Macht das Geschlecht einen Unterschied?



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Macht das Geschlecht einen Unterschied? Was männliche Erzieher (besonders) zur Entwicklung von Jungen beitragen. Vorläufige Ergebnisse aus der Tandem-Studie zu professionellem Erziehungsverhalten von Männern und Frauen Prof. Dr. Holger Brandes, Markus Andrä, Wenke Röseler, Petra Schneider-Andrich Evangelische Hochschule Dresden, apfe-institut Gefördert von: Ausgangspunkte Unterstellt wird, dass Männer und Frauen sich unterscheiden in der Art und Weise, was und wie sie etwas tun wir haben aber zumal in der Pädagogik wenig Belege hierfür Es gibt Hinweise, dass Mütter bindungsorientierter sind und Väter herausfordernder wir wissen aber nicht, ob sich dies in professioneller Erziehung widerspiegelt Annahme ist, dass Jungen für ihre Entwicklung männliche Rollenvorbilder benötigen wir haben aber nur ungenaue und klischeehafte Vorstellungen von dieser Vorbildfunktion Ob und wie es sich auf Jungen und Mädchen auswirkt, ob ihnen ein Mann oder eine Frau als Pädagoge gegenüber steht, ist erstaunlicherweise bislang kaum untersucht worden (Rohrmann 2006). Insgesamt kann von einem eklatanten Mangel an Untersuchungen über den Einfluss professioneller Erziehung und Bildung durch Männer auf die Entwicklung von Kindern gesprochen werden (Aigner, Poscheschnik 2010). 1

Die Tandem-Studie Die vom BMFSFJ geförderte Tandem-Studie (Nov. 2010- April 2013) soll das Verhalten von männlichen und weiblichen Fachkräften im pädagogischen Alltag untersuchen und vergleichen. Hierzu wird über videografierte Interaktionen in einem quasiexperimentellen Setting (in Einzel- und Gruppensituationen) das Erziehungshandeln von weiblichen und männlichen Fachkräften in Kindertagesstätten eingeschätzt und verglichen. Ergänzend werden qualitative Interviews durchgeführt sowie ein Persönlichkeitstest. Untersuchungsfragen Unterscheiden sich Erzieherinnen und Erzieher hinsichtlich pädagogisch-professioneller Kriterien in ihrem konkreten Erziehungsverhalten? Lässt sich im professionellen Kontext die bindungs-theoretische Annahme bestätigen, dass Frauen eher bindungsorientiert interagieren und Männer herausfordernder? Lassen sich Hinweise finden, ob und wie Fachkräfte als geschlechtliche Rollenvorbilder wirken und wie diesbezügliche Interaktionsprozesse ablaufen? Welche Rolle spielen Arrangements und Arbeitsteilungzwischen Fachkräften bezogen auf geschlechtsspezifische Vorbildfunktionen? 2

Standardisierte Einzelsituation - Kofferinhalt Standardisierte Situation von Erzieherin/Erzieher (n = 40/20) mit jeweils einem Kind: Zwei Koffer, mit deren Inhalt sie über ca. 20 Min. beliebig etwas machen können. Auswahl der entstandenen Objekte 3

Auswertung Das pädagogische Interaktionsverhalten in den Einzelsituationen wird durch ein Ratingverfahrenin Hinblick auf Parameter der pädagogisch-professionellenqualität eingeschätzt und in quantitativ auswertbare Daten überführt. Zusätzlich wird versucht, unter dem Aspekt geschlechtsspezifischerinteraktionund Geschlechtsidentifikation Schlüsselszenen zu identifizieren und zu analysieren. Diese Analysen werden durch die qualitative Auswertungen der Gruppenspielsituationen und der Interviews um die Perspektive der Abstimmung und des Arrangements zwischen den Fachkräften erweitert. Erste Erkenntnisse aus den Videosequenzen Das Interaktionsverhalten in den videografierten pädagogischen Situationen ist über die Geschlechtergrenze hinaus so vielfältig, dass generelle Aussagen zu den Männern/Erziehern oder den Frauen/Erzieherinnen nur mit äußerster Zurückhaltung gemacht werden können. Die Männer untereinander wie auch die Frauen untereinander unterscheiden sich in etwa genauso stark wie die Männer von den Frauen. Trotzdem lassen sich Unterschiede zwischen Erziehern und Erzieherinnen identifizieren und auch quantifizieren. Diese Ergebnisse sind aber nicht repräsentativ und auch nicht übertragbar auf Männer und Frauen generell. 4

