Prof. Dr. Thomas Straubhaar Universität Hamburg Wintersemester 2009/2010 Vorlesung 21-60.371 Außenwirtschaftspolitik Modul 9 Devisenmärkte und Wechselkurse VGR und Zahlungsbilanz 17. Dezember 2009 1
Definitionen Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Erfasst sämtliche Ausgabenposten, die zum Einkommen und zur Produktion eines Landes beitragen. Zahlungsbilanzrechnung h Gibt Aufschluss über den Stand der Verschuldung gegenüber dem Ausland und die Entwicklung der mit Importen und Exporten konkurrierenden Industrien. 2
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Bruttonationaleinkommen (BNE) Der Wert aller Endprodukte und Dienstleistungen, die von den Produktionsfaktoren eines Landes produziert und innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf dem Markt verkauft werden. Es ist das wichtigste Maß für die Produktion eines Landes. 3
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Das BNE errechnet sich aus der Addition des Marktwerts aller Ausgaben für Endprodukte: Private Konsumausgaben Konsumausgaben der privaten Haushalte Investitionsausgaben der Betrag, den Privatunternehmen für den Bau neuer Anlagen und Maschinen für die zukünftige Produktion aufwenden Konsumausgaben des Staates der Betrag, den die öffentlichen Haushalte verbrauchen Leistungsbilanz der Nettoexport von Gütern, Dienstleistungen und Faktoreinkommen 4
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für eine offene Volkswirtschaft Die Nationaleinkommensidentität in einer offenen Volkswirtschaft Das Nationaleinkommen ist die Summe der inländischen und ausländischen Ausgaben für von inländischen Produktionsfaktoren erzeugte Güter und Dienstleistungen: Y = C + I + G + EX IM (12.1) Dabei steht: Y für das BNE C für private Konsumausgaben I für Investitionen G für Konsumausgaben des Staates EX für Exporte IM für Importe In einer geschlossenen Volkswirtschaft gilt: EX = IM = 0. 5
Reales BIP in Deutschland 2008 Quelle: Statistisches Bundesamt: Bruttoinlandsprodukt 2008 für Deutschland, Wiesbaden 2009, S. 12 6
Quelle: Statistisches Bundesamt: Bruttoinlandsprodukt 2008 für Deutschland, Wiesbaden 2009, S. 15 7
BIP versus BNE/BSP Inlandskonzept (BIP) Umrechnung Inländerkonzept (BNE/BSP) Brutto-Inlands- Produkt + Einkünfte der Inländer im Ausland - Einkünfte der Ausländer im Inland Brutto-National- Einkommen Brutto-Sozial- Produkt 8
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Abschreibungen, laufende Übertragungen und indirekte Steuern Korrekturen an der Definition des BNE: Abschreibungen Sie reduzieren das Einkommen der Kapitalbesitzer. Sie müssen vom BNE abgezogen werden (dies ergibt das Nettonationaleinkommen). Laufende Übertragungen Sie sind Bestandteil des Einkommens, nicht aber der Produktion des Empfängerlandes. Sie müssen zum Nettonationaleinkommen addiert werden. Indirekte Steuern Diese sind Verkaufssteuern. Sie müssen vom BNE abgezogen werden. 9
Zahlungsbilanz: Definition iti Aufstellung aller wirtschaftlichen h Transaktionen zwischen In- und Ausländern während einer bestimmten Periode Inländerprinzip Zahlungen Bilanz Saldo 10
Zahlungsbilanz: Definition iti Vorgänge, die zu Zahlungseingängen führen, werden auf der Aktivseite ( linke Seite ) verbucht Vorgänge, die zu Zahlungsausgängen führen, werden auf der Passivseite ( rechte Seite ) verbucht 11
Doppelte Buchführung Geldzuflüsse Credits Debits Geldabflüsse für Deutschland aus Deutschland EIN AUS Exporte Importe Vermögens- übertragung Kapital- abfluss Überschuss Devisenrückgang 12
Zahlungsbilanz (Aufbau) LEISTUNGSbilanz VERMÖGENSbilanz KAPITALbilanz DEVISENbilanz Handelsbilanz (Waren) Dienstleistungsbilanz Erwerbs- und Vermögenseinkommen Übertragungsbilanz (laufende Übertragungen) einmalige Übertragungen Direktinvestitionen Wertpapieranlagen (Portfolio) Kreditverkehr (kurz- und dlangfr.) Sonstige Transaktionen Bestandsveränderungen der Bundesbank-Devisenreserven 13
Zahlungsbilanzrechnung Die Zahlungsbilanzidentität Da jede internationale Transaktion automatisch ti Buchung und Gegenbuchung in der Zahlungsbilanz auslöst, ergibt sich folgende Identität: Leistungsbilanz + Kapitalbilanz + Vermögensübertragungsbilanz g g = 0 14
