Positionspapier. Luftfrachtsicherheit für Deutschland. Handlungsempfehlungen der deutschen Industrie



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Transkript:

Positionspapier Luftfrachtsicherheit für Deutschland Handlungsempfehlungen der deutschen Industrie Juni 2012

Inhalt Zusammenfassung S. 2 I. Luftfracht entscheidend für die Exportstärke Deutschlands S. 3 II. Das Europäische Luftfrachtsicherheitskonzept S. 4 III. Status quo der Umsetzung in Deutschland S. 5 IV. Handlungsempfehlungen des BDI S. 7 1

Luftfrachtsicherheit für Deutschland Handlungsempfehlungen der deutschen Industrie Zusammenfassung Ein zuverlässiges und wettbewerbsfähiges Luftfrachtsystem ist für die deutsche Wirtschaft unverzichtbar. Gleichzeitig hat Sicherheit im Luftverkehr oberste Priorität. Der BDI unterstützt daher das EU-Konzept der sicheren Lieferkette, das dank risikobasierter Kontrollen eine gleichermaßen effiziente wie sichere Luftfrachtabwicklung ermöglicht. Es besteht jedoch die Gefahr, dass aufgrund der schleppenden Implementierung der entsprechenden EU-Vorschriften in Deutschland ein zuverlässig funktionierendes Luftfrachtsystem ab dem 25. März 2013 nicht mehr gewährleistet sein wird. An diesem Tag verlieren die befristeten Sicherheitserklärungen von zehntausenden Luftfrachtversendern ihre Gültigkeit. Nur Unternehmen, die vom Luftfahrt-Bundesamt als bekannter Versender zugelassen sind, dürfen ihre Luftfracht dann noch in der sicheren Lieferkette abfertigen lassen. Alle anderen müssen ihre Luftfracht aufwändigen Kontrollen unterwerfen. Bislang konnten deutschlandweit jedoch nur etwa 200 Unternehmen als bekannter Versender zugelassen werden. Noch immer fehlen in Deutschland die notwendigen Rahmenbedingungen wie Gebühren- und Schulungsverordnung, die Anpassung des Luftsicherheitsgesetzes ist lange überfällig. Experten erwarten deshalb, dass ab März 2013 ca. 50 bis 90 Prozent der Luftfracht zusätzlichen Kontrollen unterzogen werden muss bis zu sechsmal so viel wie heute. Sicherheit hat für die deutsche Industrie oberste Priorität. Um diese zu erreichen, ohne die Leistungsfähigkeit des Luftfrachtsystems zu gefährden, sind aus Sicht des BDI folgende Maßnahmen erforderlich: Erstens müssen das Luftsicherheitsgesetz sowie die Schulungs- und Gebührenverordnung unter frühzeitiger Einbindung der Industrie schnellstmöglich revidiert werden. Zweitens müssen schnellstmöglich alternative Kontrollmethoden analog zu anderen EU-Ländern zugelassen werden. Darüber hinaus sollte von der Möglichkeit zur Zulassung von Kontrollverfahren mit Einsatz neuer Technologien Gebrauch gemacht werden. Drittens müssen behördliche Ressourcen ggf. unter Zuhilfenahme geeigneter, unabhängiger Dritter effektiv eingesetzt werden. Viertens sollte sich die Gebührenhöhe für eine Zulassung zum bekannten Versender an der Höhe in anderen EU-Staaten orientieren. Einseitige Nachteile und wirtschaftliche Unwägbarkeiten für deutsche Unternehmen müssen vermieden werden. Und auch die Unternehmen sind gefordert: Diese sollten sich, soweit dies noch nicht im Blick ist, möglichst bald mit der Zulassung zum bekannten Versender beschäftigen. 2

