Der Projektleiter Übung vom 2./3. Mai 2016 Dr. David Hofstetter
Eckpunkte des Sachverhalts I Zulassung von A zum Zivildienst im Jahr 2009, Verpflichtung zur Leistung von 390 Diensttagen Erster Zivildiensteinsatz von 26 Tagen beim Einsatzbetrieb B im Jahr 2010 Anstellung als Projektleiter beim Einsatzbetrieb B mit einem 100%- Pensum nach dem Ersteinsatz im Jahr 2010 Gewährte Dienstverschiebungfür das Jahr2011 Einreichung einer Einsatzvereinbarung für einen Zivildiensteinsatz (180 Tage) im März 2012 zuhanden der Vollzugsstelle
Eckpunkte des Sachverhalts II Erstellung des Aufgebots durch die Vollzugsstelle im Mai 2012 für den Einsatz von 180 Tagen beim Einsatzbetrieb B (August 2012 bis Januar 2013) Inspektion im Einsatzbetrieb durch die Vollzugsstelle; Feststellung, dass A neben dem Zivildiensteinsatz vom Einsatzbetrieb B durchgehendeinenlohn für ein100%-pensum bezog Widerruf des Aufgebots vom 21. Mai 2012 mit Verfügung vom 10. Februar 2013 und Feststellung, dass keine Diensttage an die Leistung der Zivildienstpflicht angerechnet werden
Frage 1: Rechtsmittelweg I Norm des in der Sache anwendbaren Spezialgesetzes konsultieren, vorliegendalso das ZDG Gemäss Art. 63 Abs. 1 ZDG kann gegen erstinstanzliche Verfügungen beimbundesverwaltungsgericht Beschwerde geführt werden Die Widerrufsverfügung vom 10. Februar 2013 wird von der Vollzugsstelle erlassen. Es handelt sich um eine erstinstanzliche Verfügung. Die Zuständigkeit für eine Beschwerde gegen die Verfügung vom 10. Februar 2013 liegtfolglich beim Bundesverwaltungsgericht.
Frage 1: Rechtsmittelweg II Für den Weiterzug an dasbundesgericht gelangen die Bestimmungen des BGG zur Anwendung In Frage kommt die Erhebung einer Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG Vgl. dazu Art. 83 lit. i BGG: «Die Beschwerde ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Militär-, Zivil- und Zivilschutzdienstes.» Die Beschwerde an das Bundesgericht kommt somit nicht in Betracht, der EntscheiddesBundesverwaltungsgerichts istendgültig.
Frage 2: Widerrufsverfügung I Was wird unter «Widerruf einerverfügung» verstanden? Siehe dazu Häfelin/Müller/Uhlmann, AVR, 7. Auflage 2016, N 1215: «Widerruf einer Verfügung bedeutet, dass die verfügende oder allenfalls eine übergeordnete Behörde eine meist rechtskräftige fehlerhafte Verfügung von Amtes wegen ändert.» In einem ersten Schritt ist somit zu prüfen, ob die Verfügung vom 21. Mai 2012 (Aufgebot für den Einsatz beim Einsatzbetrieb B) fehlerhaft ist, wobei die Fehlerhaftigkeit eine ursprüngliche oder nachträgliche sein kann.
Frage 2: Widerrufsverfügung II In Frage kommt vorliegend ein Verstoss gegen Vorschriften des ZDG oder der ZDV; ein solcher könnte die Fehlerhaftigkeit der Verfügung vom 21. Mai 2012 (Aufgebot) begründen Vgl. dazu Art. 4a lit. a Ziff. 1 ZDG: «Nicht erlaubt sind Einsätze in einer Institution, für welche die zivildienstpflichtige Person bereits ausserhalb des Zivildienstes gegen Entgelt oder im Rahmen einer Ausoder Weiterbildung tätig ist oder während des vorangegangenen Jahres tätig war ( ).» Ist der Tatbestand von Art. 4a lit. a Ziff. 1 ZDG erfüllt?
Frage 2: Widerrufsverfügung III Vgl. dazu BVGer Urteil B-488/2014, E. 4.2.2: «Demnach werden vom Art. 4a Bst. a Ziff. 1 ZDG nicht nur Arbeits- oder Auftragsverhältnisse im rechtstechnischen Sinne erfasst, sondern jegliche gegen Entgelt erfolgende Tätigkeit für die Institution, bei welcher ein Zivildienst geleistet werden soll, sofern sie unmittelbar vor Dienstantritt oder während des diesemvorangehendenjahres verrichtetwurde.» Gemäss Sachverhalt war A unmittelbarvor dem Erlass des Aufgebots vom 21. Mai 2012 im Einsatzbetrieb B als Projektleiter angestellt, womit der Tatbestand von Art. 4a lit. a Ziff. 1 ZDG erfüllt ist. Die Verfügung vom 21. Mai 2012 (Aufgebot) ist somit ursprünglich fehlerhaft.
Frage 2: Widerrufsverfügung IV Die Voraussetzungen für den Widerruf einer Verfügung können sich aus dem inder Sache anwendbaren Gesetz ergeben. Liegt keine gesetzliche Regelung vor, ist eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts einerseits und dem Interesse an der Rechtssicherheit bzw. dem Vertrauensschutz andererseits vorzunehmen (vgl. dazu BGer Urteil 1C_573/2014, E. 2.2). In der Praxis kommen typisierte Tatbestände vor, bei welchen das Interesse am Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit in der Regel gewichtiger ist als dasjenige an der richtigen Rechtsanwendung (siehe dazu H/M/U, N 1231 ff.). Liegt einsolcher Tatbestand vor?
Frage 2: Widerrufsverfügung V Gemäss Bundesverwaltungsgericht nicht. Es handelt sich beim Verfahren um Erlass der Verfügung (Aufgebot) nicht um ein Verfahren, in dem die sich gegenüberstehenden Interessen allseitig zu prüfen und gegeneinander abzuwägen sind (BVGer Urteil B-488/2014, E. 4.3.1). A hat von der ihm mittels Verfügung eingeräumten Befugnis keinen Gebrauch gemacht, weil es sich um einen «Schein-Einsatz» gehandelt hat (BVGer a.a.o., E. 4.3.2). Die Zulässigkeit des Widerrufs beurteilt sich nach der im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung.
Frage 2: Widerrufsverfügung VI Vgl. dazu BVGer Urteil B-488/2014, E. 4.3.3: «Mit Blick auf die beim Widerruf einer Verfügung vorzunehmende Interessenabwägung zwischen der richtigen Anwendung des objektiven Rechts auf der einen sowie der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf der anderen Seite ist nach dem Vorstehenden kein schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung der ( ) widerrufenen Verfügungen ersichtlich. ( ) Ein Interesse ( ) am Vertrauensschutz wäre ohnehin nur dann zu berücksichtigen, wenn dessen Voraussetzungen gegeben wären ( ). Wer die Fehlerhaftigkeit der Verfügung erkannt hat oder hätte erkennen müssen, kann nicht in guten Treuen vom dauerhaften Bestand der Verfügung ausgehen und sich daher nichtauf denvertrauensschutz berufen.»