Klausur 1; Schwierigkeitsgrad Lösungsskizze Zu 2.1 I. Feststellen der Hilfeart Die Sozialhilfe umfasst gemäß 28 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 SGB I und 8 Nr. 1 bis 7 Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL), Grundsicherung im Alter (GruSi), Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfe in anderen Lebenslagen (HiaL). Aufgrund des sich aus dem 18 ergebenden Gesamtfallgrundsatzes ist die Behörde verpflichtet, den Hilfefall umfassend zu prüfen. Hierbei ist sie an einen Antrag nicht gebunden.. Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes ( 20 SGB X) ermittelt die Behörde den Sachverhalt von sich aus. Hierbei bedient sie sich der in 21 SGB X bezeichneten Beweismittel. Die allgemeine Lebensgrundlage ist nicht gefährdet. In Betracht kommt hier die Hilfe zur Pflege gemäß 61 ff. II. Formellrechtliche Prüfung 1. Zuständigkeiten Die Sozialhilfe wird gemäß 28 Abs. 2 SGB I i.v.m. 3 Abs. 1 von örtlichen und ü- berörtlichen Trägern gewährt. 1.1 Sachliche Zuständigkeit Gemäß 97 Abs. 1 ist der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers gegeben ist. Gemäß 97 Abs. 2 wird die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach Landesrecht bestimmt. Gemäß 2 Satz 1 a) AG-SGB XII NRW wird das für das Sozialhilferecht zuständige Ministerium u. a. dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, für welche Aufgaben die überörtlichen Träger nach 97 Abs. 2 sachlich zuständig sind.
Die sachliche Zuständigkeit der überörtlichen Träger im Lande NRW ist im 2 AV- SGB XII NRW geregelt und sieht eine Zuständigkeit eines überörtlichen Trägers für die Hilfe zur Pflege außerhalb von Einrichtungen nicht vor, so dass ein örtlicher Träger sachlich zuständig ist. 1.2 Trägerschaft Örtliche Träger sind gemäß 3 Abs. 2 die kreisfreien Städte und die Kreise, soweit nicht nach Landesrecht etwas anderes bestimmt ist. Aus dem 1 AG-SGB-XII NRW ergibt sich diesbezüglich keine abweichende Regelung. 1.3 Örtliche Zuständigkeit Örtlich zuständig ist gemäß 98 Abs. 1 der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich aufhält. Die Eheleute Wurst halten sich im Bereich der kreisfreien Stadt Solingen auf, so dass die Stadt Solingen sachlich und örtlich zuständiger Sozialhilfeträger ist. III. Materiellrechtliche Prüfung 1. Nachrang der Sozialhilfe Nach 2 erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen erhalten kann. Vorrangig ist die Selbsthilfe. Bezogen auf den vorliegenden Fall kommt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht in Betracht (vergl. 11 Abs. 4). Der Einsatz des Einkommens wird im weiteren Verlauf geprüft. Des weiteren wird zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Anspruch gegen Herrn Vendetta gem. 93 auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden kann. Sozialleistungen werden bereits in Form von Renten und Leistungen der Pflegeversicherung bereits bezogen. Ansprüche gegen andere Sozialleistungsträger und sonstige Dritte sind nicht erkennbar. Der Grundsatz der Nachrangigkeit steht derzeit einer Hilfegewährung nicht entgegen.
