Erst im April 2007 ist die letzte so genannte Reform



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Transkript:

9/2007 Reformbedarf im Gesundheitswesen Uwe Zimmer Reformbedarf im Gesundheitswesen primär auf der Einnahmenseite Erst im April 2007 ist die letzte so genannte Reform im deutschen Gesundheitswesen in Kraft getreten. Die deutschen Krankenhäuser wurden dadurch besonders belastet. Obwohl flächendeckend durch höhere Tarifabschlüsse, Energiekostensteigerungen und Mehrwertsteuererhöhung die Kosten anstiegen, wurde ihnen die mögliche Budgeterhöhung durch Absenkung der Grundlohnrate beschränkt und zusätzlich ein Sanierungsbeitrag auferlegt. Die Umsetzung der im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen hat gerade erst begonnen, da befinden sich die Beteiligten bereits mitten in der Diskussion um die nächste grundsätzliche Gesetzesänderung für den Krankenhausbereich. Angesichts dieser Ausgangssituation weist der Autor anhand vorliegender Fakten auf nachweisliche Entwicklungen im Gesundheitswesen hin, die belegen, dass die deutschen Krankenhäuser ihre Leistungen effizient erbringen, dass die Ausgabenentwicklung im Krankenhausbereich nicht ursächlich für eine finanzielle Überlastung in der GKV ist und dass der Reformbedarf 15 im Gesundheitswesen primär auf der Einnahmenseite zu suchen ist. Keine steigenden Beitragssätze in der GKV Der durchschnittliche Beitragssatz in der GKV ist in den letzten Jahren kaum angestiegen. Die Veränderung von 13,5 13,5 13,5 Prozent im Jahr 1996 auf 13,7 Prozent im Jahr 2005 ist nur geringfügig. Erst im 13 Zuge des GKV-WSG zum Jahreswechsel 2006 auf 2007 war eine weitere Erhöhung 12,5 auf 13,9 Prozent zu registrieren (vergleiche Abbildung 1). Trotzdem wird die gut gepflegte Legende von der Kostenexplosion weiter verbreitet und darauf 12 hingewiesen, dass die immer älter und morbider werdende Wohnbevölkerung und der medizinische Fortschritt zu Ausgabensteigerungen führen, die die GKV in den nächsten Jahren nicht mehr bewältigen könne. Diese auf den ersten Blick eingängigen Thesen lassen sich durch die Zahlen der letzten Jahre nicht belegen. So hat sich der Anteil der über 60-Jährigen an der deutschen Wohnbevölkerung von 1996 bis 2005 um 17 Prozent erhöht. Gleichzeitig fand eine stürmische Entwicklung des medizinischen Fortschritts statt, wenn man beispielsweise die heutigen Behandlungsmöglichkeiten der Herzchirurgie, der Transplantationsmedizin oder der Onkologie betrachtet und mit denen von 1996 vergleicht. Dies alles hat nicht zu einer Unfinanzierbarkeit der Gesundheitswesens bzw. der GKV geführt. 828 Der Ausgabenanteil der GKV am Bruttoinlandsprodukt lag jedenfalls im Jahr 1996 bei 6,9 Prozent und im Jahr 2005 bei 6,4 Prozent (siehe Abbildung 2). Es ist also nicht erkennbar, dass die GKV trotz steigenden Leistungsumfangs und wachsender besserer Qualität einen immer stärkeren Anteil der volkswirtschaftlichen Ressourcen beansprucht. Der moderate Anstieg der Beitragssätze in der GKV (siehe Abbildung 1) hat seine Ursachen im starken Anstieg der Arbeitslosigkeit, in der Stagnation der Renten, im Rückgang der Lohnquote und im Mittelentzug in Milliardenhöhe zu Gunsten anderer Sozialversicherungszweige. Abbildung 1: Entwicklung der allgemeinen Beitragssätze in der GKV 14,5 14 13,6 13,6 13,6 