Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der CDU und und der Fraktion der FDP: Anonyme Spurensicherung standardisieren und auch für männliche Gewaltopfer anbieten, Drucksache 17/3575, 11.9.2018 Bonn, den 22.1.2019 17 I. Ausgangslage: Anonyme Spurensicherung in NRW Ich bedanke mich für die Einladung, als Sachverständige an der Anhörung des Ausschusses für Gleichstellung und Frauen zum Thema Anonyme Spurensicherung Stellung beziehen zu dürfen. Als eine der Sprecherinnen des Landesverbandes autonomer Frauen-Notrufe NRW e.v. und als Geschäftsführerin der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in Bonn sowie des seit 2001 bestehenden Netzwerkes Arbeitskreis Opferschutz Bonn/Rhein-Sieg kann ich auf langjährige Erfahrungen zum Thema sexualisierte Gewalt, im Bereich des Opferschutzes und im Rahmen der Modelle zur Anonymen Spurensicherung zurückgreifen. Ich freue mich, dass mit dem vorliegenden Antrag ein weiterer Schritt zur Standardisierung der Anonymen Spurensicherung in NRW formuliert wird, denn Klärungen, Absicherungen und konkrete Regelungen sind zu einigen wichtigen Fragen dringend notwendig. Wie es im Antrag richtig festgestellt wird, gibt es in Nordrhein-Westfalen seit 2001 Modelle und Ansätze einer gerichtsverwertbaren Befunddokumentation und Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt auch ohne direkte Anzeigenerstattung. (das erste Projekt gab es mit dem Namen WIESo in Aachen). Die Anonyme Spurensicherung gibt den Betroffenen Zeit für eine psychische Stabilisierung und die Sicherheit, auch nach einem längeren Zeitraum noch auf mögliche Tatspuren zurückgreifen zu können. Gleichzeitig vermitteln die Verfahren den Betroffenen medizinische und psychologische Hilfen, zu denen sie sonst oftmals keinen Zugang finden würden. Der Arbeitskreis Opferschutz Bonn Rhein-Sieg hat in den Jahren 2004-2006 in intensiver Kooperation und im interdisziplinären Austausch zwischen dem örtlichen Opferschutznetzwerk, der Polizei, der Staatsanwaltschaft und dem Institut für Rechtsmedizin in Bonn eine Variante der Aachener Ursprungsidee konzipiert. Das Organisationsteam des Arbeitskreises Opferschutz gab im Jahr 2005 dem Verfahren den Namen Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten, kurz ASS, der sich mittlerweile etabliert hat. Seit dem 1.5.2006 wird ASS in Kliniken in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis umgesetzt. Neben der Befunddokumentation gehören regelmäßige Fortbildungen für Ärzte und Ärztinnen sowie für Pflegeschulen, Vorträge, Öffentlichkeitsarbeit, Austauschtreffen und die Beratung der Betroffenen zum selbstverständlichen Standard des Verfahrens. Seit Bestehen des Projektes kam es zu zahlreichen Anfragen aus anderen Städten in NRW und aus benachbarten Bundesländern. In einigen Städten und Kreisen wurde das Verfahren 1 STELLUNGNAHME 17/1100 Alle Abg
oder eine ähnliche Variante seitdem umgesetzt. Auch in anderen Bundesländern wurden vergleichbare Modelle und Verfahren entwickelt (Netzwerk Pro Beweis in Niedersachsen, landesweite Regelungen in Bremen, Hamburg, Saarland und Rheinland-Pfalz und ein beispielhaftes Modell in Frankfurt). Die Modelle in NRW basierten lange auf den Initiativen lokaler Netzwerke sowie dem Engagement einzelner Institutionen und waren daher abhängig von deren verfügbaren Ressourcen und Kenntnissen. Der Arbeitskreis Opferschutz und der Landesverband autonomer Frauen-Notrufe NRW e.v. haben sich daher gemeinsam mit anderen Verbänden und Institutionen seit vielen Jahren dafür eingesetzt, eine flächendeckende Umsetzung der anzeigenunabhängigen anonymen Befunddokumentation und Spurensicherung nach sexualisierten Gewalttaten mit abgesicherten Qualitätsstandards und geregelter Finanzierung in NRW zu