2. Berechtigung Gemäß 19 Abs. 3 wird Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des siebten Kapitels gewährt, soweit dem Hilfesuchenden, seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten und, wenn er minderjährig und unverheiratet ist, auch seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des elften Kapitels nicht zuzumuten ist. Im vorliegenden Fall stellt das Ehepaar Wurst eine Einkommens- und Vermögensgemeinschaft dar. Es sind zunächst die Voraussetzungen des siebten Kapitels zu prüfen. 3. Sachliche Voraussetzungen 3.1 Besondere sachliche Voraussetzungen Um Pflegeleistungen nach dem SGB XII zu erhalten, müssen die Voraussetzungen des 61 Abs. 1 Satz 1 erfüllt sein. Danach ist Personen Hilfe zur Pflege zu gewähren, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß 62 ist dabei die Entscheidung der Pflegekasse zum Ausmaß der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der Hilfe zur Pflege zugrunde zu legen (Bindungswirkung). Nach dem Sachverhalt liegt die Pflegestufe III vor, die Voraussetzungen sind somit gegeben. Wenn, wie im vorliegenden Sachverhalt, im Falle des 61 Abs. 1 die häusliche Pflege ausreicht, regeln die 64 bis 66 das Nähere ( 63). 3.2 Maßnahmen Es könnte eine Leistung nach 64 Abs. 3 in Frage kommen. Da die Voraussetzungen der Pflegestufe III, wie oben festgestellt, vorliegen, ist als Rechtsfolge ein Pflegegeld in Höhe eines Betrages nach 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 zu gewähren. Die Höhe des Pflegegeldes beträgt laut Bearbeitungshinweis 3.3: 700,00. Des Weiteren könnten Leistungen nach 65 Abs. 1 Satz 2 in Betracht kommen.
Ist neben oder anstelle der Pflege durch Angehörige bzw. im Rahmen der Nachbarschaftshilfe die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich, so sind die angemessenen Kosten zu übernehmen. Die angemessenen Kosten betragen laut Sachverhalt 1.750,00. Von der Pflegekasse wird jedoch ein Betrag in Höhe von 1.550,00 gewährt, der aufgrund des Nachranggrundsatzes ( 2 ) in voller Höhe von den angemessenen Kosten abzusetzen ist. Daher ist der mögliche Anspruch auf den Betrag von 200,00 zu reduzieren. 3.3 Leistungskonkurrenz Gemäß 66 Abs. 2 Satz 1 werden Leistungen nach 64 neben den Leistungen nach 65 gewährt. Werden Leistungen nach 65 Abs. 1 oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften (hier: SGB XI) gewährt, kann das Pflegegeld um bis zu zwei Drittel gekürzt werden. Es besteht insoweit ein Ermessensspielraum. 3.3.1 Entschließungsermessen Das Pflegegeld dient dazu, die durch die Pflege bedingten Aufwendungen abzudecken sowie die Pflegebereitschaft der Pflegepersonen aufrechtzuerhalten. Da in diesem Fall nur ein Pflegedienst die notwendige Pflege sicherstellt, liegt auf jeden Fall insofern eine Doppelleistung vor, die mit Blick auf den 2 zu vermeiden ist. Es ist daher ermessensfehlerfrei, eine Kürzung vorzunehmen. 3.3.2 Auswahlermessen Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass neben dem Pflegedienst niemand an der Pflege des Herrn Wurst beteiligt ist, so dass es ermessensfehlerfrei erscheint, eine Kürzung in vollem Umfang vorzunehmen. 3.4 Bedarf Es besteht somit ein sozialhilferechtlich anzuerkennender Bedarf für die/ein - Kosten der besonderen Pflegekraft 200,00 - um zwei Drittel gekürztes Pflegegeld 233,33 4. Wirtschaftliche Voraussetzungen
Die Leistungen der Hilfe zur Pflege werden jedoch gemäß 19 Abs. 3 nur gewährt, wenn auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen nach dem elften Kapitel gegeben sind. Nach 85 Abs. 1 ist dem Hilfesuchenden und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs das monatliche Einkommen zusammen eine bestimmte Einkommensgrenze nicht übersteigt. Es ist daher zunächst die Einkommensgrenze für die Maßnahmen festzusetzen. Bezogen auf den Grundbetrag nach 85 Abs. 1 Nr. 1 ist zu prüfen, ob das Land NRW von der Möglichkeit des 86, nach dem die Länder und, soweit landesrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, auch die Träger der Sozialhilfe für bestimmte Arten der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel der Einkommensgrenze einen höheren Grundbetrag zugrunde legen können, Gebrauch gemacht hat. Gemäß 2 b AG-SGB XII NRW kann das für das Sozialhilferecht zuständige Ministerium bestimmen, dass für bestimmte Arten der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII der Einkommensgrenze ein höherer Grundbetrag zugrunde gelegt wird. Der AV- SGB XII NRW ist zu entnehmen, dass im Lande NRW von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht worden ist und es somit bei dem Grundbetrag nach 85 verbleibt. Einkommensgrenze - Grundbetrag nach 85 Abs. 1 Nr. 1 748,00 - Kosten der Unterkunft 85 Abs. 1 Nr. 2 375,00 - Familienzuschlag 85 Abs. 1 Nr. 3 262,00 -------------- Einkommensgrenze 1.385,00 Die Heizkosten werden im Bereich der Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht erfasst (siehe 35 Abs. 1 und Abs. 4). Sie gehören somit nicht zu den im 85 Abs. 1 Nr. 2 genannten Kosten der Unterkunft.