I. Luftfracht entscheidend für die Exportstärke Deutschlands Waren und Dienstleistungen werden global gehandelt. Müssen in kurzer Zeit weite Strecken überwunden werden, ist das Flugzeug als Transportmittel oft alternativlos. Unternehmen sind daher zwingend auf ein leistungsfähiges Luftverkehrssystem angewiesen. Dazu gehört ein reibungslos funktionierender Luftfrachttransport. Für die deutsche Volkswirtschaft mit ihrer starken internationalen Ausrichtung gilt dies in besonderem Maße: Etwa ein Drittel (wertmäßig) aller deutschen Exporte nach Übersee wird per Luftfracht transportiert. Luftfracht entscheidend im globalen Wettbewerb Luftfracht erleichtert die Erschließung und zeitflexible Versorgung weltweiter Absatzmärkte für deutsche Produkte. Dank Luftfracht können Unternehmen auf kurzfristige Nachfrageschwankungen und eilige Aufträge mit einer schnellen, flexiblen Logistik reagieren. Der Transport per Luftfracht ermöglicht deutschen Unternehmen auch die Integration von Standorten und Zulieferern in komplexe globale Lieferketten. Dazu gehört beispielsweise eine schnelle Versorgung mit dringend benötigten Bau- und Ersatzteilen. Auch für die weltweite Erbringung von Dienstleistungen, z. B. die Installation und Wartung moderner Anlagentechnik, ist Luftfracht unverzichtbar. Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit erhalten Unternehmen sind gerade für besonders wertvolle und zeitkritische Fracht auf den Transport per Flugzeug angewiesen immer dann, wenn der Transport mit anderen Verkehrsmitteln unverhältnismäßig lange dauern würde. Der entscheidende Vorteil der Luftfracht ist daher ihre hohe Geschwindigkeit. Diese gilt es unbedingt zu erhalten. Verzögerungen bei der Abfertigung am Boden müssen verhindert werden. Luftfracht braucht Sicherheit Ohne Luftfracht kann die Weltwirtschaft nicht funktionieren. Zugleich haben die vergangenen Jahre vor Augen geführt, dass der Schutz der globalen Lieferketten gegen kriminelle und terroristische Angriffe höchste Bedeutung hat. Anschläge auf Flugzeuge und der illegale Transport von Waffenmaterial müssen verhindert werden. Die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Luftfracht zu gewährleisten, hat für den BDI oberste Priorität. Zwar kann es absolute Sicherheit nie geben, doch durch strukturierte, gezielte und effiziente Maßnahmen kann und muss ein Höchstmaß an effektiver Sicherheit erreicht werden. Sinnvoll sind daher risikobasierte Ansätze, die zeit- und ressourcenintensive Kontrollen entsprechend der Sicherheitslage auf besonders gefährdete Transporte konzentrieren. Durch die schleppende Umsetzung der europäischen Vorschriften zur Luftfrachtsicherheit in Deutschland besteht jedoch die Gefahr, dass ein zuverlässig funktionierendes Luftfrachtsystem ab März 2013 nicht mehr gegeben ist. 3

