurt Fritzsche, Axel Schweickhardt 1. Auflage Kursbuch ärztliche Kommunikation Fritzsche / Schweickhardt schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Deutscher Ärzte-Verlag Köln 2006 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 7691 3228 1 Inhaltsverzeichnis: Kursbuch ärztliche Kommunikation Fritzsche / Schweickhardt
Kursbuch rztliche Kommunikation.qxd 13.10.2006 17:26 Seite VII VII Vorwort In den meisten medizinischen Fachgebieten entfällt mindestens ein Drittel bis über die Hälfte der Arbeitszeit eines Arztes auf das Gespräch mit dem Patienten, seinen Angehörigen, den ärztlichen Kollegen, dem Pflegepersonal oder den Mitarbeitern der Arztpraxis. Trotz einer immer weiter expandierenden Vielfalt technischer Untersuchungsmethoden können allein nach dem Anamnesegespräch 70%, zusammen mit der körperlichen Untersuchung 90% aller Diagnosen richtig gestellt werden. Aktuell beklagen sowohl Patienten als auch Ärzte Mängel in der ärztlichen Kommunikation. Häufige Fehler im Arzt-Patienten-Gespräch sind: Unterbrechen von Symptomschilderungen des Patienten schon nach durchschnittlich 18 Sekunden, mangelnde Strukturierung des Gespräches, Einengung des Patienten durch Suggestivfragen und geschlossene Fragen, Nichteingehen auf emotionale Äußerungen, unklare und missverständliche Erklärungen zu Untersuchungsbefunden, Krankheitsdiagnosen und therapeutische Empfehlungen. Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass eine kommunikative Kompetenz lehr- und lernbar ist. Diese Erkenntnisse werden im Rahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung nur zögerlich umgesetzt. Erst im Rahmen der neuen Approbationsordnung für Ärzte wird der Verbesserung des ärztlichen Gesprächsverhaltens und der Gestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung mehr Raum gegeben. In Freiburg im Breisgau finden seit 1991 kontinuierlich Kurse zur Verbesserung der ärztlichen Gesprächsführung im Rahmen des Erwerbs psychosomatischer Grundkenntnisse in der Facharztweiterbildung, den Kursen zur Psychosomatischen Grundversorgung und in der Weiterbildung zur Zusatzbezeichnung Psychotherapie statt. Viele hundert Kolleginnen und Kollegen, vom Berufseinsteiger bis zum langjährig erfahrenen Arzt, gaben uns immer wieder die Rückmeldung, durch die Kurse in ihrem persönlichen Umgang mit Patienten wichtige Schritte weitergekommen zu sein. Dabei profitieren Patientenzufriedenheit und die eigene Zufriedenheit mit der täglichen Arbeit gleichermaßen. Die in diesen Jahren erworbenen Erfahrungen bei der inhaltlichen, didaktischen und methodischen Gestaltung der Kurse fließen in dieses Buch ein. Die Inhalte orientieren sich an den häufigsten in Klinik und Praxis vorkommenden Gesprächssituationen und Schwierigkeiten bei bestimmten Krankheitsbildern. Jedes Kapitel ist in Lernziele, Nutzen und Vorteile, Anwendungsbereich, Vorgehen in der spezifischen Situation, innere Haltung, häufige Fehler und Übungsbeispiele gegliedert. Die ärztliche Gesprächsführung wird meistens in Form von wörtlicher Rede an einem oder mehreren Fallbeispielen demonstriert. Dadurch hat das Buch eine hohe Praxisrelevanz und kann direkt als Kursbuch im Rahmen eines Trainings zur Verbesserung der ärztlichen Gesprächsführung eingesetzt werden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit bei Sammelbezeichnungen (Patienten, Ärzte usw.) durchgängig die grammatikalisch männliche Form benutzt, wobei jeweils männliche und