Zahlungsbilanzrechnung Noch einmal zur Leistungsbilanz Die Zahlungsbilanz unterteilt Exporte und Importe in drei Kategorien: Warenhandel Export oder Import von Gütern Dienstleistungen Zahlungen für Rechtsberatung, Touristenausgaben und Transportgebühren Eingehende Primäreinkommen Grenzüberschreitende Zins- und Dividendenausschüttungen sowie die Erträge aus im Ausland tätigen Unternehmen in inländischem Besitz. 15
Zahlungsbilanzrechnung Die Vermögensübertragungsbilanz Die Kapitalbilanz Sie erfasst den Saldo zwischen dem Verkauf von Vermögenswerten an Ausländer und dem Kauf von Vermögenswerten e e von Ausländern. Kapitalzufluss Ein Kredit vom Ausland, der mit der Verpflichtung zur späteren Rückzahlung verbunden ist. Kapitalabfluss Eine Transaktion, bei der das Ausland einen Vermögenswert erwirbt. 16
Zahlungsbilanzrechnung Die statistische Diskrepanz Die Meldungen über eine gegebene Transaktion stammen bisweilen aus verschiedenen Quellen, die sich hinsichtlich ihrer Vollständigkeit, Genauigkeit und Pünktlichkeit unterscheiden. Daher ist die Zahlungsbilanz in der Praxis selten ausgeglichen. Zum Zweck des Ausgleichs wird ein Posten für die statistische Diskrepanz eingeführt. Der Ursprung der Diskrepanzen in der Leistungs-, Übertragungs- und Kapitalbilanz lässt sich nicht ermitteln. 17
Zahlungsbilanzrechnung Offizielle Reservetransaktionen Zentralbank verantwortlich für die Steuerung des Geldangebots Währungsreserven Vermögenswerte in ausländischer Währung, die eine Zentralbank als Rücklagepolster für den Fall wirtschaftlicher Schwierigkeiten des eigenen Landes bereithält. Devisenmarktinterventionen t Oft kaufen oder verkaufen Zentralbanken Währungsreserven auf privaten Anlagemärkten, um die makroökonomischen Gegebenheiten in ihrem Land zu beeinflussen. 18
Zahlungsbilanzrechnung Bilanz der offiziellen Reservetransaktionen (Devisenbilanz) Buchführung über die Devisentransaktionen Sie ergibt sich aus der Summe von Leistungsbilanz, Vermögensübertragungsbilanz und Kapitalbilanz ohne Devisenreserven, und der statistischen s sc Diskrepanz. Eine negative Zahlungsbilanz kann anzeigen, dass das Land seine Devisenreserven aufzehrt oder Schulden bei den Geldinstitutionen ausländischer Staaten anhäuft. 19
http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/zahlungsbilanzstatistik/2009/zahlungsbilanzstatistik112009.pdf 20
http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/zahlungsbilanzstatistik/2009/zahlungsbilanzstatistik112009.pdf 21
http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/zahlungsbilanzstatistik/2009/zahlungsbilanzstatistik112009.pdf 22
http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2009/200903mb_bbk_ar.pdf 23
http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2009/200903mb_bbk_ar.pdf 24
http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2009/200903mb_bbk_ar.pdf 25
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für eine offene Volkswirtschaft Die Leistungsbilanz ist gleich der Differenz zwischen Nationaleinkommen und Inlandsausgaben: Y (C+ I + G) = NX Die Leistungsbilanz ist gleich der Güterproduktion minus der Inlandsnachfrage. 26
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für eine offene Volkswirtschaft Leistungsbilanz und Auslandsverschuldung Die Leistungsbilanz (NX) Die Differenz zwischen Export und Import von Gütern, Dienstleistungen und Faktoreinkommen (NX = EX IM) NX > 0 bedeutet einen Leistungsbilanzüberschuss. NX < 0 bedeutet ein Leistungsbilanzdefizit. Die Leistungsbilanz gibt Umfang und Richtung der internationalen Kreditaufnahme wieder. Die Leistungsbilanz eines Landes ist gleich der Veränderung seines Nettoauslandsvermögens. 27
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für eine offene Volkswirtschaft Sparen und Leistungsbilanz Nationales Sparen (S) Derjenige Anteil der Produktion, Y,, der nicht durch Privatkonsum, C, oder Konsum der öffentlichen Haushalte, G, aufgebraucht wird. In einer geschlossenen Volkswirtschaft ist es stets gleich den Investitionen. Eine geschlossene Volkswirtschaft kann nur durch den Aufbau ihres Kapitalstocks sparen (S = I). Eine offene Volkswirtschaft kann entweder durch den Aufbau ihres Kapitalstocks oder durch den Erwerb von Auslandsvermögen sparen (S = I + NX). Den Leistungsbilanzüberschuss eines Landes bezeichnet man auch als Nettoauslandsinvestition Der Leistungsbilanzsaldo entspricht der Differenz zwischen Ersparnis und Investitionen 28