II. Das Europäische Luftfrachtsicherheitskonzept Als Teil des Luftverkehrssystems unterliegt der Warenverkehr per Flugzeug hohen Sicherheitsanforderungen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in vielen Ländern verschärft wurden. Risikobasiertes EU-System für Luftfrachtsicherheit Der BDI unterstützt den risikobasierten Ansatz der EU für die Luftfrachtsicherheit. Dieser beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt vom 11. März 2008, die am 29. April 2010 endgültig in Kraft getreten ist, sowie der Verordnung (EU) Nr. 185/2010 der Kommission vom 4. März 2010 zur Festlegung von detaillierten Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen Grundstandards in der Luftsicherheit. Das Konzept der sicheren Lieferkette Kern des Systems ist das Konzept der sicheren Lieferkette : Es darf prinzipiell nur solche Luftfracht per Flugzeug transportiert werden, die den Status sicher hat. Produzierende Unternehmen können ihre zu versendende Ware dabei auf zwei Arten sicher machen: 1.) Unsichere Luftfracht wird durch eine Sicherheitskontrolle sicher gemacht. Diese Kontrolle kann beispielsweise im Röntgen der Ware oder einer Untersuchung per Hand bestehen entweder unmittelbar durch ein Luftfahrtunternehmen oder durch andere so genannte reglementierte Beauftragte (z. B. Logistikdienstleister oder Spediteure). Nachteil: Die Kontrolle der Luftfracht sehr aufwändig sie kostet Zeit und erfordert entsprechende Kontrolltechnik. Zudem scheidet manche Fracht aufgrund ihrer Beschaffenheit (z. B. Größe, Material, Empfindlichkeit) von vornherein für eine Kontrolle aus. 2.) Unternehmen können ihre produzierten Waren als sicher per Luftfracht versenden, wenn sie behördlich als bekannter Versender zugelassen sind. Das Unternehmen gewährleistet dann eigenverantwortlich, dass die identifizierbare Luftfracht an seinem Betriebsstandort oder auf seinem Betriebsgelände zuverlässig vor unbefugtem Zugriff und Manipulationen geschützt wird. Die Luftfracht kann so ohne erneute Sicherheitskontrolle als sicher übergeben werden. Das Konzept ermöglicht einen gleichermaßen sicheren und effizienten Luftfrachtversand: Nur unsichere Sendungen müssen zu 100 Prozent kontrolliert werden, während für sichere Sendungen risikobasierte Stichprobenkontrollen stattfinden. So können unnötige Kontrollen vermieden und der Ressourceneinsatz effizient gestaltet werden, ohne dass die Sicherheit im Luftfrachtbereich leidet. Bis zum 28. April 2010 konnten Unternehmen den Status als bekannter Versender erlangen, indem sie gegenüber einem als reglementierter Beauftragter zugelassenen Unternehmen (z. B. Spediteur) eine Sicherheitserklärung abgaben, in der das Unternehmen sich zur Einhaltung der Vorschriften zur sicheren Lieferkette verpflichtete. Der bisherige Status als bekannter Versender hat durch eine Übergangsregelung noch bis zum 25. März 2013 Gültigkeit. Danach wird hierfür eine behördliche Zulassung erforderlich sein. Mehrere zehntausend Unternehmen sind auf diese Art vorläufig als bekannte Versender zugelassen. Sie können Luftfracht im Rahmen der sicheren Lieferkette ohne gesonderte Kontrolle als sicher versenden. 4

III. Status quo der Umsetzung in Deutschland Die schleppende Umsetzung der europäischen Vorgaben in Deutschland gibt Anlass zur Sorge, dass verlässliche Logistikketten in der Luftfracht ab März 2013 nicht mehr gewährleistet werden könnten. Übergangsfrist endet am 25. März 2013 Am 25. März 2013 endet die Übergangsfrist zur Implementierung der EU-Vorschriften zur sicheren Lieferkette. An diesem Tag verlieren die befristeten Sicherheitserklärungen, die zehntausende Luftfrachtversender gegenüber ihren reglementierten Beauftragten abgegeben haben, ihre Gültigkeit. Ab dem 26. März 2013 können nur noch Unternehmen, die behördlich zum bekannten Versender zugelassen sind, weiterhin ihre Luftfracht in der sicheren Lieferkette abfertigen lassen. Alle anderen müssen ihre Luftfracht zwingend aufwändigen Kontrollen unterwerfen. Behördliche Zulassung zum bekannten Versender Für die behördliche Zulassung ist in Deutschland das Luftfahrtbundesamt (LBA) zuständig. Zur Erlangung des Status müssen Unternehmen dort einen schriftlichen Antrag stellen und einen langwierigen Prozess durchlaufen: Dieser umfasst neben dem Aufstellen eines umfassenden Sicherheitsprogramms u. a. die Schulung und Sicherheitsüberprüfung sämtlichen Personals, das mit identifizierbarer Luftfracht in Berührung kommt, und endet mit einer umfassenden Vor-Ort-Überprüfung durch LBA-Personal. Vom Start der Vorbereitung im Unternehmen bis zur Zulassung durch das LBA kann leicht ein Jahr vergehen. Aktuelle Lage bei den Versendern von Luftfracht: Das europäische Konzept zur Lieferkettensicherheit wird in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten nur schleppend umgesetzt. So fehlt bis heute neben der Revision des nationalen Luftsicherheitsgesetzes als Grundlage vieler Verfahren auch eine aktuelle Gebührenordnung Unternehmen bleiben so im Unklaren darüber, mit welchen Kosten eine Zulassung verbunden sein wird. So lange die rechtlichen Rahmenbedingungen ungeklärt sind, zögern viele Unternehmen mit der Entscheidung über eine Zulassung. Hinzu kommt, dass die umzusetzenden Vorschriften teilweise nicht praxistauglich gestaltet sind, so dass etablierte Logistikabläufe in Frage gestellt werden. Zum Beispiel ist es nicht möglich, eigene zentrale Lieferstellen in die sichere Lieferkette einzubinden was u. a. den Einsatz konzerneigener Logistikunternehmen erheblich erschwert. Insgesamt sind derzeit daher nur ca. 200 Unternehmen behördlich zugelassen. Auf eine jüngst durchgeführte postalische Umfrage des LBA haben 13.000 Unternehmen geantwortet, von denen ca. 2.500 angaben, eine Zulassung anzustreben. Die erforderlichen klaren Rahmenbedingungen für eine Zulassung müssen daher rasch geschaffen werden. In jedem Fall ist nach derzeitigem Ermessen davon auszugehen, dass ab dem 26. März 2013 sehr viel weniger Luftfracht als sicher abgefertigt werden kann. Deshalb wird der Anteil an unsicherer Luftfracht, die aufwendigen Kontrollen unterworfen werden muss, aller Voraussicht nach erheblich steigen. Um diese Mengen bewältigen zu können, fehlen in Deutschland jedoch die nötigen Kontrollkapazitäten. 5