Erste Ergebnisse der Auswertung Deskriptive Auswertung der Ratingergebnisse: Unterschiede Erzieherinnen Erzieher (n = 19/19) Einfühlsamkeit Herausforderung Kommunikationsinhalte Art der Aktivität Unterschiede zwischen Erziehern und Erzieherinnen: Einfühlsamkeit Dimension (1= trifft nicht zu, 5= trifft sehr zu) Frauen - Durchschnitt Männer-Durchschnitt Erzieher/in reagiert auf Äußerungen und Regungen des Kindes angemessen und prompt (1.1) Erzieher/in unterstützt das Kind angemessen (ohne unerbetene Einmischungen und Vorschriften) (1.3) Erzieher/in gibt angemessen positive und wertschätzende Rückmeldungen (1.4) Erzieher/in greift Vorschläge und/oder Initiativen des Kindes auf (2.1) Erzieher/in wartet geduldig Entscheidungen des Kindes ab (2.2) Erzieher/in ist dem Kind zugewandt und sucht den Blickkontakt. (2.8) 3,69 3,68 3,27 3,42 3,15 3,20 3,66 3,74 3,31 3,73 3,60 3,78 5

Erzieher/in reagiert auf Äußerungen und Regungen des Kindes angemessen und prompt (1.1) Einschätzung der ErzieherInnen im Mittel Frauen Gesamt Männer Mittelwert 3,69 3,68 3,68 s 0.67 0,76 0,88 Hier erweisen sich Männer und Frauen auch in der Streuung als ähnlich. Verteilung der Antworthäufigkeiten in Prozent Gesamt Frauen Männer 1,5 2,56 0 5 trifft nicht zu (1) 2,5 7,69 10,538 5 trifft wenig zu (2) 3,5 23,08 21,05 25 mittelmäßig (3) 4,5 61,54 68,42 55 trifft ziemlich zu (4) 5,5 5,13 0 10 trifft sehr zu (5) 11 Erzieher/in unterstützt das Kind angemessen (ohne unerbetene Einmischungen und Vorschriften)(1.3) Einschätzung der ErzieherInnen im Mittel Frauen Gesamt Männer Mittelwert 3,27 3,35 3,42 s 0,90 0,93 1,00 Hier erweisen sich Männer und Frauen auch in der Streuung als sehr ähnlich. Verteilung der Antworthäufigkeiten in Prozent Gesamt Frauen Männer 1,5 10,26 10,53 10 trifft nicht zu (1) 2,5 10,26 10,53 10 trifft wenig zu (2) 3,5 25,64 26,32 25 mittelmäßig (3) 4,5 53,85 52,63 55 trifft ziemlich zu (4) 60 50 40 30 20 10 Frauen Gesamt Männer 5,5 0 0 0 trifft sehr zu (5) 0 trifft nicht zu trifft wenig mittelmäßig trifft trifft sehr zu (1) zu (2) (3) ziemlich zu (4) (5) 12 6