13,6 13,6 2005 Die wesentlichen Ursachen der Beitragssatzsteigerungen liegen somit auf der Einnahmenseite der GKV. Dort bestand und besteht dringender Handlungsbedarf der Politik. Wären nicht bereits in den 90er Jahren die Beiträge der Arbeitslosenversicherung zur Krankenversicherung mehrfach deutlich gekürzt worden, könnten die Beitragssätze der GKV heute deutlich niedriger liegen. Ein Rücktransfer der gegenwärtigen Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit an die GKV, wie von deren Repräsentanten bereits mehrfach gefordert, wäre möglich und ordnungspolitisch richtig. 14,0 14,3 14,2 Effiziente Leistungs- und moderate Ausgabenentwicklung im Krankenhausbereich Während Krankenkassen und Teile der Politik eine weitere Mittelabschöpfung im Krankenhausbereich durch einen 13,7

Reformbedarf im Gesundheitswesen 9/2007 Abbildung 2: Anteil der GKV-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt 8 7,5 7 6,9 6,8 6,8 6,3 6,4 den zu einem Fall zusammengelegt. Dadurch ging die Fallzahl 2003 und 2004 deutlich zurück, ohne dass hierdurch entsprechende Kostenentlastungen entstanden (siehe Abbildung 3). Zum anderen wurde durch die von der Politik gewollte und notwendige Verbesserung der Arbeitszeitbedingungen und die Bezahlung der AIP mit Assistenzarztgehältern ein Schub bei den Personalkosten ausgelöst. 6 5,5 5 2005 Diese Entwicklungen mussten tendenziell auch von der GKV nachvollzogen werden, deren Fallkosten (= den Erlösen der Krankenhäuser mit der GKV) ebenfalls anstiegen (vergleiche Abbildung 5 auf Seite 830). Hier wird aber auch die steigende Unterfinanzierung der Kran- verschärften Preiswettbewerb anstreben, zeigt der Blick auf die realen Leistungsund Kostenparameter der Krankenhäuser, dass in dieser Hinsicht kein Handlungsbedarf besteht. Die Krankenhäuser in Deutschland haben sich in den letzten 10 Jahren verstärkt um die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bemüht. So ist es kein Wunder, dass sich die Krankenhauskosten pro Fall von 1996 bis 2005 durchschnittlich nur um 1,4 Prozent pro Jahr, das heißt etwa entlang der Inflationsrate, erhöht haben (siehe Abbildung 4). Abbildung 3: Entwicklung der vollstationären Krankenhausfälle in Mio. 17,60 17,43 17,40 17,33 17,26 17,30 17,20 17,09 17,00 16,85 16,80 10 16,43 16,40 16,17 16,20 16,00 16,80 16,87 Allerdings war der Kostenanstieg in der 15,80 Zeit vor den DRGs geringer als seit deren Einführung im Jahr 2003. Dieses ist 15,60 15,40 hauptsächlich in 2 Ursachen begründet: Zum einen hat mit der Einführung des DRG-Systems eine Verlagerung von vollstationären Fällen zu ambulanten Leistungen stattgefunden und es wurden durch strikte Abrechnungsregeln mehr Behandlungsepiso- Abbildung 4: Fallkosten deutscher Krankenhäuser (in ) 3 900 3 700 3 500 3 300 3 100 2 900 2 700 2 500 2 992 2 963 2 946 2 960 2 989 2005 3.056 2005 3.139 3.218 kenhausfälle der GKV bemerkbar. Da hier nur die Zahlen bis 2004 vorliegen, ist die weitere Erhöhung dieser Unterfinanzierung durch den Sanierungsbeitrag noch gar nicht eingerechnet (siehe auch Abbildung 6, Seite 830). 3.341 3.362 Eine andere Entwicklung ergibt sich bei den Fallzahlen der GKV. Deren Anteil an allen Krankenhausfällen ist von 1996 bis 2004 von 84 auf 87 Prozent angestiegen (siehe Abbildung 7, Seite 830). Dies ist umso bemerkenswerter, als die GKV in der gleichen Zeit 2,6 Prozent ihrer Mitglieder verloren hat. Der langjährige Trend zum Anstieg der stationären Fallzahlen in der GKV ist hauptsächlich für den Anstieg der Krankenhausausgaben von 41 Mrd. im Jahr 1996 auf 48 Mrd. im Jahr 2004 verantwortlich. Wäre die stationäre Fallzahl in der GKV prozentual an der Gesamtfallzahl konstant geblieben und der Mitgliederentwicklung gefolgt, wären die GKV-Kranken- 829