Aktuelle Lage bei den reglementierten Beauftragten von Luftfracht: Auch wenn Prognosen schwierig und der Unsicherheitsfaktor groß ist, ist ab dem 26. März 2013 mit einer im Vergleich zu heute etwa sechsfachen Menge an unsicher angelieferter Luftfracht zu rechnen Schätzungen gehen von 50 bis 90 Prozent der gesamten Luftfracht aus. Um diese Mengen überhaupt bewältigen zu können, stehen in Deutschland derzeit jedoch keine ausreichenden Frachtkontrollmethoden zur Verfügung. Zusätzlich geeignete Frachtkontrollmethoden wie Sprengstoffspürhunde und Sprengstoffspurendetektoren sind in Deutschland bisher im Gegensatz zu anderen EU-Staaten nicht zugelassen. Darüber hinaus wird die Möglichkeit zur Zulassung von Kontrollverfahren mit Einsatz neuer Technologien derzeit nicht genutzt. Die BDI ist für ein Mehr an Sicherheit. Die deutsche Industrie ist zur Erhaltung ihrer Exportstärke zwingend auf verlässliche Logistikprozesse angewiesen. Nach Einschätzung des BDI kann dies mit den bisher erfolgten Maßnahmen jedoch nicht erreicht werden. Daher besteht die Gefahr, dass die dringend notwendigen verlässlichen Logistikprozesse in der Luftfracht ab März 2013 in Deutschland nicht mehr gewährleistet sein könnten. Vier zentrale Schwächen gilt es zu beheben: 1. Veraltete rechtliche Grundlagen in Deutschland. Trotz dreijähriger Übergangsphase sind die Revision des Luftsicherheitsgesetzes und wichtiger Verordnungen noch immer überfällig. 2. Fehlen klarer Zuständigkeiten für Frachtkontrolltechnik. Dadurch fehlende Zulassung weiterer geeigneter Frachtkontrollmethoden in Deutschland. 3. Unzureichende behördliche Ressourcen im LBA, um in der noch verbleibenden Zeit ausreichend Zulassungen zum bekannten Versender abschließend bearbeitet zu können. 4. Mögliche Unwirtschaftlichkeit einer Zulassung als bekannter Versender. 6