Erzieher/in wartet geduldig Entscheidungen des Kindes ab (2.2) Einschätzung der ErzieherInnen im Mittel Frauen Gesamt Männer Mittelwert 3,31 3,53 3,73 Bemerkenswert: Geduldige Männer s 0,95 0,98 1,01 Verteilung der Antworthäufigkeiten in Prozent Gesamt Frauen Männer 1,5 7,69 10,53 5trifft nicht zu (1) 2,5 7,69 10,53 5trifft wenig zu (2) 3,5 30,77 36,84 25mittelmäßig (3) 4,5 41,03 36,84 45trifft ziemlich zu (4) 5,5 12,82 5,26 20trifft sehr zu (5) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 trifft nicht zu trifft wenig mittelmäßig trifft trifft sehr zu (1) zu (2) (3) ziemlich zu (4) (5) Frauen Gesamt Männer 13 Zusammenfassung: Dimension Einfühlsamkeit Entgegen der landläufigen Vermutung, dass Frauen sich in der Aktivität mit Kindern einfühlsamer zeigen, werden in unserem Rating die Erzieher bei fast allen Indikatoren als geringfügig einfühlsamer eingeschätzt als die Erzieherinnen. Diese Unterschiede sind aber zumeist minimal; am deutlichsten ist die größere Geduld der Erzieher bzgl. kindlichen Entscheidungen. 7

Unterschiede zwischen Erzieherinnen und Erziehern: Herausforderung Dimension(1= trifft nicht zu, 5= trifft sehr zu) Frauen - Durchschnitt Männer-Durchschnitt Erzieher/in ermutigt das Kind zum Experimentieren und zur Auseinandersetzung mit unbekannten Problemstellungen (1.2) Erzieher/in stellt Fragen, die zum Nachdenken anregen. (2.3) Erzieher/in benutzt für das Kind ungewohnte Begriffe (2.4) Das Kind verliert während der Aktivität das Interesse und zeigt Anzeichen von Langeweile (3.5) Erzieher/in gestaltet die Aktivität als Leistungssituation (3.6) 2,49 2,80 2,38 2,77 1,77 1,86 1,48 1,59 1,82 1,68 Erzieher/in ermutigt das Kind zum Experimentieren und zur Auseinandersetzung mit unbekannten Problemstellungen (1.2) Einschätzung der ErzieherInnen im Mittel Frauen Gesamt Männer Mittelwert 2,49 2,65 2,80 s 0,73 0,90 1,06 Verteilung der Antworthäufigkeiten in Prozent Polarität bei der Männern: 35% - trifft ziemlich zu 45 % - trifft nicht oder wenig zu Gesamt Frauen Männer 1,5 12,82 10,53 15 trifft nicht zu (1) 2,5 30,77 31,58 30 trifft wenig zu (2) 3,5 38,46 57,89 20 mittelmäßig (3) 4,5 17,95 0 35 trifft ziemlich zu (4) 70 60 50 40 30 20 10 Frauen Gesamt Männer 5,5 0 0 0 trifft sehr zu (5) 0 trifft nicht zu (1) trifft wenig zu (2) mittelmäßig (3) trifft ziemlich zu (4) trifft sehr zu (5) 16 8

Zusammenfassung: Dimension Herausforderung Die durch die Bindungsforschung nahegelegte Vermutung, dass Männer Kinder stärker herausfordern, wird tendenziell durch unser Rating bestätigt. Diese Tendenz ist aber (vermutlich) nicht signifikant und die Streuung unter den Männern hoch. In die gleiche Richtung geht der etwas stärkere Wert für das Anregen zum Nachdenken. Kaum Unterschiede zeigen sich bei schwierigeren Begriffen. Entgegen der möglichen Annahme geht die höhere Herausforderung durch Männer dabei nichtmit einer stärkeren Betonung des Leistungsaspekts einher, genauso wenig, wie geringere Herausforderung eher zu Langeweile auf Seiten des Kindes führt. Unterschiede zwischen Erzieherinnen und Erziehern: Kommunikationsinhalte Dimension(1= trifft nicht zu, 5= trifft sehr zu) Frauen - Durchschnitt Männer-Durchschnitt Erzieher/in thematisiert die Beziehung oder Persönliches (Attribute, Erfahrungen, Gefühle) oder greift auf, wenn dies vom Kind kommt(2.7) Erzieher/in äußert sich primär sachlichgegenstandsbezogen und funktional über die Aktivität bzw. greift auf, wenn dies vom Kind kommt (2.5) Erzieher/in begleitet die Aktivität durch assoziative Phantasien und Narrationen bzw. greift auf, wenn dies vom Kind kommt (2.6) 2,27 2,03 3,53 3,68 2,35 2,23 9

