eeh PPS Seminararbeit im WS 2002/2003



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ETH Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Swiss Federal Institute of Technology Zurich eeh elektrische energieübertragung und hochspannungstechnik PPS Seminararbeit im WS 2002/2003 am Institut für elektrische Energieübertragung und Hochspannungstechnik Fachgruppe elektrische Energieübertragung Vorsteher: Prof. Dr. G. Andersson Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt Autor: Marius Portmann Student am D-ITET, ETH Zürich pomarius@ee.ethz.ch Betreuer: Thilo Krause EEH - Power Systems Laboratory D-ITET, ETH Zürich krause@eeh.ee.ethz.ch

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt i Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung... 1 2. Analyse des Strommarktes... 2 2.1 Situation in der Schweiz... 2 2.2 Situation in Europa... 2 3. Liberalisierung des Strommarktes... 4 3.1 Ausgangslage... 4 3.2 Anforderungen an das Stromnetz im liberalisierten Markt... 5 4. Regulierungen für den Netzbetrieb... 6 4.1 Wirtschaftstechnische Regulierungen... 6 4.1.1 Natürliches Monopol... 6 4.1.2 Renditeregulierung (Rate-of-Return)... 7 4.1.3 Preisobergrenze (Price-Cap)... 7 4.1.4 Erlösobergrenze (Revenue-Cap)... 8 4.1.5 Benchmarking / Yardstick-Competition... 8 4.2 Qualitätsbezogene Regulierungen... 9 4.2.1 Stakeholder-Ansatz... 10 4.2.2 Minimale Anforderungen... 10 4.3 Regulierungsbehörde... 11 5. Fazit... 12 6. Literaturverzeichnis... 13

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 1 1. Einleitung In den letzten Jahren haben viele Länder in Europa die Liberalisierung des Strommarktes vorangetrieben. Deutschland, Österreich, Grossbritannien und ganz Skandinavien haben ihre Marktöffnung bereits vollständig vollzogen, in allen übrigen EU-Staaten ist die Liberalisierung zumindest teilweise angelaufen. Abseits steht nach dem Nein des Stimmvolkes zum Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) im September 2002 umso mehr die Schweiz, welche weiterhin keinen echten Wettbewerbskampf im Strommarkt kennt. Liberalisierung im Strommarkt heisst Wettbewerb unter den verschiedenen Stromproduzenten. Zwischen Produzent und Konsument steht jedoch weiterhin der Übertragungsnetzbetreiber, welcher eine nicht unbedeutende Rolle im Strommarkt spielt, entfällt doch rund die Hälfte des Strompreises auf die Netzkosten. Beim Stromnetz ist ein direkter Wettbewerb jedoch nicht möglich, da der Netzbetreiber ein natürliches Monopol besitzt. In dieser Arbeit wird aufgezeigt, welche Bedeutung dem Netzbetreiber mit seinem natürlichen Monopol zukommt. Was sind die Gegebenheiten und welche Probleme ergeben sich bei der Einbindung der Netzbetreiber in den liberalisierten Strommarkt? Dazu wird die Situation in der EU und in der Schweiz beleuchtet, wobei es die Rolle des Staates zu erläutern gilt: Welche Voraussetzungen beim Stromnetz müssen gegeben sein, um einen Wettbewerb im Strommarkt zu ermöglichen, wie wird dabei mit der Frage des Service Public umgegangen und welche Freiheiten und Auflagen sollen dem Netzbetreiber gemacht werden? Nach einer allgemeinen Situationsanalyse des Strommarktes in der Schweiz und in der EU werden im zweiten Teil dieser Arbeit verschiedene Regulierungsmodelle vorgestellt, welche bei einer Liberalisierung des Strommarktes auf die Netzbetreiber angewandt werden können.