5. Ermittlung des Einkommens Einkommen im Sinne des 82 Abs. 1 sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. In Betracht kommen im vorliegenden Fall die Altersruhegelder der Ehegatten. Gemäß 82 Abs. 2 sind abzusetzen bzw. können abgesetzt werden bestimmte Beträge nach den Nummern 1 bis 5 sowie nach dem Abs. 3. Aus dem vorliegenden Sachverhalt heraus ergeben sich lediglich Absetzungsmöglichkeiten hinsichtlich der Hausratversicherung und der Sterbegeldversicherung nach 82 Abs. 2 Nr. 3 da die Beiträge nach Grund und Höhe angemessen sind. Die übrigen Beiträge bzw. Kosten sind Inhalt der Regelsätze und gleichfalls nicht abzugsfähig. Es ergibt sich die folgende Berechnung: - Altersruhegeld Ehemann 1.048,30 - Altersruhegeld Ehefrau 543,20./. Hausratversicherung 5,00./. Sterbegeldversicherung 1,50 --------------- bereinigtes Einkommen 1.585,00 6. Gegenüberstellung von Einkommen und Einkommensgrenzen 6.1 Gegenüberstellung Bereinigtes Einkommen (siehe 5.) 1.585,00./. Einkommensgrenze (siehe 4.) 1.385,00 --------------- Einkommen über der Einkommensgrenze 200,00 6.2 Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze Gemäß 87 Abs. 1 ist die Aufbringung der Mittel in angemessenem Umfang zuzumuten, soweit das zu berücksichtigende Einkommen die maßgebende Einkommensgrenze übersteigt. Hierbei sind vor allem die Art des Bedarfs sowie die Dauer und die Höhe der erforderlichen Aufwendungen und besondere Belastungen zu berücksichtigen. Gemäß 87 Abs. 1 Satz 3 ist bei schwerstpflegebedürftigen Menschen nach 64 Abs. 3 ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60 vom Hundert nicht zuzumuten. Der Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass weitere Teile des Einkommens über der Einkommensgrenze freizulassen wären. Es ist somit ein Betrag in Hohe von 80,00 als Kostenbeitrag zumutbar.
7. Höhe der Leistung Es sind Leistungen nach 65 Abs. 1 Satz 2 in Höhe von 200,00 und ein gekürztes Pflegegeld in Höhe von 153,33 (233,33./. 80,00 ) zu zahlen. 8. Form der Hilfe ( 10) Die Hilfe ist gemäß 10 grundsätzlich in Form einer Geldleistung zu erbringen da sie Vorrang vor der Sachleistung genießt. Dem Sachverhalt sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass von dieser Regel abgewichen werden müsste. Bezüglich der Übernahme der Kosten der besonderen Pflegekraft kann auch eine Sachleistung diskutiert werden (Begleichung der Rechnung des Pflegedienstes durch den Sozialhilfeträger). 9. Einsetzen der Hilfe Die Hilfe setzt gemäß 18 ab Bekanntwerden der Hilfebedürftigkeit ein. Die Tatsachen, die zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit führen, werden am 02.01.2012 bekannt. Ab diesem Zeitpunkt setzt die Hilfe ein. Zu 2.2 Da im vorliegenden Sachverhalt Hilfebedürftigkeit vorliegt, ist durch den zuständigen Träger der Sozialhilfe zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Nachrang der Sozialhilfe im Nachhinein wiederhergestellt werden kann. Es könnte die Überleitung des Anspruchs gegen Herrn Vendetta nach 93 in Betracht kommen. 1. Anwendbarkeit des 93 Der Anspruch darf nicht gem. 93 Abs. 1 gegen einen Leistungsträger im Sinne von 12 SGB I gerichtet sein. Der Anspruch richtet sich gegen eine Privatperson, die Voraussetzung liegt somit vor.