realisieren. Der Landesverband hat im Jahr 2012 eine landesweite Umfrage veröffentlicht, die bereits damals auf die Notwendigkeit landesweiter Standardisierungen verwies. Die Landesregierung in NRW (2012-2017) hatte in ihrem Koalitionsvertrag die Entwicklung eines bedarfsgerechten Angebotes zu ASS in NRW verankert. Dies wurde 2013 vom Landtag bestätigt. Im Jahr 2014 wurde zudem das vom ehemaligen MGEPA NRW geförderte Modellprojekt GOBSIS (Gewaltopfer-Beweissicherungs- und Informationssystem) gestartet, das unter dem Namen igobsis-live vom Institut für Rechtsmedizin Düsseldorf in der Praxis erprobt wird. Seit dem Jahr 2015 erhalten örtliche Kooperationen zu ASS darüber hinaus eine befristete landesweite Unterstützung, die jährlich beantragt werden muss. Im Jahr 2015 erfolgte eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme durch die Universität Bielefeld. Mitte 2015 wurde eine temporäre landesweite Koordinierungsstelle eingerichtet, die vom Landesverband der autonomen Frauen-Notrufe NRW e.v. getragen wurde. Die Landeskoordinierungsstelle hat bis Ende 2017 u.a. die örtlichen Kooperationen bei dem Aufbau und der Umsetzung von ASS-Modellen beraten und begleitet und sich durch Expertisen, Gespräche und interdisziplinäre Zusammenarbeit für die Entwicklung eines landesweiten Konzeptes in NRW eingesetzt. Die Entwicklung von landesweiten Standards für die Befunddokumentation, einschließlich des rechtssicheren Transportes und der Lagerung der Spuren lagen im Aufgabenbereich des Institutes für Rechtsmedizin Düsseldorf. Diese Standards wurden in Abstimmung mit der Landeskoordinierungsstelle im Jahr 2016/17 erarbeitet und nach Erörterung im Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation im März 2017 veröffentlicht. Im Jahr 2016/2017 wurden zudem seitens der temporären Landeskoordinierungsstelle Empfehlungen für Standards zur Umsetzung der Anonymen Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt an Frauen und Mädchen (ASS) in NRW - für Kliniken und Arztpraxen (Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt, Weitervermittlung an Hilfeangebote nach Erstkontakt), für die nachgehende Betreuung und für die Öffentlichkeitsarbeit erarbeitet. 2
Diese wurden vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, MHKBG NRW im Mai 2018 veröffentlicht. Die Landeskoordinierungsstelle konnte bei der Umsetzung von ASS in NRW jedoch nur beratend tätig sein und Expertisen liefern. Sie hatte nicht die Aufgabe wie es im Antrag dargelegt wird - bzw. es lag nicht in ihrer Kompetenz, für eine flächendeckende Versorgung von ASS in Nordrhein-Westfalen zu sorgen. Die dafür erforderlichen Strukturen und Maßnahmen obliegen der Landesregierung und den zuständigen Ministerien. II. Notwendige Regelungen auf Landesebene Bei den Beratungen und Treffen mit örtlichen Kooperationen sowie in einer schriftlichen Abfrage bei den ASS-Modellen in NRW im Oktober 2017 wurde die Landeskoordinierungsstelle immer wieder auf die Probleme und Regelungsnotwendigkeiten hingewiesen, ohne deren Lösung die örtlichen Modelle langfristig gefährdet sind bzw. der Aufbau von vorne herein stagniert. Bereits in den Jahren 2015-2017 konnte die Landeskoordinierungsstelle die örtlichen/regionalen ASS-Kooperationen in Bezug auf wesentliche und entscheidende Fragen nur auf baldige Lösungen durch die Landesregierung verweisen. Verbindliche Regelungen sind insbesondere erforderlich für: die Abrechnung der ärztlichen Leistungen einschließlich erforderlicher Laboruntersuchungen die Verwendung von standardisierten Spurensicherungssets und Untersuchungsleitfäden und deren langfristige Finanzierung die Zuständigkeiten für die Zusammensetzung und Lieferung der Spurensicherungssets an die beteiligten Kliniken die dauerhafte