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 2 2. Analyse des Strommarktes 2.1 Situation in der Schweiz Im September 2002 wurde das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) vom Schweizer Volk an der Urne abgelehnt. Mit diesem Gesetz wäre in der Schweiz die Grundlage für eine Liberalisierung im Strommarkt erreicht worden. Die faktische Marktöffnung hat jedoch bereits begonnen, denn schon jetzt können Grosskunden Strom zu tieferen Preisen beziehen, welche mit den Anbietern ausgehandelt werden. Im schweizerischen Strommarkt ist es schwierig, die Übersicht zu behalten, denn es gibt rund 1000 Elektrizitätswerke, welche das Land mit Strom versorgen. Ein Grossteil dieser Werke ist im Besitz der öffentlichen Hand, also Gemeinden oder Kantone. Dabei sind Netzbetreiber und Stromproduzent oft identisch, womit der Unternehmung ihr Absatzmarkt für den erzeugten Strom garantiert ist. Je nach Region respektive Stromlieferant sind auch die Strompreise in der Schweiz sehr unterschiedlich. Beispielsweise bezahlen Strombezüger vom BW Biel fast doppelt soviel wie jene beim BW Schwanden. 1 Im europäischen Markt nimmt die Schweiz eine Schlüsselposition ein. Mit einem Stromexport von 7,1 TWh im Jahr 2000 steht die Schweiz an dritter Stelle in Europa, was rund 13% des Schweizer Stromverbrauchs ausmacht. 2 2.2 Situation in Europa Die EU hat 1997 die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie in Kraft gesetzt, womit die Voraussetzung für eine definitive Liberalisierung im EU-Raum geschaffen wurde. Dabei wurde den Mitgliedländern eine etappenweise Mindestmarktöffnung diktiert. Bis im Februar 2003 müssen alle Länder zumindest 33% des jeweiligen nationalen Endverbrauchs für den Wettbewerb geöffnet haben. Der aktuelle Stand der Liberalisierung in den verschiedenen EU-Ländern ist derzeit sehr unterschiedlich. In Skandinavien und Grossbritannien sind die Marktöffnungen bereits Anfang der 90er Jahre angelaufen und die Liberalisierung heute somit bereits weit fortgeschritten. Auch Deutschland und Österreich haben eine schnelle Öffnung im Strommarkt herbeigeführt und sind bereits zu 100% liberalisiert. Andere Mitgliedstaaten wie Frankreich, Portugal, Griechenland oder Irland halten sich an die Mindestanforderungen der EU- Richtlinien und haben ihre Märkte erst zu einem Drittel geöffnet 3. Bei der Stromverteilung besitzen die Stromversorger in der Regel weiterhin eine Monopolstellung. Jedoch konnte mit der Liberalisierung der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Produzenten gesteigert werden. Aufgrund der in 1 SonntagsZeitung vom 9. Juli 2000 [1] 2 http://www.watt.ch/aktuelles-2001-11-23.htm [2] 3 Der europäische Liberalisierungsprozess, Bulletin SEV/SE-Artikel [3]

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 3 Europa vorhandenen Überkapazitäten besteht somit ein intensiver Wettbewerb innerhalb der Stromerzeugung. Der Liberalisierungsgrad eines EU-Landes ist jedoch nicht unbedingt ausschlaggebend für die Höhe der Strompreise. Deutschland, zu 100% liberalisiert, hat beispielsweise für Haushalte den gleichen Strompreis wie Belgien, welches seinen Markt erst zu 35% geöffnet hat. Andererseits herrschen grosse Preisunterschiede zwischen Länder mit gleichem Liberalisierungsstand. In Schweden kostet der Strom nur halb so viel wie in Österreich, beide Länder sind jedoch zu 100% liberalisiert. Die unterschiedlichen Preise lassen sich nicht anhand der nationalen Preisniveaus erklären. Vielmehr spielt die Angebots und Nachfragesituation in den einzelnen Ländern eine wichtige Rolle. Aber auch die unterschiedlich hohen Abgaben und Steuern in den einzelnen EU-Staaten beeinflussen die Strompreise merklich. Liberalisierungsgrad 52 55 100% 91 98 122 90% 68 88 45% 110 120 101 94 87 76 35% 33% 30% 106 160 140 120 100 80 60 40 20 0 /MWh Portugal Irland Frankreich Griechenland Niederlande Belgien Italien Spanien Dänemark Deutschland Österreich Grossbritannien Finnland Schweden Abbildung 1: Liberalisierungsgrad und Strompreise in der EU Quelle: E-control, Liberalisierung und Strompreisentwicklung [4]