Kursbuch rztliche Kommunikation.qxd 13.10.2006 17:26 Seite VIII VIII Vorwort weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Wir bedanken uns bei den vielen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die über 15 Jahre unsere Kurse besucht haben und uns wichtige Rückmeldungen zur Verbesserung der Didaktik und Methodik geliefert haben. Weiterhin bedanken möchten wir uns bei unserer Sekretärin, Frau Martina Kunz für die Niederschrift und unserer Verlagslektorin, die mit ihren Ideen und Vorschlägen zu einer kontinuierlichen Verbesserung des Manuskriptes beigetragen hat. Freiburg, September 2006 Axel Schweickhardt Kurt Fritzsche
Kursbuch rztliche Kommunikation.qxd 13.10.2006 17:26 Seite IX IX Einführung: Wieso ein Kursbuch für ärztliche Kommunikation? Hand aufs Herz: Haben Sie sich nicht auch schon manches Mal geärgert, wenn der Patient Ihre Therapieanweisungen nicht richtig befolgt oder eine Diagnose in Zweifel stellt? Woran könnte diese mangelnde Compliance liegen? Sicher wird der Patient besser im Behandlungsprozess mitarbeiten, wenn er Sie versteht und sich verstanden fühlt vielleicht kann er seine Bedürfnisse auch nicht adäquat artikulieren? Fakt ist, dass Ihr Arbeitsalltag bedeutend stressfreier verlaufen könnte, wenn Sie und Ihr Patient sich auf Anhieb richtig verstehen. Wenn Sie Kommunikationsdefizite als belastend empfinden, sind Sie in der Kollegenschaft nicht alleine: Befragungen zeigen, dass auch Ärzte unter ihren mangelnden kommunikativen Fähigkeiten leiden. In der Befragung von Gebuhr [2002] geben 61% Belastungen durch Patientenschicksale an, 83% fühlen sich durch die Erwartungshaltung der Patienten belastet, 36% haben Schwierigkeiten mit aktiven Patienten, die andere Therapievorstellungen einbringen. Die genannten Bereiche sind gut durch kommunikative Fähigkeiten beeinflussbar. 40% der Befragten geben Defizite in der Kommunikation an, was in einer Selbsteinschätzung als hoch anzusehen ist. Weitere wichtige Belastungsfaktoren sind die knappe Zeit, die Hierarchie im Krankenhaus und der geringe Handlungsspielraum [Abele 2001]. Eine der Hauptklagen über schwierige Patienten betrifft Situationen, wo Arzt und Patient verschiedene Vorstellungen über den Krankheitsprozess und die Behandlungsmöglichkeiten haben [Sharpe et al. 1994]. Ärzte mit ungenügender kommunikativer Kompetenz haben häufiger Burn-out-Symptome [Ramirez et al. 1996]. Der positive Effekt einer verbesserten Arzt-Patienten-Kommunikation lässt sich nicht nur aus dem Erfolg der Kurse im Rahmen ärztlicher Aus- und Weiterbildung ableiten, sondern auch wissenschaftlich belegen. Da Sie dieses Kursbuch zur Hand nehmen, haben Sie den ersten Schritt schon getan, um Ihre Kommunikation mit dem Patienten zu verbessern. Im Folgenden möchten wir Ihnen anhand von Studienergebnissen einige gute Gründe aufzeigen, warum Sie an Ihrer Kommunikation arbeiten sollten. Die ärztliche Konsultation hat folgende Hauptziele [Ong et al. 1995, Lazare et al. 1995, Bensing 1991, Roter und Hall 1992, Silverman et al. 1998]: 1. der Aufbau einer guten Arbeitsbeziehung 2. eine präzise Definition des Patientenproblems durch Austausch von Informationen über Gründe für die Konsultation, Ursache für die dargestellten Beschwerden, Kennenlernen der Belastungen durch die Erkrankung und die konkreten Ziele der Konsultation 3. Verbesserung der Kompetenz des Patienten durch Information und Beratung 4. Treffen medizinischer Entscheidungen gemeinsam mit dem Patienten 5. Sicherung der Compliance und Angebot von emotionaler Unterstützung in belastenden Situationen Wichtigstes Instrument zur Erreichung dieser Ziele ist eine gute kommunikative Kompetenz [Bensing 1991, Casell 1991, Roter