Finanzierung und Organisation eines gerichtsfesten Transportes und die Absicherung der Lagerung der Spuren. Ein kontinuierlich gesicherter Finanzierungsbedarf besteht hinsichtlich aller Kernelemente von ASS (Befunderhebung, Sets, Leitfäden, Transport, Lagerung, Fortbildung/Schulung, Öffentlichkeitsarbeit, Koordinierung, Vernetzung). Nach wie vor ist unklar, wie ein landesweites tragfähiges Konzept aussehen wird und welche Lösungen insbesondere für die wichtigsten Probleme die Abrechnung der ärztlichen Leistungen und Laboruntersuchungen sowie Spurensicherung und Transport in welchen Zeiträumen angestrebt werden. Hier ist dringend eine Klärung erforderlich und es müssen zeitnahe Lösungen gefunden werden. 3
III. Konkretisierung der Einzelpunkte und der im Punkt Beschlussfassung angesprochen Maßnahmen 1. Zur Abrechnung der ärztlichen Leistungen und Laboruntersuchungen: Die Landesregierung hat, wie im Antrag ausgeführt, bei der 28. Gleichstellungsministerkonferenz am 7.6.2018 eine bundesweit einheitliche Lösung für eine Finanzierung der ärztlichen und labortechnischen Leistungen im Rahmen von ASS angeregt. Eine Regelung zur Lösung dieser zentralen Frage wird seit langem von vielen Verbänden gefordert. Dies wäre ebenso wie die Förderung örtlicher Kooperationen seitens des Landes sehr wichtig und hilfreich im Hinblick auf eine landesweite Umsetzung von ASS. Bis zu einer Realisierung einer bundeseinheitlichen Finanzierung - deren konkrete Umsetzung bisher nicht absehbar ist - müssten jedoch Angebote und Zwischenlösungen seitens des Landes bereitstehen, um die vielfältigen Aktivitäten, die zu ASS bereits auf den Weg gebracht wurden, nicht zu gefährden. Möglich wäre beispielsweise ein Landesfonds oder eine Fördermöglichkeit, die den örtlichen Kooperationen eine Abrechnung mit den Kliniken erlauben würde. In der derzeitigen Situation ist zu beobachten, dass immer mehr Kliniken die Geburtsabteilungen und gynäkologischen Ambulanzen schließen. Dies bedeutet, dass auch immer weniger Kapazitäten in den anderen Kliniken für die Befunddokumentation bei sexualisierter Gewalt zur Verfügung stehen. Dies ist nicht nur für die Anonyme Spurensicherung relevant. Die mangelnde Abrechenbarkeit und die ohnehin knappen personellen Ressourcen führen dazu, dass aktuell nicht mehr Kliniken für ASS gewonnen werden können, sondern eher bestehende wegfallen. Wenn landesweite Lösungen nicht gefunden werden und auf bundesweite Regelungen vielleicht noch Jahre gewartet werden muss, wird sich diese Situation sicherlich noch verschärfen. Daher brauchen wir dringend zeitnahe Lösungen dieser Fragen. Ohne solche Regelungen bleibt es letztlich den Kliniken und örtlichen Initiativen überlassen, wie sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Befunddokumentation umsetzen. Solange ASS nicht als landes- und bundesweit standardisiertes Verfahren umgesetzt, etabliert und kommuniziert ist, können trotz des hohen Einsatzes der beteiligten Institutionen reibungslose Abläufe nicht immer gesichert werden und selbst etablierte Modelle müssen ihr Angebot immer mehr einschränken, was letztlich zu Lasten der Betroffenen geht. 4
2. Zur Standardisierung der Spurensicherungssets und Untersuchungsleitfäden und deren Zusammenstellung, Verteilung und Finanzierung Zu den Inhalten und den Qualitätsanforderungen der Spurensicherungssets und Untersuchungsleitfäden liegen landesweiten Empfehlungen für Standards vor und es gibt sowohl im Rahmen von IGOBSIS-live als auch in den ASS-Kooperationen ausführliche, mit Landesmitteln erarbeitete Leitfäden und Musterdokumentationen, die zur Verfügung stehen. Die Kliniken aus den bestehenden Modellen bestätigen die gute Handhabbarkeit der Leitfäden und Sets im Rahmen der Anonymen Spurensicherung