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 4 3. Liberalisierung des Strommarktes 3.1 Ausgangslage Der Strommarkt kann nur bedingt mit anderen Märkten verglichen werden. Strom unterscheidet sich von anderen Produkten, da er einerseits netzgebunden geliefert werden muss und andererseits Angebot und Nachfrage zu jederzeit im Gleichgewicht stehen müssen. Erzeuger, Händler und Netzbetreiber müssen zusammenarbeiten, damit das System der Stromlieferungen einwandfrei funktioniert. Der Strommarkt kann in die drei Bereiche Produktion, Übertragung und Verteilung aufgeteilt werden. Bei der Produktion handelt es sich um die Stromerzeuger, also Kernkraftwerke, Wasserwerke, Solaranlagen, etc. Der Übertragungsanbieter steht mit seinem Höchstspannungsnetz zwischen den Produzenten und den Verteilern. Letztere sind für die Grob- und Feinverteilung des Stromes zuständig. Dazu betreiben sie ein Hoch-, Mittel und Niederspannungsnetz. Bei den Verteilern handelt es sich in der Schweiz vorwiegend um kleinere, regionale Werke, welche oft im Besitz von Kantonen oder Gemeinden sind. Abbildung 2: Struktur der Schweizerischen Stromwirtschaft Quelle: http://www.watt.ch/aktuelles-2001-11-23.htm [2] Wettbewerb im Strommarkt bedeutet, dass die Verbraucher ihren Stromlieferanten selber wählen können. Sie entscheiden, ob sie Strom aus Wasserkraft, Kernkraft oder Solarzellen kaufen wollen. Der Wettbewerb kommt somit in der Stromerzeugung und beim Stromverkauf zum Tragen, nicht jedoch beim Stromnetz. Da pro Region nur je ein Stromnetz und somit nur ein Stromnetzbetreiber vorhanden ist, besitzen diese ein sogenanntes natürliches Monopol. Ein

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 5 normaler Wettbewerb kann hier also nicht eingeführt werden. Dies bringt in Bezug auf eine Öffnung des Strommarktes einige Schwierigkeiten mit sich. Warum dem Stromnetz jedoch eine bedeutende Rolle im Strommarkt zukommt, wird bei der Betrachtung der Strompreiszusammensetzung klar. Die Übertragungs- und Verteilungskosten betragen nämlich rund die Hälfte des Strompreises. Zusammensetzung des Strompreises in der Schweiz Wertschöpfungsstufe -Cents / kwh Erzeugung 5 Übertragung 0.5 Verteilung 3.5 9.5 Detailhandelspreis 9 15 Quelle: ZfE- Artikel, Die schweizerische Elektrizitätswirtschaft vor der Marktöffnung [5] 3.2 Anforderungen an das Stromnetz im liberalisierten Markt Um einen Wettbewerb zwischen den einzelnen Stromproduzenten zu ermöglichen, müssen die Netzbetreiber eine wichtige Anforderung erfüllen. Ihre Netze müssen für alle Stromproduzenten gegen Entgeld zur Verfügung stehen, damit diese auch alle potentiellen Kunden erreichen können. Dabei darf es keine Diskriminierung geben, alle Produzenten sollen beim Stromtransport die gleichen Bedingungen vorfinden. Zukünftig muss natürlich auch die Aufrechterhaltung des Service Public gewährleistet sein, flächendeckend sowie qualitativ. Auf Seiten des Preises müssen dem Netzbetreiber schliesslich Schranken gesetzt werden, damit eine Ausnützung des Monopols verhindert werden kann. Anforderungen an das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt - Anbieter und Verbraucher sollen ohne Diskriminierung mit- und untereinander verkehren können - Das Stromnetz muss alle Erzeuger und alle Verbraucher erreichen - Tarife sollen ohne Diskriminierung angewendet werden - Andere Bedingungen wie Folgen eines Unterbruches können ausgehandelt werden - Unterhalt, Ausbau und Erneuerungen des Stromnetzes müssen gewährleistet sein - Kleinere Erzeuger mit einer unregelmässigen Produktion wie Windmühlen oder Solarenergie müssen überleben können Quelle: http://www.strompreise.ch [6]