Kursbuch rztliche Kommunikation.qxd 13.10.2006 17:26 Seite X X Einleitung und Hall 1992, Lipkin 1995]. Im Gegensatz zu früheren Modellen einer krankheitszentrierten oder arztzentrierten Medizin werden die oben genannten Ziele der ärztlichen Konsultation am besten im Rahmen einer patientenorientierten Gesprächsführung erreicht. Kommunikationsprobleme zwischen Arzt und Patient sind häufig. Verschiedene Studien zeigen, dass viele Patienten mit Information und Beratung durch den Arzt unzufrieden sind [Coulter 1998; Ong 1995; Stewart 1995]. Hauptgrund für diese Defizite ist die starke Fokussierung auf die Krankheit und ihre Behandlung sowie die geringe Einbeziehung des Patienten und seiner Lebenswelt. Im Gegensatz zu dieser arztzentrierten Medizin [Brown 1999] wurde schon in den 50er Jahren das Konzept der patientenzentrierten Medizin [Balint 1980] eingeführt. Folgende Komponenten gehören zu einer patientenzentrierten Gesprächsführung [Stewart et al. 1995, Mead und Bower 2000]: 1. Eine bio-psycho-soziale Perspektive Ausgehend vom bio-psycho-sozialen Modell von Engel [1977, 1980] soll der Arzt offen sein für alle Probleme, die der Patient zur Sprache bringt, nicht nur für seine körperlichen Beschwerden. 2. Der Patient als Mensch das subjektive Krankheitsverständnis Jedes Symptom und jede Krankheit hat für den Patienten eine persönliche Bedeutung. Der Arzt soll in dem Gespräch immer auch die Erwartungen des Patienten, seine Gefühle und seine Ängste in Bezug auf Krankheit miterfassen. Das bedeutet, dass die Befunde des Arztes nicht nur in medizinischen Begriffen rückgemeldet werden, sondern auch als Ausdruck der Lebenswelt des Patienten, mit Konflikten und Problemen, die dem Arzt zunächst noch nicht vollständig bekannt sind [Levenstein et al. 1986, Henbest und Stewart 1990]. 3. Gemeinsame Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen Patientenzentrierte Gesprächsführung setzt ein partnerschaftliches Modell einer Arzt- Patient-Beziehung voraus, das sich grundlegend vom paternalistischen Modell unterscheidet. Die vorgegebene Asymmetrie der Beziehung durch das größere Fachwissen des Arztes und seine Macht soll nicht dazu führen, dass diese Ungleichheit unreflektiert übernommen wird. Die Einbeziehung des Patienten als Experten für seine Krankheit [Tucket et al. 1985] fordert von Arzt und Patient einen Verhandlungsprozess, in dem die wechselseitigen Erwartungen und Verpflichtungen offengelegt werden [Quill 1983, Smith und Hoppe 1991]. 4. Das Arbeitsbündnis Das therapeutische Bündnis nach Rogers [1983] umfasst die therapeutische Grundhaltung, Empathie, Echtheit und uneingeschränkte positive Wertschätzung und Akzeptanz. Andere Autoren betonen die Übereinstimmung in den Behandlungszielen, die Bereitschaft des Patienten, die vereinbarten Behandlungsschritte umzusetzen und wie der Patient den Arzt sowohl kognitiv als auch emotional wahrnimmt [Roth und Fonagy 1996]. 5. Die Persönlichkeit des Arztes Schon im therapeutischen Bündnis bringt der Arzt sich als Person ein und verstärkt damit die Wirksamkeit der therapeutischen Beziehung [Balint 1980]. Im Gespräch beeinflussen sich Arzt und Patient gegenseitig, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Die dabei sichtbar werdenden Übertragungsmuster können therapeutisch genutzt werden. Patienten beschreiben ein Gespräch dann als besonders angenehm, wenn sie die Bereitschaft des Arztes spüren, auf ihre Erwartungen, Ängste und persönlichen Vorstellungen zur Krankheit einzugehen und