Zusammenfassung: Dimension Kommunikationsinhalte Es entspricht der vielleicht bestehenden Erwartung, dass die Erzieher in der Kommunikation etwas häufiger sachlich-funktionale Inhalte aufgreifen, während Erzieherinnen mehr narrative und assoziative Kommunikation betreiben und auf persönliche Aspekte oder die Beziehung eingehen. Unterschiede zwischen Erzieherinnen und Erziehern: Art der Aktivität Dimension(1= trifft nicht zu, 5= trifft sehr zu) Frauen - Durchschnitt Erzieher/in beobachtet das Kind und beteiligt sich nur verbal. (3.1) Erzieher/in handelt selbst und lässt das Kind zuschauen (3.2) Erzieher/in und Kind verfolgen unterschiedliche Teilprojekte in paralleler Aktivität und nur punktueller Abstimmung (3.3) Beide arbeiten gemeinsam an einem Objekt bei kontinuierlicher Abstimmung (3.4) Männer-Durchschnitt 2,15 2,46 2,17 1,82 1,96 1,77 3,43 3,56 10

Zusammenfassung: Dimension Art der Aktivität Entgegen der möglichen Vermutung begeben sich Erzieher etwas mehr in eine Beobachterposition als Erzieherinnen, und Frauen wiederum sind stärker als Männer selbst aktiv und lassen das Kind zuschauen. Auch gestalten Erzieher etwas häufiger ein gemeinsames Projekt und Erzieherinnen häufiger eine Situation des parallelen Arbeitens an unterschiedlichen Teilprojekten. Diese Unterschiede sind aber ebenfalls geringfügig. Wem ist das in der Videosequenz entstandene materielle Produkt in der Hauptsache zuzuschreiben? (3.7) Verteilung der Antworthäufigkeiten in Prozent Gesamt Frauen Männer 60 1,5 35,90 31,58 40 Dem Kind (1) 2,5 48,72 42,11 55 Beiden (2) 3,5 15,38 26,32 5 Dem/r ErzieherIn (3) 50 40 30 20 Frauen Gesamt Männer 10 0 Dem Kind Beiden Dem/r ErzieherIn 22 11

Zwischenergebnis der quantitativ-deskriptiven Auswertung (Einzelsituationen) Beim derzeitigen Auswertungsstand unserer Untersuchung bestehen bezogen auf professionelle Verhaltensstandards kaum Unterschiede zwischen Erziehern und Erzieherinnen. Wo nennenswerte Unterschiede auftreten, widersprechen sie häufig landläufigen und an geschlechtsstereotype Vorurteile angelehnten Erwartungen. Auch Unterschiede im Verhalten gegenüber Jungen oder Mädchen lassen sich (auf Basis der Einzelsituationen) nicht nachweisen. Bezogen auf die Gruppenkontexte sind noch keine Aussagen möglich. 23 Macht das Geschlecht dennoch einen Unterschied? Das Geschlecht ist in den Videosequenzen die meiste Zeit über nur unterschwelligwirksam und wird nicht explizit thematisiert. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass die Tatsache, ob es ein Mann oder eine Frau ist, die handelt, dem Geschehen eine zusätzliche Bedeutungsebene verleiht. Diese Bedeutungsebene kommt nicht als eigenständige (besondere) in den Blick, sondern begleitet das eigentliche Geschehen wie ein implizitersubtextund ist den Akteuren (Erwachsenen wie Kindern) zumeist nicht bewusst. Dieser Subtext macht das doing gender auch dort aus, wo es nicht direkt beobachtet und an objektivierbaren Indizien festgemacht werden kann. 12