9/2007 Reformbedarf im Gesundheitswesen Abbildung 5: Vergleich der Fallkosten von GKV und deutschen Krankenhäusern 3 500 3 300 3 100 2 900 2 700 Prozent bei 32,8 Prozent (vergleiche Abbildung 8 auf Seite 832). Warum sind die Fallzahlen der GKV stärker gestiegen als in der Wohnbevölkerung? Die Antwort findet sich bei der Privaten Krankenversicherung, da im gleichen Zeitraum 1,3 Mio. GKV-Versicherte zur PKV gewechselt sind. Der Anteil der Krankenhausausgaben an den Gesamtausgaben der PKV ist jedoch im Vergleichszeitraum konstant geblieben und liegt im Übrigen nur bei etwa 20 Prozent. 2 500 Fallkosten KHer Fallkosten GKV Abbildung 6: Unterfinanzierung der GKV-Fälle in deutschen Krankenhäusern 50 0-50 - 100-150 - 200-250 - 18-42 0-44 - 71-111 - 154 Abbildung 7: Anstieg des Anteils der Fälle der GKV an der Gesamtfallzahl 88,0% 87,0% 86,0% 85,0% 84,0% 83,0% 82,0% 83,9% 84,6% 85,0% 85,0% 85,7% 85,5% 86,1% hausausgaben statt um 7 Mrd. lediglich um 2 Mrd. gestiegen. Der Anteil der Krankenhausausgaben an den Gesamtausgaben der GKV läge im Jahr 2004 dann statt bei 35,3 830-232 87,4% - 208 86,9% Deutlich wird der Unterschied auch, wenn man die Krankenhausausgaben je Mitglied in der GKV und der PKV vergleicht (siehe Tabelle 1). Pro Mitglied liegen die allgemeinen Krankenhausausgaben der PKV (ohne Wahlleistungen und Krankenhaustagegeld) bei weniger als einem Drittel derjenigen der GKV, und zwar im Jahr 1996 wie im Jahr 2004. Die Abwanderung der guten Risiken von der GKV zur PKV treibt bei den Solidargemeinschaften der GKV die Krankenhausausgaben prozentual nach oben. Der Anteil der Versicherten mit Krankenhausbehandlung innerhalb der GKV steigt, obwohl die Gesamtzahl der Mitglieder und damit auch die Finanzkraft sinkt. Man kann aus diesen Zahlen ausdrücklich nicht ableiten, dass die GKV wegen zu hoher Krankenhausausgaben gefährdet sei oder dass die Bemühungen der Krankenhäuser insgesamt um höhere Wirtschaftlichkeit nicht erkennbar sind. Reformbedarf auf der Einnahmenseite Der Reformbedarf des Gesundheitswesens liegt auf der Einnahmenseite der GKV, die seit Jahren hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleibt, und in dem Entzug von Solidarität im System der GKV. Die leicht überdurchschnittliche Steigerung der Krankenhausausgaben in den letzten Jahren ist nicht den Krankenhäusern anzulasten. Im Gegenteil: Die durchschnittliche Verweildauer hat sich von 10,8 Tagen auf 8,6 Tage reduziert, die Zahl der Belegungstage, der Einrichtungen und der Beschäftigten ist rückläufig bei steigenden Erwartungen und Anforderungen an die Krankenhausbehandlung. Fortsetzung auf Seite 832