Gemäß 93 Abs. 4 darf nicht die Anwendbarkeit der Spezialnormen der 115 und 116 SGB X gegeben sein, die dem 93 vorgehen würden. Es geht im vorliegenden Fall weder um Ansprüche gegen Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt noch um Ansprüche gegen einen Schadensersatzpflichtigen. Die Ausschlussgründe sind somit nicht erfüllt. Somit ist die Anwendbarkeit des 93 grundsätzlich gegeben. 2. Materiell-rechtliche Voraussetzungen 2.1 Hilfegewährung In diesem Fall wird Hilfe zur Pflege gewährt. Dabei reicht es aus, dass über die Hilfe entschieden wurde. 2.2 Anspruch Es muss ein Anspruch gegen einen Dritten bestehen. Nach dem Sachverhalt handelt es sich um einen Anspruch gegen eine natürliche Person des privaten Rechts. Der Anspruch muss für die Zeit der Hilfegewährung bestehen (Grundsatz der Gleichzeitigkeit). Der Anspruch besteht seit Januar 2000 und nach wie vor. Er besteht für März 20110 und die weiteren Monate (Zeitidentität). Der Anspruch darf nur bis zur Höhe der Aufwendungen hier: 348,33 monatlich - übergeleitet werden. 2.3 Personenidentität Im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen ist es ausreichend, dass der Hilfeempfänger oder der nicht getrennt lebende Ehegatte den Anspruch besitzt. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt, da Frau Vehrde-Wurst Inhaberin des Anspruchs ist. 2.4 Kausalität Weiterhin muss gemäß 93 Abs. 1 Satz 3 Kausalität zwischen der Nichtzahlung des anderen und der Hilfegewährung durch den Sozialhilfeträger bestehen. Danach darf der Übergang des Anspruchs nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen die Hilfe nicht gewährt worden wäre. Es ist daher unter Berücksichtigung des Anspruchs als Einkommen eine fiktive Berechnung durchzuführen.
Die fiktive Berechnung beschränkt sich auf die Prüfung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich die Berücksichtigung des Anspruchs als Einkommen auf die Höhe der Leistung auswirkt. Berechnung: Bereinigtes Einkommen (siehe 5.) 1.585,00 zuzüglich Anspruch (siehe Sachverhalt) 250,00 -------------- für den Bedarf fiktiv zu berücksichtigendes Einkommen 1.835,00./. Einkommensgrenze (siehe 4.) 1.385,00 -------------- Einkommen über der Einkommensgrenze 450,00 3. Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze Auf die Ausführungen zu 2.1, Nr. 6.2 kann verwiesen werden. Demnach wären 180,00 (450,00./. 60 %) als Kostenbeitrag zuzumuten, wenn den Eheleuten die 250,00 monatlich zufließen würden. In Höhe von 100,00 ist somit die Nichtleistung des Anspruchs kausal für die Höhe der Sozialhilfeleistung. Wenn der Betrag von 250,00 monatlich gezahlt würde, müsste der Sozialhilfeträger in Höhe von 100,00 (250,00./. 60 % = 100,00 ) weniger an Leistung erbringen. In dieser Höhe ist die Kausalität gegeben. 4. Ergebnis Nach der Prüfung ist festzustellen, dass ein Betrag in Höhe von 100,00 gemäß 93 BSHG auf den Träger der Sozialhilfe überzuleiten ist.