und es gibt vielfach Anfragen, ob die bei der Anonymen Spurensicherung eingesetzten Bögen nicht auch bei den beauftragten Untersuchungen durch die Polizeibehörden eingesetzt werden könnten. Einheitliche Untersuchungsleitfäden würden den Kliniken die Arbeit erleichtern und für eine größere Routine sorgen. Die im Antrag erwähnten unvollständigen Sets kommen z.t. auch dadurch zustande, dass die Materialien in den ASS-Sets für eine Befunddokumentation gut zusammengestellt sind und diese dann z.t. auch für behördlich beauftragte Untersuchungen benutzt werden. Eine klinikinterne Zuständigkeit zur Kontrolle der Sets und feste Zuständigkeiten wären sicherlich wünschenswert, setzten aber zunächst die Absicherung der Leistungen voraus. Solange die Ärzte und Ärztinnen die aufwändige Befunddokumentation bei erschwerten Bedingungen in den gynäkologischen Abteilungen irgendwie und unbezahlt nebenher leisten müssen, kann dies nicht erwartet werden. Auch bezüglich der Zusammenstellung und Verteilung der Sets gibt es solange keine landesweite Standardisierung und Regelung der Abläufe erfolgt je nach örtlichen Gegebenheiten und Ressourcen unterschiedliche Wege und Abläufe. So gibt es immer wieder Unklarheiten und unterschiedliche Aussagen, ob die Polizei bei der Anonymen Spurensicherung durch eine fallunabhängige Zusammenstellung und Lieferung von Sets tätig werden darf, obwohl dies im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe auf Landesebene im Jahr 2015 zugesichert wurde. Hier wäre eine Positionierung und Klarstellung der Landesregierung und des zuständigen Ministeriums dringend erforderlich. Sollte es ein landesweit einheitliches Verfahren für die Inhalte, die Verteilung und die Finanzierung der Sets geben, wären folgende Fragen zu klären und zu konkretisieren: Wo können die Sets abgerufen werden. wer stellt sie zusammen? Wer ist für die Verteilung an die Kliniken verantwortlich? Ist die Polizei/die Kooperation vor Ort zuständig oder gibt es eine landesweite Zentralstelle, wo die Sets bestellt werden und von wem? Wie werden die ASS- Modelle vor Ort eingebunden? Was beinhalten die Sets? Welche Befundbögen sollen verwendet werden? Soll es einheitliche Sets bei den behördlichen Untersuchungen und bei ASS geben? 5
Wie funktioniert die Beantragung, Abrechnung und der Nachweis über die Verwendung der Gelder? Wer ist dafür zuständig und in welchem Fördertopf wird das angesiedelt? Stehen die Gelder zusätzlich bereit oder werden sie aus den im MHKBG vorhandenen Fördermitteln abgezogen? Für die örtlichen Modelle sind diese Fragen sehr wichtig, damit die Abläufe funktionieren und es nicht aus Unkenntnis zu Fehlern im Verfahren kommt. 3. Standardisierung und langfristige Finanzierung von Transport und Lagerung Die im Antrag der CDU- und FDP-Fraktion angesprochene notwendige Standardisierung muss neben den Sets auch die Fragen des Transportes und der Lagerung einbeziehen. Hierzu liegen landesweite Standards und Empfehlungen vor. Ohne ein flächendeckendes landesweites Konzept ist es jedoch auch zu diesen Fragen den örtlichen Kooperationen überlassen, wie sie dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten regeln. Auch hier gibt es vor Ort unterschiedliche Verfahrensweisen, je nach verfügbaren Ressourcen und Diensten. Medizinische Kurierdienste stehen nicht in allen Städten zur Verfügung, rechtsmedizinische Institute sind nicht in jeder Stadt vorhanden. Jedes Modell muss hier eigene Wege finden, um Spuren rechtssicher transportieren zu lassen und dies ist oft sehr zeitaufwendig. Landesweite Vereinbarungen wären auch in dieser Hinsicht sehr hilfreich und notwendig, da an solchen Einzelfragen oftmals die Umsetzung eines Modells scheitert. 