Reformbedarf im Gesundheitswesen 9/2007 Deutsche Krankenhäuser im internationalen Vergleich Spitze DKG zu den neuesten OECD-Zahlen Die Krankenhäuser in Deutschland arbeiten im internationalen Vergleich immer effizienter. Insbesondere beim wirtschaftlichen Einsatz des Krankenhauspersonals nehmen die deutschen Kliniken einen Spitzenplatz ein. Nach der neuesten OECD-Gesundheitsstatistik sichern 10,8 Krankenhausmitarbeiter je 1 000 Einwohner die stationäre Versorgung. Andere Gesundheitssysteme wie Österreich (15,3), Irland (14,9) und Italien (12,3) liegen darüber den höchsten Personaleinsatz verzeichnen die USA (16,1). Dazu erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum: Die beispiellos niedrige Personalausstattung zeigt, welche Anstrengungen die Krankenhäuser unternommen haben, um unter der restriktiven Budgetierungspolitik eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Es muss jedoch davor gewarnt werden, den Bogen zu überspannen. Der Rationalisierungsdruck in den Krankenhäusern ist extrem hoch. Krankenhausärzte sind gesucht wie nie. Wenn es zu einer weiteren Personalverknappung kommt, ist die Versorgungsqualität gefährdet. Auch die angebliche Kostenexplosion im stationären Sektor ist im internationalen Vergleich eine Mär. Tatsächlich sind die Krankenhausausgaben als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 3,7 Prozent in Deutschland seit 10 Jahren gleich geblieben. Zum Vergleich: In den europäischen Nachbarländern wie Frankreich (4,7 Prozent), Österreich (4,1 Prozent) und Italien (3,9 Prozent) werden höhere Anteile des BIP für die stationäre Versorgung aufgewendet. Auch die Krankenhauskosten pro Fall liegen in deutschen Kliniken im internationalen Vergleich im Mittelfeld. In 2005 wurden in Deutschland im Durchschnitt pro Patient 5 478 Dollar aufgewendet. Im Gegensatz dazu wenden die Vereinigten Staaten (13 452 Dollar), Luxemburg (11 640 Dollar), Kanada (10 334 Dollar), Italien (6 803 Dollar) oder Schweden (5 674 Dollar) deutlich mehr für die stationäre Versorgung pro Fall auf. Die OECD-Statistik zeige zudem, dass das deutsche Gesundheitssystem insgesamt eine hohe Wirtschaftlichkeit aufweise. So lagen die Gesundheitsausgaben pro Kopf in Deutschland im Jahr 2005 bei 3 287 Dollar. In den Vereinigten Staaten (6 401 Dollar), Österreich (3 519 Dollar) oder Frankreich (3 374 Dollar) waren die Pro-Kopf-Ausgaben deutlich höher. In der Langzeitbetrachtung weist Deutschland ohnehin sehr begrenzte Zuwächse auf. So nimmt das deutsche Gesundheitssystem bei der jährlichen Veränderungsrate von 1995 bis 2005 mit nur 4 Prozent einen Spitzenplatz unter den OECD-Ländern ein. Die elektronische Verordnungsunterstützung einfach und schnell Arzneitherapie-Sicherheit für Sie und Ihre Patienten 831

Abbildung 8: Anteil der Krankenhausausgaben an den Gesamtausgaben GKV in Prozent 34,2% 36,3% 34,7% 35,3% 33,6% R2 29,0% R1 Tabelle 1: Vergleich der Krankenhausausgaben je Mitglied bei GKV und PKV im Zeitverlauf in Euro GKV PKV Relation Jahr KH-Ausgaben KH-Ausgaben PKV zu GKV je Mitglied je Mitglied je Mitglied 1996 787 224 28 % 1997 805 237 29 % 1998 832 249 30 % 1999 832 255 31 % 2000 845 260 31 % 2001 855 261 31 % 2002 878 262 30 % 2003 889 277 31 % 2004 904 292 32 % 2005 972 303 31 % Darüber hinaus hat sich die Zahl der Krankenhausschließungen zwischen 2002 und 2005 gegenüber den 3 Jahren zuvor bereits verdoppelt, die Zahl der Fälle ging um 560 000 zurück, während sie davor noch um 340 000 anstieg, die Verweildauer reduzierte sich mit minus 0,6 Tagen weniger stark als in der