IV. Für sichere, verlässliche Luftfracht auch ab 2013 Handlungsempfehlungen des BDI Können Unternehmen ihre Luftfracht in Deutschland ab dem 26. März 2013 nicht mehr zuverlässig und schnell abfertigen lassen, droht eine Verlagerung von Frachtströmen in benachbarte EU-Staaten. Das hätte schwerwiegende Folgen für den Standort Deutschland. Deshalb hält die deutsche Wirtschaft folgende Maßnahmen für dringend erforderlich: 1. Schnellstmögliche Revision des Luftsicherheitsgesetzes sowie der Schulungs- und Gebührenverordnung unter frühzeitiger Einbindung der Industrie. 2. Schnellstmögliche Zulassung alternativer Kontrollmethoden analog zu anderen EU-Ländern. Darüber hinaus sollte von der Möglichkeit zur Zulassung von Kontrollverfahren mit Einsatz neuer Technologien Gebrauch gemacht werden. 3. Effektiver Einsatz behördlicher Ressourcen ggf. unter Zuhilfenahme geeigneter, unabhängiger Dritter. 4. Orientierung der Gebührenhöhe für eine Zulassung zum bekannten Versender sollte sich an der Höhe in anderen EU-Staaten. Einseitige Nachteile und wirtschaftliche Unwägbarkeiten für deutsche Unternehmen müssen vermieden werden. 1. Rechtliche Grundlagen in Deutschland novellieren Zu wichtigen Punkten fehlen in Deutschland seit mindestens zwei Jahren noch immer die Rechtsgrundlagen: Die Revision des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) ist noch immer in Arbeit. Zwar bedürfen die entsprechenden EU-Verordnungen keiner Umsetzung in nationales Recht. Das LuftSiG ist jedoch Grundlage für wichtige nationale Verordnungen, die z. B. für die Zulassung zum bekannten Versender nötig sind. Für eine Schulung der betroffenen Mitarbeiter fehlt noch immer die Schulungsverordnung. Ebenso noch ausstehend sind die Gebührenverordnung und die Luftsicherheitsüberprüfungsverordnung. Forderung des BDI: Die ausstehende Revision des LuftSiG muss schnellstmöglich abgeschlossen, die Schulungs- und Gebührenverordnung dann umgehend verabschiedet werden. Wegen der großen Praxisrelevanz ist eine frühzeitige Einbindung der Wirtschaft hierbei unabdingbar. 7

2. Zusätzliche Frachtkontrollmethoden auch in Deutschland zulassen Neben der Sichtkontrolle und der Durchsuchung von Hand ist in Deutschland nur das Röntgen zur Kontrolle von Luftfracht zugelassen. Die genannten Kontrollmethoden sind jedoch je nach Beschaffenheit und Größe der Luftfracht nicht praktikabel oder stoßen bei der Kontrolle der zu erwartenden Mengen schlicht an Kapazitätsgrenzen: Röntgen: Die physikalischen Grenzen bei der Durchleuchtung liegen beispielsweise für Metall bei einer Durchdringungstiefe von max. 30 bis 60 mm pro Packstück. Diese wird von vielen Maschinenbauprodukten überschritten. Zudem können strahlungsempfindliche Produkte beschädigt oder unbrauchbar werden. Manche Packstücke sind aufgrund der begrenzten maximalen Tunnelgrößen der Geräte auch zu groß für eine Kontrolle per Röntgen. Sichtkontrolle und Durchsuchung von Hand: Beides geht mit der Notwendigkeit einher, die Luftfracht ggf. komplett auszupacken. Dadurch wird z. B. eine aufwändige Originalverpackung beschädigt oder zerstört. Auch die Ware kann durch das Entfernen der Verpackung leiden oder unbrauchbar werden. Überdies sind dabei haftungsrechtliche Fragen sowie ein nicht zu unterschätzender zeitlicher und personeller Aufwand zu berücksichtigen. Eine Kontrolle der zu erwartenden höheren Menge an unsicherer Luftfracht ist mit den derzeit in Deutschland zugelassenen Kontrollmethoden nicht darstellbar (technische Beschränkungen, limitierte Kapazitäten). Folge wären massive Kapazitätsengpässe und erhebliche Störungen des Luftfrachtverkehrs, wie Staus in der Frachtabfertigung. Abhilfe könnte hier der Einsatz von Sprengstoffspürhunden schaffen. Diese sind in Deutschland jedoch nicht zugelassen anders als in anderen EU-Mitgliedsstaaten, wie z. B. in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Polen. Für deutsche Unternehmen kann es so mitunter einfacher sein, Luftfracht an Flughäfen im benachbarten Ausland abfertigen zu lassen (z. B. in Amsterdam, Luxemburg oder Paris). Es drohen Verlagerungen von Frachtströmen in diese benachbarten EU-Staaten, was schwerwiegende Folgen für den Luftfrachtstandort Deutschland hätte. Darüber hinaus ermöglicht die EU-Verordnung 185/2010 (12.8) jedem Mitgliedstaat, unter bestimmten Voraussetzungen auch neue Kontrollverfahren zuzulassen also neue Technologien einzusetzen, die bisher nicht in der Verordnung genannt sind. Hier gibt es vielversprechende Projektansätze (z. B. die Nautilus Multi-Chamber ), die näher geprüft werden sollten. Forderung des BDI: Zur Bewältigung der zu erwartenden Mengen an unsicherer Luftfracht müssen in Deutschland schnellstmöglich alternative Frachtkontrollmethoden analog zu anderen EU-Ländern zugelassen werden. Auch die Zulassung von Kontrollverfahren mit Einsatz neuer Technologien ist von zentraler Bedeutung. 8