4. Ausweitung von ASS auf alle auch männliche Opfer von Sexualstraftaten Die im Antrag gegebene Empfehlung, dass Lösungen für alle Gewaltopfer auch für männliche Betroffene gefunden werden müssen, ist wichtig und nachvollziehbar. In den Befundbögen aus Bonn/RSK gibt es auch besondere Untersuchungsteile für Jungen und Männer. Allerdings stellen sich auch hier die gleichen oben aufgeführten Regelungsbedarfe. Solange diese Fragen für die bisherigen ASS-Angebote nicht geklärt sind, ist es fraglich, wie die Modelle noch ausgebaut werden sollen. Darüber hinaus müssten spezielle Ansprechpartner/innen für männliche Betroffene (Chirurgie/Urologie) in den Kliniken vorhanden sein und die Kapazitäten für entsprechende Beratungsstellen für männliche Betroffene bereitstehen. Außerdem wäre zu klären, wer die Finanzierung aller für ASS erforderlichen Bausteine (Sets, Transport, Lagerung, Fortbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Beratung, medizinische Leistungen) für männliche Betroffene übernimmt. 5. Qualitative Absicherung der Befunderhebung In der aktuellen Diskussion entsteht teilweise der Eindruck, dass Fragen und Problembereiche, die eine generelle Lösung verlangen würden, zunehmend nur im Kontext von ASS diskutiert werden. ASS-Modelle können aber keine Lösungen für Fragen bieten, die strukturell zu klären wären. Die zunehmende Schließung von Geburtsabteilungen und die fehlenden personellen und finanziellen Ressourcen wurden schon angesprochen. Es wäre aber auch die Befunddokumentation bei Gewalttaten, ob mit oder ohne Anzeige, generell 6
zu standardisieren und die Aus-und Fortbildung dazu zu verbessern. Ärzte und Ärztinnen lernen die Befunddokumentation i.d.r. nicht in ihrer Ausbildung. Sie sind froh über Fortbildungen und gut standardisierte Leitfäden in den ASS-Modellen, um dieses Wissen dann auch generell nutzen zu können. Für Opfer sexualisierter Gewalt müssten generell in Kliniken oder speziell einzurichtenden Gewaltschutzambulanzen verbindliche Abläufe und personelle Zuständigkeiten mit geschultem Personal vorhanden sein. Dies ist nur in wenigen Kliniken der Fall. Oftmals scheitert eine gute Betreuung aus Kapazitätsgründen. In ländlichen Gebieten sind von Opfern und dies in psychischen Ausnahmesituationen - zudem oft lange Wege in Kauf zu nehmen. Die mangelnde Finanzierung der ärztlichen Leistungen und Laboruntersuchungen in den ASS- Fällen und die Unklarheit bezüglich der Lieferung der Sets durch die Polizei erschweren diese Lage noch zusätzlich. Die flächendeckende Bereitstellung und Standardisierung einer patientinnengerechten Akutversorgung, Befunddokumentation und Spurensicherung als Regelangebot an Kliniken sowie ein sensibler Umgang mit Betroffenen sollte unabhängig von Anzeige oder Kosten ein selbstverständliches Angebot im Gesundheitssystem sein. Mit der landesweiten Umsetzung von ASS in NRW wäre ein Schritt in diese Richtung getan. Es wäre sehr wichtig, einen interdisziplinären fachlichen Austausch auf Landesebene unter Beteiligung der zuständigen Ministerien, der Opferschutzbeauftragten des Landes NRW, Fachkräften aus Kliniken, rechtsmedizinischen Instituten, Experten und Expertinnen der Polizei und Justiz sowie der Frauen-Notrufe/Fachstellen gegen sexualisierte Gewalt und den örtlichen ASS-Modellen einzurichten. Die sollte sich nicht nur mit Regelungen zu den Fragen und Problembereichen im Rahmen der Anonymen Spurensicherung befassen, sondern auch die Gewährleistung einer guten Versorgung von Gewaltopfern einschließlich der Befunddokumentation mit und ohne Anzeige im Blick haben. Conny Schulte, Geschäftsführung Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt Bonn und des Arbeitskreises Opferschutz Bonn/Rhein-Sieg Sprecherin Landesverband autonomer Frauen-Notrufe NRW e.v. 7