Schlüsselszenen für doing gender Es gibt in unsere Videosequenzen Schlüsselsituationen, in denen der geschlechtliche Aspekt in den Vordergrund tritt und beobachtbar wird insbesondere bei gleichgeschlechtlichenkonstellationen. Hier wird doing gender beobachtbar im Sinne einer hohen Übereinstimmung(im Sinne emotionalen Gleichklangs und wechselseitiger Spiegelung) - quasi als Männer-oder Frauengemeinschaft. Entsprechendes zeigt sich in Gruppenszenen. Wir nehmen an, dass an diesen Szenen deutlich wird, was sonst als impliziter Subtext im Verborgenen bleibt und vermuten, dass ihnen Bedeutung für die Entwicklung des Selbstbildes der Kinder und ihrer Geschlechtsidentität zukommt. Schlüsselszenen - Charakteristika Solche Schlüsselszenen kommen in unserer Videosequenzen am deutlichsten in gleichgeschlechtlichen Konstellationen vor. Oft entstehen sie an Materialien/Tätigkeiten(Holz, Nägel, Hammer bei Junge/Erzieher, Perlen oder Wunderwolle bei Mädchen/ Erzieherin) oder Phantasien/Assoziationen(Pistole, Ritterburg bei Jungen; Haare, Kleid bei Mädchen), die eine passende geschlechtliche Konnotation aufweisen. Erzieher-Junge: Wir könnten ja eine Kanone bauen (geflüstert im Kontext der Ritterburg) Erzieherin-Mädchen: Ich liebe das Rosa mit Glitzer ich Orange.. (beim Auffädeln von Perlen) In solchen Szenen sprechen Erzieher/Innen häufig eigene Vorlieben an bzw. auf Seiten der Kindern kommt es zu Assoziationen zu Vater bzw. Mutter. 13

Schlüsselszenen und Reflexion Diese für die geschlechtliche Identifikation der Kinder vermutlich bedeutsamen Szenen sind den handelnden Erziehern/innen zumeist nicht bewusst. Häufig ist dies hierin zum Ausdruck kommende identifikatorische Potenzial unabhängig oder sogar konträr zu professionellen Verhaltensstandards (z.b. Ritterburg). In den anschließenden Interviews kommt es hierauf bezogen z.t. sogar zu eklatanten Fehleinschätzungen. So spricht eine Erzieherin mit Blick auf das Produkt (Perlenkette) von typisch weiblich und schreibt dies dem Mädchen zu. Die Analyse der Videosequenz zeigt aber, dass sie selbst den Prozess auf die Kette gelenkt und andere Interessen des Mädchens nicht aufgegriffen hat. Zusammenfassung zum doing gender In der Mehrzahl der videografierten Sequenzen (Einzel und Gruppen) lässt sich kein manifestes doing gender identifizieren. Es gibt aber Schlüsselsituationen, in denen das doing gender in den Vordergrund tritt -in gleichgeschlechtlichen Konstellationen in Form von Übereinstimmung, in gegengeschlechtlichen (schwächer) als Abgrenzung. In derartigen Schlüsselszenen wird nicht nur der sonst eher verborgene geschlechtliche Subtext des interaktiven Geschehens manifest. Sie könnten auch für die geschlechtliche Identitätsbildung der Kinder von erheblicher Bedeutung sein. Diese Szenen sind zumindest ein Indizfür die besondere Bedeutung von Erziehern für die Entwicklung von Jungen. 14

Was tragen Erzieher (besonders) zur Entwicklung von Jungen bei? Hinsichtlich professioneller Standards unterscheiden sich Erzieher und Erzieherinnen kaum in ihrem Umgang mit Kindern. Auch das Geschlecht des Kindes hat dabei keinen nachweisbaren Einfluss. Aber die Tatsache, ob es ein Mann oder eine Frau ist, der/die handelt, verleiht dem Geschehen eine zusätzliche Bedeutungsebene. Diese Dimension ist aber zumeist subtil und (bislang) nur begrenzt objektivierbar. Trotzdem nehmen wir an, dass sie für die Entwicklung der Geschlechtsidentität von Jungen relevant ist. Wie gesagt das ist ein Zwischenstand. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 15