Vergleichperiode mit minus 0,7 Tagen, und schließlich nahm die Zahl der Beschäftigten um 50 000 ab, während sie von 1999 bis 2001 noch um 106 000 wuchs. Die aktuelle These des Sachverständigenrates, das DRG- System führe zu Leistungsausweitungen und Unwirtschaftlichkeiten, weshalb ein weiterer Preiswettbewerb eingeführt werden solle, wird durch die Analyse dieser Zahlen nicht untermauert. Der Wettbewerb muss heute bereits zwischen den einzelnen Krankenhäusern auf der Basis einer steigenden Unterfinanzierung geführt werden, die sich daraus ergibt, dass allgemeine Kostensteigerungen aus einem real sinkenden Landesbasisfallwert finanziert werden müssen. Angesichts dieser Situation ist ein weiterer Mittelentzug durch Preisabschläge zu Gunsten einzelner Krankenkassen für die Krankenhäuser weder notwendig noch verkraftbar. Ein solches Modell verschärft nur die Unterfinanzierung und beschleunigt den Beschäftigungsrückgang. 832 9/2007 Reformbedarf im Gesundheitswesen 35,3% 32,8% Legende: rot = Verlauf der Ist-Ausgaben, blau = Verlauf bei konstanter Fall- und Versichertenzahl der GKV 37,0% 36,0% 35,0% 34,0% 33,0% 32,0% 31,0% 30,0% Diese negativen Entwicklungen dürfen nicht durch weitere Kostendämpfung, Preisdrückerei und zentrale Bürokratisierung befördert werden. Dringend erforderlich wäre ein Ende der strikten Budgetierung, um zumindest für die Krankenhäuser nicht beeinflussbare Kostenerhöhungen auf Dauer ausgleichen zu können. Notwendig wäre auch eine angemessene Begleitforschung, um eine kritische Überprüfung der DRG-Entwicklung zu ermöglichen. Die Analyse der Zahlen zeigt auch, dass die bestehende Unterfinanzierung der Betriebskosten kaum ausreicht, um daraus noch Investitionen finanzieren zu können. Deshalb ist eine deutliche Aufstockung der investiven Mittel notwendig. Der Abbau des bestehenden Investitionsstaus im Krankenhausbereich muss Priorität haben vor der Diskussion über die Frage Dualistik versus Monistik. Entscheidend für die Krankenhäuser ist das zur Verfügung stehende Geld. Literatur: Deutsche Krankenhausgesellschaft: Konzept für die Ausgestaltung des ordnungspolitischen Rahmens ab dem Jahr 2009, Berlin, Januar 2007 Konferenz der Gesundheitsminister der Länder (GMK): Beschluss zur Zukunft der Krankenhäuser, Sonderkonferenz (80. GMK) vom 08.03.2007 Dr. Wulf-Dietrich Leber, Jürgen Malzahn, Johannes Wolf (WIdO) : Elektiv wird selektiv Ein Vorschlag für einen nach Krankenhausleistungen differenzierenden Ordnungsrahmen, Bonn, 12. März 2007 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Gutachten 2007: Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung, insbesondere Kapitel 4, Bonn, Juli 2007 Tuschen, Karl-Heinz u.a.; Mehr Wettbewerb, Transparenz und Qualität in der Diskussion um die Krankenhausfinanzierung beziehen die Beteiligten Position, in f&w Nr. 4-2007, Seite 370 ff. Datenquellen: Statistisches Bundesamt, Kostennachweis der Krankenhäuser, Fachserie 12, Reihe 6.3, Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, Fachserie 12, Reihe 6.1, BMG, Statistik der GKV, KV45, KJ2, KM1, KG2, PKV-Bundesverband, Zahlenberichte 1996-2006, eigene Berechnungen Anschrift des Verfassers: Diplom-Volkswirt Uwe Zimmer, Geschäftsführer, Krankenhausgesellschaft der Freien Hansestadt Bremen e.v., Anne Conway Straße 10, 28359 Bremen www.hbkg.de