3. Rechtzeitige Zulassung von bekannten Versendern sichern Um die Zuverlässigkeit des Luftfrachtsystems in Deutschland zu gewährleisten, müssen bis März 2013 ausreichend viele Unternehmen als bekannter Versender zugelassen sein. Jede Zulassung erfordert erhebliche Zeitressourcen im LBA z.b. für die notwendigen Auditierungen der zuzulassenden Unternehmensstandorte. Das LBA wurde jedoch erst Mitte 2011 in die Lage versetzt, eine eigene Abteilung für Luftfrachtsicherheit aufzubauen und annähernd das benötigte Personal hierfür einzustellen. Derzeit haben nur ca. 200 Unternehmen den Zulassungsprozess erfolgreich durchlaufen. Mehrere hundert Anträge können zurzeit nicht abschließend bearbeitet werden, weil aufgrund des beträchtlichen Schulungsaufwandes entsprechende Schulungsnachweise noch fehlen. Zeitliche Engpässe in der Zulassung sind absehbar. Eine fristgerechte und zeitnahe Bearbeitung der vorhandenen und zu erwartenden Anträge zur Zulassung als bekannter Versender muss zwingend gewährleistet werden. In anderen EU-Staaten (z. B. Großbritannien) werden qualifizierte unabhängige Validierer eingesetzt, um behördliche Ressourcen effizient zu nutzen. Diese Möglichkeit ist in den Europäischen Verordnungen sogar explizit geschaffen worden. Forderung des BDI: Um möglichst viele Unternehmen rechtzeitig bis März 2013 als bekannte Versender zulassen zu können, müssen im LBA schnellstmöglich die notwendigen Personalressourcen geschaffen werden. Um das LBA mittelfristig zu entlasten, sollte in der Revision des Luftsicherheitsgesetzes überdies eine Öffnungsklausel für den Einsatz unabhängiger Validierer geschaffen werden. 4. Überzogene Gebührenforderungen verhindern Für Unternehmen stellt sich grundsätzlich die Frage der Kosten-Nutzen-Relation einer Zulassung als bekannter Versender. Daher kann die Höhe einer zukünftig zu erhebende Zulassungsgebühr dafür ausschlaggebend sein, dass Unternehmen sich für oder gegen eine Zulassung entscheiden. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der sicheren Lieferkette, da der Anteil sicherer Fracht für ein funktionierendes System mit ausschlaggebend ist. Forderung des BDI: Bei der Überarbeitung der Gebühren-VO sollte sich die Höhe der Gebühr an der Gebührenhöhe in anderen EU-Staaten orientieren, die deutlich unter dem vom LBA erwogenen Satz liegt. Überzogene Gebührenforderungen in Deutschland dürfen nicht zu Wettbewerbsnachteilen hiesiger Unternehmen führen. Bei der Überarbeitung der Gebühren-VO sollte die Wirtschaft frühzeitig eingebunden werden. 9

Impressum: Dokumenten Nr. D 0529 Stand: 21. Juni 2012 Herausgeber: Bundesverband der Deutschen Industrie Abteilung Mobilität und Kommunikation Breite Straße 29 10178 Berlin Gesamtredaktion: Florian Knobloch Dr. Ben Möbius +49 30 2028-1751 f.knoboch@bdi.eu 10