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 6 4. Regulierungen für den Netzbetrieb In Europa werden im Strommarkt verschiedene Regulierungsmethoden angewendet. Dabei soll der monopolistische Netzbetreiber zu wirtschaftlichem Handeln gezwungen werden, es wird also versucht, mit bestimmten Rahmenbedingungen einen künstlichen Wettbewerb für den Netzbetreiber zu erzeugen. Dabei ist einerseits der Handlungsspielraum des Monopolisten einzuschränken, andererseits muss dieser aber weiterhin genügend Mittel und Anreize haben, um auch in Zukunft ein qualitativ ausreichendes Netz zur Verfügung zu stellen. Zudem soll effizientes Wirtschaften trotz Regulierungen dem Netzbetreiber Vorteile bringen. 4.1 Wirtschaftstechnische Regulierungen 4.1.1 Natürliches Monopol Falls dem Netzbetreiber keine Schranken gesetzt werden, wird er seine Marktmacht voll ausschöpfen und sich als Monopolist verhalten. Was damit genau gemeint ist, wird im Folgenden aufgezeigt. Natürlich gibt es beim Stromnetz auch eine Angebots- und eine Nachfragekurve 4. Da der Monopolist jedoch als einziger Anbieter auf dem Markt auftritt, kann er das Angebot diktieren und sich somit frei auf der Nachfragekurve bewegen. Dabei wird er sich nicht nach dem Marktgleichgewicht, also dem Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurve ausrichten, wie dies in einem idealen Markt der Fall wäre, sondern andere Überlegungen anstellen. Der optimale Output x 1 für den Monopolisten liegt nämlich dort, wo sein Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist, denn an dieser Stelle lässt sich am meisten Gewinn machen. Somit erzeugt der Monopolist zu wenig Output, was für einen Stromnetzbetreiber heisst, dass er nicht die nachgefragte Menge Strom durch sein Netz transportieren würde und somit ein Mangel an Strom vorhanden wäre. Damit der Monopolist trotzdem die geforderte Strommenge x 2 durch sein Netz fliessen lässt, muss eine Regulierungsbehörde den Netzbetreiber zum Marktgleichgewicht bringen, indem der erlaubte Höchstpreis gleich den Grenzkosten des Monopolisten gesetzt wird. Doch dabei ergibt sich ein anderes Problem. Da die Fixkosten des Netzbetreibers sehr hoch sind, kann er bei diesem verlangtem Output seine Gesamtkosten nicht mehr decken, was ebenfalls nicht im Sinne des Strommarktes sein kann. 4 Für detaillierte Ausführungen zur Angebots- und Nachfragekurve wird auf das Buch von Varian H., Grundzüge der Mikroökonomik [7] verwiesen.