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für eine offene Volkswirtschaft Privates und staatliches Sparen Privates Sparen (S p ) Derjenige Teil des verfügbaren Einkommens, der nicht in den Konsum fließt, sondern zurückgelegt wird. S p = I + NX S g = I + NX (T G) =I I + NX +(G T) T ist das Einkommen des Staates (Nettosteuereinnahmen) S g ist das Sparen des Staates (T-G) Staatsdefizit (G T) Es weist aus, in welchem Umfang der Konsum der öffentlichen Haushalte durch die Aufnahme neuer Kredite finanziert wird. 29
30 http://www.bundesbank.de/downlo oad/volkswirtschaft/mba/2006/200603mba_zabil2005.pdf
System des Merkantilismus Aus Y + IM = C + I + EX (ohne Staatsausgaben) folgt unter Berücksichtigung von IM = If + Cf ; C = Ch + Cf und I = If + Ih Y + If + Cf = Cf + Ch + If +Ih + EX,, bzw.: Y = Ch + Ih + EX Da es zu Zeiten des Goldstandards (ca. 1880-1914) weder Wechselkurse noch keine KB gab, war die LB der wesentliche Posten der ZB. Der Ausgleich der ZB erfolgte daher allein über Goldtransaktionen. D.h., Länder mit LB-Defizit mussten dieses durch Goldzahlungen ausgleichen. Dies brachte viele Länder auf die Idee, Importe zu verbieten oder stark einzuschränken, um durch Exporte einen LB- Überschuss zu erzielen und somit Goldvorräte anzuhäufen. Probleme dieses Ansatzes: Andere Länder ergreifen Gegenmaßnahmen, was zum Eli Erliegen des Außenhandels füht führt; kann ein Land dkeine Gegenmaßnahmen ergreifen, verarmt es in kürzester Zeit, was ebenfalls zum Erliegen des Außenhandels führt. 31
Zwillingsdefizit der USA Subsummiert man unter den Außenbeitrag (EX-IM) die lfd. Übertragungen, so erhält man Y = C + I + G + LBSaldo. Gleichzeitig gilt LBSaldo = S I, bzw. LBSaldo = Sp + Sg I (private und staatliche Ersparnis). Definiert man LBSaldo = C + I + G Y = C + I + G C Sp Sg T und BS = G T, erhält man BS = Sp S +S Sg I LBSaldo. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein Budgetdefizit BS (bei G > T, bzw. T G < 0 Steuerlücke) nach Abzweigung der Investitionen I wegen zu geringer staatlicher und privater Ersparnis nicht allein durch eben diese gedeckt werden kann. Zusätzlich wird ein Leistungsbilanzdefizit quasi erzwungen, da S I < 0 ( Sparlücke). Im Falle der USA heißt das, dass sie die zusätzlich erforderlichen Güter und Dienste vom Ausland auf Pump beziehen. Man spricht daher auch von einem Zwillings- oder Doppeldefizit der USA. 32
Devisenmarkt bei festen (bandfixierten) Wechselkursen Wechselkurs (DM/$) oberer Interv.-Punkt I O Devisenangebot offizielle Bandbreite Parität w 0 Kassakurs w k unterer Interv.-Punkt Devisennachfrage I U Devisenmenge 33
Was passiert mit dem Leistungsbilanzsaldo bei einer Abwertung? Abwertung der inländischen Währung bedeutet: Importpreise steigen Exportpreise fallen Frage: was passiert mit: Importwert Exportwert t => Handels- und DL-Bilanz? => Marshall-Lerner-Bedingung 34
Marshall-Lerner-Bedingung Frage: Wann reagiert Handelsbilanz bei Abwertung normal (d.h. Aktivierung, also verbessert )? Antwort: Wenn die Summe der absoluten Elastizitäten der Export- und Importnachfrage > 1 ist 35
Marshall-Lerner-Bedingung... dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Export- und Importangebot müssen völlig elastisch sein 2. ex ante muß die Handels- und DL-Bilanz ausgeglichen gewesen sein (EX = IM) => Wie realistisch sind Voraussetzungen? 36
Robinson-Bedingung... gibt Voraussetzung (1) auf, d.h., Exportund Importangebot müssen NICHT völlig elastisch sein (Voraussetzung 2 bleibt!) Ergebnis: Handels- und DL-Bilanz reagieren dann um so eher normal, je größer die Nachfrageelastizitäten und je geringer die Angebotselastizitäten sind 37
Grenzen der Elastizitätsanalyse Empirische Ermittlung der Elastizitäten? Zeitliche Varianz und Verzögerung J- Kurven-Effekt Grosse Länder-, kleine Länder-Effekte Unvollkommenheit der Märkte Partialanalytische Betrachtungsweise 38
Weitere Zahlungsbilanzeffekte Geldmengen-Preis-Mechanismus Aktivierung durch Kapitalimport => Geldmenge => Preise => Exporte und Importe => Passivierung Geldmengen-Einkommens-Mechanismus Aktivierung durch Kapitalimport => Geldmenge => Binnen-Nachfrage => Wachstum => Importe => Passivierung Partialanalytische l Betrachtungsweise 39