Kursbuch rztliche Kommunikation.qxd 13.10.2006 17:26 Seite XI Einleitung XI wenn auch psychische und soziale Belastungen thematisiert wurden. Positive Effekte einer patientenzentrierten Gesprächsführung auf den Krankheitsverlauf, z.b. bei Bluthochdruck oder Diabetes mellitus sind nachgewiesen. Weitere Effekte sind die Abnahme von Patientenklagen (weniger Schadensersatzprozesse), eine höhere Patientenzufriedenheit und eine bessere Compliance der Patienten [Stewart 1995, Lewin et al. 2003]. Literatur Abele AE, Arztberuf. Zwischen Erwartung und Realität. Deutsches Ärzteblatt (2001) 98, 3008 3011 Balint M (1980) Der Arzt, sein Patient und die Krankheit. Klett, Stuttgart Bensing JM (1991) Doctor-Patient Communication and the Quality of Care. An observation study into affective and instrumental behaviour in general practice. NIVEL/Utrecht University, Utrecht Brown SJ, Patient-centred communication. Annu Rev Nurs Res (1999) 17, 85 104 Casell E (1991) The nature of suffering and the goals of medicine. Oxford University Press, New York/Oxford Coulter A, Entwistle V, Gilbert D (1998) Informing patients: an assessment of the quality of patient information materials. Kings Fund, London Engel GL, The need for a new medical model: a challenge for biomedicine. Science (1977) 196, 129 136 Engel GL, The clinical application of the biopsychosocial model. Am J Psychiatry (1980) 137, 535 544 Gebuhr K (2002) Die vertragsärztliche Gegenwart im Lichte des Burn-out-Syndroms. Die wirtschaftliche Entwicklung und die ärztliche Selbstverwaltung in der vertragsärztlichen Meinung. Brendan-Schmittmann-Stiftung des NAV-Virchow-Bundes, Verband der Niedergelassenen Ärzte Deutschlands, Berlin Henbest R, Stewart M, Patient-centredness in the consultation 2: does it really make a difference? Family Practice (1990) 7, 28 33 Lazare A, Putman S, Lipkin M (1995) Three functions of the Medical interview. In: Lipkin M, Putman SM, Lazare A, The Medical Interview. Clinical Care, Education and Research, 3 19, Springer, New York Levenstein J, McCracken E, McWhinney I, Stewart M, Brown J, The patient-centred clinical method 1: a model for the doctorpatient interaction in family medicine. Family Practice (1986) 3, 24 30 Lewin SA, Skea ZC, Entwistle V, Zwarenstein M, Dick J (2004) Interventions for providers to promote a patient-centred approach in clinical consultations. The Cochrane Database of Systematic Reviews, The Cochrane Library 1 Lipkin M, Putman SM, Lazare A (1995) The Medical Interview. Clinical Care, Education and Research, Springer, New York Mead N, Bower P, Patient-centredness: a conceptual framework and review of the empirical literature. Soc Sci Med (2000) 51, 1087 1087 Ong LM, de Haes JCJM, Hoos AM, Lammes FB, Doctor-patient Communication: A Review of the Literature. Soc Sci Med (1995) 40, 903 918 Quill TE, Partnerships in patient care: A contractual approach. Ann Intern Med (1983) 98, 228 234 Ramirez AJ, Graham J, Richards MA, Cull A, Gregory WM, Mental health of hospital consultants: the effects of stress and satisfaction at work. Lancet (1996), 347 (9003), 724 728 Rogers CR (1983) Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Fischer, Frankfurt/M. Roter DL, Hall JA (1992) Doctors talking with patients/patients talking with doctors: improving communication in medical visits. Auburn House, Westport CT-London Roth A, Fonagy P (1996) What works for whom? A critical review of psychotherapy research. Guildford, London Sharpe M, Mayou R, Seagrott V et al., Why do doctors find some patients difficult to help? Q J Med (1994) 87, 187 183 Silverman JD, Kurtz SM, Draper J (1998) Skills for communicating with patients. Radcliffe Medical Press, Abingdon, Oxon (UK) Smith RC, Hoppe RB, The patient s story: Integrating the patient- and physician-centred approaches to interviewing. Ann of Intern Med (1991) 115, 470 477
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