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 7 Preis Nachfrage Angebot / Grenzkosten Gesamtkosten Grenzerlös Marktgleichgewicht x 1 x 2 Output Abbildung 3: Verhalten des Monopolists Quelle: Varian, Grundzüge der Mikroökonomik [7] Die oben beschriebene Situation wird als natürliches Monopol bezeichnet. Welche Möglichkeiten zur Regulierung eines solchen Systems vorhanden sind, wird im Folgenden erläutert 5, 6. 4.1.2 Renditeregulierung (Rate-of-Return) Erlöse = Betriebskosten + Buchwerte (Rate-of-Return) Bei dieser Form von Regulierung darf der Netzbetreiber soviel Gewinn erzielen, dass er einerseits seine Kosten decken kann, und dazu eine angemessene Rendite auf sein investiertes Kapital erwirtschaftet. Dabei stellt sich die Frage, wie die Kosten genau definiert werden und in welcher Höhe sich diese angemessene Rendite bewegen soll. Zudem wird mit der Rate-of-Return- Regulierung für das Unternehmen kein Anreiz geschaffen, effizient zu wirtschaften und die Kosten zu senken. Die weiteren Regulierungsmethoden sollen diesem Punkt mehr Rechung tragen. 4.1.3 Preisobergrenze (Price-Cap) Preis = Preis Vorjahr (1 + Inflation X) Der Gewinn des Netzbetreibers wird von den Kosten entkoppelt. Dabei wird eine Preisgrenze gesetzt, welcher nach den Werten des Vorjahres ausgerechnet wird. Steigert nun der Netzbetreiber seine Effizienz, hat er folglich geringere Kosten und somit einen höheren Gewinn. 5 E-Control, Mechanismen der Anreizregulierung [8] 6 Regulierung der Verteilnetzpreise zu Beginn der Marktöffnung [9]

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 8 4.1.4 Erlösobergrenze (Revenue-Cap) Erlös = Erlös Vorjahr (1 + Inflation X + Wachstumsfaktor) Auch bei diesem Modell werden die Kosten vom Gewinn getrennt, um Anreize zur Effizienzsteigerung beim Netzbetreiber zu erzielen. Jedoch wird nicht der Preis, sondern, wie es der Name schon sagt, der Erlös festgesetzt. Mit dem Wachstumsfaktor wird berücksichtigt, dass ein wachsendes Unternehmen einen höheren Erlös erwirtschaften darf. Dieses System birgt ebenfalls eine Gefahr in sich. Dazu betrachte man die Angebots- und Nachfragekurve. Das Unternehmen kann sich wie ein Monopolist verhalten, indem es denjenigen Output anpeilt, bei welchem der Gewinn am höchsten ist (vgl. natürliches Monopol). Dabei kann die Erlösobergrenze eingehalten werden, da der Output kleiner wird, jedoch nimmt der Gewinn zu, da bei kleinerem Output auch die Kosten sinken. Mit diesem Verhalten wird erneut nicht soviel Strom transportiert, wie nachgefragt wird. Da die Nachfrage beim Übertragungsmarkt aber relativ konstant ist, ist die Gefahr eines solchen Szenarios sehr gering. 4.1.5 Benchmarking / Yardstick-Competition Als Benchmarking wird das Vergleichen ähnlicher Firmen bezeichnet, um somit beispielsweise Höchstwerte, sei es die Preis- oder Erlösobergrenze, festzulegen. Dabei werden die unterschiedlichen Voraussetzungen der Unternehmen berücksichtigt. So kann ein indirekter Wettbewerb entstehen, da die Effizienzunterschiede der Firmen zum Tragen kommen. Hierbei stellt sich die Frage, wie gut sich die einzelnen Netzbetreiber miteinander vergleichen lassen, sind doch zum Beispiel die topografischen Gegebenheiten in der Schweiz sehr verschieden.

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 9 Regulierungsmodelle in Europa Rate-of-Return: Ertragsobergrenze: Preisobergrenze: Nicht entschlossen: Keine direkte Regulierung: - Belgien - Finnland - Luxemburg - Österreich - Dänemark - Griechenland - Norwegen - Spanien - Grossbritannien - Irland - Niederlande - Portugal - Schweden - Frankreich - Italien - Deutschland Quelle: E-Control, Mechanismen der Anreizregulierung [8] 4.2 Qualitätsbezogene Regulierungen Nebst den oben erwähnten betriebswirtschaftlichen Auflagen, welche sich vorwiegend auf den Strompreis niederschlagen, muss die Regulierungsbehörde aber auch die Qualität des Services der Netzbetreiber im Auge behalten. Ein Netzbetreiber, welcher dem Regulierungsmodell der Preisobergrenze ausgesetzt ist, versucht seine Kosten am Netz möglichst tief zu halten, um mehr Gewinn zu erwirtschaften. Resultiert eine Kostensenkung auf Grund einer Effizienzsteigerung, erhöht sich der volkswirtschaftliche Nutzen. Entscheidet sich der Netzbetreiber jedoch für Sparmassnahmen beim Unterhalt des Netzes, ergibt sich für ihn ebenfalls ein höherer Gewinn. Dieses Szenario soll aber verhindert werden, denn damit würde die Versorgungsqualität- und Sicherheit beeinträchtigt. An dieser Stelle muss eine Regulierungsbehörde ebenfalls eingreifen können, damit die Stromversorgung zufriedenstellend gewährleistet ist. Aus technischer Sicht spielen drei Komponenten eine wichtige Rolle in Bezug auf die Qualität eines Stromnetzes 7 : Stromqualität: Es gibt verschiedene Stromqualitätskriterien wie Spannungs- und Frequenzstabilität. 7 KEMA, Quality of Network Services [10]

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 10 Handelsqualität: Dabei geht es um die Beziehung zwischen Anbieter und Verbraucher. Welchen Service und welche Garantien kann ein Stromanbieter seinem Kunden bieten? Angebotskontinuität: Dies beinhaltet die Bereitstellung einer immerwährenden Stromversorgung. Als Messdaten gelten dabei die Anzahl sowie die Zeitdauer der Stromausfälle. Damit eine Regulierungsbehörde diese Qualitätsanforderungen beim Stromnetzbetreiber durchsetzen kann, können unterschiedliche Methoden angewandt werden 8. 4.2.1 Stakeholder-Ansatz Die Idee besteht darin, den öffentlichen Druck auf den Netzbetreiber hoch zu halten, um so das Unternehmen zu einer genügenden Qualitätssicherung anzuregen. Der Vorteil dieses indirekten Instrumentes besteht darin, dass sich eine Regulierungsbehörde im Hintergrund halten kann, sie braucht dem Netzbetreiber vorerst keine Qualitätsgrenzen zu setzen. Es ist jedoch fraglich, ob die Öffentlichkeit genügend Informationen beziehen kann, um Qualitätsmängel beim Netzbetreiber aufzudecken und damit den Druck für eine Qualitätssteigerung zu erhöhen. Zudem kann der Netzbetreiber als Monopolist einen Imageschaden bei seiner Kundschaft besser verkraften als ein Unternehmen, welches dem freien Wettbewerb ausgesetzt ist. 4.2.2 Minimale Anforderungen Eine andere Methode, um die Qualitätsanforderungen am Stromnetz zu sichern, ist das Definieren von minimalen Standarten, welche die Netzbetreiber erfüllen müssen. Werden die Anforderungen nicht erfüllt, kann die Regulierungsbehörde den Netzbetreiber mit einer Busse bestrafen. Beispielsweise können Zeitlimiten beim Ausfall vom Stromnetz gesetzt werden. Beim Definieren von Mindestanforderungen besteht jedoch die Gefahr, dass sich gewinnorientierte Unternehmen nur nach diesen Auflagen ausrichten, sie werden nicht höhere Qualität bieten, als minimal gefordert wird. So wird die Qualitätsgrenze gegen das diktierte, minimale Niveau konvergieren, welches jedoch nicht unbedingt auch das optimale Niveau sein muss. 8 KEMA, Quality of Network Services [10]

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 11 4.3 Regulierungsbehörde Wie bereits erwähnt ist es notwendig, dass dem Stromnetzbetreiber gewisse Auflagen gemacht und diese zudem auch dauernd überprüft werden. Für die Durchsetzung und Einhaltung dieser Rahmenbedingungen ist grundsätzlich der Staat zuständig. Dabei ist in Europa der Einfluss der Regulierungsbehörden in den einzelnen Ländern jedoch sehr unterschiedlich festgelegt worden. So vertraute man in Deutschland dem Prinzip der Selbstregulierung. Mit der sogenannten Verbändevereinbarung einigten sich die Stromverbände für Grundsätze zur Festlegung von Durchleitungs- und Netznutzungsentgelte sowie Regeln für den diskriminierungsfreien Netzzugang. Diese Vereinbarung dient als eine Art Empfehlung und Richtlinie für die Netzbetreiber. Die Missbrauchsaufsicht liegt in Deutschland bei der Kartellbehörde, die als Regulator erst im Nachhinein reagiert. In Schweden und Norwegen setzen die Regulierungsbehörden verschiedene Regeln, an welche sich die Netzbetreiber halten müssen. Der Regulator hat zudem auch eine Aufsichtsfunktion und kann den Netzbetreiber bei überhöhten Preisen zu Preissenkungen anweisen. Österreich hat sich für die Bildung zweier unabhängiger Regulierungsgremien entschieden. Die Tarife für die Netznutzung werden von den Netzbetreibern nicht ausgehandelt, sondern von der zuständigen Regulierungsbehörde festgesetzt. Der Regulator hat somit grössere Macht und kann agieren und nicht nur reagieren.

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 12 5. Fazit Eine Liberalisierung im Strommarkt bringt Wettbewerb zwischen den einzelnen Stromproduzenten, was sich in tieferen Preisen für den Konsumenten niederschlägt. Mit der Wahl des Produzenten hat der Konsument zudem die Möglichkeit, sich beispielsweise gegen Kernenergie, jedoch für Wasserkraft oder alternative Stromproduktion wie Windkraft oder Solarenergie zu entscheiden und somit aktiver auf die Zukunft der Energieversorgung einzuwirken. Mit dem Problem der Netzgebundenheit des Stromes muss bei einer Liberalisierung sehr vorsichtig umgegangen werden. Dem Netzbetreiber mit seinem natürlichen Monopol darf nicht ein uneingeschränkter Handlungsspielraum zugesprochen werden, vielmehr sind Regulierungen und Kontrollen nötig, um einen Wettbewerb bei der Stromproduktion zu ermöglichen. Die Vielfalt der Regulierungsmodelle in Europa zeigen, dass sich keine Einheitslösung für die Einbindung der Stromnetzbetreiber bietet. Zu verschieden sind die topografischen, demografischen aber auch wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern. Jedes Land muss somit ein für seine Bedürfnisse angepasstes Regulierungsmodell ausarbeiten und umsetzen. Das Ziel dabei muss sein, möglichst gute Rahmenbedingungen für einen effizienten Wettbewerb im Strommarkt zu ermöglichen, ohne dabei die dauerhafte Stromversorgung in irgendeiner Weise zu gefährden.

Das Stromnetz im liberalisierten Strommarkt 13 6. Literaturverzeichnis [1] SonntagsZeitung vom 9. Juli 2000 [2] http://www.watt.ch/aktuelles-2001-11-23.htm [3] Förster, Der europäische Liberalisierungsprozess, Bulletin SEV/VSE 20/02 [4] M. Haberfellner, A. Hujber, P. Koch, E-Control, Liberalisierung und Strompreisentwicklung Österreich und Deutschland im Vergleich, Working Paper Nr. 4, 28. April 2002 [5] S. Vaterlaus, J. Wild, Die schweizerische Elektrizitätswirtschaft vor der Marktöffnung, ZfE - Zeitschrift für Energiewirtschaft 25 (2001) 3, http://www.cepe.ethz.ch/download/staff/joerg/vaterlaus_wild_zfe_2001_3.pdf [6] http://www.strompreise.ch/08.htm [7] H. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 2. Auflage, Oldenbourg [8] Mag. Helle Grönli, E-Control GmbH, Mechanismen der Anreizregulierung, 5. April 2002 [9] M. Filippini, J. Wild, C. Luchsinger, CEPE, ETH Zürich, Regulierung der Verteilnetzpreise zu Beginn der Martköffnung, August 2002 [10] J. Büchner, P. Giesbertz, K. Petrov, KEMA Consulting GmbH, Qualitiy of Netzwork Services, 22. Oktober 2002